Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Also, schon aus historischen Gründen sollte man hier sehr vorsichtig sein, diese schlimmste Zeit der deutschen Geschichte als Kleingeld hier zu verspielen. Das geht nicht! Hier sollte man sehr sorgfältig abwägen in seinen Formulierungen. Das ist unsere herzliche Bitte auch für die Zukunft.

Zum Schluss: Es ist in der Tat jetzt die zweite Aktuelle Stunde über Herrn Mäurer. Ich sage einmal offen für unsere Fraktion, wir sind es nun auch ein wenig leid, dass ein Beamter sich in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stellt. Das ist an sich nicht richtig,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wenn es keinen Justizsenator gibt!)

und ich hoffe, dass das jetzt auch das letzte Mal war. Jetzt reicht es auch so in dieser Beziehung! Ich möchte Herrn Mäurer auch einmal sagen, ich hatte das letzte Mal schon angedeutet, das Ressort hat viele Probleme zu lösen, bitte lösen Sie diese Probleme, und schaffen Sie uns nicht neue! – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Herr Isola, Sie haben in Ihrem Beitrag den in Italien gewählten Regierungschef als hoch kriminell bezeichnet.

(Zurufe von der SPD: Ist er ja auch! – Abg. I s o l a [SPD]: Er ist zu zwei Jahren verur- teilt worden!)

Man sollte so etwas zu einem ausländischen Regierungschef in einem Parlament nicht sagen, zumal er durch demokratische Wahlen in sein Amt gekommen ist! (Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist ja ein bisschen ein merkwürdiges Rollenverständnis innerhalb einer großen Koalition, dass der eine Koalitionspartner immer den Rücktritt der Staatsräte des anderen Koalitionspartners fordert, und wenn es um Rücktrittsforderungen gegen seine eigenen Staatsräte geht, es auch noch dem Partner überlässt, die Verteidigungslinie hier zu fahren im Parlament.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Isola, und das verwundert umso mehr, als ich glaube, dass Sie als derjenige, der Sie der gleichen Partei wie Herr Mäurer angehören, Herrn Mäurer eigentlich viel eher verstehen müssten als wir. Ich will es aber an dieser Stelle noch einmal sagen, Herr Kuhn, ich weiß nicht, der wievielte Versuch es von Ihnen nun mittlerweile ist, einen Keil zwischen die SPD-Fraktion und den Regierungschef an dieser Stelle zu treiben. Sie sagen, es ist der zweite, mir kommt es so vor, als wäre es der fünfzehnte mindestens. Was mich daran stört, ist, Herr Kuhn, dass Sie immer wieder darum bemüht sind, hier mit falschen Bewertungen und falschen Behauptungen eine im Kern vernünftige Politik im Justizressort in das Abseits zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Lassen Sie uns doch lieber, Herr Dr. Kuhn, gemeinsam über das reden, was diese große Koalition auch im Bereich der Justiz in dieser Legislaturperiode und in der letzten Legislaturperiode geleistet hat! Herr Dr. Kuhn, darüber diskutieren Sie überhaupt nicht!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Doch!)

Was haben wir gemacht zum Beispiel gegen schwerstkriminelle Wiederholungstäter, Intensivtä––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ter! Was haben wir gemacht zum Beispiel in der Diskussion um Jugendkriminalität! Sie träumen immer noch davon, dass Jugendvollzug eine Jugendherberge ist, in der eine möglichst optimale Betreuung von kriminellen Straftätern stattfindet! Dieses Ressort steht zum Glück mit der Mehrheit der Bevölkerung dafür, dass Jugendvollzug auch Jugendvollzug ist und Strafvollzug ist, und das ist ein Erfolg dieses Ressorts.

(Beifall bei der CDU)

Ich will damit nicht sagen, weil das auch nicht meine Aufgabe als CDU-Politiker ist, dass ich mit allem, was das Justizressort macht, zufrieden bin. Im Gegenteil: Wir haben ja auch schon eine Debatte geführt, in der ich gesagt habe, eigentlich könnte noch viel mehr gemacht werden. Gerade in der letzten Debatte über die Große Anfrage zur Justizpolitik des Landes hat die CDU hier Forderungen aufgestellt wie zum Beispiel die Einführung eines Strafarrests neben dem Jugendarrest, wie zum Beispiel die Verankerung des Fahrverbots als Zuchtmittel, wie zum Beispiel Strafrahmenerhöhungen, wie zum Beispiel höhere Strafen für Sexualstraftaten gerade an Kindern!

