Protokoll der Sitzung vom 08.12.2004

Eigentlich wollte ich das einfach so im Raum stehen lassen, meine Damen und Herren. Mir ist aber ein Zitat des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen eingefallen im Zusammenhang mit dieser Dokumentation. Dort wird gesagt: „Straffreie Pflege ist kaum noch möglich.“ Darüber sollten wir einen Moment nachdenken. Jeder, der pflegt und nur gegen einen dieser Paragraphen, eine dieser Verordnungen verstößt, macht sich im Grunde ge

nommen strafbar. 980 verschiedenen Grundlagen, straffreie Pflege ist kaum noch möglich! Die Antwort des Senats auf Frage zwei, wer besucht wen und warum, empfehle ich Ihrer sorgfältigen Lektüre, Sie haben ja alle die Antwort auf die Große Anfrage gelesen und sehen diese wunderschöne Tabelle. Leider ist sie nicht vollständig, außerdem besuchen noch Versicherung, Brandschutzprüfung, Betriebsarzt, Datenschutzbeauftragter, Hygienebeauftragter und so weiter die Heime und kontrollieren. Wir haben nichts gegen Kontrollen, die müssen sein, völlig klar, aber hier werden ja acht Institutionen aufgezählt. Ich will einmal mit einem Beispiel versuchen, das zu verdeutlichen. Nehmen sie einmal acht Kieselsteine in die Hand, und stellen Sie sich an ein ruhiges Wasser, und werfen Sie diese acht Kieselsteine in das Wasser! Was passiert?

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz)

Sie kennen das aus Ihrer Kindheit, es gibt acht Kreise, die ineinander verlaufen, die sich überschneiden. Die Kreise überschneiden sich, in der Mathematik nennt man das Schnittmengen, und diese Schnittmengen sind sowohl in dem einem Kreis als auch in dem anderen. Vor Jahren hat mir einmal ein großer Bremer Heimträger eine Aufstellung gegeben, wie das aussieht mit den Überschneidungen.

(Abg. K l e e n [SPD]: Wie haben Sie das mit denn mit dem Eckigen hinbekommen?)

Toll, das habe ich überklebt, weil ich den Namen verschweigen will! Wegen des Heimgesetzes wird kontrolliert, das ist diese Schnittmenge hier, Qualitätsleistungsüberprüfung, Einsicht in die Pflegedokumentation, Personalqualifikation, Einhaltung einheitlicher Grundsätze und Leistung, Prüfung von Verträgen und wirtschaftlicher Daten. Genau dasselbe überprüft auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Zwei Gesetze, zwei gleiche Aufträge, ob das so sein muss, muss man sicherlich einmal fragen! Meine Damen und Herren, mit dieser Großen Anfrage wollten wir zum einen diesen Gesichtspunkt aufzeigen, zum anderen uns schlau machen. Wir wollten ja eine Antwort des Senats haben, deswegen eine Anfrage, und wir haben die weitere Initiative bereits eingebracht, das habe ich vorhin schon einmal gesagt. Meine Bitte wäre nun an Sie, dass Sie sich die Frage zwei und die Grafiken noch einmal genau zu Gemüte führen und an die sich überschneidenden Kreise denken. Es gibt da einen Spruch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

(Zuruf von der SPD: Lenin!)

Hast Du gelesen, was ich Dir gegeben habe?

Ohne Zweifel, Kontrolle ist auch im Interesse aller Bewohner der Heime, unangemeldete Besuche der Aufsicht und angemeldete Besuche erfüllen beide ihren Zweck, Qualitätssicherung und Schutz der Heimbewohner. Das gilt für die CDU auch in Bezug auf alle Arten von Heimen, es gibt ja nicht nur Pflegeheime, aber wenn Besuche, dann auch nur im notwendigen und erforderlichen Maß. Drehtüreffekte erschweren nur die Arbeit, sind sinnlos und kosten Zeit, die für die Zuneigung und Pflege für die Menschen, die auf die Pflege von Fachpersonal angewiesen sind, verloren geht, meine Damen und Herren. Ich bin mit Frau Arnold-Cramer völlig einig, es geht darum, Menschen zu pflegen und nicht Bürokratie zu pflegen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal eingehen auf die Presseartikel, die hier schon oft zitiert wurden und in letzter Zeit wirklich sehr emotional und aus meiner Sicht sehr skandalorientiert gehalten und auch in der Sache wenig hilfreich sind.

