Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

(Beifall bei der SPD)

Auch ich hatte die Gelegenheit, gestern an dieser Tagung des Wirtschaftsverbandes Weser teilnehmen zu können, bei der das Who’s who der Hafenwirtschaft im Rathaus versammelt war. Dem Herrn Bundesminister habe ich aufmerksam zugehört, und er hat einige Fakten genannt, die offensichtlich von anderen irgendwie anders verstanden worden sind, so, wie es passen mag. Es ist so: Der Bundesverkehrswegeplan, Herr Kastendiek, war 1992, als er beschlossen worden ist, schon mit einem Defizit von 100 Milliarden DM belastet. Das ist das Erbe, das ist ein Fakt!

(Zuruf von der SPD: Das will er aber nicht hören!)

Das können auch Sie nicht aus der Welt diskutieren, wenn Ihnen die neue Politik nicht passt. Wer damals regiert hat, ist bekannt, Sie haben es selbst gesagt, es war die Kohl-Regierung. Es ist also nicht nur alles in den Süden gegangen, sondern er war tatsächlich mit einer solchen Summe belastet. Diese Politik muss man sich dann auch einmal vor Augen halten. Die neuen Mittel im jetzigen Haushalt des Bundesverkehrsministeriums haben einen Umfang von 26 Milliarden DM für investive Maßnahmen. Das ist eine neue Rekordsumme.

(Beifall bei der SPD)

Das ist beachtlich, und das sind Fakten, mit denen Sie sich dann noch einmal auseinander setzen müssen, aber bitte sachlich und fachlich, denn es nützt ja nichts, nur Aussagen zu treffen, da passt mir die Richtung nicht oder so ähnlich. Das ist eben auch Grundlage der Politik, dass man das tut.

Ich bin nach wie vor ein Anhänger und Fan der integrierten Verkehrspolitik. Da halte ich es auch mit dem Bundesverkehrsministerium und mit meiner Fraktion und offensichtlich auch mit einigen der Grünen: Sie ist notwendig und richtig, und so steht es auch in unserem Antrag. Lesen Sie bitte die Aussagen zur Regionalstadtbahn, zum Ausbau von Schiene und Wasser, zum Verkehrsweg Wasser komme ich gleich noch einmal.

Integrierte Verkehrspolitik heißt, eine Abstimmung und eine Verbindung aller Verkehrswege: Schiene, Wasser, Straße! Der Bundesverkehrsminister hat gestern für die Wasserstraßen die Hinterlandanbindung für Wilhelmhaven, für unseren geplanten Tiefseewasserhafen zugesagt. Sie ist von eminenter Bedeutung für Bremen. Wir alle wissen, wie viele Arbeitsplätze von der Hafenwirtschaft abhängig sind und wie wichtig das für unser Beschäftigungsvolumen ist.

Er hat gesagt, dass die Binnenschifffahrt und überhaupt die Wasserstraßen erhebliche Vorteile bieten. Sie sind sicher und umweltfreundlich, um nur zwei Beispiele zu nennen. Er will die neuen Gutachten ergebnisoffen und unvoreingenommen prüfen, um dann zu diesen neuen Erkenntnissen zu kommen, den notwendigen Ausbau von 140 Metern, den wir hier auch schon in der Bremischen Bürgerschaft gemeinsam beschlossen haben, sicherzustellen. Deshalb ist das Ausschreibungsverfahren – es war schon auf dem Weg, aber nur für 115 Meter, halten Sie sich das bitte vor Augen! – gestoppt worden.

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Von ihm!)

Natürlich! Von wem sonst? Das ist die Bundeswasserstraßenverwaltung, die das in Auftrag zu geben hat. Wir sind natürlich als Land Bremen aktiv gewesen, das ist richtig – wir als SPD-Fraktion allemal! –, aber das ist doch ein Erfolg, und das hat er gestern zugesagt. Das Fazit der versammelten Hafenwirtschaft war: ein schöner Schritt, ein großer Schritt in die richtige Richtung! Das verlangt Anerkennung!

(Beifall bei der SPD)

Insofern, meine Damen und Herren, glaube ich, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir haben einen solchen Antrag erarbeitet.

Zum Schluss möchte ich den Senat noch einmal auffordern, weil wir keine Termine gesetzt haben – es ist die Abstimmung mit Niedersachsen notwendig, das ist klar, und umso durchsetzungskräftiger

ist man auch, und wir haben gemeinsame Interessen –, dass er dies bitte unverzüglich und schnell abarbeitet und uns dann berichtet.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schramm.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser ewige Vorwurf, wir würden keine Vorschläge machen, aber immer kritisieren, ich glaube, das hat meine Rede gezeigt, traf in diesem Fall eben nicht zu! Wir haben verschiedene Projekte vorgetragen, die wir verkehrspolitisch unterstützen möchten, ich muss sie nicht alle wiederholen: Güterverkehrszentren entwickeln, den kombinierten Ladungsverkehr entwikkeln, die A 281 als Entlastungsstraße begreifen und ausbauen, anstatt die A 27 zu verbreitern, weil das gar keinen Sinn macht, wenn die Brücke über die Lesum vierspurig bleibt und es zu einem neuen Engpass kommt!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das ist doch Quatsch!)

