Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen dieser Vorhaben ist die Autonomie von Schulen und Kindergärten. Im Rahmen bremenweiter oder sogar bundesweiter Zielvereinbarungen für Lernerfolge sollen Schulen und Kindergärten selbständig entscheiden können, mit welchen Methoden und mit welchen Pädagoginnen oder Pädagogen sie ihre Kinder fördern wollen. Eine wirtschaftliche Selbständigkeit ist dazu also völlig richtig und nötig. Das ist alles nicht zum Nulltarif zu haben, sondern wird Umsteuerungen in den Haushalten nach sich ziehen. Noch einmal die Fragen: Wo setzen wir welche Haushaltsschwerpunkte? Welchen Stellenwert räumen wir Bildung und Erziehung bei Haushaltsplanung ein? Wir teilen die Einschätzung der Jugendlichen, dass Geld für Bildung keine sinnlose Ausgabe ist, sondern eine Investition in die Zukunft ist. Das hat Jugend im Parlament ganz richtig und zentral formuliert.

Unser dritter Antrag beschäftigt sich mit dem Thema Juniorwahlen. Das ist eigentlich ein alter Antrag, der zurückkommt. Wir haben im Mai 2002 beantragt, dass bei der Bürgerschaftswahl 2003 Juniorwahlen an Bremer und Bremerhavener Schulen durchgeführt werden. Das sind symbolische Wahlen, es handelt sich wiederum nicht um eine echte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Es geht darum, dass demokratisches Handeln eingeübt wird, dass man kennenlernt, wie funktionieren eigentlich Wahlen, was schreiben Parteien in ihre Programme hinein, kann man die Aussagen der Parteien überprüfen. Jugendliche sollen also lernen, sich ernsthaft mit Politik auseinander zu setzen und zu überprüfen, was wird versprochen, und was wird gehalten. Das ist wichtig für diejenigen, die später hier einmal in unserer Gesellschaft das Ruder übernehmen müssen, dass sie sich kompetent mit Politik auseinander setzen können.

In den USA hat man das schon seit über zehn Jahren erfolgreich gemacht, daran haben schon 6000 Schulen teilgenommen. Es sind fünf Millionen Schülerinnen und Schüler dort erreicht worden, und man hat festgestellt, dass in besonders benachteiligten, also auch in bildungsfernen Schichten durch dieses Modell, Kids voting heißt das in den USA, auch die Wahlbeteiligung in den Schichten zugenommen hat, die nicht mehr wählen gegangen sind. An Bremer Schulen ist das schon zur Bundestagswahl 2002 an einigen Schulen auf eigene Kosten durchgeführt worden, und die Schulen, also die Lehrer und Schüler, haben berichtet, dass das eine total sinnvolle Sache war und Spaß gemacht hat. Die Ergebnisse sind veröffentlicht worden, und wir finden das total super, dass sich jetzt alle Bremer Ressorts mit der Finanzierung daran beteiligen, von Finanzen bis Inneres, die Beiräte, Soziales und Bildung. Wir finden es gut, dass die Landeszentrale für politische Bildung das Heft dabei in die Hand nimmt und das jetzt für 35 Schulen in Bremen und Bremerhaven umsetzen will.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Alles in allem kann man sagen, dass die Jugendlichen sich sehr ernsthaft mit Themen auseinander gesetzt haben, die sie selbst betreffen. Sie haben noch einmal eindrucksvoll formuliert, und ich finde, darüber sollten wir hier nicht als gewählte Parlamentarier einfach so hinweggehen, sie haben noch einmal ganz ernsthaft gefordert, dass sie beteiligt werden wollen, dass sie nach Beteiligungsmöglichkeiten suchen. Es ist auch an uns, dass wir die Kinder und Jugendlichen hier in das Parlament einladen und dass wir selbst dort hingehen, wo Kinder und Jugendliche sind, das Gespräch suchen und auch unsere eigene Politik prüfen, inwieweit wir überhaupt Politik für Kinder und Jugendliche im Land Bremen machen oder ob wir nicht schon völlig abgehoben aus Erwachsenensicht hier jetzt irgendwie nur noch Straßen planen und irgendwelche Space-Parks oder sonst welche Parks eröffnen. Ich sage das einmal ganz bewusst.

