Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen und Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

(Abg. W e d l e r [FDP])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses bei.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Jahresbericht 2004 des Rechnungshofs, Drucksache 16/173, und von dem Bericht des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses, Drucksache 16/454, Kenntnis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich hier ganz herzlich eine Gruppe von Neumitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands begrüßen.

(Beifall)

Des Weiteren möchte ich die Besatzung der Fregatte Bremen, die heute hier im Hause zu Gast ist, unter der Führung von Herrn Fregattenkapitän Dumrese ebenfalls ganz herzlich begrüßen.

(Beifall)

Des Weiteren wird die Besatzung der Fregatte begleitet vom Freundeskreis der Fregatte Bremen unter der Leitung unseres ehemaligen Kollegen Walter Liebetrau.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Wie viele Neumitglieder sind denn gekommen? Drei oder vier?)

25!

Keine Aufhebung der Schleierfahndung in Deutschland!

Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 22. November 2004 (Drucksache 16/457)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Röwekamp.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Umsetzung eines entsprechend geplanten Vorhabens der Brüsseler EU-Kommissionsbürokraten, zum Beispiel die Abschaffung von verdachts- und ereignisunabhängigen Passkontrollen und so weiter, hätte für die Bundesrepublik Deutschland schwerwiegende und katastrophale Nachteile für die innere Sicherheit zur Folge. Darum ist ein präventives Handeln das Gebot der Stunde. Die so genannten Schleierfahnder sind trotz der unverantwortlichen Abschaffung von Grenzkontrollen hauptsächlich im süddeutschen Grenzgebiet wie zum Beispiel Rosenheim Tag und Nacht sehr erfolgreich im Einsatz. Gefahndet wird mit schnellen Autos, mobilen und modernen Datenterminals und so weiter. Diese modernen Techniken sind unverzichtbar, um in Minutenschnelle verdächtige Personen zu überprüfen, gestohlene Fahrzeuge zu beschlagnahmen, gefälschte Ausweise zu erkennen, Rauschgift aus dem Verkehr zu ziehen und um Rauschgiftdealer, Zigarettenschmuggler, Menschenhändler, Waffenschieber und andere schwerkriminelle Personen zu verhaften. Sie sehen, meine Damen und Herren, die Schleierfahndung ist seit dem Wegfall der Grenzkontrollen und der EU-Osterweiterung wichtiger denn je. Allein im Grenzgebiet um Rosenheim nahmen die Schleierfahnder seit Jahresbeginn sage und schreibe 1200 kriminelle Personen fest, zum Beispiel Albaner, die sich illegal in Deutschland aufhielten, dazu noch 1000 Personen, die mit Haftbefehl schon über einen längeren Zeitraum gesucht wurden, und das seit Jahresbeginn 2004 und nur im Grenzgebiet um Rosenheim, meine Damen und Herren! Allein diese Zahlen belegen eindeutig die Wichtigkeit der Beibehaltung einer uneingeschränkten Schleierfahndung. Angesichts dieser erschreckenden Zahlen und Fakten bin ich der Ansicht, dass die Schleierfahndung technisch verbessert, personell aufgestockt und dramatisch ausgeweitet werden müsste. Angesichts dieser nackten Tatsachen und Zahlen grenzt es schon fast an Wahnsinn, dass die Brüsseler EU-Kommissionsbürokraten die Schleierfahndung mit dubiosen und nicht mehr nachvollziehbaren Vorschlägen zum Teil abschaffen wollen. Die EU-Kommission hält sie nämlich für unzulässige Grenzkontrollen durch die Hintertür und fordert nun in einem unverantwortlichen Verordnungsvorschlag mit der lapidaren Begründung, sie seien ein Verstoß gegen das Abkommen über die Reisefreiheit, solche Überprüfungen abzuschaffen. Also, blödsinniger und schwachsinniger geht es wohl kaum noch!

