Wer glaubt, mit der Aufgabe des Ziels verfassungskonformer Haushalt würde das Leben leichter werden, den frage ich: Haben wir dann mehr Geld, haben wir dann weniger Spardruck? Nein, meine Damen und Herren, das ist es nicht! Ich glaube, der richtige Weg ist zu sagen, verfassungskonformer Haushalt ist weder ein Popanz noch eine Monstranz, sondern es ist ein Ziel, das man erreichen muss und das die Politik nie aufgeben darf.
Meine Damen und Herren, die bremische Politik steht seit der historischen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1992, mit der Bremens unverschuldete Haushaltsnotlage festgestellt und Sanierungshilfen des Bundes zuerkannt wurden, unter einer doppelten, aber unter einer miteinander verbundenen Zielsetzung, nämlich erstens, Bremen muss und will seine finanzwirtschaftliche Handlungsfähigkeit wieder herstellen. Das heißt, Bremen muss mit seinen laufenden Einnahmen seine laufenden Ausgaben erfüllen können, Stichwort, wie eben schon erwähnt, verfassungskonformer Haushalt. Zweitens: Bremen investiert in den Umbau seiner Wirtschaftsstruktur, um so auf Dauer seine Wirtschafts- und Steuerkraft zu stärken, Stichwort Investitionssonderprogramm. Aus diesen beiden Zielsetzungen folgt das Leitmotiv Sparen und Investieren.
Nun wissen wir, dass die Sanierungshilfen 2004 auslaufen und dass sich Bremen damit in einer ganz entscheidenden Phase seiner Zukunftssicherung befindet. Frau Linnert, ich bin insofern mit Ihnen einig, als dass ich sage, wir brauchen eine offene, eine ehrliche, eine breite Diskussion sowohl über den bisher erreichten Stand der Sanierung als auch über die Perspektiven. Kraftmeierei und Jubelarien sind dabei ebenso wenig hilfreich wie Pessimismus als Lebensphilosophie.
Meine Damen und Herren, der immer wieder gern zitierte Professor Dr. Rudolf Hickel hat in einer Stellungnahme zum vorliegenden Haushalt gesagt – ich erwähne ihn, Sie können sich denken, warum –, der wirtschaftsstrukturelle Teil der Sanierung Bremens sei durchaus gelungen. So sehen wir das auch. Das Land Bremen ist vorangekommen, Frau Linnert. Da haben wir einen völlig anderen Blick auf unser Bundesland. Tausende Arbeitsplätze wurden trotz dramatischer Konjunktureinbrüche und weltweiter Krisen gesichert und neu geschaffen. Ich als BremenNorder sage immer wieder, geht doch einmal bitte auf das alte Vulkan-Gelände und schaut euch an, was da passiert ist! 1996, als wir im kalten Winter demonstriert haben um den Erhalt von Arbeitsplät
zen, hätte keiner für möglich gehalten, dass jetzt schon wieder so viele Menschen dort arbeiten, wie das 1996 am Ende des Bremer Vulkan der Fall war!
Richtig ist auch, das Wirtschaftswachstum liegt über dem Bundesdurchschnitt. Die Einwohnerentwicklung verläuft gegen den Trend in Großstädten und Ballungsräumen positiv. Ich weiß sehr wohl, dass das nur leicht positiv ist, aber es ist eben doch positiv. Damit haben wir einen für das Land ganz verhängnisvollen Trend durchbrochen, und das, meine Damen und Herren, ist ein großartiger Erfolg, und das darf man auch einmal sagen.
Ich setze fort mit dieser Bilanz: Technologiepark und Airport-City, Hochschulen und IUB, Universum und Schlachte stehen für Erfolg und Imagegewinn und damit auch für die grundsätzliche Richtigkeit des Bremer Sanierungskurses. Als aktuelles Beispiel für das geänderte Image Bremens ist doch uns allen die Ernennung Bremens zur Stadt der Wissenschaft 2005 in frischer Erinnerung.
