Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Ihr Handeln im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement ist, weiß Gott, nicht auf der Höhe der Zeit. Nein, das habe ich hier, glaube ich, auch ausführlich dargelegt, schlimmer noch, mit diesen Beispielen behindern Sie es geradezu, weil Sie nämlich Leute entmutigen, sich hier wirklich einzusetzen.

Für die Grünen ist es wichtig, neben dem bürgerschaflichen Engagement von Verbänden, von Vereinen und Initiativen, von Selbsthilfegruppen und Beiräten, Kirchen und Sportvereinen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, neben diesem Engagement auch das zu nennen, das am häufigsten vorkommt, nämlich das Selbstverständliche, von ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern im Alltag: die Schularbeitenhilfe für ein Nachbarskind, das Einschreiten gegen Gewalt in der Straßenbahn, das Einkaufen für einen älteren Menschen, die vielen Eltern, die Schulen und Kindergärten gestalten.

Über die Enquetekommission möchte ich jetzt nichts sagen, weil ich mich dem anschließe, was Frau Wangenheim gesagt hat. Ihr Bericht, den Sie hier vorgelegt haben, ist für uns im Prinzip in Ordnung, besonders loben möchten wir, dass Sie da hineingeschrieben haben, dass Bürgerengagement kein Ersatz für den Sozialstaat und kein Instrument für Sparpolitik ist. Das sagen wir seit vielen Jahren, und ich bin froh, dass das jetzt die Linie des Senats ist.

Einen letzten Gedanken möchte ich hier zum Schluss anfügen: Dr. Michael Bürsch, das ist der Vorsitzende der Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages fordert einen Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern, die sich bürgerschaftlich engagieren und der Politik und sagt dann: „Einen Dialog zu führen setzt gleichberechtigte Partner voraus, die Fähigkeit zuzuhören und im Gespräch aus dem Gespräch zu lernen. Wie wir miteinander reden, sagt viel darüber aus, wie wir einander behandeln.“ Ich

möchte gern einräumen, dass das eine Herausforderung für die Politik ist, und die Grünen will ich davon nicht ausschließen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir haben noch eine Reihe von Wortmeldungen. Ich schlage vor, wir treten in die Mittagspause ein.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.01 Uhr)

Vizepräsident Dr. Kuhn eröffnet die Sitzung wieder um 14.32 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf dem Besucherrang darf ich ganz herzlich eine Gruppe der Begegnungsstätte „Die Brücke“ der Versöhnungsgemeinde Bremen, Mitarbeiter und den Vorstand des Rat-und-Tat-Zentrums für Schwule und Lesben und Studenten der Deutschen Außenhandelsund Verkehrsakademie begrüßen. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, bevor wir die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 15 fortsetzen, möchte ich außerhalb der Tagesordnung Frau Senatorin Adolf die Möglichkeit zu einer kurzen Erklärung geben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke für diese Möglichkeit, Ihnen eine frohe Botschaft mitteilen zu können. Der kleine Paul-Moritz ist wieder da.

(Beifall)

Er ist wieder bei seinen Eltern, er ist bereits untersucht worden, er ist wohlauf. Die näheren Umstände wird die Polizei mitteilen. Ich bedanke mich von dieser Stelle aus bei allen, die dazu beigetragen haben, dass das so schnell zu einem guten Ende gebracht werden konnte, bei der Polizei, den Einsatzkräften, aber auch bei der Bevölkerung, die wohl mit vielen Hinweisen geholfen hat. – Danke schön!

(Beifall)

Wir setzen nun die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 15, Verbesserung der Möglichkeiten für Ehrenamt/Freiwilligenarbeit, fort.

Das Wort hat der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich glaube, nach dieser Erklärung, die bestimmt insbesondere alle Eltern ganz tief bewegt hat, macht es doppelt Spaß, mit Ihnen weiter zu debattieren.

