Protokoll der Sitzung vom 14.05.2003

Ich sagte ja, ich lasse es jetzt einfach einmal so stehen!

Ich finde es wichtig – und ich denke, das ist uns auch gelungen –, dass wir viele Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, aber diese Maßnahmen müssen natürlich auch umgesetzt werden. Ich denke, deshalb ist es auch unsere Pflicht, darauf zu achten, und deshalb haben wir hier noch einmal diesen gemeinsamen Antrag entwickelt, dass wir uns weiterhin mit dem Thema beschäftigen, dass wir auch schauen, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden, wie ist der Austausch der Personen untereinander, Frauenhäuser, Amt für Soziale Dienste, Polizei und andere Institutionen.

Ich denke, wir sind hier alle einen großen Schritt weitergekommen, und deshalb werde ich hier inhaltlich nicht mehr darauf eingehen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Als nächste Rednerin erhält das Wort Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Häusliche Gewalt, dieses Thema ist lange Zeit in unserer Gesellschaft tabuisiert worden. Ich denke auch, wie meine Vorrednerin es gerade gesagt hat, die Diskussion hier im Hause, die lange und offene Diskussion – auch über die Medien – hat dazu beigetragen, das Thema aus der Tabuisierung herauszuholen und öffentlich zu machen. Wir dürfen uns aber trotzdem nichts vormachen: Wir haben natürlich weiterhin mit einer hohen Dunkelziffer zu kämpfen. Viele Opfer trauen sich nicht, viele Opfer haben ein großes Schamgefühl, sich an Stellen zu wenden, die Hilfestellung geben. Sie trauen sich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nicht in die Öffentlichkeit, sie trauen sich nicht zur Polizei oder zu den sozialen Diensten zu gehen.

Ich denke, wir haben gemeinsam noch eine große Aufgabe vor uns, die darin besteht, an Nachbarn, an Menschen, die mitbekommen, dass Gewalt in der Familie passiert, zu appellieren, nicht wegzusehen, sondern hinzusehen, auch zu handeln, die Opfer nicht allein zu lassen und Frauen und Kinder in ihrer schwierigen Situation so gut es geht zu unterstützen. Darum bitte ich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Bremen und Bremerhaven: Zeigen Sie Zivilcourage in einer solchen Situation, die Opfer brauchen Ihre Hilfe!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Situation der Opfer hat sich rechtlich durch die Novellierung des Polizeigesetzes hier in Bremen und durch das Gewaltschutzgesetz auf Bundesebene deutlich verbessert, das ist beschrieben worden. Wir haben hier wirklich einen Paradigmenwechsel zu verzeichnen. Wir haben mit dem neuen Instrumentarium ein Jahr lang Erfahrungen gesammelt, und ich denke, es sind Erfahrungen, die uns hoffen lassen, dass wir den richtigen Weg gehen.

Wir wissen auch, dass häusliche Gewalt in der Regel keine einmalige Gewalt ist, sondern dass es oft Wiederholungstäter sind und in kurzer Zeit erneut Gewalttätigkeit auftritt, wenn nicht eingeschritten wird. Aber die Instrumentarien tragen ja dazu bei, dass wir insgesamt effektiver handeln. Durch die Wohnungsverweisung, die eben nicht nur kurzfristig angelegt ist, gibt es genügend rechtliche Vorbereitungsmöglichkeiten für das Opfer, sich mit der Situation auseinander zu setzen, sich beraten zu lassen und auch die gerichtlichen Schritte einzuleiten. Das ist das Gute an dem Zusammenspiel mit dem Gewaltschutzgesetz.

Das Gericht ist in der Lage, in der Einzelsituation durchaus weitere Schutzmöglichkeiten – das ist schon gesagt worden – zu veranlassen, also Kontaktaufnahme zu verbieten, insbesondere auch in der Umgebung Schule, Kindergarten, Arbeitsplatz. Alles das sind Maßnahmen, um den Opfern von Gewalt, Frauen und Kindern, Möglichkeiten zu geben, in Ruhe, soweit das in einer solchen Situation möglich ist, zu überlegen, wie geht es weiter, wie kann ich meine Familie vor Gewalteinfluss sichern und schützen.

Dieses eine Jahr, in dem das neue Recht angewandt wurde, hat gezeigt, dass Polizei und soziale Dienste sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven sehr gut zusammenarbeiten. Es hat auch Wegweisungsfälle in beiden Städten gegeben, an denen deutlich wurde, dass sich die Zusammenarbeit zwar am Anfang etwas schwierig gestaltete, dass aber, je mehr Erfahrungen bei den agierenden Personen gesammelt worden sind, das Zusammenspiel besser wurde und sich die Opfer sozusagen in einer fach

lich gut aufgestellten Situation befunden haben. Sie haben die für ihre jeweils individuelle Situation notwendige Beratung erhalten. Sie werden unterstützt, wenn zum Beispiel Sucht, was häufig der Fall ist, mit im Spiel ist, um eine grundlegende Änderung der Situation der Familie zu erreichen. Unser Ziel ist eine Stabilisierung.

