Protokoll der Sitzung vom 28.11.2001

Haushaltsrechnung der Freien Hansestadt Bremen (Land) für das Haushaltsjahr 1999

Mitteilung des Senats vom 24. Oktober 2000 (Drucksache 15/507)

s o w i e

Jahresbericht 2001 über die Prüfung der Haushaltsund Wirtschaftsführung und der Haushaltsrechnung 1999 der Freien Hansestadt Bremen (Land) des Rechnungshofs vom 12. März 2001

(Drucksache 15/654)

u n d

Ergänzungsbericht zum Jahresbericht 2001 (Land) des Rechnungshofs vom 4. September 2001

(Drucksache 15/812)

des Weiteren

Bericht und Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses zur Haushaltsrechnung der Freien Hansestadt Bremen (Land) für das Jahr 1999 (Mit- teilung des Senats vom 24. Oktober 2000 – Drs. 15/507), zum Jahresbericht 2001 des Rechnungshofs (Drs. 15/654 vom 12. März 2001) , zum Ergänzungsbericht (Drs. 15/812 vom 4. September 2001), zur Mitteilung des Senats vom 23. Oktober 2001 (Drs. 15/862) und zu den Bemerkungen des Rechnungshofs vom 25. Oktober 2001 (Drs. 15/867) vom 7. November 2001

(Drucksache 15/874)

u n d

Rechnung des Rechnungshofs über seine Einnahmen und Ausgaben in Kapitel 0011 des Haushaltsjahres 2000 vom 17. Mai 2001

(Drucksache 15/724)

u n d

Bericht und Antrag des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses zu der Rechnung des Rechnungshofs der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2000 (Drs. 15/724) vom 13. November 2001

(Drucksache 15/878)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Perschau, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Dannemann.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben ja festgestellt, dass die Einleitung des Präsidenten doch relativ lang war, was daran liegt, dass wir sieben oder acht Tagesordnungspunkte zusammenfassen. Das macht auch einen gewissen Sinn, weil sie alle im weitesten Sinne etwas miteinander zu tun haben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir wollen uns heute unter anderem über Grundsatzpositionen der bremischen Haushaltspolitik unterhalten, eine Mitteilung des Senats, die dann als Ausfluss des Rechnungshofsberichts zu Bemerkungen des Rechnungshofs geführt hat. Es ist ja niemandem verborgen geblieben, dass zwischen dem Finanzressort und dem Rechnungshof bezüglich einiger Punkte Differenzen in der Auffassung bestehen. Ich denke, dass das Parlament an dieser Stelle gut beraten ist, sich weder auf die eine noch auf die andere Seite zu stellen, solange der Rechnungsprüfungsausschuss, wie ich finde, sehr klug und weise beschlossen hat, beide zu bitten, hier eine Festlegung herbeizuführen.

Dennoch soll diese Debatte ja dazu dienen, hier noch einmal einige Grundpositionen darzulegen. Ich denke, dass drei wesentliche Bereiche in der Kritik des Rechnungshofs stehen. Diese drei Bereiche sind, erstens, die Abgrenzung der Ermittlung von Nettoinvestitionen, dort geht es um, wie ich eher finde, einen technischen Teil, zweitens, die Sondervermögen des Stadtstaates mit der Darstellung der Schulden, und drittens geht es insbesondere um die Zuordnung von Haushaltspositionen in investive und konsumtive Einnahmen.

Der erste Punkt ist relativ einfach abzuarbeiten, so wie der Rechnungsprüfungsausschuss ja auch vorschlägt, indem man versucht, diesen Teil in der Zukunft anders zu handhaben. Ich denke, da gibt es auch keine größeren Schwierigkeiten. Was die beiden anderen Punkte angeht, ist das, glaube ich, schon etwas grundsätzlicher.

Ich möchte sozusagen als Vorbemerkung noch einmal, was den Haushalts- und Finanzausschuss angeht, deutlich machen, dass gerade der Haushaltsund Finanzausschuss sich durch das Regelwerk bei der Kapitaldienstfinanzierung und den Vor- und Zwischenfinanzierungen ein sehr stringentes Regelwerk auferlegt hat. Dieses Regelwerk ist hier abgestimmt worden, und alle Fraktionen haben diesem Regelwerk zugestimmt.