Jugendliche sind schon erstaunt, mit welcher Leichtigkeit manchmal in einer Minute in den Wirtschaftsförderungsausschüssen 40 Millionen Euro für dies und das bewilligt werden, aber wie lange um 50 000 Euro für Skateranlagen hier in der Stadt gestritten werden muss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das können sich auch die Herren der CDU einmal kräftig an ihr Revers heften, dass auch sie gefordert sind, weil sie auch von Eltern gewählt werden, die Kinder und Jugendliche haben. Unsere Gesellschaft kann nur zukunftsfähig sein, wenn wir eben diese Kinder und Jugendlichen auch einbeziehen und ihnen die Möglichkeit geben, hier das Ruder in die

Hand zu nehmen. Wenn wir da immer auf unseren Plätzen kleben bleiben, werden wir keine Nachfolgerinnen und Nachfolger finden. Das ist jetzt an dieser Stelle meine persönliche Meinung.

(Glocke)

Jugend im Parlament ist sinnvoll. Ich hoffe, dass Sie unsere Anträge unterstützen, und ich möchte noch einmal dafür plädieren, dass in der nächsten Legislaturperiode Jugend im Parlament fortgeführt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Pietrzok.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stahmann, ich habe ein bisschen das Gefühl, wenn Sie sich verheddern, dann halten Sie sich an flachen populistischen Sprüchen fest!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo hat sie sich denn verheddert?)

Jugend im Parlament jedenfalls, meine Damen und Herren, ist zum zweiten Mal durchgeführt worden und ist wiederholt, nach meiner Einschätzung jedenfalls, eine sehr erfolgreiche Geschichte gewesen, weil es eine erhebliche Beteiligung gegeben hat und weil man auch anhand der Resolutionen erkennen kann, dass es bei den Jugendlichen sehr ernsthafte Diskussionen gegeben hat und dabei Ergebnisse vorliegen, mit denen wir auch politisch weiterdiskutieren können.

Ich sage aber ganz deutlich, das sind Ergebnisse, mit denen wir weiterdiskutieren können, die wir hier nicht eins zu eins beschließen können, denn, das hat Frau Stahmann vorhin deutlich gemacht, Jugend im Parlament ist ein Mittel, um politische Bildung fortzuführen und weiterzuentwickeln, und ist kein Mittel der echten politischen Beteiligung von Jugendlichen.

(Beifall bei der SPD)

Das muss man deswegen ganz deutlich sagen, weil wir genau diese Diskussion auch schon an anderer Stelle geführt haben, dass es auch die politische Forderung gibt, dass man über Wahlen die Mandate für Jugend im Parlament vergibt und dass man dann sehr stark den Eindruck hat, dass die Jugendlichen hier auch de facto wirklich Dinge bestimmen können. Das können sie objektiv nicht, denn Jugend im Parlament, das ist eben so, das muss man auch deutlich sagen, ist kein Mittel, um die politischen Kräfte––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

verhältnisse hier in diesem Hause zu ändern, sondern ist ein Mittel, mit dem die Jugendlichen bestimmte parlamentarische Diskussionen und Verfahrensweisen erproben können, um ihre eigenen Positionen auch sehr deutlich gegenüber uns als Parlament, aber auch gemeinsam in Diskussionen mit uns zum Ausdruck bringen zu können, und das haben sie auch sehr gut gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt sind von Jugend im Parlament sechs Resolutionen vorgelegt worden, und ich möchte hier zu einigen dieser Resolutionen einfach noch einmal Stellung nehmen. Ich möchte aber vorab noch einmal ganz deutlich sagen, dass aus meiner Sicht das Haus der Bürgerschaft von dieser Aktivität sehr profitiert hat.

(Beifall bei der SPD)

Jugend im Parlament ist für dieses Haus auch insofern ein Erfolg, als es der Profilbildung Möglichkeiten gibt, nämlich zu zeigen, dass dieses Haus ein öffentlicher Raum sein soll, in dem politische Debatte nicht nur von Parlamentariern im Elfenbeinturm stattfindet, sondern dass auch andere hier diskutieren sollen und dass das dringend erwünscht ist.

Für die Jugendlichen ist das nach meiner Einschätzung allerdings auch durchaus eine erfolgreiche Möglichkeit, uns in einer Weise mit Themen zu konfrontieren, wie die Möglichkeit sonst oft nicht gegeben ist, und darüber habe ich mich auch sehr gefreut.