Von der Gründung der Universität 1971 bis zu dieser Auszeichnung gegen Konkurrenten wie Göttingen oder Dresden, das war ein langer Weg, aber dieser Weg hat sich doch gelohnt, und er ist ein großartiger Erfolg.
doch nach unserer Auffassung muss dabei deutlich werden, und zwar noch stärker als bisher, wir entwickeln Bremen und Bremerhaven für die Menschen, die hier wohnen und leben. Wir investieren in Arbeitsplätze und Bildungsangebote, in Stadtentwicklung und Versorgungsstrukturen nicht nur, um von außen attraktiv zu werden, sondern um die Lebensqualität der Menschen in Bremen und Bremerhaven zu erhalten und zu verbessern. Diese Zielrichtung muss als Schwerpunkt der künftigen Investitionspolitik noch viel deutlicher hervortreten, meine Damen und Herren.
Zur Wahrheit gehört aber auch, Frau Linnert hat es angesprochen, dass die finanzwirtschaftliche Lage
Bremens trotz zehnjähriger größter Sparanstrengungen weiterhin dramatisch ist. Ohne Sanierungshilfen hat der Haushalt eine Deckungsquote von unter 75 Prozent. Mit anderen Worten, ohne Hilfe von außen müssten jedes Jahr rund eine Milliarde Euro neue Schulden aufgenommen werden. Das macht deutlich: So alternativlos auch weiterhin Sparsamkeit und Einsparung sind, so klar ist, dass allein eine Politik der Ausgabenkürzungen nicht zur Sanierung des Haushalts führen kann.
Übrigens, meine Damen und Herren, auch weil uns bewusst ist, dass es Grenzen des Sparens gibt, nach jahrelangem Sparen, nach kräftigem Abbau von Personal- und Verwaltungskosten sind die Einsparpotentiale begrenzt und sind weitere Einschränkungen bei den öffentlichen Dienstleistungen und öffentlichen Leistungen kaum noch zu verantworten. Deswegen sage ich, meine Damen und Herren, wir werden nicht die Hand dafür reichen, dass Strukturen und Standards, die für eine soziale Politik in Bremen und Bremerhaven unverzichtbar sind, Schaden nehmen.
Es stimmt doch, was die Gewerkschaften und Personalräte sagen, was zumindest der Teil des Hauses, für den ich stehe, auch bei den Reden zum 1. Mai gehört hat: Bremen hat nicht in erster Linie ein Ausgabeproblem, Bremen hat ein Einnahmeproblem. Das heißt, auch bei weiterer Stärkung unserer Wirtschaftskraft und bei weiteren Sparanstrengungen kann nur eine strukturelle Besserstellung Bremens im föderalen System unserer Finanzverteilung die Handlungsfähigkeit Bremens wiederherstellen. Das muss man, das haben Sie auch getan, Frau Linnert, das sage ich hier auch, ganz klar auch so aussprechen.
Die Frage ist aber, welche Schlussfolgerung daraus zu ziehen ist. Ich glaube, das heißt nicht, das eine tun oder das andere lassen. Wir müssen uns gleichzeitig auf verschiedenen Feldern bewähren, nämlich erstens, wir müssen Bremen weiter voran bringen: wirtschaftlich bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, bei Bildung und Ausbildung und bei allem, was unsere Städte Bremen und Bremerhaven urban und lebenswert macht. Zweitens, wir müssen, soweit möglich und verantwortbar, weiter sparen. Drittens, wir müssen mit guten Argumenten bei Bund und Ländern für eine strukturelle Besserstellung Bremens hinarbeiten.
Es werden in der öffentlichen Debatte verschiedene Stichworte genannt: Lohnsteuerzerlegung und originäre Steuerverteilung, Einwohnerwertung, Anspruch auf weitere Sanierungsleistung als Haushaltsnotlageland, Kanzlerbrief, möglicher erneuter Gang zum Bundesverfassungsgericht. Ich vermute, auch Sie haben es angesprochen, dass ein erneuter Gang nach Karlsruhe unausweichlich werden kann, aber
was immer sich als der richtige Weg erweisen wird, ich glaube, hier sind alle gefordert, Christdemokraten genauso wie die Grünen und selbstverständlich auch wir Sozialdemokraten, denn, seien wir doch ehrlich, hier ist noch ganz viel Überzeugungsarbeit außerhalb Bremens zu leisten. Ganz egal, ob ich den Blick auf meine Partei richte oder ob ich auf Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, schaue, hier müssen Bremerinnen und Bremer gemeinsame Überzeugungsarbeit leisten, alle zusammen! Das ist nach meiner Überzeugung die wichtigste Aufgabe, die wir über unsere Grenzen Bremens hinaus haben.
