Frau Linnert, ich will nicht weiter auf Ihre Äußerungen eingehen, denn, wie gesagt, sie waren so konfus, dass man da nur schlecht folgen konnte. Im Übrigen zweifle ich, wie gesagt, auch an, dass Sie die richtige Einstellung zu unserem Rechtsstaat haben,
ganz im Gegensatz zu dem ehemaligen Grünen, Herrn Schily. Da sage ich Ihnen, wenn Herr Schily allein mit Unionspolitikern dieses Zuwanderungsgesetz verhandelt hätte, dann hätten wir dieses Gesetz schon längst verabschieden können. Ich freue mich trotzdem, dass auch wir hier heute interfraktionell einen Antrag verabschieden wollen, der ein gewisses Signal aussendet. Gleichwohl stelle ich auch fest, dass die wesentlichen Positionen der Union hier in diesem Gesetz gewahrt worden sind, näm
lich weniger Zuwanderungs- als Begrenzungsgesetz, mehr Integration und mehr Sicherheit. Das waren die Prämissen, unter denen die CDU angetreten ist, dieses Zuwanderungsgesetz zu gestalten.
Es ist der Union in der Tat auch zu verdanken, und insofern hat es sich gelohnt, so lange auf den Abschluss dieses Entwurfs zu warten, der noch gesetzestechnisch überarbeitet wird, und wir werden dann sehen, was herausgekommen ist, aber ich gehe nach wie vor davon aus, dass wir ab 2005 dann dieses Gesetz auch in Kraft gesetzt bekommen.
Gleichwohl will ich einige Positionen, der Innensenator hat es auch schon zum Teil angesprochen, nennen, die die Union hier eingebracht hat: Eine Abschiebungsanordnung der Länder und des Bundes schon aufgrund einer tatsachengestützten Gefahrenprognose kann erfolgen. Bei Einbürgerungsverfahren und vor Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis erfolgt zwingend eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Hassprediger werden ausgewiesen. Schleuser, die Freiheitsstrafenurteile von einem Jahr bekommen haben, werden ausgewiesen. Eine Warndatei, der Innensenator hat es gesagt, für Visumverfahren wird eingerichtet. Das sind nur einige Punkte, die auf Drängen der Union in dieses Gesetz aufgenommen worden sind.
Ich habe vor einiger Zeit zur Kenntnis nehmen können, dass die Grünen aus diesen Verhandlungen aussteigen wollen. Es ist mir nicht bekannt, warum das nun doch nicht erfolgt ist. Auch die Bremer Grünen haben sich in den Medien dazu eindeutig geäußert. Tatsächlich ist aber nichts erfolgt. Ich hoffe, dass sie nunmehr auch überzeugt worden sind von diesem Kompromiss, sonst, gehe ich davon aus, hätten sie auch diesem interfraktionellen Antrag ihre Zustimmung verweigert.
Ansonsten, ja, was Sie als Hardliner bezeichnen, bezeichne ich als ganz normale bürgerschaftliche Auffassung. Das ist unser Unterschied!
Ich will Ihnen sagen, selbst, und auch das hat der Innensenator ansatzweise angesprochen, der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der SPD hat unter anderem festgestellt, dass eine Fortschreibung des Antiterrorgesetzes erfolgen muss. Er ist sich nicht eins mit dem Bundesinnenminister in der Frage der Sicherungshaft, Herr Wiefelspütz lehnt diese Sicherungshaft ab, Herr Schily möchte sie. So gibt es sicherlich auch noch andere Punkte, wo wir noch Diskussionen in der Zukunft, insbesondere natürlich auch zwischen den Bundespolitikern, haben werden.
Meine Damen und Herren, insgesamt, glaube ich, kann man mit diesem Gesetz leben. Auch die Union, das will ich hier deutlich sagen, hat Zugeständnisse machen müssen, das ist nun einmal so bei ei
nem Kompromiss. Das betrifft in der Tat sowohl die Härtefallkommission als auch die geschlechtsspezifische Verfolgung. Die Auswirkungen davon werden zu beobachten sein, und man wird dann überlegen müssen, ob das so richtig ist oder ob man an der einen oder anderen Stelle auch noch einmal nachbessern muss. In jedem Fall, wie gesagt, gehe ich davon aus, dass wir dieses Gesetz im Jahr 2005 dann in Kraft gesetzt bekommen, und dann wird es viele Impulse geben, die in viele richtige Richtungen gehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ganz gut nach den Reden von Senator Röwekamp und Herrn Herderhorst, noch ein paar Sätze dazu zu sagen. Beide Reden haben deutlich gemacht, was eigentlich „der größte Erfolg“ der CDU in der Debatte ist. Fast mit Dementorenkraft haben die CDU und CSU es geschafft, der von Kanzler Schröder mit der GreencardInitiative angestoßenen Zuwanderungsdebatte ihren positiven und zukunftsgerichteten Grundton zu nehmen.
