Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen vom 1. April 2003 (Drucksache 15/1449)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Ende der Wahlperiode behandeln wir heute ein gesellschaftspolitisches Thema, mit dem wir uns vor vier Jahren im parlamentarischen Gleichstellungsausschuss zu Beginn unserer Arbeit beschäftigt haben, nämlich die Bekämpfung häuslicher Gewalt.
Die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU von 1999 enthielt bereits folgenden Passus: „Präventionskonzeption und Konzepte zum Umgang mit häuslicher Gewalt sind in Zusammenarbeit mit den Ressorts Bildung, Jugend und Soziales, Inneres, Justiz sowie der ZGF zu entwickeln.“
Der Gleichstellungsausschuss hat sich auf Initiative der SPD-Fraktion bereits im Oktober 1999 mit der Idee der Schaffung eines Wegweisungsrechts für häusliche Gewalttäter nach österreichischem Vorbild beschäftigt. Öffentlich war dieses Thema damals kaum bekannt. Einige Kollegen vermuteten zum Teil, es handele sich um eine Art Wegweiser oder Wegweisung. Im November 1999 verabschiedete die SPDFraktion einen Antrag „Schutz vor häuslicher Gewalt“, der neben der Vorlage eines Präventionskonzepts auch die Forderung nach Aufnahme des Wegweisungsrechts in das Bremische Polizeigesetz enthielt. Nach intensiven Gesprächen mit unserem Koalitionspartner gelang es dann im Dezember 1999, die Zustimmung der CDU-Fraktion zu erhalten, so dass es im Januar 2000 dann endlich zu einem entsprechenden Bürgerschaftsbeschluss kommen konnte.
Im Herbst 2001 gelang es uns mit den Fraktionen gemeinsam, die Voraussetzung für die Wegweisung gewalttätiger Lebenspartner zu schaffen, indem wir das Bremische Polizeigesetz entsprechend änderten. Dies war unserer Auffassung nach ein großer Erfolg der Parlamentarierinnen aller Fraktionen.
Daher finde ich es auch nicht ganz redlich, wenn die Fraktionsvorsitzende vom Bündnis 90/Die Grünen, Frau Linnert, in ihrer Tätigkeitsbilanz der ablaufenden Legislaturperiode die Durchsetzung von Maßnahmen gegen häusliche Gewalt allein auf ihre Fahnen schreiben möchte,
Außerdem waren wir Frauen bei diesem Thema gemeinsam wirklich stark, weil wir uns einig waren und uns in unseren Fraktionen durchsetzen konnten.
Ich bin der Auffassung, dafür hätten wir eigentlich ein interfraktionelles Plakat „Starke Frauen“ verdient.
Soviel zur aktuellen oder vielleicht doch nicht mehr ganz so aktuellen Imagekampagne der CDU! Glückwunsch, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, zu Ihrer tollen Werbeagentur, aber ich sage Ihnen auch, der schöne Schein reicht nicht allein.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion begrüßt die Vorlage des zweiten Berichts der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ vom 4. März 2003 sowie die zahlreichen von den Fachressorts zu diesem Thema eingeleiteten Maßnahmen. Außerdem ist mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene ein Meilenstein bei der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich verankert worden. Wer schlägt, muss gehen, das Opfer bleibt in der Wohnung. Im Zusammenwirken mit dem polizeilichen Wegweisungsrecht wird den Opfern häuslicher Gewalt nun endlich wirksam Schutz gewährt.
inzwischen tatsächlich umgesetzt worden sind. Vieles hat sich positiv bewegt, sowohl im vorschulischen Bereich als auch in der Kooperation zwischen Schule und Polizei, in der Familienbildung, in der Zusammenarbeit zwischen Polizeirevieren und Sozialzentren. Eine erste Auswertung von 39 erfassten Fällen nach Wohnungsverweisungsrecht wurde von der Fachabteilung des Amtes für Soziale Dienste in Bremen vorgenommen. Von diesen 39 Fällen waren in 27 Fällen minderjährige Kinder in den Familien mit betroffen, und in zwölf Fällen waren keine Kinder betroffen. Es ist egal, ob sie betroffen sind oder nicht, schlimm genug sind die Fälle auf jeden Fall. Ich bin der Auffassung, wir sollten diese fachliche Aufnahme und Erfassung auch in Zukunft unbedingt weiterführen.
Die SPD-Fraktion begrüßt, dass insbesondere auch die kommunalen Krankenhäuser in Bremen die Auseinandersetzung mit der Gewaltproblematik zu einem Schwerpunkt ihrer Fortbildungsmaßnahmen gemacht haben. Hilfreich sind zum einen das Faltblatt für Patientinnen und Patienten, zum anderen der Ratgeber für das Personal, der von der Gesundheitssenatorin in Kooperation mit den vier Zentralkrankenhäusern herausgegeben wurde und jeder neuen Mitarbeiterin und jedem neuen Mitarbeiter zur Verfügung steht.