Meine Damen und Herren, natürlich bleibt es weiter richtig, in unsere Zukunft zu investieren, und leider bleibt es notwendig, auch weiter zu sparen. Dabei sage ich aber deutlich, die Pflicht zum Sparen betrifft alle Bereiche der Politik, und die Verantwortung hierfür muss in einer Koalition auch von allen getragen werden. Ich sage aus gegebener Veranlassung, es kann nicht sein, dass die einen Senatsressorts für das Sparen und für das Verkünden schmerzhafter Einschnitte zuständig sind, während die anderen als Verkünder der frohen Botschaft mit dem Füllhorn durch Bremen und Bremerhaven laufen. Das ist eine Arbeitsteilung, die es mit uns nicht geben wird.
Meine Damen und Herren, Investitionen behalten ihre zentrale Bedeutung für die Zukunft Bremens und Bremerhavens, der Finanzsenator hat es ausgeführt. Wie ernst wir das nehmen, zeigt die Investitionsquote der vorliegenden Haushaltsentwürfe. Mit rund 18 Prozent ist sie weit überdurchschnittlich hoch und übertrifft die Vorjahreswerte. Man schaue sich in Bund und Ländern um, dann weiß man, was wir hier für eine Leistung erbringen!
Dabei muss aber klar sein, dass die Politik des äußerst sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln eben auch für die Investitionsausgaben zu gelten hat. Wer bei den so genannten konsumtiven Ausgaben, bei öffentlichen Dienstleistungen oder sozialen Einrichtungen und Leistungen Einschränkungen vornehmen muss, der darf nicht auf der anderen Seite den Eindruck erwecken, als ob in Bremen mit leichter Hand einmal eben so Millionen für Investitionsprojekte locker gemacht werden. Auch bei Investitionsausgaben müssen wir jeden Euro zweimal umdrehen, und die Bürgerinnen und Bürger müssen er
kennen können, dass es auch auf dieser Seite des Haushalts keinen Leichtsinn gibt, ebenso wie es auf der anderen Seite bei den konsumtiven Ausgaben vermutlich nicht einen in diesem Hause gibt, dem soziale Einschnitte leicht fallen.
Investitionen also behalten ihre zentrale Bedeutung für die Sanierung, aber der Titel Investition schützt vor Fragen nicht, denn wir müssen feststellen, dass die in den nächsten Jahren insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel des Anschlussinvestitionsprogramms schon weit höher verpflichtet sind, als dies vom Senat bisher dargestellt wurde. Wir müssen feststellen, dass es mehr Ideen und Vorschläge für Projekte gibt, als Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Kein Projekt ist deshalb schlecht, keine Idee ist deshalb unvernünftig, nur weil es mehr Ideen und Projekte gibt, als wir uns gleichzeitig leisten können. Aber es besteht die dringende Notwendigkeit zu überprüfen, welche Investitionen unabdingbar, welche verschiebbar und welche gegebenenfalls verzichtbar sind.
Meine Damen und Herren, auf Basis einer vom Senat zu erstellenden Prioritätenliste müssen am Ende wir Parlamentarier nach sorgfältiger Beratung darüber entscheiden, welche Vorhaben kurzfristig verwirklicht oder zumindest vorläufig aufgegeben werden müssen. Ich sage ganz deutlich, Frau Linnert hat ja schon die Beschlussfassung der SPD-Fraktion angesprochen, ohne eine solche Gesamtschau wird die SPD-Fraktion nicht über weitere Investitionen entscheiden, weil dies nicht seriös wäre und weil wir uns und unseren Nachfolgern auch für die Zukunft Gestaltungsspielräume erhalten müssen. Nennen Sie es ein Moratorium oder anders, für uns ist es schlicht eine Selbstverständlichkeit für eine seriöse Investitionspolitik, meine Damen und Herren.