Noch im Juli 2000, als Otto Schily die Zuwanderungskommission unter Vorsitz von Frau Professor Süßmuth eingerichtet hat, war die Diskussion auf Zukunftslösung über ein oder zwei Legislaturperioden hinaus angelegt. Das Wort Integration hatte noch einen zusammenführenden Charakter und nicht nur einen ausschließlich fiskalischen: Wer bezahlt das eigentlich mit wie viel Geld? Man hatte den Eindruck, dem Thema Einwanderung oder Zuwanderung, wie wir heute verschämt sagen, weil wir Kompromisse schließen, könnte die Kraft der Spaltung unserer Gesellschaft genommen werden. Das war damals möglich. Man hatte das Gefühl, hier entstehen Aufbruch und Aufbruchstimmung.
Nun muss man leider sagen, das ist gründlich misslungen. Die CDU hat mit Hunderten von Änderungsanträgen immer unter dem Motto, wir wollen ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz und kein Steuerungsgesetz, den ersten Versuch in der letzten Legislaturperiode wesentlich mit zum Scheitern gebracht. Der zweite Versuch in den letzten Monaten hat leider auch nicht die neue Kraft für einen wirklichen Aufbruch in Deutschland entfaltet. Der Opposition im Bundestag ist es gelungen, und das passt in das Bild, sie empfindet es auch als Erfolg, das Thema Zuwanderung so sehr mit dem Thema in––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nere Sicherheit zu verknüpfen, dass mit der gesetzlichen Neuregelung weniger die Chancen für Deutschland gesehen werden als die Risiken. Ich empfinde das überhaupt nicht als zukunftsgerichtet, und ich glaube auch nicht, dass die CDU, wenn sie ehrlich ist, das so sieht.
Ich darf zwei Zitate von Senator Röwekamp aus den Medien nehmen. Am 16. Mai hat er im „WeserReport“ kommentiert: „Brauchen wir mehr Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland, und brauchen wir dafür ein Gesetz? Ich meine Nein.“ Nach dem Kompromiss lobt der gleiche Senator das Zuwanderungsrecht, weil es jetzt möglich ist, die IUB-Studenten in Bremen zu halten oder Spitzenkräfte nach Deutschland zu holen. Für die CDU passt das zusammen, hier ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, einerseits Ausländer auf abzuschiebende Sozialhilfeschnorrer und hasspredigende Kaplans zu reduzieren und andererseits Spitzenkräfte für die Wirtschaft anwerben zu wollen, oder auch einmal nicht ganz so hoch bezahlte oder ausgebildete Kräfte, wenn man elegant Notstände in Pflegeberufen oder bei Spargelbauern beilegen möchte.
Ich sage ganz deutlich, ich glaube nicht, dass das zusammenpasst! So einfach lässt sich nicht folgenlos aussortieren, wie es Senator Röwekamp hier vorhin in seiner Rede deutlich gemacht hat. Wenn man alle Ausländer bei der Einreise erst einmal unter Generalverdacht stellt und sie vom Verfassungsschutz durchleuchtet wissen will, wenn man Ausgrenzung sät, wenn man nach neuen Quälnummern bei Verfahren oder Versorgung ruft, dann ist das für alle Zuwanderer und alle Ausländer ein Signal, denn damit wird ein Klima geprägt.
Ob man es will oder nicht, aber dann kann man nicht in fünf oder zehn Jahren den Schalter einfach wieder umlegen, statt Kinder dann wieder Inder, und hoffen, dass dann alle kommen, ohne dass unsere Wirtschaft und unsere Sozialsysteme zusammenbrechen, denn wir wissen doch alle, dass wir in geraumer Zeit Zuwanderung brauchen werden.
Ich bin deshalb froh, dass der Kompromiss gelungen ist. Ich bin froh, aber nicht glücklich, weil ich glaube, dass wir nicht das bekommen, was Deutschland wirklich braucht.