Es ist auch gesagt worden, dass diese neuen rechtlichen Instrumentarien in ein Gesamtkonzept eingebettet sind, in dem auf verschiedenen Ebenen, sei es im Kindergarten, in der Schule, in der Familienbildung, in den Krankenhäusern, auf dieses Thema aufmerksam gemacht wird und auch entsprechend Fortbildungen stattfinden.

Ich möchte nach diesem einen Jahr eine kurze Bilanz ziehen, wir haben eine erste Auswertung vorgenommen: Es zeigt sich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass Polizei und soziale Dienste in Bremen und Bremerhaven gut zusammenarbeiten. Ich möchte ausdrücklich das Engagement der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorheben. Wir werden selbstverständlich die geforderte Untersuchung, die Auswertung für Bremen und Bremerhaven, durchführen, um daraus unsere Schlüsse zu ziehen und zu schauen, wo man im Interesse der Opfer eventuell noch weiter optimieren muss.

Ich möchte mich ganz besonders bei der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe unter der Federführung der ZGF bedanken, die dies mit großer Verve auf den Weg gebracht und begleitet hat. Frau Wulff hat es ja so nett gesagt: Als Parlamentarier sollte man den Senat fast nie allein lassen.

Ich bedanke mich auch bei diesem Thema für die Unterstützung aus dem Parlament, insbesondere bei Frau Wulff und beim Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau. Gemeinsam haben wir im Interesse der Opfer, im Interesse der Familien hier etwas Richtiges auf den Weg gebracht, und wir werden gemeinsam mit großer Verve weiterverfolgen, dass wir das Thema Gewalt nicht aus den Augen verlieren. Ich glaube, dafür stehen wir hier alle. – Danke!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 15/1449 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/1397, Kenntnis.

Demenzerkrankungen – eine gesellschaftliche und gesundheitspolitische Herausforderung für das Land Bremen

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 5. März 2003 (Drucksache 15/1400)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 25. März 2003

(Drucksache 15/1433)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke.

Frau Senatorin, ich frage Sie: Möchten Sie die Antwort noch einmal mündlich wiederholen?

(Senatorin R ö p k e : Nein!)

Ich gehe davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Dann erhält das Wort der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns in dieser Legislaturperiode mit dem Erkrankungsbild Demenz hier in der Bürgerschaft beschäftigen, und wir brauchen auch nicht Hellseher zu sein, um zu sagen, dass wir das auch in den nächsten Legislaturperioden sicherlich als Begleitung für unsere Nachfolger hier haben werden, denn die gesellschaftliche Entwicklung, die demographische Entwicklung, dass wir alle immer älter werden, ist leider eines der Begleitübel, dass die Anzahl der Demenzkranken mit zunehmendem Alter immer weiter steigt. So wird es auch für uns, und nicht nur für uns jetzt, sondern für alle künftigen Generationen, eine Aufgabe sein, der sie sich verstärkt zu widmen haben.

Die letzte ausführliche Debatte war im Sommer 2001, aber durch viele Gespräche bei Besuchen in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen angeregt haben wir uns koalitionär entschlossen, das Thema noch einmal erneut auf die Tagesordnung zu setzen, um auch so ein kleines bisschen eine Abschlussbilanz zu erhalten.

In der Vorbereitung auf diese Debatte fand ich im Internet in einer Suchmaschine 65 500 Eintragungen zum Thema Demenz. Ich meine, das macht auch schon einmal deutlich, wie umfangreich und wichtig dieses Kapitel ist und wie ernst wir es nehmen müssen.

Wir alle wissen – aber ich sage es noch einmal –, dass Demenz ein langsam fortschreitender Verlust geistiger Fähigkeiten ist, der weit über den normalen, altersbedingten Abbau der Hirnleistungsfähigkeit hinausgeht und schnell Krankheitswert erreicht. Die Symptome sind Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit, Verlieren und Verstecken, wiederholtes Fragen, Unruhe, nächtliches Wandern, Aggressivität, Sinnestäuschung und Wahn.