Meine Damen und Herren, das haben Sie in Bausch und Bogen abgelehnt! Merkwürdigerweise gibt es jetzt einen Vorschlag der neuen Justizministerin, die viele dieser von der CDU erhobenen Forderungen aufnimmt. Ich kann mir nur wünschen, Herr Dr. Scherf, dass auch Ihr Ressort zur besseren Einsicht gelangt ist und Sie diese Gesetzesinitiative jetzt über den Bundesrat auch entsprechend unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Kuhn, ich sage deswegen hier, dass Sie eine wahrheitswidrige und falsche Bewertung vorgenommen haben, weil Sie den Eindruck vermitteln, Herr Mäurer habe in seinen Äußerungen auch in der Öffentlichkeit gesagt, die jetzigen Richter, die eine Veränderung des Systems wollten, stünden in der Tradition der unsäglichen Richter der Weimarer Republik. Das ist mitnichten der Fall! Sie wissen auch, dass Herr Mäurer auch eine entsprechende Klarstellung vorgenommen hat. Ich zitiere Ihnen einmal, wie es bei den Leuten, um die es geht, angekommen ist, einen Leserbrief von Herrn Adolf Claußen aus der „taz“ vom 7./8. 12.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Der einzige Leserbrief!)

Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Ulrich Mäurer hat mitnichten die jetzige Richterschaft in eine Linie mit Wegbereitern des NS-Regimes gestellt oder sie gar mit der republikfeindlichen Richterschaft der Weimarer Zeit verglichen. Ganz im Gegenteil, er hat dargestellt, welche Konsequenzen aus

seiner Sicht aus dem Faschismus gezogen wurden, und verteidigt diese. Er verteidigt also eine Politik, die eine demokratische Richterschaft zum Ziel hatte und hat, und attestiert der bestehenden Richterschaft damit, eben nicht mit Nazi-Richtern vergleichbar zu sein.“ Genauso habe ich Herrn Mäurer auch verstanden, Herr Dr. Kuhn, und so kann man ihn auch nur verstehen. Wer ihn ein bisschen kennt, der weiß, dass er aus der Geschichte heraus für sich die Schlussfolgerung gezogen hat, eine unabhängige, der exekutiven und legislativen Kontrolle des Parlaments entzogene selbstverwaltete Richterschaft darf es in Deutschland nicht wieder geben. Das ist auch die Ansicht der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU)

Aber, Herr Dr. Kuhn, Sie haben ja eine Frage an das Parlament gestellt mit der Aktuellen Stunde: Ulrich Mäurer Justizstaatsrat – wie lange noch? Damit wollen Sie eine Bewertung haben. Herr Isola hat sich nicht geäußert. Ich will Ihnen meine Einschätzung geben. Solange es die große Koalition im Lande Bremen gibt, glaube ich fest daran, dass Herr Mäurer Staatsrat im Justizressort bleibt und weiterhin vernünftige Politik für die Menschen im Lande Bremen macht. Ich kann Ihnen allerdings nicht versprechen, Herr Dr. Kuhn, dass, wenn es eine rotgrüne Regierung gibt, gegebenenfalls noch mit einem Justizsenator Dr. Kuhn,

(Lachen bei der CDU)

dann Herr Mäurer im Amt bleibt. Bei einer rotgrünen Regierung sehe ich für Herrn Mäurer schwarz. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde hat einen inhaltlichen, sachlichen Teil und einen polemischen Teil. Das hat Horst Isola richtig sortiert. Über den inhaltlichen Teil streiten wir. Darüber muss man nicht streiten! Darüber reden nicht nur in Bremen die Leute, sondern darüber reden sie bundesweit. Unter den Justizministern gibt es da übrigens eine einheitliche Auffassung. Herr Kollege Kuhn, vielleicht erkundigen Sie sich bei Ihnen nahestehenden Kollegen! Es gibt unter denen, die an der justizpolitischen Öffentlichkeit beteiligt sind, eine relativ klare Einschätzung der Initiative des Richterbundes, der sich Herr Kuhn verschrieben hat,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist eine dumme Lüge!)

dass wir das insgesamt nicht wollen.

Wenn Sie mir eine Lüge vorwerfen, bitte ich den Präsidenten, seinen Vizepräsidenten zu korrigieren, denn das, finde ich, darf er nicht ungestraft hier machen!

(Glocke)

Herr Abgeordneter Kuhn, Sie haben den Redner als Lügner bezeichnet, ich weise das zurück!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich habe gesagt, das, was er gesagt hat, war eine Lüge!)

Da gilt das Gleiche, was ich gesagt habe, zu Ihrem Ausspruch!