Wir kommen, ich sagte es, um eine generelle Neubewertung aller Investitionsvorhaben und Investitionswünsche nicht herum. Wir können es uns zum Beispiel nicht leisten, unabhängig von der tatsächlichen Nachfrage große Gewerbeareale zu entwickeln. Wir müssen uns noch stärker daran orientieren, welche Auswirkungen Investitionen auf Arbeitsmarkt und Steuereinnahmen, aber auch auf Lebensqualität und soziale Infrastruktur haben. Das ist dringend nötig, weil das Volumen der öffentlichen Investitionen eben nicht beliebig ausgeweitet werden kann, deren Qualität aber zugleich verbessert werden muss. Ich begrüße deshalb sehr, was der Finanzsenator in seiner Rede dazu gesagt hat, er hat dabei die volle Unterstützung der SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren, ein besonderes Augenmerk, einen besonderen Schwerpunkt bei den Investitionen zur Zukunftssicherung unserer Städte müssen und werden wir in Bremerhaven legen, nicht nur, weil uns die Seestadt am Herzen liegt, sondern auch, weil dort besondere Anstrengungen notwendig sind.
Wir wissen von den großen Problemen, der hohen Arbeitslosigkeit und den aktuellen Schwierigkeiten bei den Werften, aber man darf an dieser Stelle auch sagen, wir haben schon viel erreicht. Nur ein Beispiel: Bremerhaven ist heute in Europa an der Spitze im Tiefkühlkostbereich. Hier ist es gelungen, gerade durch den Aufbau entsprechender Forschungsund Entwicklungseinrichtungen ein zukunftsfähiges Standbein zu entwickeln.
Ich bringe dieses Beispiel, um zu zeigen, dass die Investitionspolitik der großen Koalition eben auch in Bremerhaven Erfolge aufzuweisen hat. Wir werden auch zukünftig ein Viertel der Investitionsmittel für Bremerhaven zur Verfügung stellen. Wir werden trotz aller aktuellen Probleme nicht kleinmütig, sondern wir werden mit aller Kraft für die Zukunft Bremerhavens arbeiten, und ich bin ganz sicher, dass unsere Seestadt eine gute Zukunft hat, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, dass wir hier heute einen Haushaltsentwurf debattieren, der von schwierigsten Rahmenbedingungen geprägt ist und der daher auch an vielen Stellen schmerzhaft ist, ist vor allem im Sozialbereich zu spüren. Die Ausgaben im Sozialbereich sind ganz überwiegend gesetzlich vorgeschriebene Sozialleistungen und begründen berechtigte Ansprüche der Hilfebezieher, die in schwierigen Lebenslagen die Unterstützung des Gemeinwesens brauchen. Diesem Faktum haben sich die CDU-Ressorts anfänglich entziehen wollen. Ich bin sehr froh darüber, dass am Ende sich der Senat insgesamt der Verantwortung stellt.
Das ändert aber nichts daran, dass die Sozialsenatorin im vorliegenden Haushaltsentwurf Aufgaben und Einsparungen zu schultern hat, die der Grenze des Zumutbaren sehr nahe kommen. Einige Beschlüsse, die wahrlich nicht nur für Sozialpolitiker schwer erträglich waren, mussten bereits gefasst werden. Der Haushaltsentwurf enthält weitere höchst ambitionierte Ziele, die in einem sicherlich noch sehr komplizierten und schmerzhaften Prozess angegangen werden müssen. Selbstverständlich steht hinter diesen Bemühungen das ernsthafte Ziel, die notwendigen Sparquoten zu erbringen. Ich möchte aber
auch für die SPD-Fraktion ganz deutlich sagen, dass die Politik sich nicht von Zahlen und rechnerisch gegriffenen Sparquoten ins Feld jenseits der sozialen Verantwortung drängen lässt.
Die SPD-Fraktion wird gemeinsam mit der Senatorin darauf achten, dass die notwendigen Sparmaßnahmen eben nicht zum sozialen Kahlschlag führen.