Dies hat leider zur Folge, dass unsere Gesellschaft gespalten wird, und zwar in diejenigen, die gut sind, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, und in diejenigen, die die Bösen sind und ihre Angehörigen in ein Heim abschieben, eine Wortwahl, die ich ganz abscheulich finde, denn es gilt das Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Menschen. Wer in einem Heim leben möchte, soll in einem Heim leben. Manchmal gibt es auch Gründe, dass eine Pflege zu Hause nicht möglich ist, und dann ist es um so besser, dass es diese Einrichtungen gibt. Hier die Gesellschaft in gut und böse aufzuteilen, finde ich unmöglich! Wir müssen allen Menschen, egal wo sie wohnen, garantieren, dass sie eine sehr gute, optimale Pflege bekommen, sei es zu Hause, sei es in einer Einrichtung. Das ist unsere Aufgabe, und darum sollen wir uns kümmern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte aber noch einmal fortsetzen, was ich eben gesagt habe bezogen auf die Personalquote und die Mitarbeiter: Wir in Bremen haben in der Tat eine über dem Bundesdurchschnitt liegende Fachkraftquote, was ich sehr wichtig finde. Eine gute Ausbildung der Mitarbeiter ist für mich auch ein Schlüssel für bessere Qualität. Manche Heime sehen das nicht so, einige Träger sagen, dass dort, wo die Fachkraftquote höher ist, keine bessere Qualität ist, und sie setzen Fachausbildung nicht mit Qualität gleich. Das finde ich sehr bedauerlich. Wir soll

ten alles dafür tun, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen eine wirklich gute, qualifizierte Ausbildung bekommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dennoch ist der Personalschlüssel allgemein sehr knapp bemessen. Viele Pflegeleistungen, die für uns selbstverständlich sind, können nicht erbracht werden. Defizite in der Ernährung bis zu stärkeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind leider nicht so selten. Wir wissen, dass sich die Qualität in der Pflege nur verbessern lässt, wenn die Bewohnerinnen mit ihren individuellen Bedarfen im Mittelpunkt stehen. Dies bedeutet unter anderem andere Personalschlüssel und vor allem andere Konzepte. Dies können die Pflegeheime aber allein nicht leisten. Der runde Tisch auf Bundesebene wird hier, so sein Auftrag, praxisorientierte Handlungsempfehlungen entwickeln und Wege aufzeigen, bei denen eine Umsetzung möglich ist. Dies ist ein Prozess, der mit der Heimgesetznovellierung eingeleitet worden ist.

Wir alle wollen eine bessere Pflegequalität, aber es muss uns allen bewusst sein, dass dies auch mit Geld verbunden ist. Es wird nicht reichen, ein paar Gesetze abzuschaffen und organisatorische Veränderungen in den Heimen und Verbänden einzuleiten. Es werden richtige Umsteuerungen auf Bundes-, Landes- und auch auf Kommunalebene erfolgen müssen. Wir wollen es alle, aber seien wir einmal ehrlich: Trauen wir uns das auch wirklich zu? Ich würde mich freuen, wenn wir viele Mitstreiterinnen in diesem Hause finden werden, und ich bin gespannt, inwieweit sich das in den nächsten Haushaltsberatungen niederschlagen wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Anteil oder die Anzahl der Menschen, die in Heimen leben wollen oder meistens ja müssen, ist in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Vor zehn Jahren lebten in Bremen etwa sechs Prozent der über 75-Jährigen in Pflegeheimen, heute sind es etwa neun Prozent, und mit Blick auf die demographische Entwicklung können wir voraussagen, dass es ein ständig wachsender Anteil sein wird. Die Menschen werden immer älter, das ist gut so, aber mit dem Alltag kommen eben auch oft Hemmnisse, die ein Alleinleben nicht mehr möglich machen.