Dieses Haus hat in einem Antrag die Einrichtung einer Ehrenamt-Hotline in Bremen gefordert, der Senat sieht in seiner Antwort eine solche aber nicht vor. Zunächst wird auf die Kosten verwiesen. Nun könnten wir das Gegenspiel machen und den Senat darauf verweisen, dass man vielleicht auch für so etwas Sponsoren finden könnte. Wenn aber das Ziel, wir sind ja in einer modernen und schnelllebigen Zeit, Interessierten einen möglichst schnellen Zugriff auf Angebote für einen eventuellen eigenen Einstieg in die Freiwilligenarbeit, in das Ehrenamt, durch andere moderne Kommunikationsmittel erreicht wird, dann wird dieses Haus das sicherlich auch mittragen. Wir hängen nicht am Telefon, wenn es andere Möglichkeiten gäbe, tragen wir das selbstverständlich wohl auch mit.

In der speziellen Bremer Diskussion sind wir mehr denn je auf kleinräumiges Engagement angewiesen. Den Zeitungen, so vom Jahreswechsel, Frau Senatorin Adolf, konnte ich entnehmen, dass Sie immer wieder bei Ihren Besuchen in Bürgereinrichtungen das Ehrenamt gelobt und hervorgehoben haben, und gleichzeitig, und das fand ich auch sehr mutig, gesagt haben, dass wir nicht mehr weiter für alle Einrichtungen Bestandsschutz garantieren können.

Das ist in meinen Gedanken eigentlich auch so ein Ansatz, wo das Referat Freiwilligenarbeit in Ihrem Hause dazu beitragen könnte, den Betroffenen – denn die sehen das natürlich ganz anders, das ist klar. Jeder liebt seine eigene Einrichtung und hält sie für unverzichtbar, das ist auch das gute Recht von jemandem, der sich engagiert, dass er seine Einrichtung für ganz besonders unverzichtbar hält – dabei zu helfen, nach Möglichkeiten zu suchen, dass man mit Sponsoren oder Selbsthilfe oder auf anderen Wegen diese Einrichtungen offen halten kann.

Nach der Meinung von Fachleuten, die sich ja jetzt in dieser Enquetekommission in Berlin auch fachlich austauschen, werden die kleineren Einheiten bürgerlichen Engagements in der Zukunft größere und zunehmende Bedeutung haben. Das ist leicht erklärbar, hier kann man aus der Freude und eigener Betroffenheit heraus tätig werden, lernt selbständig zu sein, sich etwas zuzutrauen und das, was man sich zutraut, auch umzusetzen und ist dennoch frei und nicht an einen großen Träger gebunden. Das beobachten wir doch alle, dass sich viele Menschen eben scheuen, ehrenamtlich tätig zu sein und sich vereinsmäßig oder in großen Trägergesellschaften einbinden zu lassen, weil sie die Befürchtung haben, einmal so eine Tätigkeit, dann werde ich im

mer wieder zu so einer Tätigkeit herangezogen, und das möchten sie nicht. Das haben wir aber ja in der Debatte im Sommer letzten Jahres eindringlich debattiert, wie sich die Zuneigung zum Ehrenamt heute darstellt.

Ich möchte auch auf ein Plakat hinweisen. Wenn man im Moment durch die Stadt geht und Litfasssäulen anschaut, kann man dieses Plakat sehen. Mehrere Menschen, Männer, Frauen, junge Menschen, Menschen unterschiedlichen Alters blicken dort von den Plakatwänden herab und sagen: Das, was ich mache, ist nicht zu bezahlen. Ich glaube, mit dieser Aussage allein wird ein ganzes Stück Stolz darauf, was Ehrenamt bedeutet, dargestellt. Das, was ich mache, ist eigentlich nicht zu bezahlen, aber ich mache es für die Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Auch in Berlin hat man die Wichtigkeit des Ehrenamtes, der Freiwilligenarbeit erkannt, meine Damen und Herren. Wir haben über diese Enquetekommission schon gesprochen, der Abschlussbericht soll ein halbes Jahr vor Ende der Legislaturperiode vorliegen. Das bringt dann für das Jahr 2001 eigentlich nichts mehr, aber ich glaube, wir sind uns zumindest hier im Haus alle einig, dass ein solches von der Uno initiiertes Jahr der Freiwilligen 2001 dann am Ende von 2001 nicht zu Ende sein, sondern dass es irgendwelche Funken in die Luft setzen soll, die andere entflammen, weiter mit ehrenamtlicher Arbeit tätig zu sein.

