Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Es drängt sich mir der Verdacht auf, dass sich Herr Perschau hier als Vorreiter profilieren wollte. Doch dann gilt die alte Weisheit: Benutze als Vorreiter nie ein Pferd, das du nicht kennst!

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Frauenförderung und Gender Mainstreaming sind sich ergänzende Strategien. Sie machen sich gegenseitig nicht überflüssig. So lange es keine reale Gleichstellung gibt, darf auf Frauenförderung nicht verzichtet werden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Teil der Senatsmitteilung eingehen, der für mich nicht klar definiert ist. Gender Mainstreaming ist ein Top-downPrinzip, darauf hat Frau Wulff auch schon hingewiesen. Es muss von oben nach unten umgesetzt werden. Das heißt auch, die Verantwortlichkeit von Inhalten und die Umsetzung muss bei den Führungskräften, bei den Senatorinnen und Senatoren liegen. Diese Verantwortlichkeit wird bei der Senatsvorlage nicht klar. Da heißt es nur, dass das Ressort bis zum 31. Dezember 2002 Verantwortliche benennen soll. Diese sollen dann Maßnahmen initiieren, um die Geschlechterperspektive in die jeweilige Fachpolitik aufzunehmen. Ich unterstreiche es noch einmal, die Verantwortlichkeit für die Umsetzung des Top-down-Prinzips muss bei der Ressortspitze liegen! Ebenfalls müssen klare Prüfkriterien entwickelt werden, um die Transparenz der Umsetzung deutlich zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir bei der nächsten Debatte hier schon alle mit diesem Thema einen Schritt weiter sind und freue mich auf

die nächste Debatte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Windler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hoch, ich glaube, unser Finanzsenator, Hartmut Perschau, hat das Prinzip Gender Mainstreaming sehr wohl und sehr gut verstanden. Das sieht man auch in der Umsetzung seiner ganzen Sachlage und Akten. Damit wir das aber noch ein bisschen besser verstehen können, möchte ich das Ganze noch einmal erklären.

Ziel des Gender Mainstreaming war es, dass alle politischen Ebenen und Entscheider in der Entwicklungsarbeit, das heißt von den Organen der Vereinten Nationen über die regionalen und nationalen Regierungen bis zu den Verantwortlichen vor Ort, ein umfassendes Konzept für die Gleichstellung der Frau entwickeln und auch die Umsetzung garantieren sollten. Die Absicht war, Frauenanliegen nicht mehr länger als einen Randbereich mit ein paar schlecht dotierten Sonderprogrammen zu betrachten, sondern vielmehr dass die Geschlechterperspektive und die Ziele zur Verbesserung der Situation der Frau ein Teil aller wichtigen politischen Dokumente, Programme und Zielvorgaben werden, das heißt in der normalen politischen Arbeit.

Meine Damen und Herren, auf der vierten Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 in Peking wurde die Bedeutung des Konzepts Gender Mainstreaming erneut betont und um die Forderung ergänzt, dass die unterschiedlichen Auswirkungen von Entscheidungen auf Frauen und Männer entsprechend zu analysieren sind, bevor Entscheidungen getroffen werden. Die Umsetzung geht auch in Bremen auf einen EU-Beschluss von 1997 zurück. Das bedeutet konkret, dass alle bestehenden Politikfelder und Gesetze einer geschlechtsspezifischen Analyse zu unterziehen sind. Gender Mainstreaming stellt eine Erweiterung der bisherigen Frauenpolitik dar.

Unter dem Begriff Frauenförderung wurde oft nur die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen verstanden. Das Gender-Mainstreaming-Konzept geht an den Begriff Frauenförderung umfassender heran. Die Frage nach der gerechteren Verteilung der Ressourcen und der Verantwortlichkeiten wird gestellt und die Geschlechterrolle, beispielsweise die Notwendigkeit der Veränderung der Rolle des Mannes, in die Überlegungen einbezogen. Der positive Aspekt des Gender-Mainstreaming-Konzepts liegt darin, dass es darauf abzielt, die Frage der Gleichstellung auf eine breitere Basis zu stellen.

Meine Damen und Herren, die Mitteilung des Senats vom 19. Februar 2002, Durchsetzung des Prin