(Zurufe von der CDU: Das ist ja noch schlim- mer! – Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Er hat gesagt dumme Lüge! – Unruhe)

Herr Kuhn ist für die politische Kultur in diesem Lande zuständig. Bemessen Sie ihn an seinen eigenen Einlassungen, dann wissen Sie, woran Sie sind!

(Beifall bei der CDU)

Diese inhaltliche Debatte läuft zurzeit. Wenn man an dem Juristentag teilgenommen hat, dann weiß man, dass es da auch eine heftige Debatte und eine klare Mehrheit gegeben hat. Horst Isola hat zu Recht auf die Verwaltungsrichter verwiesen, die bundesdeutsche Verwaltungsrichtervereinigung. Ich glaube, Jens Böhrnsen ist immer noch Mitglied dieser Vereinigung. Die haben wunderbar votiert. Lieber Jens Böhrnsen, orientieren Sie sich an Ihren alten Kollegen, achten Sie nicht auf Herrn Kuhn, der ist da noch lernbedürftig!

Also, wir haben eine klare Linie. Übrigens geht das, was der Richterbund will, wirklich nur durch eine Verfassungsänderung, nicht nur in Bremen, sondern in der Bundesrepublik. Das muss man sich einmal vorstellen. Da muss man andere Räder drehen, als Hermann Kuhn versucht, hier zu drehen. Dies ist zurzeit völlig unrealistisch.

Wir müssen diese Debatte wieder einfangen, wir müssen eine vernünftige fachliche, sachliche Beratung, wie begonnen, im Rechtsausschuss abwägen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es da eine Novellierung des Bremer Richterwahlverfahrens gibt, vielleicht bekommen wir die noch in dieser Legislaturperiode hin. Das ist der sachliche Kern.

Jetzt gibt es eine polemische Überhöhung dieser Auseinandersetzung. Als ich mit Ulrich Mäurer darüber geredet habe, wie er das eigentlich gemeint hat, habe ich klar von ihm gesagt bekommen, und ich denke, das darf ich hier auch sagen: Er hat nicht

im Entferntesten die Absicht, diese Debatte mit den Ursachen für den Nationalsozialismus in einen Topf zu rühren. Das ist nicht seine Absicht, und wenn er so verstanden worden ist, ist er falsch verstanden worden, sondern er möchte gern, und das ist richtig, sagen, dass es nicht irgendeine Quantité négligeable ist, über die wir hier diskutieren, sondern dass es ein dickes verfassungsrechtliches Problem ist, das eine bedeutende verfassungsrechtliche Qualität hat, und dass man sehr sorgfältig abwägen muss, wo man landet.

Ich komme gerade von einem Besuch des aserbaidschanischen Kollegen. Wir diskutieren mit den Justizministern in den ehemaligen GUS-Ländern den richtigen Weg. Da gibt es auch einige, die meinen, man müsste die Justiz Richterräten überlassen. Ich möchte jetzt nicht polemisch werden, aber die kommen ja aus einer Kultur, in der Räte einmal etwas ganz Mächtiges waren.

Meine Einschätzung und meine Erfahrung, und zwar meine durchgehende Erfahrung mit all diesen Alternativen ist die, dass es klug ist, auch im Sinne des Parlaments, auch im Sinne der Parlamentsentscheidung über knappe Haushalte von der Räteidee Abstand zu nehmen. Sie, die Parlamentarier, sind diejenigen, die die Steuererhebung verantworten, niemand anders. Sie müssen die Budgethoheit behalten. Wenn das auseinander fällt, dann geht es nicht gut. Wenn das Parlament die Prügel kassiert für das Abkassieren der Leute und wir dann Privilegien schaffen, die selbstreferenziell ausgeben können, ist das nicht richtig. Das muss zusammenbleiben. Derjenige, der für die Einnahmen verantwortlich ist, muss die Möglichkeit haben, die Ausgaben zu kontrollieren, sonst stimmt es nicht, sonst geht es schief.

Ich rate auch dringend davon ab, dass wir Privilegien innerhalb derjenigen schaffen, die über den öffentlichen Haushalt finanziert werden. Es wollen doch alle möglichst nichts mit unserem Sparen zu tun haben. Die Lehrer wollen nichts mit unserem Sparen zu tun haben. Die Finanzbeamten sagen, ihr spart bei uns, ihr seid so dämlich, wenn ihr mehr Finanzbeamte habt, dann steht ihr mit den Einnahmen besser da. Ich kenne eigentlich niemanden, der sich wirklich aktiv richtig selbst am Sparen beteiligt! Das müssen wir schon insgesamt machen.