Wir haben einen Antrag gestellt, der sagt, das muss jetzt umgesetzt werden. Ich sage ganz deutlich, ich hoffe, dass wir das gut hinbekommen, denn
es gibt immer noch Gründe zur Skepsis über unseren Partner im Kompromiss. Mit einer gewissen Unverfrorenheit hat wenige Stunden nach dem erzielten Kompromiss Ministerpräsident Stoiber die erzielten Ergebnisse bereits wieder in Frage gestellt, und er benutzt dazu, wie auch andere, den Fall Kaplan. Ich will hier bestimmt nichts Gutes über den selbsternannten Kalifen von Köln sagen. Er ist ein zu vier Jahren verurteilter Verbrecher, das weiß jeder, das ist eine Menge, der in Deutschland zu Hass und Mord aufruft. Er gehört ausgewiesen und abgeschoben. Aber an ihm dürfen unsere rechtsstaatlichen Nerven nicht versagen.
Auch wenn es manchmal schwer ist auszuhalten, unser Rechtsstaat bietet genug Möglichkeiten, auch mit Kaplan fertig zu werden. Kaplan ist rechtskräftig ausgewiesen, schon nach dem Gesetz muss er ausgewiesen sein. Egal welche Kompromisse und Gesetze wir schließen, auch der Senat hat keinen Zweifel daran gelassen, dass wir in Tod oder Folter nicht abschieben, und das ist auch heute das Abschiebungshindernis. Wenn wir wie Gerichte zu dem Ergebnis kommen, dass Kaplan so prominent ist, dass ihm kein Tod oder Folter drohen wie Öcalan in der Türkei, dann wird er heute abgeschoben, und dann wird er in Zukunft abgeschoben. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, Kaplan zu gebrauchen, um Kompromisse zu belasten oder noch darauf satteln zu wollen.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. H e r d e r - h o r s t [CDU])
Ich finde, hier muss man auch als CDU-Politiker einmal den Rücken durchbiegen und der „Bild“Zeitung nicht hinterherlaufen.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Schröder ist Meister darin!)
Meine Damen und Herren, die Zeiten sind aufgeregt, weil die Mehrheitsverhältnisse in Deutschland so sind, wie sie sind, und die konservative Opposition Machtwechsel wittert. Für die Innenpolitik sind das ganz schwierige Zeiten, weil gern mit dem ganz groben Hammer auf den Populismuskeil gedroschen wird. Keiner möchte dem vermuteten Mainstream in der Bevölkerung widersprechen. Die Integration verschiedener Kulturen in unserem Land leidet darunter, denn der Integration tut das nicht gut, obwohl das jeder wissen muss, Frau Linnert hat dankenswerterweise darauf auch hingewiesen, dass in ganz wenigen Jahren das große Thema lauten wird, wie
wir unser Land so attraktiv machen können, dass wir nicht ungehindert in eine nationale Demenz vergreisen, sondern dass wir mit intelligenter Zuwanderung unser Land erneuern können.
Meine Damen und Herren, eigentlich müsste heute integrative und weltoffene Politik begonnen werden. Leider ist das mit der CDU nur ganz schwer möglich. Ich sage aber auch, es ist mit der CDU nur scheinbar ganz schwer möglich, und dabei hilft mir eine kleine Geschichte.
Wir haben uns doch vor wenigen Wochen im Rathaus über den Togoer John Agbolete gestritten. Senator Röwekamp hat mit einer anerkannt fulminanten Rede seine Leute so etwas von zum Kochen gebracht, dass man fast neidisch werden konnte. Er lasse sich nicht länger auf dem Kopf herumtreten von solchen Schwindlern, und im Übrigen sei er auch als Christ – man höre, als Christ! – gegen eine Härtefallkommission, weil es in der Demokratie keine höhere Instanz, andere nennen die Gott, als das rechtsstaatliche Verfahren geben dürfe. Mit der Hilfe des Senators ist es gelungen, dass John Agbolete eine Duldungsverfügung bekommen hat zum Zwecke der Eheschließung. Er ist inzwischen verheiratet und lebt vermutlich glücklich und zufrieden in Bremen.
Eine Härtefallkommission bekommen wir auch. Sie sehen alle, es gibt einen Unterschied zwischen Wort und Handlung, und darauf bauen wir auf für die Zukunft unseres Landes. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Herderhorst hat unserer Fraktionsvorsitzenden vorgeworfen, nicht rechtsstaatlich zu handeln. Das finde ich ungeheuerlich und möchte das an dieser Stelle in aller Schärfe zurückweisen! – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 16/272 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 16/216, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.