Es ist auch eine Broschüre von der Ausländerbeauftragten in fünf verschiedenen Sprachen mit der Überschrift „Sag nein“ herausgegeben worden, in der das Thema Gewalt gegen Kinder besonders aufgegriffen wurde, und ebenso ist vom Gesundheitsamt ein Leitfaden zu dem Thema erstellt worden, beides begrüßen wir ausdrücklich.
Die polizeilichen Maßnahmen wurden ebenfalls verbessert. Es wird jetzt bei der Opferbefragung und Täterbefragung eine Vernehmung in getrennten Räumen vorgenommen. Das ist jetzt sichergestellt, das finden wir sehr positiv. Die Aus- und Weiterbildung für Polizeibeamte an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung hat sich ebenso dieses Themas angenommen, auch das möchte ich positiv erwähnen.
Verbesserungsbedarf gibt es noch bei der statistischen Erfassung und Auswertung von Fällen häuslicher Beziehungsgewalt. Ich hatte schon angesprochen, dass beim Amt für Soziale Dienste eine erste Erfassung stattfindet, sie sollte weitergeführt werden. Ich bin aber auch der Auffassung, Polizei und Staatsanwaltschaft sollten hier die Daten auch erfassen und aufbereiten.
Ich komme jetzt zu dem interfraktionellen Antrag, der diese Problematik in Ziffer 2 aufgreift. Dort heißt es, der Senat wird gebeten, eine fachkundige Aktenanalyse in allen angezeigten Fällen häuslicher Gewalt durchzuführen und diese Erkenntnisse ebenfalls in seinen Bericht einzubeziehen. Wir Parlamentarier fordern fraktionsübergreifend, dass der Senat
im Abstand von zwei Jahren regelmäßig über die Weiterentwicklung und Umsetzung des Präventionskonzepts berichten sollte. Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass in dem gesamten Bericht Angaben zur Stadt Bremerhaven fehlen. Wir fordern also, dass Bremerhaven in Zukunft auch in diesen Bericht aufgenommen wird.
Der Bericht sollte dann eben Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen Polizei, sozialen Diensten und den Frauenhäusern beinhalten sowie die Weiterentwicklung der Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der Kindertagesheime, der Schulen, der offenen Jugendarbeit, in den Krankenhäusern sowie bei Polizei und Staatsanwaltschaft dokumentieren. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung! Nach 13 Jahren Tätigkeit als Parlamentarierin in diesem hohen Hause möchte ich noch ein paar aufmunternde Worte an alle Kolleginnen und Kollegen richten, die in der nächsten Legislaturperiode hier weiter wirken werden. Ich wünsche Ihnen auch zukünftig viel Kraft und Mut für Ihre politischen Entscheidungen im Interesse der Bremerinnen und Bremer, natürlich auch der Bremerhavenerinnen und Bremerhavener. Ich werde Ihre parlamentarischen Initiativen auch in Zukunft aufmerksam beobachten. Mein Tipp, überlassen Sie fast nichts dem Senat allein! – Danke schön!
Ich versuche jetzt, trotz meiner heiseren Stimme laut und deutlich zu sprechen. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein großes gesellschaftliches Problem und zieht sich durch alle Schichten. Bereits 1985 stellte die CDU in ihren Essener Leitsätzen in einem eigenen Kapitel zum Thema Gewalt gegen Frauen fest: „Die körperliche und seelische Misshandlung von Frauen und Mädchen wurde lange Zeit bagatellisiert oder verschwiegen. Dieses Thema darf nicht länger tabuisiert werden, und die immer noch bestehenden Vorurteile gegenüber den Opfern auch auf Seiten der Behörden und Gerichte müssen beseitigt werden. Dazu sind gezielte Fortbildungsmaßnahmen von Polizei, Justiz und Ärzteschaft notwendig, damit diese ihrer Aufgabe gegenüber den Opfern besser gerecht werden können. Auch eine breite Aufklärung der Bevölkerung ist erforderlich.“ ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
In der fünfzehnten Legislaturperiode der Bremischen Bürgerschaft wurde für die Opfer von häuslicher Gewalt einiges auf den Weg gebracht. Auf Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 16. Dezember 1999 hat die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, ein ressortübergreifendes und mit der ZGF abgestimmtes Präventionskonzept gegen häusliche Gewalt vorzulegen. Der erste Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ mit der Drucksachen-Nummer 15/291 vom 18. April 2000 enthält einen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt, angefangen vom Kindergarten über Schule, Jugendarbeit, Universität und unter Einbeziehung von Gesundheit und Polizei. Dabei sind Präventionsmaßnahmen ebenso aufgelistet worden wie Maßnahmen konkreter Gefahrenabwehr oder begleitende Hilfen. Die CDU-Fraktion wertet es als Erfolg, dass es gelungen ist, ressortübergreifend dieses Konzept zu entwickeln, Maßnahmen zu verzahnen und zum Teil auch bereits umzusetzen.
Der zweite Bereich des Berichts der Arbeitsgruppe, über den wir heute sprechen, zeigt bereits deutliche Erfolge auf, vor allem im rechtlichen Bereich, und zwar zum Schutz der Opfer, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, Gewalt in der Partnerschaft ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.
