Protokoll der Sitzung vom 21.08.2002

Zum konkreten Punkt der Zusammenlegung der Präsidentenämter! Es war eine vernünftige Idee am Anfang, darüber nachzudenken, ob man die Präsidentenämter des Finanzgerichts und des Oberverwaltungsgerichts zusammenlegt, weil der Hintergrund war, Synergieeffekte, Effizienzsteigerung im Bereich der Gerichtsverwaltungen zu erzeugen. Das ist unter den Verhältnissen in Bremen, unserer finanzpolitischen Verhältnisse, aber auch mit Blick auf die Größe beziehungsweise Kleinheit dieser beiden Gerichte eine vernünftige Idee gewesen. Ich sage deshalb gewesen, weil es so etwas wie eine überholende Kausalität gibt.

Herr Röwekamp, Sie wissen doch, wir haben uns entschieden, ein Justizzentrum zu organisieren, in dem wir die Fachgerichtsbarkeiten zusammenfassen wollen mit Ausnahme der Arbeitsgerichte. Das ist eine großartige, eine gute, eine wichtige Entscheidung für die bremische Justiz. Damit erzeugen wir diese Synergieeffekte, diese Effizienzsteigerung, und es kommt eben nicht mehr darauf an, ob an einem Punkt ein Etikett darauf klebt Oberverwaltungsgericht, Finanzgericht oder ob man diese Etiketten zusammenlegt. Entscheidend ist, dass wir diese Effizienzsteigerung organisieren können. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt! Herr Röwekamp, ich jedenfalls nehme für mich in Anspruch, dass ich nicht immer schon am Anfang alle Argumente in der nötigen Form so übersehe oder abgeprüft habe, dass ich nicht noch klüger werden kann im Laufe der Zeit. Ich finde, das sollten wir alle für uns in Anspruch nehmen, dass wir so an Projekte herangehen. Ich halte das für den richtigen Politikstil und nicht zu sagen, wir haben es einmal so überlegt und müssen es am Ende auch so machen.

(Beifall bei der SPD)

Da ist Ihnen doch wie mir eine Reihe von wichtigen, ernst zu nehmenden Argumenten zugegangen, rechtlich nicht ohne weiteres und möglicherweise gar nicht von der Hand zu weisenden Argumenten, die dagegen gesprochen haben. Wollen Sie das Risiko eingehen, dass diese Argumente dazu führen,

dass bremische Gerichtsentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts und des Finanzgerichts wegen einer Besetzungsrüge möglicherweise aufgehoben werden? Ich bin in Abwägung der Vor- und der Nachteile zu der Überzeugung gekommen, dass wir dieses Risiko nicht eingehen sollten.

Ein weiterer Punkt! Vielleicht bin ich da als früherer Justizangehöriger ein bisschen befangen. Ich denke, der sensible Umgang der besonderen Gewalt der Judikative in diesem Staat gebietet es, von Seiten der Politik auch eine besondere Sensibilität zu entwickeln, die zum Beispiel bedeutet, dass man deren Argumente ernst nimmt und dass man sich bemüht, im Rahmen des Möglichen, des Zulässigen im Konsens mit den Beteiligten zu agieren. Ich halte das auch für ein wichtiges Ziel von Politik und bremischer Politik zumal.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zusammengefasst, Justizpolitik, und ich glaube, das hat die Debatte heute wieder bewiesen, ist völlig ungeeignet, zum Feld von Polemik und platten Sprüchen zu werden. Ich bitte Sie dringend, sich Ihrer Verantwortung insoweit auch bewusst zu werden!

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das müssen Sie nun einmal ertragen, das geht uns häufig nicht anders, dass das, was Sie sagen, nicht unwidersprochen bleibt. Ich will mit dem Letzten anfangen, was Herr Böhrnsen gesagt hat. Wissen Sie, die Lust an Koalitionen kann einmal so und einmal so sein. Ich habe auch, was meine Lust auf den Koalitionspartner betrifft, wie häufig im Leben, Aufs und Abs. Aber wenn sich die Lust der Koalition immer nur in medienwirksamen Ergüssen eines Koalitionspartners widerspiegelt, dann habe ich dafür kein Verständnis mehr, Herr Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Wenn wir, und das mache ich an dem Beispiel einmal deutlich, miteinander politisch verabreden, dass wir den Wunsch Ihres Ressorts trotz der zahlreichen Bedenken, die es im Übrigen nicht erst seit gestern und seit vorgestern gibt, sondern die es seit Monaten und Jahren gibt, und auch trotz der Rechtsgutachten, die sagen, das könnte zweifelhaft sein, wenn wir trotzdem das hier in der Bürgerschaft miteinan––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

