Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) mit der Drucksachen-Nummer 15/135 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

1. Änderung des Landschaftsprogramms Bremen 1991 im Zusammenhang mit der 75. Änderung des Flächennutzungsplans Bremen 1983 (Hemelingen — Hemelinger Marsch)

Mitteilung des Senats vom 7. Dezember 1999 (Drucksache 15/139)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Wischer, ihr beigeordnet Staatsrat Logemann.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass in diese Aussprache auch die Aussprache zu Tagesordnungspunkt eins der Stadtbürgerschaft, Drucksache 15/68 S, einfließen soll.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort Frau Dr. Mathes. Das war knapp, Frau Dr. Mathes!

Herr Focke, ich hätte Ihnen gern den Vortritt gelassen,

(Abg. F o c k e [CDU]: Warum denn? Hier steht doch alles darin, was wir wollen!)

weil ich mir das gewünscht hätte. Ich kann aber auch gut anfangen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Bündnisgrünen, und deswegen haben

wir auch die Debatte hier gewünscht, waren immer gegen die Bebauung der Hemelinger Marsch. Wir haben deswegen in den Deputationen gegen die Änderung des Landschaftsprogramms und die Änderung des Flächennutzungsplans gestimmt. Ich werde das begründen. Sicherlich vermuten Sie jetzt, dass wir alte Argumente wiederholen, und das zum x-ten Mal. Ich möchte Sie da aber zunächst beruhigen, ich werde auch auf aktuellere Entwicklungen eingehen, beispielsweise die Deponie im Vogelschutzgebiet.

Im Landschaftsprogramm ist die besondere Bedeutung für die Erholung und Vielfalt, Eigenart und Schönheit des vorgesehenen Änderungs- und Aufhebungsbereichs bestätigt und ausführlich belegt. Die Hemelinger Marsch war besonders erhaltenswert. Die Aufhebung des Landschaftsschutzes wird mit der Entscheidung des Zielkonflikts zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt, ohne dies hinreichend zu belegen. Es gibt damit keinen objektiven Tatbestand, der die Änderung des Landschaftsprogramms begründen würde. Das, was bisher zur Erhaltung und Entstehung von Arbeitsplätzen dargestellt wurde, ist zum großen Teil spekulativ.

Die große Koalition, meine Damen und Herren, bestätigt das im Prinzip selbst dadurch, dass sie zu dieser Bürgerschaftssitzung einen Antrag einbringt, der in Zukunft die Arbeitsmarkteffekte von ISP-Projekten überhaupt beurteilungsfähig macht. Wir begrüßen das sehr. Finden Sie aber nicht, dass das reichlich spät ist?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auf einer nicht vorhandenen Grundlage wird mit der Entwicklung der Hemelinger Marsch als Gewerbegebiet eine umweltzerstörerische Politik betrieben, und Bestrebungen zu einer nachhaltigen Entwicklung werden konterkariert. Flächenrecycling statt Flächenfraß und das kombiniert mit integrierten Flächennutzungskonzepten ist das Gebot der Stunde. Bremen hat hier genug Potentiale und Möglichkeiten.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Es kommen keine neuen Argumente!)

Es kommen schon noch Argumente. Ich werde es Ihnen auch gleich noch einmal vorrechnen!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Da bin ich aber gespannt!)

Ich komme jetzt erst einmal zu den übergeordneten Fragen der Stadtplanung und Stadtentwicklung. Es wird ein aus Sicht des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes erhaltenswertes Gebiet vernichtet. Anstatt jetzt mit dieser Politik Schluss zu ma

chen, setzt die CDU dem noch einen oben darauf, indem sie die Meldung der FFH-Gebiete verhindern will. Das Resultat, meine Damen und Herren von der großen Koalition, ist, dass Sie verschwenderisch mit den natürlichen Ressourcen umgehen und ebenso mit den Finanzmitteln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Für die Hemelinger Marsch möchte ich Ihnen das vorrechnen. Würden alle 50,7 Hektar Gewerbefläche für den bisher erzielten durchschnittlichen Kaufpreis von zirka 84 DM pro Quadratmeter verkauft, so sind da im besten Fall maximale Einnahmen von zirka 42 Millionen DM zu erzielen. Dem gegenüber stehen die Kosten für Planung, Erschließung, Grundstücksankauf, Altlastensanierung et cetera von roundabout 188 Millionen DM. Damit bleibt in der Bilanz von Einnahmen und Ausgaben ein Fehlbetrag von 146 Millionen DM. So weit steht das fest.

Mindestens 146 Millionen DM lässt sich das Land Bremen die Zerstörung des Landschaftsschutzgebiets Hemelinger Marsch kosten. Das ist deutlich belegbar. Wie viele Arbeitsplätze jedoch entstehen, bleibt im Verborgenen. Geschätzt werden unterschiedliche Arbeitsplatzdichten in Abhängigkeit davon, in welche Mitteilung des Senats ich gerade hineinschaue. Es gibt dort verschiedene Annahmen, die sich aber immer auf eine Arbeitsplatzdichte in der einfachen Berechnungsform als Arbeitsplätze pro Hektar beziehen und schwanken zwischen 50 und 70 Arbeitsplätzen pro Hektar. Das ist eine Dichte, die weit unterhalb derer anderer Gewerbegebiete wie dem Airport liegt. Zusammenfassend muss man festhalten, dass die Vermarktung von Gewerbeflächen allein kein Erfolg und kein Aufwärtstrend ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Entscheidend ist, auf möglichst wenig Fläche möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen. Bisher ist hier jedoch vor allem eines klar, die große Koalition hat viel Geld ausgegeben und Natur zerstört. Auf der Habenseite ist vor lauter Nebel nichts zu erkennen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt zu zwei aktuelleren Entwicklungen. Sie beziehen sich auf den Standort für die Windkraftanlagen und die Altlastendeponie. Der ehemals anvisierte Standort für Windkraftanlagen im Gleisdreieck ist ja, wie wir das in diesem Haus schon debattiert haben, aufgegeben worden, und ich möchte für unsere Fraktion noch einmal betonen, dass wir das für einen Fehler halten, diesen Standort aufzugeben, und hier vielleicht noch ergänzen, dass sich der Beirat Hemelingen in seiner Verantwortung für eine Energiewende für diesen Standort ausgespro