Natürlich! Schauen Sie sich doch die Anträge in den Wirtschaftsförderungsausschüssen an, in denen wir genau das beschlossen haben.

Dann noch einmal zu der Philosophie, Herr Kastendiek, die Sie hier vorgetragen haben, dass eine gute Wirtschaftspolitik immer auch mit sehr guten Verkehrsanbindungen einhergeht! Das ist natürlich so allgemein wie richtig. Die Philosophie, die aus der Antwort des Senats hervorgeht, dass man sagt, wenn es wirtschaftliche Probleme innerhalb der Ansiedlungspolitik Bremens gibt, dann ist immer die Verkehrsleistung schuld, und man muss zusätzliche Infrastrukturen ausbauen, wenn es aber wirtschaftliche Erfolge gibt, dann ist ebenfalls die gute Verkehrsanbindung ursächlich, und man muss, um das zu verbessern, auch die Verkehrsinfrastrukturen ausbauen, denke ich, hat der Senat in seiner Gewerbeund Ansiedlungspolitik doch selbst durchbrochen.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage anzunehmen?

Nein, einen kleinen Moment, im Moment nicht!

Wenn Sie sich einmal die zentralen Ansiedlungsprojekte, auch die sind in der Antwort des Se––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nats genannt, vor Augen führen: Was war denn mit dem GVZ?

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Sieling?

Nein! Was war denn mit dem GVZ? Im Rahmen der Ansiedlungspolitik ist es doch bewusst an den verkehrlichen Rand gelegt worden. Das GVZ hat sich aber trotzdem stabilisiert und gut entwickelt, obwohl die Verkehrsanbindungen ziemlich schlecht waren. Der Großmarkt im Überseehafen ist die neue Entscheidung, ein Großprojekt! Sie haben ihn in den alten Hafenrevieren angesiedelt, ohne an eine richtige Verkehrsanbindung zu denken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Technologiepark Airport wird immer als ein hervorragendes Beispiel für Prosperität angeführt. Auch hier ist nur eine mittelmäßige Verkehrsanbindung vorhanden, und trotz dieser Verkehrsanbindung hat sich der Technologiepark Airport relativ gut und stark entwickelt. Das Gewerbegebiet Hemelinger Marsch hat jetzt eine sehr gute Verkehrsanbindung. Es hat sich aber eher schlecht entwickelt, und es ist kein positives Anzeichen für die Entwicklung dieses Gebietes zu erkennen. Dann wird noch das Carl-Schurz-Gelände in Bremerhaven in der Antwort des Senats angeführt. Es ist meines Erachtens auch sehr gut angebunden, hat sich aber sehr schlecht entwickelt. Das sind alles Beispiele für die Philosophie, die der Senat selbst widerlegt hat, dass eine wirtschaftliche Prosperität immer nur mit dem Ausbau der verkehrlichen Infrastrukturen einhergeht. Nun noch einmal kurz zur rotgrünen Politik der Bundesregierung, die Herr Kastendiek angesprochen hat! Ich teile natürlich voll die Auffassung von Frau Lemke-Schulte, die das noch einmal zurückgewiesen und auf die neue Qualität der rotgrünen Verkehrspolitik im Bund hingewiesen hat. Dass eine Verkehrspolitik auch in den Köpfen neu beginnt, haben Sie irgendwie noch nicht registriert, Herr Kastendiek. Dass auch die EU-Kommission eine völlig neue Verkehrspolitik ansteuert und beschließt, weil ja der Straßengüterverkehr an seine Grenzen gekommen ist, müssen Sie auch einmal begreifen, und dass die EU-Kommission gesagt hat, wir machen keinen Straßenausbau mehr, sondern wir fördern die Alternativen, auch das müssen Sie endlich einmal begreifen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Wort noch zur Finanzierung! Die große Koalition fordert in ihrem Antrag, der hier noch einmal so

positiv vorgetragen worden ist, auch eine streckenbezogene Lkw-Maut. Das ist ja nicht schlecht. Gleichzeitig fordern Sie aber die Vorziehung sämtlicher verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen, die Ihnen eingefallen sind. Sie sagen, das muss man aus dem Geld finanzieren, das sozusagen aus der Maut hereinkommt. Das ist ein Anti-Stau-Programm. Sie vergessen aber zu sagen, dass vereinbart ist, dass aus diesem regenerierten Geld der Maut mindestens fünfzig Prozent in den Schienenverkehr fließen muss. Das heißt, wenn Sie das nicht tun und eine horrende Anzahl von Straßenprojekten jetzt hier durch den Antrag anmelden, dann erhöhen Sie natürlich den Druck, schienengebundene Verkehre eben nicht mehr zu realisieren. Diese Politik, finde ich, geht in die falsche Richtung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zur Überzeichnung des Bundesverkehrswegeplans ist einiges gesagt worden. Das sind Altlasten der Regierung Kohl, die muss man jetzt Stück für Stück wieder abarbeiten.