Es gibt die Kritik, beispielsweise der Gesamtschülervertretung und anderer Gruppen, dass solch eine Veranstaltung keine Alternative zu anderen Politikangeboten ist und dass es sich um eine Alibiveranstaltung handelt. Dieser Vorwurf ist öfter formuliert worden. Ich halte diesen Vorwurf aus folgendem Grund für nicht gerechtfertigt, das möchte ich ganz deutlich sagen: Wir haben hier den Rahmen deutlich formuliert, wie Jugend im Parlament zu funktionieren hat. Das ist von Jugendlichen so auch aufgenommen worden, und wir haben zu keinem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass auf jeden Fall alle Beschlüsse übernommen werden, sondern wir haben immer deutlich signalisiert, wir werden diese Resolutionen diskutieren, und das ist in den Ausschüssen auch sehr detailliert gemacht worden. Die Zusammenfassungen sind uns auch vorgelegt worden, und sie sind wirklich sehr intensiv beraten worden, für den Jugendhilfeausschuss und die Sozialdeputation kann ich das sehr deutlich sagen.

Ich möchte jetzt zu einigen Positionen noch einmal Stellung nehmen. Das Erste ist, Frau Stahmann hat es auch noch einmal deutlich gesagt, sie ist der Meinung, dass der Bereich Bildung in die Begrifflichkeit der investiven Ausgaben aufgenommen werden soll, weil das auch einfach gerechtfertigt ist. Po

litisch besteht doch in dem Zusammenhang für uns das Problem, dass wir als Land Bremen, was die Länderfinanzen betrifft, mit einem anderen Investitionsbegriff konfrontiert werden. Wir können einen Investitionsbegriff nicht selbst einfach erklären, sondern er ist definiert, dass das Maßnahmen sind, die die Finanzkraft und die Steuerkraft des Landes Bremen stärken. Das sind Investitionen.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist nun wirklich nicht die rich- tige Definition!)

Deswegen ist es sehr schwierig, für den Bildungsbereich solche unmittelbaren Wirkungen vorzunehmen. Deshalb sagen wir ganz deutlich, Bildung muss ein politischer Schwerpunkt werden, auch wenn Bildung zu konsumtiven Ausgaben führt, wird sie auch in der nächsten Legislaturperiode, wie schon in dieser Legislaturperiode, finanzpolitisch gesehen, eine deutliche Schwerpunktsetzung der großen Koalition für diese Saison bilden, das ist klar, für die SPD für die nächste Legislaturperiode auch!

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte hier noch zu einigen anderen Punkten Stellung nehmen. Frau Stahmann hat im Hinblick auf die Beteiligung deutlich gemacht, die Jugendenquete ist dringend notwendig. Wir haben die Jugendenquete in dieser Legislaturperiode nicht geschafft, das ist wahr. Wir haben in der letzten Sitzung der Bürgerschaft darüber diskutiert, in der nächsten Legislaturperiode wird die Bremische Bürgerschaft als Parlament selbst eine solche Jugendenquete durchführen, weil es nach meiner Einschätzung darum geht, dass wir versuchen müssen, Wege zu finden, eine bessere Beteiligung von Jugendlichen zu schaffen.

Im Moment haben wir, Frau Stahmann, meiner Meinung nach das Problem, dass wir, gerade in den Beiräten, keine konkreten Konzepte haben, wie wir wirklich erfolgreich Jugendliche beteiligen können. Wir sind selbst beispielsweise in einem Beirat in Schwachhausen gewesen und haben gesehen, wie schwierig die Situation dort ist. Deswegen bin ich auch der Meinung, wir können jetzt Ihrer Forderung gar nicht nachkommen zu sagen, wir beschließen ein neues Gesetz, wie Jugendliche beteiligt werden müssen, weil wir noch nicht genau wissen, wie man konkret die Beteiligung organisieren kann. Ich finde, erst wenn man weiß, wie man konkret Vorschriften auch umsetzen kann, dann sollte man sie machen und nicht umgekehrt.

Zu den Juniorwahlen, das haben Sie deutlich formuliert: Das Parlament stimmt der Position von Frau Stahmann durchaus zu, wir werden die Juniorwahlen durchführen. Die Gelder werden dabei auch zur

Verfügung gestellt, und diese Geschichte wird stattfinden.