Bei dieser Diskussion der Enquetekommission zur Zukunft des bürgerlichen Engagements ist allerdings auch deutlich geworden, dass 10 000 Jugendliche sich jedes Jahr im freiwilligen sozialen Jahr oder im freiwilligen ökologischen Jahr engagieren. Ich finde diese Zahlen ganz beachtlich, und hier übersteigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber die Zahl der Plätze. Eine Ausweitung des Angebots und eine noch attraktivere Gestaltung der angebotenen Dienste hält die CDU-Fraktion, nicht nur in Berlin, sondern auch die hier im Haus, für dringend notwendig. Da halte ich für einen völlig falschen Schritt, dass man die Mittel für das freiwillige soziale Jahr – 1998 betrugen die noch 21,5 Millionen DM – für 2000 und 2001 auf 16,7 Millionen DM zusammengestrichen hat. Das passt eigentlich mit dem Jahr der Freiwilligen nicht zusammen, und man kann mir eigentlich nicht deutlich machen, wie man mit weniger Geld die Anzahl der Plätze und die Attraktivität solch eines Angebots steigern kann.

Das können wir natürlich von Bremen aus nicht ändern, aber wir können Forderungen nach mehr Plätzen und nach mehr Geld unterstützen. Damit würden wir einen wichtigen Beitrag dazu liefern, dass freiwilliges, gemeinnütziges Engagement bereits in jungen Jahren erlernt wird und noch fester als bisher – erinnert sei an die 30 Prozent der er

wachsenen Bevölkerung, die sich engagieren – in der Bevölkerung verankert wird. Das gilt es zu festigen und auszubauen.

Es gibt auch noch ein Problem! Ich habe in Vorbereitung dieser Debatte einmal mit Personen gesprochen, die jedes Wochenende die C- und D-Jugend von Fußballmannschaften fahren. Sie sind gar nicht begeistert darüber, dass sie nun überhaupt keinen Ersatz dafür bekommen. Die kleinen Vereine sind ja auch meistens sehr arm und mit dem Geld nicht so betucht. Da wirkt sich doch die Ökosteuer und das Tanken dann sehr stark aus, und die Gruppenleiter, die diese jungen Mannschaften betreuen, haben zunehmend Schwierigkeiten, Eltern zu finden, die diesen Fahrdienst übernehmen.

Nicht nur im internationalen Jahr der Freiwilligen gibt es viel zu tun, aber im Sinne von bürgerschaftlichem Engagement ist in diesem Jahr besonders viel und besonders Wichtiges zu tun. Wir wollen das auch anpacken und den Senat dabei begleiten, denn das gilt auch für den Senat. Der vorliegende Bericht ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, bürgerschaftliches Engagement in den Städten Bremerhaven und Bremen aufzuwerten und auszuweiten und dauerhaft zu verfestigen. Wer sich die ersten Berichte dieser Enquetekommission anschaut, der wird sehen, dass verständlicherweise Sport und Bewegung das Gebiet ist, auf dem sich die meisten Menschen ehrenamtlich engagieren. Im Bereich Justiz/Kriminalitätsprobleme sind es am wenigsten. Das ist eine sehr deutliche Statistik. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sie sich von Ihren Mitarbeitern besorgen zu lassen.

Was mir ein wenig zu denken gegeben hat: Der soziale Bereich schwebt so ein bisschen in der Mitte. Vielleicht muss man da ein bisschen anspornen, vielleicht muss man da noch mehr Initialzündungen geben, dass sich dort mehr Menschen engagieren als jetzt.

Wir werden das Problem haben, dass wir weniger Zivildienstleistende haben. Da möchte ich an das Sahnehäubchen erinnern, von dem die Kollegin Wangenheim gerade gesprochen hat. Dieses Sahnehäubchen könnten auch die jungen Leute sein, die im freiwilligen ökologischen oder sozialen Jahr sind, nur müssen wir sie dafür ansprechen, dafür müssen wir das ausbauen und pflegen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wangenheim.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der zweite Teil meiner Rede bezieht sich jetzt auf das Land Bremen. Die SPD-Fraktion ist froh, dass endlich auch haushaltsmäßig die Unterstützung der Freiwilligenagentur, ich habe mir aufgeschrieben besser, eingetütet ist, wenn

auch nur für fünf Jahre, aber immerhin haben wir dort einen Rahmen geschaffen. Somit ist hoffentlich eine andere Präsenz möglich, Herr Oppermann hat das hier vorhin schon angesprochen. Wir benötigen eine solche Freiwilligenagentur, um all den Initiativen dieser Stadt Unterstützung zu bieten, um mit ihren Freiwilligen und Hauptamtlichen Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen.