Im Nachhinein muss man allerdings wohl Folgendes sagen: Ich will damit das Regelwerk nicht in Frage stellen, aber wenn wir die Einzigen in dieser Republik sein sollten, die ein solches stringentes Regelwerk haben, dann muss man darüber nachdenken, ob es klug ist, in diesem Bundesland die strengsten Regeln anzuwenden, während in anderen Bundesländern und im Bund solche Regeln nicht angewandt werden, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass wir uns immer noch in einer Haushaltsnotlage befinden, so dass also diese stringenten Regeln eher zu einer Verschärfung dieser Lage führen als zu einer Verbesserung. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass ich nicht dafür bin, diese Regeln außer Kraft zu setzen, aber ich bin dafür, ein Augenmaß an der Stelle zu behalten und zu schauen, wie sich andere in dieser Republik an dieser Stelle auch verhalten.

Dass die Rechnungshofspräsidenten eine gleichgerichtete Auffassung haben, finde ich völlig in Ordnung. Es wäre auch schrecklich, wenn das nicht so wäre. Die Frage ist ja nur, ob sozusagen die Forderung, die dort eingebracht wird, dann auch jeweils immer in den entsprechenden Ländern umgesetzt wird. Insofern, glaube ich, muss man auch hier zwischen der – ich sage es einfach einmal so – Theorie und der Praxis hier an der Stelle unterscheiden. Solange eben die Länder das nicht unisono mitmachen, denke ich einmal, muss man besondere Maßnahmen walten lassen.

Ich möchte aber ganz besonders auf die Frage des Schuldenstandes und der Höhe des Schuldenstandes eingehen, weil dies auch eine entscheidende Position in der Außendarstellung für Bremen als Haushaltsnotlageland hat. Hier wird, und ich denke einmal, das wird auch möglicherweise ein Teil des Beitrages von Herrn Mützelburg sein, ja suggeriert, als ob der Schuldenstand, den Bremen habe, sozusagen im gleichem Maße angestiegen wäre oder höher wäre als vor Beginn des Sanierungszeitraumes. Ich glaube, so einfach kann man es sich nicht machen, weil man neben den Schulden selbstverständlich das Vermögen betrachten muss. Insofern ist es wichtig zu fragen, was hier in Bremen denn eigentlich an Vermögen, das diesen Schulden gegenübersteht, insbesondere in der Zeit der großen Koalition geschaffen worden ist.

Wenn Sie an den Ausbau des Technologieparks, an Airport-City und an die Schlachte denken, sind das alles Dinge, bei denen im Grunde genommen den Investitionen, die getätigt worden sind, auch entsprechende Vermögen gegenüberstehen und bei denen Sie vor allen Dingen eine Veränderung der Schuldenstruktur im Verhältnis zu früher haben. Während die Ausgaben früher überwiegend konsumtiv waren, sind sie heute investiv. Wir bemühen uns ja, bis zum Jahr 2005 einen verfassungskonformen Haushalt hinzubekommen. Wenn Sie die entsprechenden Graphiken betrachten, werden Sie feststellen, dass wir hier in den letzten Jahren eine hohe Investitionsquote erreicht haben, die im Grunde genommen vorher nicht erreicht worden ist.

Durch diese Vermögenswerte, die geschaffen worden sind, und durch diese Investitionen sind selbstverständlich Arbeitsplätze entstanden, allein 7300 Arbeitsplätze im Jahr 2000, sind Einwohner nach Bremen gekommen, ist die Stadt insgesamt, ich glaube, das wird niemand abstreiten wollen, attraktiver geworden, geben die Menschen Geld aus, und dies kommt der Wirtschaft zugute.

