Protokoll der Sitzung vom 06.05.2004

Meine Damen und Herren, die 18. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist eröffnet.

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse recht herzlich. Auf der Besuchertribüne begrüße ich herzlich eine Gruppe Grundwehrdienstleistende und Unteroffiziere der Nachschubschule des Heeres in Garlstedt. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, zu Beginn der Sitzung heute Nachmittag die miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte sechs und sieben, es handelt sich dabei um Personalcontrolling Band III und Bericht und Antrag des Ausschusses für die Gleichberechtigung der Frau, und danach den Tagesordnungspunkt 15, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen, aufzurufen.

Ich stelle Einverständnis fest.

Dann treten wir in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen zwölf frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „TouretteSyndrom“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Dr. Mohr-Lüllmann, Bartels, Kastendiek und Fraktion der CDU.

Ich bitte Frau Dr. Mohr-Lüllmann, die Anfrage vorzutragen!

Wir fragen den Senat:

Inwieweit liegen dem Senat Erkenntnisse über die Zunahme der Anzahl der Krankeitsfälle von Tourette in Bremen und Bremerhaven vor, und welche Hilfen werden den Betroffenen angeboten?

Welche Maßnahmen kann der Senat veranlassen, damit in Zukunft die Erzieher in den Kindergärten sowie die Lehrer in den Schulen über diese Erkrankung aufgeklärt werden, um die damit verbundene Unwissenheit, die sich oft in Hänseleien äußert, zu vermeiden?

Inwieweit ist bei den Einschulungsuntersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst die Untersuchung auf Tourette verankert?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Bei dem Tourette-Syndrom handelt es sich um eine seltene neurologische Erkrankung mit einer Störung bestimmter chemischer Botenstoffe im Gehirn. Das Tourette-Syndrom weist eine sehr große Variabilität auf und wird insbesondere in ihren schwächer ausgeprägten Erscheinungsformen nicht immer erkannt. Über die Häufigkeit des Tourette-Syndroms in Bremen liegen dem Senat keine gesicherten Erkenntnisse vor. In der Neurologischen Klinik im Klinikum Bremen-Ost sind einzelne Fälle gesehen worden, ebenso in den Gesundheitsämtern. Bei diesem Erkenntnisstand können daher keine zuverlässigen Aussagen über eine eventuelle Zunahme der Krankheitsfälle gemacht werden. Die Erkrankung ist nicht heilbar, einzelne Symptome können im Sinne einer medikamentösen Dämpfung lediglich gemildert werden.

Den Betroffenen werden über das ärztliche Versorgungsangebot in Bremen und Bremerhaven die notwendigen medizinischen Hilfen angeboten. Besondere Bedeutung hat auch die im März 2003 gegründete Tourette-Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig im Gesundheitsamt Bremen trifft. Der Informationsflyer der Bremer Tourette-Selbsthilfegruppe gibt fundierte Informationen. Außerhalb Bremens werden an der Medizinischen Hochschule Hannover darüber hinaus eine Sprechstunde für erwachsene Patienten und an der Universität Göttingen eine auf Kinder spezialisierte Sprechstunde angeboten.

Ein eigenständiger Untersuchungsgang zum Tourette-Syndrom bei den Einschulungsuntersuchungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist entbehrlich. Selbstverständlich sind etwaige Verhaltensauffälligkeiten Gegenstand des elterlich-ärztlichen Gesprächs anlässlich dieser Untersuchung, während der auch Tics und verwandte Phänomene ärztlicherseits registriert werden. Allerdings tritt die Erkrankung meist im siebten oder achten Lebensjahr, also erst nach der Einschulung auf. Eine Früherkennung im Kindergarten ist somit nur in Ausnahmefällen möglich.