Die klare Zuständigkeit im Referat Freiwilligenarbeit im Sozialressort ist für mich erst einmal nur ein kleines Pflänzchen. Ich erlebe, dass die Akzeptanz größer wird, so wie es auch in dem Bericht steht. Die Veranstaltungsreihe, die dort startet, gefällt mir persönlich sehr unterschiedlich, allerdings habe ich festgestellt, wenn Themen aufgegriffen werden, wie jetzt das Thema Versicherung, dann ist wirklich das Haus voll. Das war ein gezieltes Angebot und ein Anliegen der Freiwilligen. Dort haben wir Bedarfe, und das müssen wir weiter ausbauen.

Jetzt komme ich zu den einzelnen Aktivitäten der Ressorts! Bildung, die Zeugnisordnung, okay! Vermisst habe ich an der Stelle eigentlich die Förderung auch weiterhin der Schülervertretung. Schüleraktionen für Frieden und Umwelt und gegen Abschiebung, Jugend forscht, alles das sind Dinge, die für mich auch mit Erwähnung im Zeugnis finden könnten. Ehrungen aller Art an Hochschulen und Universitäten, das sehe ich wie Herr Oppermann: Wer sich dort eine Medaille erwirbt, soll sie dann haben.

Die Beschreibungen im Bauressort haben mich sehr angesprochen, hier geht es um die Ausführungen zur Agenda 21, das freiwillige Engagement aus Betroffenheit. Es geht um mein Quartier, daraus leiten sich auch die nachhaltigen Beteiligungsansprüche am politischen Geschehen ab. Es ist wichtig für mich, dass wir das nicht im Keim ersticken, sondern dort auch fortfahren.

Das freiwillige soziale Jahr und das freiwillige ökologische Jahr, hier müssen wir noch zu neuen Ideen kommen, Herr Oppermann, das sehe ich so, dass wir das weiter ausbauen müssen, denn durch den Abbau der Zivildienstleistenden werden uns nicht nur die vielen Stunden fehlen, sondern auch die jugendliche Frische, die mit den Zivildienstleistenden in die Verbände und Einrichtungen kommt.

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich Sport engagieren sich 17 000 bis 18 000 Personen. Hier teile und unterstütze ich die sieben Spiegelstriche über weitere Förderungs- und Anerkennungssysteme. Die Idee einer Zertifizierung der erworbenen Fortbildungen in einem Weiterbildungspass kann auch beruflich Anerkennung bringen. In England wird zum Beispiel allen Jugendlichen eine Volontärszeit ab 200 Stunden in Betrieben oder Vereinen richtig zertifiziert, und das nehmen sie mit in ihre berufliche Laufbahn. Für mich ist das hier ein Anfang in eine solche Richtung.

Im Kulturressort wird eine Förderprogrammatik – tolles Wort! – entwickelt. Ich habe mit Frau Emigholz gesprochen, 500 000 DM sind vorgesehen für Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen von Ehrenamtlichen, um hier eine Unterstützung im Kulturressort hinzubekommen. Das gilt für die großen Einrichtungen. Für mich ist hier auch noch wichtig, dass wir alle die kleinen Einrichtungen nicht vergessen.

Wenn wir die Drucksache von 1996 ansehen, sind viele Einrichtungen aufgezählt, und ich sage, wie Herr Oppermann, man kann viele vergessen. Deshalb ist es jetzt schwierig, sie alle aufzuzählen, die hier stehen, weil auch dies nicht alle sind. Für mich und für meine Fraktion sind sie alle wichtig, egal ob es die Freiwillige Feuerwehr ist oder der Elternteil in einer Mutter-Kind-Gruppe.

(Beifall bei der SPD)

Alle, egal ob sie freigestellt werden und eine Aufwandsentschädigung bekommen oder alle die, die nie, nicht einmal in der Zeitung, erwähnt werden!

(Beifall bei der SPD)