Wir werden morgen ein weiteres Thema diskutieren, nämlich die Frage der Sanierung der Liegenschaften. Dies ist auch ein Thema, von dem ich glaube, dass es insbesondere den Bürgern dieser Stadt zugute kommt, denn hier ist ein Sanierungsstau insbesondere bei Kindertagesheimen, Schulen und Sportstätten entstanden. Das ist doch gerade für die

Bürger dieser Stadt, aber auch für Neubürger interessant, so dass man sagen kann, damit kann Bremen etwas bieten. Welche Stadt und welche Kommune kann, wenn dieses Programm der Sanierung der Liegenschaften durchgeführt ist, im Grunde genommen behaupten – innerhalb der nächsten sechs oder sieben Jahre wird dies ja vollzogen werden –, dass sie dann völlig renovierte Kindertagesheime, Schulen und Sportstätten hat? Ich denke, dies dient in einem erheblichen Maße der Attraktivitätssteigerung unserer beiden Städte.

Ich nehme noch einmal Bezug auf die Mitteilung des Senats, Grundsatzpositionen der Haushalts- und Finanzpolitik. Ich denke, was die Schulden und das Vermögen angeht, dass hier die Kameralistik eben eine Betrachtung nicht so zulässt, wie sie eigentlich notwendig wäre.

Das Finanzressort hat ja in seinen Bemerkungen gesagt, es schlage eine qualitative Unterscheidung verschiedener Arten der Neuverschuldung vor. Völlig richtig, völlig korrekt, wie ich finde, denn diese drei verschiedenen Arten, die hier vorgeschlagen worden sind, machen, glaube ich, deutlich, welche Betrachtungsweise wir hier vornehmen sollten!

Wir hatten insbesondere in der Vergangenheit Kreditaufnahmen, die der Finanzierung laufender Ausgaben dienten. Das ist leider das Problem, an dem wir seit nunmehr mehreren Jahren arbeiten, nämlich das Problem, dass wir keinen verfassungskonformen Haushalt haben, das Problem der konsumtiven Ausgaben. Es wurde eine Neuverschuldung für konsumtive Zwecke vorgenommen. Es wurden keine Vermögenswerte geschaffen, und dies führt, wie man unmittelbar an der Verschuldung und an der Struktur Bremens erkennen konnte, zu der Folge, mit der wir heute leben müssen, aber die wir versuchen abzustellen.

Eine zweite Art der Kreditaufnahme, wenn Sie so wollen, ist die, die der Finanzierung von Grundinvestitionen dient. Hier sind zwar unmittelbare Beziehungen zurzeit noch nicht herstellbar, weil man dazu die Kameralistik weiter in die Bereiche der doppelten Buchführung überführen muss, dann könnte man das nämlich, man kann aber dennoch sagen, hier stehen Schulden Vermögenswerten in vergleichbarer Größenordnung gegenüber.

Der letzte Teil sind die Bereiche, mit denen wir uns in den letzten Wochen und Monaten ja häufiger beschäftigt haben, das sind die Kreditaufnahmen, die zur Vor- oder Zwischenfinanzierung dienen. Dies sind die Kreditaufnahmen, von denen wir gemeinsam davon ausgehen, dass sie jeweils immer einen entsprechenden Vermögenszuwachs auch an der Stelle vorsehen, so dass hier eine Einbeziehung aller Finanzierungskosten einschließlich des Zinses erfolgt, eine Kreditaufnahme, von der man ausgehen kann und ausgehen muss, dass sie notwendig sein muss, um im Grunde genommen schneller Investi

tionen vorzuziehen und hier schneller zu Erfolgen in dieser Stadt zu kommen.