Sobald die Diagnose Tourette-Syndrom gestellt wurde, ist es zweckmäßig, gezielt das soziale Umfeld der Betroffenen, Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten und Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen, über die Erkrankung aufzuklären, damit die spezifischen Auffälligkeiten der Kinder adäquat eingeordnet werden und ihnen verständnisvoll begegnet werden kann. Hierfür stehen geeignete Informationsmaterialien zur Verfügung, unter anderem ein Leitfaden für Lehrer der Tourette-Gesellschaft Deutschland e. V. von 2002, der auch über das Internet verfügbar ist. Vom Schulärztlichen

Dienst wird dieser Leitfaden bei Bedarf gezielt empfohlen und eingesetzt. Zusätzlich besteht über die Adresse www.tourette.de eine vorzügliche Informationsmöglichkeit im Internet.

Der Senat wie auch der Magistrat der Seestadt Bremerhaven spricht sich dafür aus, die qualifizierten Beratungslehrkräfte in den Schulen mit entsprechendem Informationsmaterial zu versorgen. Somit ist perspektivisch davon auszugehen, dass der Erkrankung mit einer erhöhten Sensibilität begegnet werden kann. – Soweit die Antwort des Senats!

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen, Frau Kollegin? – Bitte sehr!

Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über die Zahl von Tourette-Erkrankten in Bremen vor, daher kann man auch keine zuverlässigen Daten erwarten, was die Zunahme der Krankheiten anbelangt. Da die Selbsthilfegruppe bereits 30 Fälle benennen kann und eine hohe Dunkelziffer zu erwarten oder zu vermuten ist, wäre es da nicht sinnvoll, doch über eine Struktur nachzudenken, die die Erfassung der Betroffenen ermöglicht?

Bitte, Frau Senatorin!

Wir haben in der Tat keine gesicherten Erkenntnisse. Was wir allerdings wissen, ist, dass wir eine ganz geringe Anzahl von Erkrankungen im Land Bremen haben. Wenn es 30 Betroffene jetzt nach Erkenntnissen der Selbsthilfegruppe sind, vielleicht noch eine Dunkelziffer, zeigt das aber trotzdem, dass es wirklich eine sehr geringe Anzahl ist. Wir haben eine hohe Sensibilisierung einmal über diese Selbsthilfegruppe, das ist eine unglaublich gute Arbeit, die sie zusammen mit dem Gesundheitsamt leistet. Wir haben zu verzeichnen, dass eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit dankenswerterweise stattfindet, so dass ich auch guter Hoffnung bin, dass über diese gezielten Informationen, auch über die Ärztekammer und so weiter, das eigentliche Problem, dass viele zunächst falsch behandelt wurden, weil sie psychiatrisch behandelt werden, jetzt doch schneller erkannt werden kann und die Betroffenen dann auf die richtige Behandlungsschiene kommen.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Könnte es nicht sein, dass Tourette aufgrund von mangelnder Erfahrung selten richtig diagnostiziert wird und deshalb auch selten Fälle im Klinikum Ost und auch in der Professor-Hess-Kinderklinik auftauchen? Müsste man da nicht vielleicht über Aufklärungskampagnen im ärztlichen Bereich und Fortbildungsmaßnahmen nachdenken?

Bitte, Frau Senatorin!

Das läuft ja! Es hat eine sehr gute Veranstaltung vom Gesundheitsamt und der Selbsthilfegruppe gegeben, ich glaube, das war im Klinikum Mitte, die sehr gut besucht war und einen hohen Aufmerksamkeitswert hatte. Wir werden die Aufklärung für diese Krankheit auch fortsetzen, weil es trotz der guten Arbeit, der Information der Selbsthilfegruppe immer noch eine Krankheit ist, die sehr selten bekannt ist und auch bei den Ärztevertretern noch nicht den nötigen Informationsstand hat. Deswegen werde ich auch gern noch einmal auf die Ärztekammer zugehen, um mit ihr zum Beispiel zu verabreden, wie wir da noch mehr Informationen in die Ärzteschaft bringen können. Wir haben auch gesagt, dass wir den Schulbereich noch stärker mit Informationen versorgen wollen.