der besprechen und koalitionär verabreden, dann erwarte ich, und das ist eine Frage des Anstandes, wenn man sich davon verabschiedet, dass man den, mit dem man es gemeinsam geplant hat, davon unterrichtet und es nicht wiederholt über die Zeitung macht, Herr Böhrnsen.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Man kann in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein. Jawohl, Sie haben uns auch in diese Entscheidung getrieben, weil Sie es gern so wollten. Wir können in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein, vielleicht sind wir nicht immer so weit auseinander, Herr Böhrnsen, aber die Frage ist, wie man miteinander umgeht. Das bestimmt die Lust an einer Koalition, und die ist uns gestern vergangen, Herr Böhrnsen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen Sie, die Lust ist uns gestern vergangen, und heute ist sie schon wieder ein bisschen zurückgekommen! Ihnen ist sie heute vergangen, kommt wahrscheinlich auch morgen wieder zurück. Ich glaube, wir werden uns in der Frage wieder ganz vernünftig zusammenraufen, wenn wir uns darauf verständigen, uns über Sachfragen vernünftig auszutauschen, und nicht versuchen, in der Presse die bessere Rolle zu spielen. Das hielte ich für einen vernünftigen Umgang.

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie hier erklärt haben, es habe von Ihnen keine rechtliche Zusage an Herrn Göbel gegeben. Das habe ich auch nicht behauptet, das können Sie auch gar nicht. Meine Information ist, und die ist übrigens nicht von Christdemokraten, sondern aus Ihrer Partei, dass es eine politische Zusage gegeben hat. Wenn Sie hier heute erklären, auch eine solche politische Zusage hat es von Ihnen nicht gegeben, dann wäre ich bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und das an die Sozialdemokraten weiterzutragen, die mich entsprechend darüber informiert haben. Zurzeit glaube ich eher denen als Ihnen!

(Beifall bei der CDU – Unruhe bei der SPD)

Sie sagen dann auch noch, Herr Böhrnsen, das hier anzusprechen wäre unanständig! Das ist nicht unanständig, Herr Böhrnsen, das ist Demokratie. Unanständig ist es, solche Verabredungen zu treffen, das will ich Ihnen an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte für die CDU-Fraktion fest, es gibt nicht eine einzige neue Erkenntnis in der Frage der Doppelspitze, die wir nicht vor einem Jahr bei der letz

ten Debatte hier in der Bürgerschaft auch schon gehabt hätten. Das Justizzentrum haben wir bereits vor einem Jahr inhaltlich diskutiert. Es war klar, jawohl, es kommt. Die rechtlichen Gutachten lagen vor einem Jahr vor. Wir haben gemeinsam im Rechtsausschuss und hier im Parlament gesagt, jawohl, wir machen es trotzdem, Herr Böhrnsen. Deswegen gibt es keine neue Erkenntnis außer Ihrem Besuch beim Oberverwaltungsgericht. Dass man dann darüber spekuliert, das ist ja wohl mehr als verständlich.

(Beifall bei der CDU)

Ich will jetzt zur Sache und zur Aussprache noch zwei Punkte anmerken, die sich nicht auf diesen Nebenpunkt beziehen. Herr Isola hat darauf hingewiesen, je weniger Haftplätze wir haben, desto weniger Geld geben wir aus. Das ist richtig. Das kann man im Übrigen überall sagen! Je weniger Schulen wir haben, desto weniger Lehrer brauchen wir, je weniger Krankenhäuser wir haben, desto weniger Geld geben wir aus, also, das ist beliebig.

Die Frage ist ja, Herr Isola: Wo setzen wir unsere Prioritäten? Die CDU setzt ihre Priorität klar da, wo Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger dieser beiden Städte durch Straftäter gefährdet sind. Für uns ist das Thema nicht beliebig, und für uns ist das kein Thema des Geldes, darüber zu reden, ob jemand inhaftiert wird oder nicht. Wenn jemand eine Straftat begangen hat und wird dazu verknackt, in den Knast zu gehen, dann gehört er auch dahin, und wenn es Geld kostet, Herr Isola!

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Kuhn hat gesagt, das, was die CDU hier heute vertreten hätte, wäre konservative Politik. Das stimmt! Aber das ist nicht schlimm, denn ich finde konservative Justizpolitik vernünftig und klug, Herr Dr. Kuhn. Das, was Sie machen als rotgrüne Bundesregierung und was Sie hier im Parlament vertreten, ist nicht einmal konservativ, das ist nur starrsinnig.

(Abg. Frau W u l f f [SPD]: Ist der Typ arrogant!)

Ja, die einen sagen so, die anderen so! Es kommt ja auch immer auf den Empfänger an.