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Gerade in Zeiten, in denen die EU-Osterweiterung uns erhebliche Probleme besonders im Bereich

der inneren Sicherheit beschert und in denen die osteuropäischen Mitgliedsstaaten nicht einmal für ihre eigenen Grenzen wie zum Beispiel zur Ukraine, zu Weißrussland und so weiter effektive und sichere Kontrollen garantieren können, und auch in Zeiten, in denen neue Terroranschläge drohen und kriminelle Banden gerade aus Osteuropa – ich weiß, das hören Sie nicht gern, es ist aber nun einmal eine Tatsache – mitten in Deutschland ihr Netzwerk knüpfen und verstärkt kriminell tätig werden!

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich glaube, um die russische Mafia geht es nicht!)

Dabei habe ich die nach Deutschland vermehrt geflüchteten und in großer Anzahl sesshaften gefährlichen Terroristen und so genannte Schläfer noch gar nicht mit einbezogen.

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist auch die russische Mafia!)

Ach, meine Damen und Herren von den Grünen, dass Ihre Multikulti-Ideologie gescheitert ist, das sehen Sie in Holland! Diese Verhältnisse haben wir hier auch bald. Das kann ich Ihnen garantieren.

Meine Damen und Herren, in solchen für Deutschland sehr schwierigen Zeiten mit einem solchen nicht mehr nachvollziehbaren Vorschlag zu kommen, das grenzt wirklich schon an einen grenzenlosen Wahnsinn. Allein schon die Idee müsste strafbar sein. Darum sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit, damit sogar Sie es begreifen –

(Abg. Manfred O p p e r m a n n [SPD]: Aber langsam, bitte!)

ja, das muss ich auch bei Ihnen, das weiß ich, darauf brauchen Sie mich gar nicht hinzuweisen! –, wenn jetzt die unfähigen und überbezahlten EU-Bürokraten sagen, im Zusammenhang mit dem Grenzübertritt dürften keine Kontrollen mehr stattfinden, dann wird damit unweigerlich der Schleierfahndung der Boden entzogen. Das wird eine dramatische und katastrophale Verschlechterung der inneren Sicherheit in Deutschland zur Folge haben. Darum ist jetzt hier und heute ein präventives Handeln unbedingt erforderlich. Darum stimmen Sie diesem Antrag der Deutschen Volksunion zum Schutz der Bevölkerung uneingeschränkt zu!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Ehmke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja keine Neuigkeit, dass sei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

tens der DVU so ziemlich jedes Sachthema genutzt wird, um Ressentiments gegen Ausländer, Europa und Ähnliches zu streuen, aber dass Herr Tittmann hier deutlich macht, dass er neuerdings schon Gedanken unter Strafe stellen will, zeigt eine ganz bestimmte Geisteshaltung, die, glaube ich, typisch für die Politik ist, die dort vertreten wird.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Positionen zur Schleierfahndung gehen dabei sowohl in der Politik als auch in der Rechtsprechung auseinander. Ich gehe davon aus, dass auch unter den demokratischen Fraktionen dieses Hauses sowohl Befürworter als auch Gegner dieser Regelung zu finden sind. Die Schleierfahndung gibt es seit 1995 in Bayern. Sie findet sich im Polizeirecht einiger anderer Länder und im Bundesgrenzschutzgesetz. Das Bremer Polizei- und Gefahrenabwehrrecht kennt eine solche Regelung nicht. Sie ist auch im Moment eine primär bayerisch geführte Debatte. Das hat man ein Stück weit gehört. Man kann fast ahnen, wo das herkommt.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Blödsinn!)

Es geht dabei darum, der Polizei das Recht zu geben, Personen im Grenzgebiet, auf Durchfahrtsstraßen und auf Einrichtungen des grenzüberschreitenden Verkehrs ohne Verdachtsgründe zur Identitätsfeststellung anhalten zu können. Die Befürworter einer solchen Regelung weisen auf den Erfolg bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität hin, und die Eingriffsintensität der Maßnahme wird von ihnen als gering eingestuft. Die Gegner halten dem entgegen, dass es dabei zu einer unzulässigen Einschränkung verfassungsmäßiger Freiheitsrechte kommt und dass ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegt. Es gehört zum Charakter des Polizeirechts, dass der Staat gegen seine Bürger nur bei Vorliegen eines Verdachtsgrundes vorgehen kann und nicht einfach so.