Zum Wahlalter 16 muss man deutlich sagen, es gibt hier innerhalb der großen Koalition keine Einigung. Die SPD ist genauso deutlich positioniert wie die Grünen, kann aber nicht so deutlich abstimmen wie die Grünen. Wegen der großen Koalition wird es einen Beschluss, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, nicht geben,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Man könnte ja auch einmal eine Ausnahme machen!)

wenngleich wir der Auffassung sind, dass dies durchaus ein Mittel ist, das Jugendliche auch damit konfrontiert, sich intensiver mit Politik zu beschäftigen und Parlamentarier damit konfrontiert, sich stärker mit Jugend zu beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Zu der Resolution zum Thema Rassismus möchte ich auch noch einiges sagen. Das ist eine sehr konstruktive Diskussion gewesen, die in der Sozialdeputation stattgefunden hat. Es gab da sehr gute Vorschläge, die ernsthaft geprüft worden sind, und der Diskussionsstand ist auch so, dass einige Dinge dort auf jeden Fall forciert werden sollen, so dass sie auch wirklich umgesetzt werden sollen. Ich erinnere hier nur an eine Plakataktion, wir wollen versuchen, dass sie dann auch tatsächlich umgesetzt wird, möglichst, indem die Plakate von Schülerinnen und Schülern selbst erstellt werden.

Für eine weitere gute Idee halten wir die der Patenschaft von Schülern für zugewanderte Jugendliche, weil wir glauben, dass das ein echtes Stück Hilfe zur Selbsthilfe ist, ein echtes Stück bürgerschaftliches Engagement, das wir unterstützen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns auch mit der Legalisierung von Cannabis auseinander gesetzt. Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, dass die SPDFraktion diese Forderung nicht unterstützt, weil wir glauben, dass es drogenpolitisch das Ziel sein muss, weiterhin dafür zu sorgen, dass Cannabis in Zukunft möglichst weniger konsumiert und vor allen Dingen der Dauergebrauch von Cannabis reduziert wird.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn es durchaus Verständnis dafür gibt, dass viele Jugendliche sehen, dass mittlerweile in einer sehr großen Breite Cannabis konsumiert wird, sehen wir doch, dass wir diesem Ziel nicht näher kommen,

wenn man Cannabis legalisiert, und wir lehnen deswegen diese Forderung ab.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Auch Alkohol und Rauchen!)

Ich möchte noch zuletzt auf eine weitere Forderung von Jugend im Parlament eingehen. Ich erinnere, dass Jugend im Parlament die Ausweitung von Angeboten betreuten Wohnens gefordert hat. Erinnern Sie sich vielleicht noch einmal an die Diskussion, die wir gestern in der Stadtbürgerschaft gehabt haben! Betreutes Wohnen ist ein Bereich, der zu den Sozialleistungen zählt, in denen wir in den vergangenen Jahren erhebliche Ausweitungen der Ausgaben gehabt haben. Die Frage, die sich aus unserer Sicht stellt, ist nicht, ob man mehr Platzangebote für die Kinder und Jugendlichen schaffen muss, damit sie außerhalb ihres Elternhauses untergebracht werden, sondern in erster Linie muss für uns die Überlegung sein, ob es uns gelingt, rechtzeitig auf die Familien zuzugehen und ihnen rechtzeitig Hilfe zu geben, so dass die Familien nicht auseinander gerissen werden müssen, sondern die Konflikte möglichst weitgehend gelöst sind, damit wir dann auf betreutes Wohnen und ähnliche Unterbringungsangebote verzichten oder zumindest die Zahl der Angebote reduzieren können. Das ist ein hoher Anspruch, dem wir im Augenblick noch nicht näher gekommen sind, aber wir müssen dieses Ziel weiterverfolgen, und wir haben mittlerweile auch sehr viele neue Angebote für diesen Bereich geschaffen. Wir erwarten auch, dass das eine wirkungsvolle Maßnahme ist, die dort umgesetzt worden ist. Die Wirkung wird sich, so hoffen wir, in den nächsten Jahren tatsächlich einstellen.

(Beifall bei der SPD)

So viel jetzt hier zu einigen Positionen, zu den Forderungen von Jugend im Parlament, meine Damen und Herren! Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass das wieder eine sehr erfolgreiche Geschichte gewesen ist. Wir werden sie natürlich fortführen, Frau Stahmann, das kann ich Ihnen zusichern, aber ich muss Ihnen leider sagen, dass wir Ihre Anträge, wie Sie sie vorgelegt haben, wenn man von den Juniorwahlen absieht, ablehnen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)