Wenn Sie das nächste Mal wieder in Ihre Apotheke gehen, vielleicht fragen Sie einmal nach dieser Broschüre, die die Apotheken mit einigen Sponsoren gemeinsam herausgegeben haben. Ich fand das eine wunderbare Anleitung, wie man selbst, wenn man Demenzerkrankte in der Familie, in der Verwandtschaft oder im Bekanntenkreis hat, mit ihnen umgehen sollte. Sie haben nämlich eine ganz andere Behandlung nötig, als wir sie gemeinhin erfahren. Deswegen habe ich diese Punkte auch noch einmal aufgezählt, worunter dann jeweils steht, wie man sich in diesem Fall als Angehöriger oder als Begegnender verhalten sollte. Die Broschüre gibt es in den Apotheken vermutlich noch, wenn man danach fragt. Es war für mich eine ganz hervorragende Sache, mich hierauf vorzubereiten.

Meine Damen und Herren, bisher gibt es noch keine ursächliche Behandlung. Was bedeutet das aber für den Betroffenen? Bei meiner Suche im Netz fand ich unter dem Stichwort „Betreuung von Demenzen“ eine Beschreibung der Situation eines betroffenen Angehörigen, die mir sehr einleuchtete. Ich habe lange überlegt, ob ich Ihnen die hier vortrage, aber ich will es doch tun!

„Stellen Sie sich vor, man setzt Sie mutterseelenallein in einer chinesischen Kleinstadt aus, wo Sie weder die Sprache können, noch irgendetwas lesen können. Überall stoßen Sie auf völlig unverständliche Gebräuche wie das Essen mit Stäbchen, und was das Schlimmste ist: Ständig treffen Sie auf Menschen, die auf Sie einreden, dabei so tun, als ob sie Sie schon lange kennen würden und von Ihnen erwarten, dass Sie über alle und sämtliche Dinge Bescheid wissen.“ Wenn man darüber einmal einen Moment nachdenkt, kann man verstehen, dass in den betroffenen Menschen und auch bei den Angehörigen Angst und Ärger über die Situation, in der sie sich befinden, aufkommt.

Es gibt noch keine ursächliche Behandlung, aber wir können die Situation der Betroffenen und ihrer Angehörigen erleichtern. Um zu erfahren, ob das in Bremen und Bremerhaven auch nach der Anfrage von 2001 verstärkt in die Wege geleitet worden ist,

haben wir koalitionär diese Große Anfrage eingebracht. Mit den Antworten des Senats auf unsere Fragen werde ich mich jetzt im Folgenden auseinander setzen.

Demenz gilt nicht als heilbar, wenn man sie aber schon früh diagnostiziert, kann man den Verlauf und den völligen Ausbruch der Krankheit zwar nicht verhindern, aber hinauszögern. Das mit dem Herauszögern gilt im Wesentlichen, wenn für die Demenz Bluthochdruck, Blutzucker oder Fettstoffwechselstörungen die Ursache sind, und diese Krankheiten, wissen wir, sind in unserer Bevölkerung sehr weit verbreitet, und jeder, der eines dieser Risiken trägt, ist stärker gefährdet als jemand, der keines dieses Risiken trägt.

Wir können aus den Antworten zu den Fragen eins, acht und neun den Schluss ziehen, dass die Ärzteschaft in Bremen und Bremerhaven in Sicht auf die Früherkennung und Diagnostik insbesondere bei der durch Arteriosklerose hervorgerufenen Demenz, auch gestützt durch Fortbildungsveranstaltungen, ein Stück weitergekommen ist, das auch zum Wohle der Betroffenen. Gut zu erfahren ist, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in den letzten Jahren verstärkt mit der Problematik von Demenzerkrankungen beschäftigt hat und dass es möglicherweise schon bald mit einer einfachen Laboruntersuchung eine frühe Diagnosemöglichkeit geben wird, meine Damen und Herren.

Je früher diese Diagnosemöglichkeit eintritt, desto besser sind die Möglichkeiten, die Krankheit hinauszuzögern. Dies wird notwendig sein, denn wir werden, wie wir alle wissen, immer älter, und das Alter wird in vielen Fällen leider von Demenz begleitet. Viele von Ihnen hier im Haus waren in einem Vortrag in der Vahr, wo einer der Professoren, die dort referierten, sagte, der Tod ist der sicherste Schutz vor Demenz, wenn man ganz alt ist. Ich fand das ein bisschen brutal, aber er hat sicherlich Recht, wenn so ein Fachmann das sagt. Meine Kolleginnen und Kollegen, die mit waren, waren in dem Moment auch ein bisschen erschüttert, aber es ist wohl so.

Gegensteuern kann man nur mit hoch dosierten Medikamenten. Das alles sind zungenbrecherische Namen, aber ich habe gelernt, in Maiglöckchen kommt eines der besten Medikamente dagegen vor. Jeder kann aber etwas für sich tun, nämlich Übergewicht und Bewegungsmangel vermeiden, und Übergewicht und Bewegungsmangel sind auch verbreitete Krankheiten in unserer Gesellschaft und ein verbreitetes Vorkommen.