Ich will es Ihnen auch erklären, konservative Justizpolitik heißt für mich, dass wir uns an einem Wertebild orientieren, zum Beispiel, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der Straftäter für ihre Straftaten bestraft werden. Wenn es Wandel gibt, passen wir uns diesem Wandel an. Ihr Starrsinn, sage ich einmal, beruht darauf, dass Sie sagen, die Konzepte in meiner Generation, nämlich der Achtundsechziger, und das, was im bremischen Strafvollzug seit Jahren und Jahrzehnten gemacht wird, das ist gut, das

ist vernünftig, das bleibt, egal was in der Gesellschaft passiert, und das, Herr Dr. Kuhn, ist starrsinnig!

(Beifall bei der CDU)

Ich will es Ihnen noch einmal an einem Beispiel deutlich machen. Ich zitiere aus einer Vorlage des Senators für Justiz und Verfassung, da heißt es, mit Erlaubnis des Präsidenten: „Auch die Klientel des Jugendvollzuges hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Insassen im Jugendvollzug erweisen sich zunehmend als dissozial, unbelastbar, unentschlossen, aggressiv und psychisch krank. Der Ausländeranteil ist in den letzten Jahren gewachsen, und Probleme mit der neuen Insassengruppe der Aussiedler sind hinzugekommen. Der Konsum von Cannabis und den so genannten Designerdrogen wie Ecstasy wird unter den Jugendlichen als gesellschaftlich normal bis legal empfunden. Durch die Mischung der eingenommenen Drogen ist die Betreuung und Behandlung der polytoxikomanen Insassen zunehmend schwierig.“

Herr Dr. Kuhn, das ist die Änderung, die eingetreten ist bei den Insassen im Strafvollzug. Diese Änderung kann man nicht mit Ihren Rezepten von gestern beantworten, dazu muss man nachdenken, und das macht der Senator für Justiz und Verfassung sehr klug mit Unterstützung der CDU. Wir brauchen neue Formen im Strafvollzug, und da muss man eben auch einmal sagen, wer nicht resozialisierbar ist, an dem wird die Strafe vollstreckt, und zwar bis zum Ende.

(Beifall bei der CDU)

Das ist konservativ, aber ich finde, das ist klug. Herr Dr. Kuhn, lassen Sie mich auch noch einen Satz dazu sagen, weil Sie immer sagen, die CDU ist für Wegschließen und möglichst alle in den Knast und möglichst lange in den Knast, und die CDU würde überhaupt niemanden mehr resozialisieren! Ich glaube, Sie leben fernab der Realität. Ich will Ihnen einmal sagen, was wir eigentlich im Jugendvollzug den Insassen an Angeboten machen.

Wir haben Angebote zur schulischen Bildung, Hauptschule, Elementarklasse, Berufschulunterricht, Nachhilfe, für weibliche jugendliche Gefangene Extraangebote. Wir haben qualifizierende, berufsqualifizierende Maßnahmen, Ausbildung zum Maler/ Lackierer, Ausbildung zum Maurer, Hochbaufacharbeiter, Ausbildung zum Landschaftsgärtner, wir haben Metallausbildungsplätze, wir haben ein Projekt CHANCE, wo wir spezielle Angebote schaffen. Wir haben Kurzangebote. Herr Dr. Kuhn, wir haben eine riesige Palette an Angeboten für die Jugendlichen, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden.

Was die CDU sagt, ist: Wir erhalten diese Angebote aufrecht, aber wer die Angebote nicht wahrnimmt, wer sie boykottiert und wer sie stört, der ge

hört eben nicht mehr in die Resozialisierung, der gehört weggeschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Unterschied zwischen dem, was Sie sagen, was wir sagen und was Herr Mäurer meint. Eine Erkenntnis kann sein, wie Herr Mäurer sagt, dass jemand, der nie sozialisiert war, auch nicht resozialisiert werden kann. Für diese Menschen, im Interesse der Opfer und der Gesellschaft, sind wir dafür, die Strafe zu vollstrecken. Das ist konservativ, aber ich finde, es ist klug und im Interesse der Menschen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war auf eine justizpolitische Grundsatzdebatte eingestellt, und was ich erlebe, ist so etwas wie ein Schlaglicht auf den Zustand der großen Koalition im Land Bremen. Ob das klug ist, lieber Herr Röwekamp und lieber Herr Eckhoff, bei diesem Thema die Bruchlinie der großen Koalition zu definieren, das bitte ich doch sehr zu bedenken,

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir hätten mit Ihnen gern einiges geändert, Herr Bürgermeister!)

und ich bitte auch sehr, intern zu überlegen, was Sie dort anrichten! Das sind alles kurzatmige Entlastungen, Frustrationsentlastungen, hilft uns aber überhaupt nicht weiter!

In der Sache ist richtig, und das haben wir im Senat durchgehalten und auch bei dieser Antwort durchgehalten: Es macht überhaupt keinen Sinn, schon gar keinen großkoalitionspolitischen Sinn, die Bereiche Justiz und Polizei parteipolitisch gegeneinander auszuspielen. Das haben Sie gemacht.

(Beifall bei der SPD)