Protokoll der Sitzung vom 19.09.2002

Um was es geht, möchte ich mit zwei Beispielen anschaulich machen: Die Wissenschaftsdeputation hat sich in der vergangenen Woche zum Beispiel mit der Investitionsmaßnahme Kapselkatapult für den Fallturm Bremen befasst. Der Laie staunt zunächst einmal und muss sich da kundig machen. Ich habe es getan. Es geht dabei darum, durch das Abschießen der Forschungskapsel die Zeit der Schwerelosigkeit gegenüber dem schlichten Fallenlassen zu verdoppeln. Ich hoffe, ich habe das richtig verstanden, Herr Staatsrat.

(Staatsrat K ö t t g e n : Ja!)

Gelingt dies, so kann das ZARM, das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, seine Alleinstellungsposition in Deutschland und der Welt weiter ausbauen und damit weiter der Ansprechpartner der Industrie für derartige Forschung bleiben, und das, meine Damen und Herren, wäre ein wirklich großer Erfolg!

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls in der vergangenen Woche in der Wissenschaftsdeputation: die Beteiligung der Universität an der Gründung einer GmbH mit einem australischen Unternehmen, die ein von den Australiern entwickeltes Bohrgerät auf dem europäischen Markt für wissenschaftliche und kommerzielle Zwecke anbieten soll und ein weiteres neues Bohrgerät bauen soll! Dies ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, was wir meinen, wenn wir uns für den Technologietransfer einsetzen, der übrigens in der Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages – ich glaube, die war hier auch schon einmal Gegenstand einer Debatte – zu Recht als herausragend und gut bewertet worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Der ohnehin national und international hoch angesehene Fachbereich Geowissenschaften mit seinem überaus renommierten Professor Wefer, der Bremen auch im Wissenschaftssommer zum Beispiel mit dem Geoschiff so positiv repräsentierte, das Zentrum für marine Umweltwissenschaften, das Zentrum für marine Tropenökologie, das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und das Forschungsinstitut Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven konnten im Sommer 2001 mit der Vergabe des For

schungszentrums Ozeanränder an die Universität Bremen einen großen Erfolg feiern, zu dem man an dieser Stelle noch einmal gratulieren darf.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Forschungszentrum benötigt nun dieses Bohrgerät, von dem ich gesprochen habe, das übrigens auch noch hilft, Kosten für ein teures Bohrschiff zu sparen. Allerdings besitzt dieses Gerät, dieses Unikat, nur das australische Unternehmen in Sydney. Da die Zusammenarbeit mit der Industrie aber ohnehin eine Bedingung für die Beantragung des Forschungszentrums war und die Australier das Gerät nur bei einer gemeinsamen Vermarktung in Europa verschiffen wollten, entschloss man sich vernünftigerweise zu einer Public private partnership mit Namen Geomarine Bremen GmbH.

Dies ist in meinen Augen, und deswegen nenne ich das, deswegen ein Paradebeispiel, weil es zeigt, dass man nicht sklavisch nach den Vermarktungschancen von Forschung schauen muss und womöglich dann im Gegenzug manche nicht vermarktbare wissenschaftliche Fragen gar nicht erst stellt, sondern es belegt, dass die Zusammenarbeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Industrie zu gegenseitigem Nutzen sein kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen, Wissenschaft findet nicht im Elfenbeinturm statt, ist aber auch nicht die verlängerte Werkbank der Industrie.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema unserer Großen Anfrage ist ausdrücklich und bewusst auf die ökonomischen Effekte der Wissenschaft beschränkt. Aber es ist mir wichtig zu betonen, dass es in Bremen auch nach wie vor möglich bleiben muss und möglich ist, Forschung auch in Bereichen zu betreiben, ohne nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu fragen, wie das vor allen Dingen in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern der Fall ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dass man das mit großem Erfolg tun kann, das beweist das von mir eingangs zitierte großartige Renommee der bremischen Politikwissenschaft. Unser Thema soll heute aber Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft sein, die schon jetzt positive ökonomische Effekte hat. Die Prognos-Studie aus dem Jahre 2001, auf die sich der Senat in seiner Antwort bezieht, ergibt, dass durch den Technologietransfer innerhalb des Landes Bremen jährlich 300 Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. In den Jahren