Am 25. Oktober 2001 wurde der Paragraph 14 a, Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt, in das Bremische Polizeigesetz aufgenommen und bietet nun der Polizei die nötige Rechtssicherheit. Die Vorschrift schützt die gefährdete Person durch Wegweisung des Gewalttäters aus deren Wohnung sowie der unmittelbaren Umgebung und dem Verbot der alsbaldigen Rückkehr des Gefahrenverursachers. Sie gibt dem Opfer damit die Möglichkeit, ohne Einfluss des Verursachers die nötigen Schritte zu überdenken und zu veranlassen. Der Täter kann für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen aus der Wohnung verwiesen und mit einem Rückkehrverbot belegt werden.
Zivilrechtliche Maßnahmen sind durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellung durchsetzbar, Frau Wulff hat bereits darauf hingewiesen. Hier einige Stichpunkte: In Fällen von häuslicher Gewalt kann das Gericht die Wohnung dem Opfer zur alleinigen Nutzung überlassen. Das Opfer hat bis zu drei Monate Zeit, um sich zu entscheiden, ob eine Rückkehr in die Wohnung erfolgen soll. Das Gericht kann dem Täter unter anderem verbieten, sich an Orten aufzuhalten, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält, als Beispiele sind der Arbeitsplatz, der Kindergarten oder die Schule genannt, oder Kontakt zum Opfer aufzunehmen, das
gilt auch per Telefon oder E-Mail. Meine sehr geehrten Damen und Herren, beide Gesetze zusammen bewirken, der Täter und nicht das Opfer muss die vertraute Umgebung verlassen.
Positiv ist aus Sicht der CDU die begleitende Betreuung von Opfern häuslicher Beziehungsgewalt – in der Regel sind es Frauen – zu bewerten. Frauen, die sich als Opfer häuslicher Gewalt an die Polizei wenden, sehen dies oft als letzte Möglichkeit, nicht nur sich, sondern auch ihre Kinder zu schützen. In den meisten Fällen liegt ein langjähriger Leidensweg hinter ihnen. Existenzängste, Schuldgefühle, aber auch nicht zu wissen, wie es weitergeht, hemmen viele Frauen, aus ihrer Situation auszubrechen.
Durch fachliche Weisung zum Verfahren der sozialen Dienste zum Wohnungsverweisungsrecht gemäß Paragraph 14 a Bremisches Polizeigesetz vom 1. März 2002 findet ein Zusammenspiel zwischen Polizei und Sozialzentrum statt. Frau Wulff hat darauf hingewiesen, das brauche ich jetzt, glaube ich, nicht noch einmal zu wiederholen!
In den kommunalen Krankenhäusern stellte die Auseinandersetzung mit der Gewaltproblematik auch einen Schwerpunkt dar. Aufgrund der Erkenntnis, dass nicht jede Frau im Krankenhaus über ihre Gewalterfahrung sprechen möchte, wurde von der Arbeitsgruppe das Faltblatt für Patientinnen und Patienten sowie ein Ratgeber für das Personal entwickelt. Beide Medien stehen seit Anfang 2003 zur Verfügung, auch das hat Frau Wulff bereits ausgeführt.
Dies sind einige Beispiele bereits umgesetzter Maßnahmen. Die CDU-Fraktion wird aufmerksam verfolgen, ob auch die anderen Maßnahmen – ob bereits beschlossen oder noch zu entwickeln – in nächster Zeit auf den Weg gebracht werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben vielleicht in meiner Rede unter anderem Beiträge zu Gewalt an Kindern, Männern und Senioren vermisst. Wir werden sicherlich noch die Gelegenheit haben, in speziellen Debatten auch diese Thematik aufzugreifen beziehungsweise zu vertiefen. Teilweise sind sie als Opfer häuslicher Beziehungsgewalt in den aufgeführten Maßnahmen mit eingeschlossen.
Die Gewaltproblematik und ihre Auswirkungen müssen noch stärker als vorher in die Öffentlichkeit getragen werden, um diese zu informieren und vor allem, um die Menschen zu sensibilisieren. Bitte stimmen Sie daher dem Antrag der drei Bürgerschaftsfraktionen, Berichtspflicht des Senats zum Präventionskonzept „Häusliche Beziehungsgewalt“, zu! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema häusliche Beziehungsgewalt hat uns hier in den letzten Jahren sehr oft beschäftigt. Das war auch richtig so, und das war auch wichtig. Ich denke, dadurch ist dieses Thema wirklich in die Öffentlichkeit und in viele Köpfe gedrungen, und es hat auch konkrete Maßnahmen gegeben. Aber nun noch einmal eine Richtigstellung zum Wegweisungsrecht: Wir haben schon früh den Antrag eingebracht, dass es in das Polizeigesetz kommt. Wer nun herumgemeckert hat, das wollen wir jetzt nicht mehr eruieren, ich meine, wir wissen es alle, weil wir ja hier saßen, von daher lassen wir es einmal so!