Ich möchte schließen mit der Bitte sowohl an das Finanzressort als auch an den Rechnungshof, eine Vereinbarung über die noch offenen Fragen zu treffen. Ich höre, dass es dort durchaus Positionen gibt, die man zur Deckung bringen kann. Ich denke, dass das Parlament insgesamt ein großes Interesse daran haben muss, dass die Funktion des Rechnungshofs auch in der Kontrollfunktion des Senats bleibt, genauso wie wir unsere Kontrollfunktion hier als Parlament übernehmen sollen und übernehmen müssen, und dass es gut und richtig ist – so hat ja auch der Rechnungsprüfungsausschuss in vielen Teilen darauf hingewiesen –, Transparenz und Klarheit in dieser Frage zu schaffen und dass wir alle hier in der Bürgerschaft an dieser Stelle möglichst gemeinsam Beschlüsse fassen können, die so vorbereitet worden sind und auf solcher Grundlage stehen, die sowohl vom Finanzressort als auch vom Rechnungshof als akzeptabel und als Grundlage für Entscheidungen betrachtet werden können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Mützelburg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Grundsatzpositionen bremischer Haushalts- und Finanzpolitik“ überschreibt der Senat seine Stellungnahme zu einem Bericht des Rechnungshofs. Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hält diese Überschrift für etwas hochtrabend. In Wirklichkeit geht es doch darum, wie beschreibt der Senat, die Regierung des Landes Bremen und der Stadtgemeinde Bremen, die Haushaltslage im Haushalt und in ihren Jahresabschlüssen, und welche Konsequenzen müsste und kann man aus dieser Beschreibung für die Zukunft ziehen. Nicht mehr und nicht weniger ist es, worum es hier geht!

Meine Damen und Herren, es ist schon außergewöhnlich, wenn der Rechnungshof – es war zum ersten Mal in diesem Jahr – einen Zusatzbericht zu seinem normalen Prüfbericht vorlegt, in dem er ausdrücklich und ausführlich auf die finanzielle Lage der Stadtgemeinde und des Landes Bremen eingeht. Es ist außergewöhnlich, wenn der zuständige Finanzsenator auf einen solchen Bericht, der, was die Zahlenwerte angeht, weitgehend mit ihm abgestimmt war, so heftig reagiert, wie es Ende August der Senator für Finanzen, Herr Perschau, in den Medien im Land Bremen getan hat.

Es ist äußerst ungewöhnlich, und es muss auch das Parlament interessieren, wenn er das tut; nicht nur, weil der Senator für Finanzen eine abweichen––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

de Position von der des Rechnungshofs vertritt, sondern weil der Rechungshof als Instrument des Parlaments – es ist kein Instrument der Regierung, sondern ein Instrument des Parlaments – in der Gewaltenteilung auf der Seite der Legislative und nicht auf der Seite der Exekutive steht.

(Bürgermeister P e r s c h a u : Der liebe Gott ist er aber noch nicht!)

Es handelt sich in dem Zusammenhang also erst einmal um eine Auseinandersetzung zwischen einem vom Parlament beauftragten Organ – es gibt ein Gesetz dazu – und dem Senat, und deshalb ist es auch richtig, dass wir uns hiermit beschäftigen.

Meine Damen und Herren, ich höre schon die Zwischenrufe hier von der Senatsbank. Es ist doch kein Grund zur Unruhe, wenn ich den Sachverhalt erst einmal so beschreibe. Mit dem lieben Gott, der der Rechnungshof ist, hat das beim besten Willen nichts zu tun! Niemand in diesem Haus will auch nur eine staatliche oder parlamentarische Institution in den Rang der Unfehlbarkeit heben, auch nicht den Senat!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Worum geht es bei diesen Beschreibungen? Der Kollege Dr. Schrörs hat eben die zentralen Punkte schon als Überschriften benannt, und wir müssten sie uns vielleicht noch einmal genauer ansehen. Kern dieser Beschreibung, die der Rechnungshof vornimmt und die sich nicht immer deckt mit den Auffassungen des Senats, ist erstens die Frage, wo, wenn Bremen etwas verkauft – sagen wir einmal, in der Vergangenheit Anteile der Stadtwerke, Anteile der Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung oder die Entsorgungsbetriebe –, solche Einnahmen verbucht werden. Sind das Einnahmen im konsumtiven Haushalt, oder sind es Einnahmen im investiven Haushaltsteil?

Das mag vielen von Ihnen egal sein, ist es aber leider nicht! Darauf weist der Senat zu Recht hin. Je mehr konsumtive Einnahmen und je weniger investive Einnahmen ich habe, desto kleiner werden die Gestaltungsspielräume bei ohnehin engen Haushalten, in denen das Land Bremen eigentlich auf den investiven Teil setzen will. Das ist erst einmal nahe liegend, und dem ist überhaupt nicht zu widersprechen, dass der Senat darauf hinweist. Das ist so!