Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Mitteilung des Senats vom 4. Februar 2003 (Drucksache 15/1365)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Wischer.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Landschaftsprogramm soll nun heute zum wiederholten Male geändert werden. Anlass ist diesmal die Wohnbebauung in dem Überschwemmungsgebiet Brokhuchting. Das lehnen wir Grünen bekanntlich ab, ich werde mich jetzt aber speziell auf die Problematik insbesondere mit dem Landschaftsprogramm beziehen.

1991 hatte die Bürgerschaft, das heißt dieses Haus, das Parlament, das Landschaftsprogramm als Planungsinstrument verabschiedet. Ich zitiere aus diesem Landschaftsprogramm mit Erlaubnis des Präsi

denten: „Mit dem Landschaftsprogramm ist eine praktikable, auf dem derzeitigen Datenstand aufbauende Planungsgrundlage entwickelt worden, die gleichzeitig einen Beitrag zur Umweltverträglichkeitsprüfung liefert. Auf dieser Basis sind die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Teile einer umfassenden Umweltvorsorge bei allen raumbedeutsamen Planungen in Zukunft hinreichend zu berücksichtigen im Interesse eines langfristig funktionsfähigen Naturhaushaltes und einer lebenswerten Umwelt für Mensch, Tier und Pflanze.“ Soweit das Zitat!

Meine Damen und Herren, das war einmal! Seit der Zeit der großen Koalition kann man das Landschaftsprogramm in der Tat in den Papierkorb werfen. Es hat keinerlei planerische Relevanz mehr. Seit dieser Zeit, seit diesem Landschaftsprogramm sind nahezu 3000 Hektar, die dort als naturraumtypische freie Landschaft als erhaltenswert galten, entweder bereits bebaut oder mit entsprechenden Planungen belegt. Es sind nahezu 3000 Hektar, die entgegen der Datengrundlage und dem, was als Planung im Landschaftsprogramm beabsichtigt war, bis heute anderen Nutzungen zugeführt wurden.

Hinsichtlich der Frage der Zustimmung zu der Änderung des Landschaftsprogramms ist auch anzumerken, dass dies der Beirat Huchting mehrheitlich abgelehnt hat, es hat der Naturschutzbeirat abgelehnt, es hat die Bezirksregierung Weser-Ems abgelehnt, die Stadt Delmenhorst, die Architektenkammer und der Gesamtverband für Natur- und Umweltschutz. Nichtsdestotrotz soll es heute wieder gemacht werden. Es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass Empfehlungen und Vorschläge der Träger öffentlicher Belange hier nicht mit einfließen bei dem, was entschieden wird.

Es fließt genauso wenig ein wie das Gemeinwohlinteresse des Naturschutzes. Hier möchte ich aus der heute zur Debatte stehenden Mitteilung zitieren. Sie kommt nämlich im Ergebnis – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – zu der Feststellung:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei dem Gebiet Brokhuchting um ein für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild hochwertiges und damit an sich erhaltens- und entwicklungsfähiges Gebiet handelt. Andererseits soll, wie bereits dargestellt, mit der Ausweisung der Wohnbauflächen für überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser entsprechend den städtebaulichen Zielvorstellungen ein Angebot für bestimmte Bevölkerungsgruppen gemacht werden. Damit soll verhindert werden, dass weitere Einwohner, insbesondere Familien, in das Umland abwandern. Die Schaffung des neuen Wohnbaugebietes würde durch das erhöhte Steueraufkommen gleichzeitig zu einer Stärkung der Finanzkraft Bremens führen.

Die Gemeinwohlinteressen des Naturschutzes, wie hier speziell in der Landschaftsplanung dargelegt,

einerseits und der Wohnraumbedarf andererseits stehen sich somit in einem Zielkonflikt gegenüber. Im Rahmen einer Gesamtabwägung der verschiedenen Belange und einer zusammenfassenden Würdigung der vorgetragenen Einwendungen und den dazu getroffenen Feststellungen haben in diesem Falle die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege im Ergebnis zurückzutreten. Den vorgetragenen Anregungen und Bedenken konnte demzufolge im Wesentlichen nicht gefolgt werden.“ Soweit das Zitat!