von 1997 bis 2000 wurden im Lande Bremen durch die Kooperationsbeziehungen mit bremischen Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen 1156 hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und gesichert. Ich denke, das ist doch eine beeindruckende Zahl, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aus den bremischen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen erfolgten in diesem Zeitraum 59 Unternehmensgründungen, davon 47 Unternehmen im Lande Bremen, die 157 Arbeitsplätze schufen. Auch das stellt einen großen Erfolg dar. Was dabei aber besonders wichtig ist, meine Damen und Herren, diese Arbeitsplätze wurden in Zukunftsbranchen wie Verfahrenstechnik, Mikrotechnik, Sensorik sowie Informations- und Kommunikationstechnik geschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Das unterstreicht den Erfolg. Der Senat unterstützt diese Spin-offs genannten Erfolge durch die Bremer Innovationsagentur mit einer Reihe sehr sinnvoller Instrumente. Das fängt bei der Bereitstellung von kostengünstigen Büro- und Laborflächen und einem Anschluss an das Landesbreitbandnetz an und hört bei dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit für die Gründer noch nicht auf.

Ebenfalls zwischen 1997 und 2000 wurden durch diese Kooperationen private Investitionen in Höhe von etwa 289 Millionen Euro ausgelöst. Wegen der langfristigen Wirkung dieser Investitionen dürfen wir mit einem weiteren Anwachsen dieser Effekte durchaus rechnen. Das hat auch damit zu tun, dass die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern in den Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen laut Prognos-Studie von 73 Prozent der Unternehmen mit gut bis sehr gut bewertet wurde. Auch die fachliche Kompetenz der Forschungseinrichtungen wurde von 87 Prozent der Unternehmen mit gut oder besser bewertet.

Bedauerlicherweise, und auch das kann man in der Antwort des Senats lesen, nutzen die kleinen und mittleren Unternehmen die Kooperationsmöglichkeiten noch viel zu wenig. Hier erwarte ich, dass sich das Wissenschaftsressort und die Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen noch einmal Gedanken machen, für diese Zielgruppe spezifische Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, der „Weser-Kurier“ hat gestern über eine Studie der Unternehmensberatung Ernst and Young unter 5000 Geschäftsführern mittelständischer Firmen zu den unternehmerfreundlichsten Bundesländern berichtet. Bei dieser Studie landete Bremen mit seinen Forschungseinrichtungen auf einem guten, ich finde, hervorragenden sechsten Platz.

(Beifall bei der SPD)

Der Autor dieser Studie hält den Unternehmern allerdings vor, dass diese Kategorie für sie bislang eine viel zu geringe Rolle spiele. Er hält dies für gefährlich, weil sich im Wissenschafts- und Technologietransfer künftig Sein oder Nichtsein vieler Unternehmen zeigen werde. Ich denke, diese Mahnung kann man nur unterstreichen, aber sie zeigt zugleich, dass wir in Bremen ein gutes Angebot für die Unternehmen bereit halten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vor diesem Hintergrund ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, dass die Unternehmen überhaupt erst einmal erfahren müssen, dass und welche Kooperationsmöglichkeiten es gibt. Das heißt, die Forschungseinrichtungen müssen heraus aus dem ausschließlichen Dialog in der so genannten Science community und müssen Marketing machen. Gerade in dieser Frage geht Bremen erneut beispielhaft neue Wege. Das Wissenschaftsressort hat vergangenes Jahr zu Recht einen Schwerpunkt seiner Aktivitäten auf das Wissenschaftsmarketing gelegt. Wissenschaft in Bremen, meine Damen und Herren, ist viel mehr als früher und deutlich mehr als an anderen Wissenschaftsstandorten in Deutschland in der Stadt präsent: im Universum, im Internet, durch den Wissenschaftssommer, durch inzwischen endlich auch eine angemessene Darstellung der lokalen Presse, ich erwähne das ausdrücklich und begrüße das auch ausdrücklich. Ich sprach vorhin von dem so genannten Timelag, nach dem sich Investitionen in Wissenschaft erst auf die Ökonomie auswirken. Deshalb, meine Damen und Herren, dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen, sondern müssen stets neue Anstrengungen unternehmen, damit das ehrgeizige Ziel, das die Internetplattform des Wissenschaftsressorts mit „City of Science“ bezeichnet, auch Wirklichkeit bleibt oder wird. Für die Zukunft hat der Senat, wie wir seiner Antwort entnehmen, folgerichtig einige Vorkehrungen getroffen, um, salopp zu sagen, dranzubleiben: das Programm Innovision 2010, die Berufung des Technologiebeauftragten, der übrigens allein schon in der Person von Professor Timm bestens geeignet ist, das Thema Wissenschaftstransfer kompetent zu begleiten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: Das stimmt!)