Noch ein Wort zur Privatfinanzierung! Es ist ja auch völlig klar, Sie wollen alle Verkehrsprojekte vorziehen, vorzeitig privat finanzieren, obwohl Sie im Bundesverkehrswegeplan wahrscheinlich bei einer Kosten-Nutzen-Analyse hinten herunterfallen würden. Das ist, finde ich, eine Überlegung, die man sich auch einmal vor Augen führen muss. Das würde nämlich bedeuten, dass man sozusagen für private Strecken Maut zahlt, die zur Lkw-Maut, die ja sowieso zu bezahlen ist, hinzuzurechnen ist. Das heißt, der Verkehr wird sich hier noch einmal verteuern. Das ist eine Politik, die man noch einmal kritisch überdenken muss.

Ich denke, dass die rotgrüne Bundesregierung mit der Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans und neuer Kriterien auf dem richtigen Weg ist. Das sollte man verfolgen und bei der Anmeldung neuer Projekte beachten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Noch einmal?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur ganz kurz, damit das Gestöhne nicht allzu laut wird! Frau Lemke-Schulte, es gibt so ein paar Punkte, die Sie ganz bewusst missverstehen wollten, damit Sie sich noch einmal melden konnten. Ich will sie hier noch einmal klarstellen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Die Lkw-Maut! Es geht der CDU nicht darum, sich einer Debatte zu entziehen, wie die Transitverkehre aus den Nachbarländern nicht an den Kosten des Straßenverkehrs beteiligt werden. Das hat hier überhaupt keiner gesagt, und es steht auch in keinem Antrag. Uns als CDU geht es nur darum, dass Sie als SPD die Maut dem deutschen Speditionsgewerbe zusätzlich aufbürden wollen und damit Arbeitsplätze in diesem Land vernichten. Das ist der Punkt, den wir kritisieren, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir dann gerade dabei sind: Wenn Sie jetzt schon seit drei Jahren immer von irgendwelchen Altlasten reden, die die Vorgängerregierung Ihnen hinterlassen hat, muss ich Ihnen sagen, dann kann es mit Ihren Fähigkeiten auch nicht allzu weit her sein, wenn Sie es in drei Jahren nicht schaffen, diese Altlasten zu beheben, meine Damen und Herren! Das ist genau der Punkt an dieser Stelle, Sie haben es nicht geschafft – das ist auch der Kern der Kritik und das Hauptproblem –, in vier Jahren Bundesregierung einen rotgrün gestrickten Bundesverkehrswegeplan zu verabschieden. Das ist das Hauptproblem, und damit verzögern Sie wichtige Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in diesem Land, meine Damen und Herren.

Ich glaube, hier ist nicht nur in diesem Bereich, sondern ganz besonders ein großes Versagen der rotgrünen Bundesregierung. Es mag Ihnen vielleicht persönlich helfen, dass Sie jetzt irgendwelche Zahlen aus irgendwelchen Statistiken abrufen, an dem Kernpunkt aber, dass Sie es an der Stelle nicht geschafft haben, Ihre selbstpostulierte alternative Verkehrspolitik voranzubringen, an diesem Ziel müssen Sie sich messen lassen, und gemessen an diesem Ziel haben Sie versagt! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Hattig.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße diese Große Anfrage, weil sie ermöglicht, dass wir zentrale Probleme des Wirtschaftslebens hier in diesem Hause einmal in einer konzentrischen Form betrachten. Ich will mich aber auch kurz fassen, ich bemühe mich jedenfalls darum, damit wir das Wesentliche noch einmal betrachten.

Erstens: Bremische Wirtschafts- und Verkehrspolitik muss auch von dem Kernsatz ausgehen, der hier mehrfach angesprochen wurde, dass Verkehrspolitik und leistungsfähige Strukturen Voraussetzungen und eine Bedingung der Wirtschaft sind. Zweitens: ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Natürlich kann man keine bremische Verkehrsidylle, so das überhaupt möglich wäre in Bremen, schaffen, sondern wir sind im Kontext eines Verbundes. Das heißt, wir müssen auf Nordwestdeutschland achten und dabei dafür sorgen, dass man auch umgekehrt auf uns achtet. Das heißt wiederum, dass die Sache so miteinander verzahnt ist, dass wir, glaube ich, nicht lange darüber meditieren müssen, wer was bedingt. Wir müssen ein guter Verkehrsknotenpunkt für Nordwestdeutschland sein.