Bei der Frage der Aufhebung des Landschaftsschutzes und der dann damit verbundenen Änderung des Landschaftsprogramms geht es natürlich immer um die Abwägung von Zielkonflikten. Es ist hier festzustellen, dass jede Abwägung in Bremen so ausfällt, dass quasi der Natur-, der Landschaftsschutz, der Umweltschutz weggewogen werden, und zwar ohne Substanz. Ich finde, hier wirkt die Gegenüberstellung mit der Zeit schon irgendwie kabarettreif. Mit der Bevölkerungsentwicklung, mit der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt wird die Begründung wirklich zur Farce, mit der der Senat die Naturzerstörung wegwägt. Es gibt keine zwingenden Gründe, die eine solche Inanspruchnahme von Natur unumgänglich machen.

Wir Grünen lehnen das ab. Wir sagen noch einmal ganz eindeutig und ganz klar, dass die Abwägung zwischen den Zielkonflikten Naturschutz und Landschaftspflege einerseits und Wohnraumbedarf andererseits fehlerhaft ist. Das heißt, die Voraussetzungen zur Änderung des Landschaftsprogramms sind hier eindeutig nicht gegeben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich, und das hatten wir auch in der Debatte in der Stadtbürgerschaft, ist es unverantwortlich, in der heutigen Zeit mit der Klimaveränderung, mit der Problematik zunehmender Niederschläge ein Überschwemmungsgebiet zu bebauen. Frau Wischer, es ist da in der Tat nicht bedeutsam, wie viel Prozent des Gesamtüberschwemmungsbereichs der Ochtum in Anspruch genommen werden. Nach den Erfahrungen bei der Hochwasserkatastrophe an der Elbe ist es so, dass dort entlang der Elbe Rückbau betrieben wird. Das heißt, da werden Siedlungen in Überschwemmungsgebieten zurückgebaut, die Menschen werden umgesiedelt. Da handelt es sich auch immer nur um geringe Prozentzahlen der jeweiligen Überschwemmungsgebiete, die besiedelt sind, aber in Bremen ticken die Uhren anders. In der Summe können wir einem solchen Unsinn nicht zustimmen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte, die wir vorgestern in der Stadtbürgerschaft geführt haben, nicht wiederholen. Deswegen werde ich mich auch ganz kurz fassen. Voraussetzung für ein In-Kraft-Treten des Vorhaben- und Erschließungsplans, den wir ja beschlossen haben, ist, dass dieses Landschaftsprogramm geändert wird. Es ist nicht die hundertste Änderung, es ist die vierte Änderung, Frau Dr. Mathes!

(Zuruf der Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/Die Grünen])