zips der Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Bremer Landespolitik! Ich glaube, die Gedanken und Ziele des Gender Mainstreaming wurden als erster Schritt in der bremischen Politik von der Landesbeauftragten für Frauen hervorragend umgesetzt. Das ist aber nur als erster Schritt zu sehen. Wie uns der Bericht des Senats darstellt, muss noch unheimlich viel getan werden. Gender Mainstreaming muss auf mehreren Säulen stehen. Spezifische Frauenförderpolitik und Gender Mainstreaming sind sich zwei ergänzende Strategien, dasselbe Ziel zu erreichen, nämlich die Gleichstellung von Männern und Frauen. Beide Strategien sind zur Zielerreichung notwendig und ergänzen sich gegenseitig. Die bisherige Frauenförder- und Gleichstellungspolitik geht von einer konkreten Problemstellung aus und entwickelt eine Lösung für dieses Problem. Gender Mainstreaming setzt bei allen politischen Entscheidungen an. Das heißt, alle politischen Entscheidungen müssen abgefragt und ermittelt werden. Gender Mainstreaming heißt, Politik ist nicht geschlechtsneutral. Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion begrüßt, dass die ZGF und der Senator für Finanzen unter der Beteiligung der Ressortverantwortlichen bis zum 30. Juni 2002 ein Konzept für das Controlling des Prinzips des Gender Mainstreaming in allen Ressourcen entwickeln werden. Wir werden natürlich sehr genau darauf achten, dass die beteiligten Ressorts die konkrete Umsetzung auch wirklich wahrnehmen. Da wir einmal im Jahr im Senat und in der Bürgerschaft über die Umsetzung der entwickelten Strategien und Maßnahmen in den Ressorts Berichterstattung bekommen, denke ich, ist die Kontrolle auch gut gegeben. Gender Mainstreaming heißt, politisches Denken und Handeln sichtbar und transparenter zu machen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein durchgängiges Leitprinzip und soll als Querschnittsaufgabe gefördert werden. Gender Mainstreaming ist sowohl Grundsatz als auch Methode, den geschlechtsspezifischen Ansatz in alle Politikfelder, Konzepte und Prozesse einzubringen. Nur wenn wir in den Köpfen etwas verändern, können wir auch Gleichstellung erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Wulff, zu Ihren Aussagen! Ich hoffe natürlich, dass nach den Wahlen, das hoffe ich als CDUFrau, eine etwas andere Regierung an der Reihe sein wird.

(Beifall bei der CDU)

Das Quizspiel in der Broschüre von Sachsen-Anhalt ist ein ganz tolles Spiel, aber ich hoffe, dass die Verwaltung das spielt, wenn die Arbeit erledigt ist.

(Beifall bei der CDU)

Zu Frau Hoch habe ich noch eine Anmerkung zu machen: Wir als Koalition haben, glaube ich, das Gender-Mainstreaming-Konzept mit unserem Antrag hervorragend erklärt und hervorragend in die Verwaltung eingebracht, so dass es auch verständlich ist. Ich meine, wir haben damit eine sehr gute Arbeit geleistet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute zu diesem Thema zu Ihnen reden darf. Meine Herren, Gender Mainstreaming, was haben Sie gedacht, als Sie das erste Mal dieses Wort gehört haben? Haben Sie vielleicht gedacht, es ist ein Fluss, der irgendwo auf der Welt fließt, den Sie noch nicht kennen?

(Abg. T e i s e r [CDU]: Ich denke noch das Gleiche heute!)

Dieser Fluss, ich kann Sie beruhigen, fließt jetzt durch die öffentliche Verwaltung, und vielleicht wird es ja auch einmal ein mächtiger Strom, Herr Teiser!

(Beifall bei der SPD)

Entsprungen ist der Fluss in Brüssel. Er hat die damals noch in Bonn beheimatete Bundesregierung umspült, und nun hat er seit geraumer Zeit auch Bremen erreicht.

Am 19. Februar 2002 hat der Bremer Senat ein Konzept zur Durchsetzung des Prinzips der Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Bremer Landespolitik beschlossen. Unter Gender Mainstreaming wird ein Verwaltungsreorganisationsprinzip verstanden, das auf allen Ebenen wirksam wird. So wie die Verwaltung sich bei allen Projekten und Vorhaben die Frage nach Kosten und Nutzen stellt, wird sie sich auch die Frage stellen: Wie wird sich das Projekt auf Männer und Frauen auswirken? Entspricht das, was wir tun, dem Gebot der Chancengleichheit, oder sind Steuerungsmaßnahmen erforderlich, um Interessen von Frauen und Männern, von Mädchen und Jungen gerecht zu werden?

Je näher politische Maßnahmen an die tatsächlichen Lebensverhältnisse und Lebenssituationen herankommen, umso größer ist ihre Wirkung. Gender Mainstreaming ist daher notwendiger Bestandteil eines wirkungsvollen Qualitätsmanagements. Das Wissen um unterschiedliche Lebenssituationen von Männern und Frauen fällt nicht einfach vom Himmel, wir wissen es alle aus unserer eigenen Erfahrung.