Eine weitere Zusatzfrage?

(Abg. Frau D r. M o h r - L ü l l m a n n [CDU]: Nein, vielen Dank!)

Bevor ich die nächste Anfrage aufrufe, möchte ich ein Versäumnis nachholen: Ich begrüße ganz herzlich die Klasse 6 c der Integrierten Stadtteilschule Bergiusstraße. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Die zweite Anfrage bezieht sich auf die Umsetzung der KMK-Beschlüsse zu Bildungsstandards. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Rohmeyer, Kastendiek und Fraktion der CDU.

Ich bitte Herrn Rohmeyer, die Anfrage zu stellen!

Wir fragen den Senat:

Welche Schritte hat der Senat zur Umsetzung der durch die KMK getroffenen Beschlüsse zu einheitlichen Bildungsstandards bisher unternommen?

Wie sehen die Arbeiten auf KMK-Ebene in Bezug auf die Erstellung von weiteren Bildungsstandards für andere Schularten beziehungsweise Schulstufen aus?

Sieht der Senat in den durch die KMK betroffenen Bildungsstandards ebenfalls nur Mindeststandards, und inwiefern geht der Senat über die dort formulierten Zielsetzungen hinaus?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Köttgen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Zur Umsetzung der KMK-Beschlüsse zu einheitlichen Bildungsstandards für den mitt

leren Schulabschluss in den Kernfächern Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik hat Bremen die folgenden Maßnahmen ergriffen: Erstmals in diesem Jahr sind im zehnten Jahrgang der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien zentrale Vergleichsarbeiten geschrieben worden, die sich an den Kompetenzbereichen der Bildungsstandards orientieren. Es sind neue Bildungspläne für die Jahrgangsstufe fünf und sechs entwickelt worden, die sich in der Beschreibung der Anforderungen auf die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards beziehen, für die höheren Jahrgangsstufen werden die Anforderungen auf die in den Bildungsstandards gesetzten Kompetenzbereiche hin ausgerichtet.

Zu Frage zwei: Von der KMK werden zurzeit die Bildungsstandards der Kernfächer für den Hauptschulabschluss, die Standards zum Ende der Grundschulzeit in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie für den mittleren Bildungsabschluss für die drei naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie und Physik entwickelt.

Zu Frage drei: Die KMK hat durch die ExpertenKommissionen der Bundesländer Regelstandards erarbeiten lassen, sie weisen ein mittleres Anforderungsniveau aus. Mindeststandards legen die Kompetenzen fest, die vermittelt werden sollen, und fixieren ihr verbindliches Minimum. Dieses Niveau müssen Schülerinnen und Schüler am Ende eines bestimmten Bildungsabschnitts mindestens erworben haben, um ihr Wissen sicher anwenden zu können beziehungsweise weiterlernen zu können. In diesem Sinn ist die Formulierung von Mindeststandards immer mit der Zielsetzung verbunden, dass Schülerinnen und Schüler ein höheres Kompetenzniveau erreichen, dies gilt natürlich auch für Bremen.

Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? – Bitte sehr!

Ich hätte eine kurze Zusatzfrage zu Antwort Nummer zwei, Herr Staatsrat, zu den zurzeit erarbeiteten Bildungsplänen! Können Sie sagen, bis wann die KMK sich dort ein Zeitfenster gesetzt hat und wann wir dann mit der Umsetzung in Bremen rechnen können?

Bitte, Herr Staatsrat!

Herr Abgeordneter Rohmeyer, ich könnte Ihnen das jetzt sagen, dann müsste ich wahrscheinlich in meinen Materialien suchen. Nein, das habe ich gar nicht hier! Ich beantworte Ihnen das aber gern schriftlich. Ich gehe davon aus, dass das in der Oktober-Sitzung der KMK verabschiedet werden soll, aber ich will, um es ganz sicher sagen zu können, Ihnen das gern schriftlich beantworten.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!