Es ist im Übrigen so, dass auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen überprüft, ob eine Heimunterbringung notwendig ist oder nicht. Das sollte man in diesem Zusammenhang auch noch einmal

erwähnen, dass da auch schon eine Steuerung stattfindet und eine Überprüfung und ein bloßes Abschieben, was immer unterstellt wird, ohne Weiteres nicht möglich ist.

Heimbewohner bedürfen in der Tat eines besonderen Schutzes. Sie sind Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind, Menschen, die sich dem Heim wirklich in ganz vielen sensiblen Bereichen ihrer Lebenslage anvertrauen, sei es jetzt die Frage, wie ich wohne, oder die Frage, wie ich gepflegt werde. Insofern ist es sehr wichtig, dass diese Menschen auch tatsächlich geschützt werden, und das ist ja die Aufgabe von Gesetzen, also hier des Heimgesetzes, über das wir heute sprechen, aber auch die Aufgabe des Pflegequalitätssicherungsgesetzes.

Manche meinen, die ganze gesetzliche Landschaft, was die Heime betrifft, sei vielleicht etwas überreguliert, von Bürokratisierung ist die Rede. Daran ist sicherlich auch etwas Wahres, aber man sollte nicht voreilig das Kind mit dem Bade ausschütten, denn es gibt zwar einen Gegenstand, nämlich das Heim, aber es gibt zwei Prüfinstanzen. Das sieht auf den ersten Blick vielleicht etwas überflüssig aus, ist bei genauer Betrachtung aber berechtigt, weil sie unterschiedliche Aufgaben haben. Die Heimaufsicht übernimmt die staatliche Beratung und die Überwachung aller Heime, also der Altenheime, der Wohnheime, der Heime für Menschen mit Behinderungen und der Pflegeheime, während der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Überprüfung vereinbarter Leistungen ausschließlich von Pflegeeinrichtungen, die einen Vertrag mit Pflegekassen haben, übernimmt.

Um eine unnötige Belastung der Heime oder auch der agierenden Aufsichtsbehörden zu vermeiden, sind beide Kontrollinstanzen zur Zusammenarbeit verpflichtet und sollen Doppelüberprüfungen vermeiden. Das geschieht im Übrigen auch in Bremen, das läuft ganz gut. Durch die Arbeitsgemeinschaft nach Paragraph 20 Heimgesetz werden Prüftermine zwischen den beiden Einrichtungen abgestimmt, bei Bedarf kooperativ wahrgenommen, und selbstverständlich werden auch die Prüfergebnisse und Auflagen ausgetauscht und miteinander besprochen.

Neben diesen heimspezifischen Prüfungen durch Heimaufsicht und Medizinischen Dienst der Krankenkassen – das ist auch schon von Herrn Oppermann dargestellt worden und ergibt sich aus der Antwort des Senats – gibt es weitere ergänzende Prüfungen, zum Beispiel durch das Gewerbeaufsichtsamt oder die Lebensmittelüberwachung. Da noch eine weitere Koordination hinzubekommen ist allerdings fast nicht leistbar.

Es gibt die Empfehlungen der Expertise der Forschungsgesellschaft für Gerontologie, die sich auch mit der Frage von Entbürokratisierung in der stationären Altenpflege auseinander gesetzt und insbe

sondere folgende Bereiche für diese Empfehlung identifiziert hat: die juristische Überprüfung von möglichen Widersprüchen zwischen dem Heimgesetz und dem Pflegeversicherungsgesetz, die Novellierung der Heimpersonal- und Heimmindestbauverordnung, die Quantifizierung des Kontroll- und Prüfaufwandes für Heime, die Sicherstellung der Kooperationsverpflichtung zwischen den Prüfinstanzen und die Erhöhung der Transparenz und Aufklärung der bestehenden Gesetze sowie über die Heimleitungen, die sie auch in den Fokus genommen haben!