Meine Damen und Herren, es gilt aber auch und vor allem, die hohe Qualität der Bremer und Bremerhavener Forschungseinrichtungen selbst zu erhalten. Völlig zu Recht weist der Senat darauf hin, dass für die erwarteten zahlreichen Neuberufungen von Professoren auch Geld in die Hand genommen werden muss, um mit den finanzstarken Ländern um die exzellenten Wissenschaftler konkurrieren zu kön

nen, denn das ist doch die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Wissenschaftsstandort und für eine erfolgreiche Kooperation mit der Wirtschaft. Die Forschungseinrichtungen müssen die Besten in ihren Reihen haben, darum geht es. Hier macht das Schlagwort von der Investition in die Köpfe nun wirklich Sinn. Wir können noch so viele schöne Gebäude bauen, wenn die Wissenschaftler nicht nach Bremen oder Bremerhaven kommen, dann nutzt das nichts, und deswegen wollen wir uns um sie bemühen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, die kleine Auswahl der Überschriften zu Beginn meines Beitrags belegt nach meiner Auffassung eindeutig, die Universität Bremen, die Hochschule Bremen, die Hochschule für Künste, die Internationale Universität Bremen, die Hochschule Bremerhaven, die zahlreichen wissenschaftlichen Institute im Lande sind auf einem guten Weg. Dass das so bleibt, dafür wollen wir arbeiten mit der Unterstützung einer rotgrünen Bundesregierung auch in den nächsten vier Jahren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Starker Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Wir haben ja immer schon gedacht, was macht eigentlich der Senator ohne den Staatsrat! Hin und wieder tanzt auch einmal die Verwaltung auf den Tischen, wenn der Staatsrat nicht da ist, jetzt hin und wieder auch einmal die Koalitionsabgeordnete und jetzt ist auch die Senatskanzlei offenbar überfordert, wenn Herr Köttgen nicht da ist. Also, ich glaube, Sie bekommen jetzt keinen Urlaub mehr, Herr Köttgen, nach dem Vorfall heute, das ist erst einmal gestrichen bis zur Wahl.