chen hat. Das ist ein deutlicher Beweis dafür, dass Beiratspolitikerinnen und -politiker nicht Kirchturmpolitik betreiben, sondern sich durchaus einer übergeordneten Verantwortung bewusst sind, was ich bei dem Wirtschaftssenator vermisse. Leider haben sich hier die Windkraftbefürworter nicht durchsetzen können.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: An der Stelle nicht, aber an einer anderen Stelle schon! Den Halbsatz müssen Sie schon hinterher sagen!)

Trotzdem haben Sie den Standort aufgegeben. Ich weiß auch, Herr Eckhoff, dass es in der Gesamtleistung wieder realisiert werden soll. Zumindest ist es ein Kompromiss, das sehe ich auch. Trotzdem ist es ein Fehler, diesen Standort im Gleisdreieck aufzugeben, der meines Erachtens einer der besten in Bremen ist hinsichtlich der Frage der Auswirkung auf das Landschaftsbild und des Nachbarschaftsschutzes. Dass man den einfach so mit einem Federstrich weggibt, ist ein Fehler!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die zweite aktuelle Entwicklung bezieht sich auf das so genannte Landschaftsbauwerk, und ich glaube, hier sollten Sie wirklich aufpassen. Ich denke, das wird uns noch länger beschäftigen. Es ist meines Erachtens wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, nämlich eine eigene kommunale Deponie in einem Vogelschutzgebiet. Das muss man sich wirklich mehrfach bewusst machen, bevor einem klar wird, dass man an der Stelle nicht träumt.

Die Tatsachen und der Ablauf stellen sich nämlich folgendermaßen dar: Erst kauft Bremen hoch kontaminierte Flächen, ohne dass dies beim Kaufpreis berücksichtigt wird. Okay, ein Fehler, der zugegeben wird, aber man habe ja von den Altlasten nichts gewusst. Es gab aber sehr wohl Hinweise darauf, dass dort in der Hemelinger Marsch verfüllte Tongruben waren, und hier keine eigenen Recherchen anzustellen war in der Tat fahrlässig.

Dann geht es weiter. Anstatt jetzt mit ökologischem Anspruch an die Sanierung des Bodens und des Grundwassers heranzugehen, wird der kontaminierte Aushub deponiert, und zwar nicht auf einer bestehenden Deponie, sondern es wird kurzerhand eine neue gemacht. Damit das Ganze dann richtig schön absurd wird, wählt man als Standort ein Vogelschutzgebiet, also ein Natura-2000-Gebiet, und nennt das Ganze Landschaftsbauwerk. Uns ist auch bewusst, dass dieses Vogelschutzgebiet während der Ampelzeit angemeldet wurde, aber es wurde auch gerichtlich bestätigt, dass der Staatsrat damals zur Meldung verpflichtet war.

Das zweite Argument ist, dass andere Sanierungsalternativen nicht gegeben seien. Derer gibt es aber

genug, und mir ist in der Tat schleierhaft, warum man diese in Bremen nicht kennt. Es gibt eine Vielzahl von Dekontaminationsverfahren und Bodenbehandlungsanlagen, um Böden zu reinigen. Böden sind ein wertvolles Gut, die man, soweit es möglich ist, auch wieder als Böden erhalten sollte und nicht irgendwo ablagert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

1977 wurden beispielsweise Verwertungsgrade gereinigter Böden von 85 Prozent erreicht. Es ist mir auch klar, dass diese Verfahren nicht immer klappen und dass eben, wenn es nicht geht, nur die Deponierung oder so genannte Immobilisierung, Verfestigung übrig bleibt. Das wird auch zurzeit in der Hemelinger Marsch gemacht. Ich möchte nur einmal sagen, was das im Klartext heißt. Das heißt, dass toxische und Krebs erregende Stoffe hinter dem Weserdeich in der Hemelinger Marsch eingelagert werden. Wie Bremen seine kommunale Deponie, die Sie da erstellen, langfristig sichern will, ist für mich wirklich schleierhaft, und ich frage mich auch, welche Auswirkungen das auf den Haushalt haben wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte hier nicht weiter in das Detail gehen. Wir haben dazu ja auch eine Kleine Anfrage gestellt, und ich bin gespannt auf die Antwort, wie hier eine langfristige Sicherung erfolgen soll.

Aber um dem Ganzen dann noch endgültig die Krone aufzusetzen, soll jetzt der Bereich mit der Änderung des Flächennutzungsplans als Bereich mit besonderer landschaftspflegerischer Bedeutung ausgewiesen werden. Ich finde wirklich, hier ist die Lyrik nicht mehr zu übertreffen, und wenn Sie sich außerdem die Vorlage ansehen, ist die Deponie nicht einmal eingezeichnet. Wir erwarten, dass hier deutlich nachgebessert wird. — Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Mathes, ich habe eigentlich gar keine Lust, mich wieder mit Ihnen zu streiten.