Ja, es ist die vierte Änderung! Durch das dauernde Wiederholen falscher Tatsachen wird das natürlich nicht alles besser, deswegen werde ich mir das auch sparen! Ich will nur noch einmal etwas zu dem Überschwemmungsgebiet, das Sie eben wieder angesprochen haben, sagen. Sie haben überhaupt nichts dazugelernt. Sie haben nicht gemerkt, was passiert ist, Sie haben nicht gemerkt, dass es Sperrwerke gibt, Sie haben nicht gemerkt, welche Maßnahmen alle unternommen worden sind aufgrund von Gutachten des Franziusinstituts und anderen. Sie haben das alles einfach gar nicht zur Kenntnis genommen! Unter heutigen Gesichtspunkten würde das nie als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen werden müssen und wäre wahrscheinlich auch nicht ausgewiesen, wenn man das alles berücksichtigt hätte, was in den letzten Jahren gemacht worden ist. Jetzt haben Sie gelesen, was alles unternommen worden ist, dass es praktisch ausgeschlossen ist, dass es überflutet werden kann. Es gibt eben manchmal auch Dinge, insbesondere dann, wenn es um den Wohnungsbau geht und um die Möglichkeiten, den Menschen auch Wohnraum anzubieten, die es erfordern, auch einmal ein Landschaftsprogramm zu ändern. Das wird dadurch nicht zerstört oder völlig zerfleddert! Wir haben in gleicher Weise riesige Gebiete unter Naturschutz gestellt und ausgewiesen im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Wohnbebauung. Das, finde ich, ist ein sehr fairer Kompromiss gewesen, dass wir hier eine ganz kleine Fläche von nicht einmal 40 Hektar für den Wohnungsbau benutzen und Hunderte von Hektar gleichzeitig als Naturschutzgebiet ausgewiesen haben. Das sollte man meines Erachtens auch einmal anerkennen! Ich möchte Sie bitten, jetzt dann auch diesen Beschluss hier zu fassen, damit der Vorhaben- und Erschließungsplan auch in Kraft treten kann. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Engelmann. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Focke hat sich schon sehr kurz gehalten, ich will es auch versuchen. Ob ich es noch kürzer hinbekommen werde, weiß ich nicht. Ich wundere mich sowieso, dass wir das heute noch einmal debattieren müssen, nachdem wir darüber schon am Dienstag sehr ausführlich gesprochen haben, unsere konträren Meinungen da zum Besten gegeben haben. Die Zeit der Kandidatenaufstellung ist ja eigentlich in allen Parteien vorbei. Gut, wie dem auch sei, ich werde es versuchen!

Im Bereich Niedervieland/Brokhuchting stehen zirka 700 Hektar Überschwemmungsräume für die Ochtum zur Verfügung. Das geplante Wohnbaugebiet reduziert diese Fläche um zwölf Hektar. Die Auswirkungen im Hinblick auf Wasserstandserhöhungen sind nach Aussagen des Fachinstituts nicht darstellbar. Die Grundsatzentscheidungen, das haben wir am Dienstag debattiert, für das Wohnbaugebiet Brokhuchting sind bereits in der letzten Legislaturperiode gefallen. Es gibt auch heute noch viele gute Gründe für dieses Wohnungsangebot. Wir haben bereits Dienstag ausführlich darüber gesprochen. Es ist die Verlässlichkeit gegenüber privaten Investoren, ein weiterer Grund ist das von der Gewos-Studie belegte notwendige Angebot an Einfamilienhäusern. Ein dritter Grund ist der Aspekt der Einwohnergewinnung beziehungsweise der Einwohnerbindung.

Es wäre sicherlich übertrieben, Fragen nach dem Bedarf am Hochwasserschutz und Retentionsräumen an dem Baugebiet Brokhuchting festzumachen. Notwendig ist die politische Willensbildung über den Umgang mit Freiflächen, insbesondere mit Überschwemmungsflächen. Hochwasserschutz in Bremen darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da geben wir Ihnen sicherlich Recht, wie der Hochwasserschutzbericht für das Land Bremen auch zeigt, aber, und das ist für unsere Entscheidung letztendlich wichtig, das Überschwemmungsgebiet der Ochtum ist für hohe Wasserstände groß genug.

Dagegen sieht es mit den Retentionsräumen für die Weser viel bedenklicher aus. Hier hat es nicht nur erhebliche Eingriffe gegeben, sondern es sind weitere geplant. Diese Diskussion, denke ich, muss dringend geführt werden. Wir dürfen jedoch nicht den Fehler machen, die Probleme der Weser auf die Ochtum und auf Brokhuchting zu übertragen. Von daher bitte ich um Zustimmung. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Wischer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Mathes, Sie werden wahrscheinlich vermuten, dass ich, wenn man es unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten betrachtet und nur diese im Blick hat, sehr wohl

Ihrer Meinung bin, dass wir hier über ein sehr hochwertiges Gebiet reden. Es ist überhaupt nicht zu bestreiten, dass dieser Bereich von hohem Wert ist und damit auch im Landschaftsprogramm enthalten gewesen ist.