Meine Damen und Herren, Herr Böhrnsen ging eben darauf ein und zitierte unter anderem das, was wir gestern in der Tageszeitung lesen konnten, die Studie von Ernst and Young, die Aussage des Studienautors, wo es hieß, ich zitiere: „Im Wissenschaftsund Technologietransfer entscheidet sich künftig Sein und Nichtsein vieler Unternehmen.“ Darum geht es, um Ansiedlungserfolge neuer Firmen, um die regionale Zusammenarbeit von Hochschulen und Institutionen und Unternehmen, um die Bildung internationaler Netzwerke, um Kooperation mit großen Global playern genauso wie mit der mittelständischen regionalen Wirtschaft und nicht zuletzt um erfolgreiche Spin-off-Bewegungen aus den Hochschulen heraus in die Selbständigkeit und ins Unternehmertum. All dies ist zwingend notwendig, um ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nachhaltige Effekte und standortbindende Wirkungen für Menschen, Know-how und Unternehmen hier in Bremen zu entfalten. Wie und wo organisieren wir Technologietransfer, das ist die essentielle Frage Bremer Politik. Nicht nur für das Sein und Nichtsein von Bremer Unternehmen ist erfolgreicher Wissenschafts- und Technologietransfer entscheidend, ich gehe noch weiter, ich sage, das Überleben Bremens und die Sanierungspolitik sind in höchstem Maße davon abhängig. Der Strukturwandel gelingt uns nur, wenn wir uns die City of Science auf die Fahne schreiben, nicht nur auf die Fahne schreiben, sondern sie auch tagtäglich leben, doch dazu später mehr! Herr Böhrnsen, zu Ihrer Rede! Es ist natürlich sinnvoll, die Erfolge zu würdigen. Damit können wir uns auseinander setzen, ein paar Beispiele möchte ich auch gleich noch einmal nennen. Unverzichtbar ist aber auch in einem zweiten Schritt, sich mit den Negativfaktoren kritisch auseinander zu setzen und zu sagen, was man daran tun will und wie man daran arbeitet, um diese zu beseitigen. Drittens halte ich es für sinnvoll, nicht nur eine Aussage über drei bis vier Jahre zu machen, Stichwort Technologieparkerweiterung, Süderweiterung, das, was Sie angedeutet haben, sondern es gilt auch zu sagen, ob man einen Gestaltungswillen über Legislaturperioden hinaus hat. Darüber haben Sie mir deutlich zu wenig gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auch nichts darüber gesagt, welches Ziel wir anstreben. Das hat seltsamerweise auch die Handelskammer vorgegeben. Die Handelskammer hat gesagt, wir wollen zu den Top Ten der Technologiestädte in Deutschland gehören. Ob wir bereit sind, die notwendigen Maßnahmen dafür einzuleiten, dazu hätte ich mir wirklich mehr Aussagen gewünscht, und das muss sich in den nächsten Monaten hier in Bremen entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir noch einmal, was sich in Bremen in den letzten Jahren getan hat! Ich will da weniger aus der Antwort des Senats zitieren, das ist da auch ein bisschen wissenschaftlich, da ist dann die Rede von Wachstumsdeterminanten, endogenen Wachstumstheorien, absortiven Kapazitäten, Timelags, bilateralen Kooperationsbeziehungen. Das ist ganz spannend, aber Innovis und Innovision, ehrlich gesagt, viel zu trocken!

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Das ist das Programm des Wirtschaftssena- tors!)

Kommen wir zunächst einmal zu den Erfolgen der Hochschule! Da ist es unter der Führung und Mode

ration des Rektorats und Professor Timm gelungen, sich von einer negativ belasteten Reformuniversität, da haben ja eben welche Verantwortung übernommen, zu einer anerkannten Forschungsstätte zu entwickeln.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Das haben auch die Sozialdemokraten gemacht!)

Das Drittmittelaufkommen hat die Universität Bremen in die Spitzengruppe der deutschen Hochschulen katapultiert. 74,7 Millionen Euro waren dies allein im Jahre 2001, darüber lohnt es sich zu reden.

(Beifall bei der CDU)

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, und das wird oft vergessen, die zunehmende Autonomie der Hochschulen, die wir ihnen zugebilligt haben. Das war seinerzeit ein riskantes Unterfangen, und wir wussten alle nicht, wie das ausgeht. Unter anderem Personalautonomie abgeben, also, die Skepsis gerade in den Hochschulabteilungen war ganz besonders groß. Ich finde es einfach nicht richtig, hier jetzt zu erfinden und zu sagen, darauf kleben wir ein sozialdemokratisches Etikett, und ich lasse mich auch nicht verleiten, ein christdemokratisches Etikett darauf zu machen.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)