Auch die Rechtsprechung verhält sich unterschiedlich. Das sächsische Verfassungsgericht hat entsprechende Regelungen bestätigt, das bayerische sieht sie, zumindest in Grenznähe, als verfassungsgemäß an. Das Verfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern hat 1999 die Regelung zur Schleierfahndung im wesentlichen als verfassungswidrig verworfen. Bei den Bedenken der Europäischen Union geht es jetzt aber konkret um die Binnengrenzen der EU, und zwar um die Binnengrenzen im Rahmen des Schengen-Gebietes. In der Tat gibt es dort keine Grenzkontrollen mehr, und die EU sieht dort eine unzulässige Grenzkontrolle, aber das muss man noch einmal auseinander halten: Es geht nicht um alle möglichen Grenzen, sondern es geht um die Grenzen im Schengen-Binnenraum.

Wie auch immer, Herr Tittmann hat durch seine Rede gerade deutlich gemacht, worum es ihm hier eigentlich geht. Es geht nicht um innere Sicherheit, es geht darum, eine bestimmte Ideologie zu verbreiten und Ressentiments zu schüren. Wie auch im Einzelnen die demokratischen Mitglieder dieses Hauses zur Schleierfahndung stehen, Herr Tittmann, Sie werden hier keinen Verbündeten für Ihre rechte Gesinnung finden, auch bei diesem Antrag nicht!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Moment!)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der von mir eben genannten nachweisbaren Zahlen und Fakten hier eine solche Rede zu halten ist schäbig, unrealistisch, billig und auf Kosten der inneren Sicherheit der Bürger unverantwortlich. Vom Bündnis 90/Die Grünen habe ich kein anderes Abstimmungsverhalten erwartet. Die Grünen werden ja wahrscheinlich noch jedem Kinderschänder ein warmes, weiches Kuschelbettchen mit innen liegendem Sozialpädagogen, Plüschbärchen und Rasseln in die Zelle bringen!

(Unruhe bei der SPD)

Herr Ehmke, seien Sie bloß still! Seitdem Sie in der Bürgerschaft vertreten sind, muss das Parlament ja richtig Angst haben und beten, nicht wegen Kinderarbeit verklagt zu werden, bei Ihrem Redebeitrag!

(Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir dürfen es als Landesparlament nicht zulassen, dass unfähige und realitätsfremde EU-Bürokraten hier eine Entscheidung treffen, die die innere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland katastrophal beeinträchtigen würde. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern im Land Bremen und in Deutschland insgesamt einfach schuldig, das ist unsere politische Aufgabe und Verantwortung. Dafür sind wir vom Volk gewählt worden, und wenn Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so haben diejenigen so genannten Volksvertreter nichts, aber auch gar nichts in diesem hohen Haus zu suchen. Darum sage ich als Vertreter der Deutschen Volksunion: Der Fahndungsdruck muss dringend erhöht werden, und es muss endlich ein einheitliches Polizeiaufgabengesetz her, denn wenn wir endlich ein einheitliches Polizeiauf

gabengesetz hätten, in dem diese ereignisunabhängige Fahndung enthalten wäre, und das ohne Bezug auf die Grenzen, dann hätten wir nicht ein solch skandalöses Dilemma.

Meine Damen und Herren, unser Innenminister Schily fordert doch immer mehr Kompetenzen für das BKA bei der Terrorbekämpfung und einen Umbau des Bundesgrenzschutzes zur Bundespolizei und so weiter. Nun soll Ihr Innenminister doch endlich einmal mit gleicher Energie und Engagement deutsche Interessen in der EU vertreten, und Bündnis 90/ Die Grünen würde ich raten: Ihre Fraktion in Berlin hat am 21. September 2004 zusammen mit der blutroten Berliner Landesregierung unverantwortlich und zum Schaden der Bevölkerung den Paragraphen 18 Absatz 7 des Berliner Allgemeinen Sicherheitsordnungsgesetzes, der die Schleierfahndung beinhaltet, abgeschafft. Ihnen spreche ich das Recht ab, das Wort „innere Sicherheit“ in den Mund zu nehmen!