Sie sehen daraus, dass sich diese Empfehlungen an äußert unterschiedliche Adressaten richten, unter anderem auch an den Gesetzgeber, der sich natürlich auch die Frage stellen muss, ob da nicht einiges in der Tat, Herr Oppermann, überflüssig ist und vielleicht etwas angepasst werden könnte. Genauso richten sich diese Empfehlungen aber an die Praxis oder an die internen Qualitätsmanagementsysteme der Heime.

In Bremen können wir feststellen, dass sich die geforderte Abstimmung zwischen Heimaufsicht und MDK gut orientiert hat, dass unnötige Belastungen vermieden werden. Zur Frage von angemeldeten oder nicht angemeldeten Kontrollen denke ich, das muss man in der Situation beurteilen. Es ist aber nicht nur so, dass Kontrollen stattfinden, die ausschließlich auf Prüfung und Überprüfung hin orientiert sind, sondern diese Kontrollen sind wesentlich umfassender, das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal herausstellen. Die Kontrollen beinhalten zu einem großen und sehr zeitintensiven Anteil auch Beratungsfunktionen. Die Mängel und Defizite, die dort festgestellt werden, werden sozusagen positiv gewendet, um den Mitarbeiterinnen, den Leitungen Tipps zu geben, Wege aufzuzeigen, Lösungsmöglichkeiten, um für die Zukunft eine bessere Versorgung in den jeweiligen Heimen sicherzustellen. Insofern ist das auch eine ganz wichtige Aufgabe von Heimaufsicht.

Der runde Tisch der Bundesgesundheitsministerin und der Familienministerin ist bereits erwähnt worden. Wir erhoffen uns davon wichtige Hinweise von Bürokratieabbau, und wir haben in der Antwort ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass wir das alles ausschöpfen wollen, was es an Möglichkeiten gibt. Es gibt auch einen Arbeitskreis, der unter anderem aus Heimleitung, also praxiserfahrenen Menschen, besteht, die sich mit Beispielen aus anderen Bundesländern, die solche Modellversuche schon gemacht haben, auseinander setzen und prüfen, was wir an diesen Empfehlungen, an diesen Modellversuchen hier nach Bremen positiv transportieren können. Musterdokumentationen sind ein Feld, wo man sicherlich etwas leisten kann, um Bürokratieabbau voranzubringen. Das wird zurzeit gerade erarbeitet. Ich habe ein hohes Interesse daran, dass wir Dokumentation auf der einen Seite, wo sie not

wendig ist, selbstverständlich leisten müssen, aber wo sie überflüssig ist, auch abbauen können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Mitwirkung der Heimbeiräte ist schon von allen Rednerinnen und Rednern ausgiebig gewürdigt worden. Ich finde es sehr gut und beachtenswert, was wir hier in Bremen auf die Beine gestellt haben. Die Seniorenvertretung hat wirklich sehr gut mitgewirkt, und ich möchte mich zum Schluss bei allen bedanken, die ehrenamtlich engagiert in diesem wichtigen Bereich tätig sind. Eine hohe Transparenz ist wichtig, um Missstände in Heimen abzubauen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei unseren sehr engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Heimaufsicht bedanken. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/452, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Novellierung des Bremer Bildungsurlaubsgesetzes

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 30. September 2004 (Drucksache 16/421)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 30. November 2004

(Drucksache 16/473)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Lemke, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage nicht mündlich wiederholen möchten. – Das ist der Fall.

Ich frage, ob wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Allers.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU und der SPD zur Novellierung des Bremischen Bildungsurlaubsgesetzes liegt Ihnen allen vor. Ich gehe ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.