Aber Sie haben es ja selbst angesprochen: Das eine sind Zielvorstellungen aus naturschutzfachlicher Sicht, die wir im Landschaftsprogramm niedergelegt haben, das andere sind in einem Gemeinwesen konkurrierende Interessen, die man im Konflikt miteinander austragen muss. In diesem Fall muss man eben sagen, dass die Abwägung, die stattgefunden hat, dazu geführt hat, dass die vielen Einsprüche, Bedenken und Sorgen in diesem Zusammenhang so mit aufgenommen wurden, dass man am Ende sagen kann, so, wie das Gebiet jetzt gestaltet ist, so, wie die Vorsorge getroffen ist, dass wenigstens weitgehend keine schädlichen Einflüsse auf das umgebende Naturschutzgebiet stattfinden können, kann man es verantworten. Die Fragen der Entwässerung, alle diese Dinge sind ja in den Setzungen bei dem Vorhaben- und Erschließungsplan niedergelegt worden. Insofern sind alle Einwirkungen – und eine Einwirkung ist ja immer mit einem solchen Schritt verbunden – so weit minimiert worden, dass man am Ende sagen kann, man kann es verantworten.

Wenn Sie auf das Landschaftsschutzprogramm insgesamt und auch auf die Fälle, in denen wir uns in ähnlicher Weise im Konflikt befunden haben, abheben, dann dürfen Sie hier nicht den Eindruck erwecken, als sei Bremen inzwischen eine einzige Betonwüste. Ich glaube, wir können selbstbewusst sagen, dass das, was an Naturschutzgebieten vorhanden ist, das, was an Landschaftsschutzgebieten vorhanden ist, das, was wir als Vogelschutzgebiete haben, sehenswert ist und – andere Kommunen haben es in diesem Umfang möglicherweise nicht wie Bremen – dass wir hier durchaus etwas vorzuweisen haben.

Dass es für einen Naturschützer immer schmerzhaft ist, das kann ich auch selbst nachvollziehen, wenn ein Gebiet angegangen worden ist, auf der anderen Seite gilt es, gesellschaftliche Kompromisse zu machen, und das ist in diesem Fall geschehen.

Die Frage des Hochwasserschutzes ist ja auch schon angesprochen worden. In diesem Fall, Herr Focke, braucht man das Überschwemmungsgebiet sehr wohl, weil es nicht um die Sturmfluten geht, für die die Sperrwerke stehen, sondern es geht hier um das Oberwasser, dass da hineindringt. Insofern brauchen wir diesen Retentionsraum selbstverständlich, aber ich glaube, dass es hier durchaus vertretbar ist, weil wir noch genügend Flächen für dieses Oberwasser haben.

Wir kommen ja noch im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutzbericht auf das Thema Überschwemmungsgebiete generell. Ich habe am Dienstag schon gesagt, in diesem konkreten Fall, denke

ich, ist es verantwortbar, dass man diese Fläche, über die wir hier reden, herausgenommen hat. In allen anderen Fällen sind wir auch der Auffassung, dass wir, was Retentionsräume anbelangt, hier auch im Interesse einer zukünftigen Vorsorge uns weiterhin sehr wohl Gedanken machen müssen. Das ist ja dann auch im Hochwasserschutzbericht angelegt.

Noch einmal zu diesem Gebiet! Ich glaube, unter der Abwägung, die Sie hier ausführlich aus der Vorlage zitiert haben, ist das, was am Ende herausgekommen ist, auch unter dem Gesichtspunkt des übrigen Gebietes, so weit zurückgefahren, dass man es verantworten kann. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Vierten Änderung des Landschaftsprogramms Bremen 1991 im Zusammenhang mit der 95. Änderung des Flächennutzungsplanes Bremen 1983 (Wohnbebauung Brokhuchting) mit der Drucksachen-Nummer 15/1365 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Vierten Änderung des Landschaftsprogramms Bremen 1991 im Zusammenhang mit der 95. Änderung des Flächennutzungsplanes Bremen 1983 zu.

Bremisches Architektengesetz (BremArchG) Bremisches Ingenieurgesetz (BremIngG)