Um zielgerichtet Gender Mainstreaming umsetzen zu können, ist es notwendig, Fortbildungsmaß

nahmen durchzuführen, Neues zu lernen. Fortbildungen sind ein genauso unverzichtbares Element wie der Wille von Vorgesetzten – es ist hier auch schon angesprochen worden, dass es eine Führungsverantwortung ist –, das Prinzip der Chancengleichheit durchzusetzen. In Gender-Mainstreaming-Trainings erfahren sie nicht nur, dass wir alle unsere Geschlechterbrillen tragen, einen aufgrund unserer Lebenswirklichkeit spezifischen Blickwinkel einnehmen. Sie erfahren auch, dass Rollen nicht naturgegeben sind und was notwendig ist, damit Männer und Frauen tatsächlich gleiche Chancen bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle lassen unsere gewonnenen Erfahrungen und Einschätzungen ja nicht zu Hause an der Garderobe hängen, wenn wir zur Arbeit gehen. Unsere Einstellungen beeinflussen das, was wir tun. Gender-Trainings sollen dabei helfen, dies zu erkennen und Problembewusstsein zu entwickeln. GenderKompetenz erwerben heißt aber auch, die Instrumentarien kennen zu lernen, mit denen geschlechtsspezifische Auswirkungen beurteilt werden können. Sie brauchen auch breite Kenntnis der Rechtsnormen, der Verwaltungsvorschriften und natürlich auch der Frauenförderprogramme. Fortbildung muss auf allen Ebenen stattfinden, nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für Führungskräfte, und ich empfehle es auch den politischen Mandatsträgern.

(Beifall bei der SPD)

Es ist darauf hingewiesen worden, dass es in der Senatsvorlage ein Datum für das Fortbildungskonzept gibt. Ich habe festgestellt, dass es nicht ganz identisch ist mit dem Senatsbeschluss. Es muss auf dem Weg von der Senatskanzlei hierher etwas durcheinander geraten sein. Frau Wulff, die Fortbildungskonzeption soll bis zum 31. Juli dieses Jahres vorliegen.

Die Sensibilität für Genderfragen ist das eine. Hinzukommen muss das nötige Fachwissen. Der Senat wird daher künftig Statistiken geschlechtsspezifisch ausweisen. Er wird darauf achten, dass bei der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen in Berichten des Senats Männer und Frauen getrennt ausgewiesen werden. Darüber hinaus ist den Verwaltungen fachspezifisches Genderwissen zur Verfügung zu stellen. Eine Gesundheitsverwaltung benötigt andere Kenntnisse als eine Bau- oder eine Arbeitsverwaltung.

Das Senatskonzept sieht vor, dass in jedem Ressort ein Verantwortlicher oder eine Verantwortliche bestellt wird. Auch da ist leider ein Fehler in der Drucksache, das soll bis zum 30. April umgesetzt werden und nicht bis zum 30. März. Die Ressortverantwortlichen in Zusammenarbeit mit dem Senator

für Finanzen, der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau und dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales werden gemeinsam ein Konzept entwickeln und der Bürgerschaft in einem Jahr über die hoffentlich dann vorzuweisenden Erfolge berichten.

(Beifall bei der SPD)

Schon im vergangenen Jahr haben wir in der Arbeitsmarktpolitik erfolgreich das Konzept des Gender Mainstreaming umgesetzt. Wir haben strikt darauf geachtet, dass die Instrumente der Arbeitsförderung Frauen und Männern gleichermaßen zugute kommen. Wir haben aber auch reine Frauenmaßnahmen gefördert. Das ist immer noch sinnvoll und notwendig. Gender Mainstreaming, und das ist ganz wichtig auch an die Adresse der Herren, ersetzt nämlich keine Frauenförderung, sondern betrifft gleichermaßen beide Geschlechter.

(Beifall bei der SPD)

Eine Betrachtung der tatsächlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen, die unterschiedliche Verteilung unserer Ressourcen wie Zeit, Raum, Geld, Bildung, Kommunikation und so weiter machen weiterhin Frauenfördermaßnahmen erforderlich. Die besondere geschlechtsspezifische Betroffenheit, wie zum Beispiel beim Thema Gewalt oder bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, schaffen allerdings weiterhin einen Bedarf an spezifischen Maßnahmen für Frauen. Eine konsequente Betrachtung des Prinzips des Gender Mainstreaming wird irgendwann Frauenfördermaßnahmen zur Kompensation erlittener Diskriminierung überflüssig machen. Das ist aber noch Zukunftsmusik, dieser Prozess hat gerade erst begonnen. Ich erhoffe aber im Interesse von uns allen, dass wir noch erleben, dass sich da richtig etwas tut.

(Beifall bei der SPD)

Ich werde als Senatorin gern meinen Teil dazu aus Überzeugung beitragen, der Senat ist ja hier heute mehrfach aufgefordert worden. Ich möchte aber die Aufforderung auch an die Parlamentarier zurückgeben. Sie stehen auch in der politischen Verantwortung. Ich bitte Sie herzlich, Ihren Teil dazu beizutragen! – Danke!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksachen-Nummer 15/1072, Kenntnis.

Gesetz zur Änderung des Bremischen Immissionsschutzgesetzes

Mitteilung des Senats vom 19. Februar 2002 (Drucksache 15/1077) 1. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung.