Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktionen der SPD und der CDU legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bremischen Schulgesetzes vor, mit dem die religiöse und weltanschauliche Neutralität der öffentlichen Schulen im Lande Bremen geschützt wird.

Jeder hat es gemerkt, der Weg bis hierhin war nicht einfach, mitunter durchaus holperig. Ich glaube aber, anderes war auch überhaupt nicht zu erwarten. Ich darf daran erinnern, dass es einen viel beachteten Vortrag des Staatsrechtlers Professor Ferdinand Kirchhoff, Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg, im Rathaus im März 2004 gegeben hat. Herr Professor Kirchhoff hat damals gesagt, Ausgangspunkt im Streit um religiöse Symbole sei die ganz einfache Frage: Darf an deutschen Schulen eine Lehrerin mit Kopftuch unterrichten? Diese einfache Frage, so Professor Kirchhoff, suggeriere eine einfache Antwort, eine einfache Lösung, aber das Gegenteil sei der Fall. Diese einfache Frage sei nur in einem komplizierten Abwägungsprozess von verschiedenen Verfassungspositionen zu lösen. Wörtlich sagte Professor Kirchhoff, ich zitiere: „Man muss also die Emotionen draußen lassen. Man muss sozusagen auf Distanz zur eigenen Weltanschauung gehen und darauf hören, was die Verfassung sagt.“

Meine Damen und Herren, wer das ernst nimmt, und das wollen und müssen wir als Gesetzgeber, der weiß, dass es beim Streit um religiöse Symbole in der Schule um sehr grundsätzliche Fragen geht. Es geht um das Spannungsverhältnis von grundgesetzlich geschützter Glaubensfreiheit einerseits und der staatlichen Pflicht zur religiösen Neutralität andererseits. Es geht um den möglichen Konflikt widerstreitender Grundrechte der Lehrkräfte, der Schüler und der Eltern. Es geht auch um die Frage, inwieweit besondere kulturelle Traditionen in unserem Land gelebt werden können, und schließlich geht es um die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft in unsere Gesellschaft.

Dies alles zusammenfassend hat der früherer Bundespräsident Johannes Rau in seiner Lessing-Rede im Januar 2004 gesagt, ich zitiere auch hier: „Es geht um die Frage, wie können Menschen miteinander leben, die ganz unterschiedliche Dinge für wahr und für richtig halten und auch manches tun, was die jeweils anderen unbegreiflich finden.“ Soweit Johannes Rau!

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem berühmten Kopftuchurteil vom 24. September 2003 den demokratisch legitimierten Landesgesetzgeber und damit auch uns, die Bremische Bürgerschaft, aufgefordert, bei dieser komplizierten Abwägung von verschiedenen Verfassungspositionen eine für alle zumutbare Regelung zu suchen, so wörtlich, und zwar, so hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, in einem öffentlichen Willensbildungsprozess. Bremen ist, so hat es der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz gesagt, das einzige Bundesland, das diese Aufforderung eines öffentlichen Willensbildungsprozesses wirklich ernst genommen hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf daran erinnern, dass im März 2004 alle Interessierten und Betroffenen in drei großen öffentlichen Veranstaltungen im Rathaus die Möglichkeit zur Stellungnahme und zum Gespräch darüber bekommen haben, welche Konsequenzen für Bremen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen sind. Ich darf auch daran erinnern, dass die Beteiligung an diesen großen Foren überwältigend war. Wir haben vielbeachtete Vorträge renommierter Experten gehört zu verfassungsrechtlichen, zu religionsund islamwissenschaftlichen Fragen und auch zu Fragen der Integrationspolitik.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Veranstaltungen ein ganz wichtiger Beitrag zu einem von möglichst vielen Menschen mitgetragenen Ergebnis sind, denn eines ist doch überragend wichtig, jedenfalls für mich, meine Damen und Herren: Der Streit um das Kopftuch darf unsere Gesellschaft nicht spalten. Es darf nicht um Sieg oder Niederlage in irgendeiner Art von Kulturkampf gehen. Wir brauchen eine Verständigung auf möglichst breiter Basis, weil es um eine grundsätzliche Frage des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft geht, und dies müssen wir uns alle klar machen, ob wir nun diese oder jene Haltung einnehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin fest davon überzeugt, dass der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der großen Koalition diesem Ziel einer breit getragenen Verständigung gerecht wird. Ich will Ihnen diesen Gesetzentwurf vorstellen.

Der Ausgangspunkt der vorgelegten Regelung heißt in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und der Bremischen Landesverfassung: Die öffentlichen Schulen im Lande Bremen haben religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren. Das ist der Grundsatz. Das heißt zunächst und, ich denke, ganz selbstverständlich, dass unsere Kinder im Unterricht nicht auf Lehrkräfte treffen, die missionieren, die indoktrinieren, die fundamentalistische Werte vermitteln, die die Kinder einseitig religiös ausrichten wollen

oder die etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Zweifel ziehen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Übrigens, meine Damen und Herren, um Missverständnissen vorzubeugen, dies alles richtet sich nicht nur an Lehrkräfte muslimischen Glaubens. Niemand, ob Mann oder Frau, ob Christ, Muslim oder Atheist, darf die grundsätzlich und grundgesetzlich geschützten Rechte von Schülern und Eltern durch falsch verstandene Glaubens- oder Meinungsfreiheit gefährden oder verletzen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb heißt es in dem vorgelegten Gesetzentwurf wörtlich, ich zitiere aus dem Gesetzestext: „Die Lehrkräfte und das betreuende Personal müssen in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schülerinnen und Schüler sowie auf das Recht der Erziehungsberechtigten Rücksicht nehmen, ihren Kindern in Glaubens- und Weltanschauungsfragen Überzeugungen zu vermitteln. Diese Pflichten der Lehrkräfte und des betreuenden Personals erstrecken sich auf die Art und Weise der Kundgabe des eigenen Bekenntnisses.“ So der vorgeschlagene Gesetzestext!

Meine Damen und Herren, da die Kundgabe einer religiösen Überzeugung auch durch eine bestimmte Kleidung, Bekleidung oder durch das Tragen von religiösen Symbolen ausgedrückt werden kann, bestimmt der Gesetzentwurf, und ich zitiere auch hier: „Auch das äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.“ Soweit der Gesetzestext!

Diese vorgeschlagene gesetzliche Regelung bedeutet, dass die Bildungsbehörde insoweit in Ausführung des Auftrages des Bundesverfassungsgerichts nunmehr und erstmalig die Befugnis erhält, Lehrerinnen und Lehrern das Tragen von religiösen Symbolen in der Schule zu untersagen. Der Gesetzentwurf überlässt diese Entscheidung ausdrücklich nicht der einzelnen Schule, so dass die vereinzelt geäußerte Befürchtung, es werde zu Ungleichheiten zwischen den Schulen kommen, nicht begründet ist. Noch einmal gesagt, die Entscheidungsbefugnis liegt bei der Bildungsbehörde. Der Bildungssenator hat in einer Pressemitteilung vom 13. Juni angekündigt, dass er die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage dieses Gesetzes treffen wird.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben

gerade in den beiden Urteilen, die in der Begründung des Gesetzestextes angeführt worden sind, das Gebot der strikten Gleichbehandlung der verschiedenen Religionen und Glaubensrichtungen betont.

(Beifall bei der SPD)

Die Bevorzugung einzelner Religionen ist verfassungsrechtlich unzulässig, ausdrückliche Worte aus beiden Urteilen. Dies gilt sowohl für das Gesetz selbst als auch für die Praxis seiner Durchsetzung, ausdrücklicher Satz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni, das wir angeführt haben.

Meine Damen und Herren, das muss man all denen entgegenhalten, die meinen, man könne es sich doch ganz einfach machen und in ein Gesetz hineinschreiben, das Kopftuch ist verboten, das Kreuz ist erlaubt.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre eine gesetzliche Regelung, die bei einer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand hätte und die politisch auch falsch wäre. Deshalb hat nach unserem Gesetzesvorschlag die Bildungsbehörde für jede religiös motivierte Kleidung und für jedes getragene religiöse Symbol zu fragen, ob, wie es im Gesetzentwurf heißt, dadurch die religiösen Empfindungen der Schüler und der Eltern gestört oder ob der Schulfrieden gefährdet ist.

Wenn hier in vereinzelten Kommentaren von Ermessen gesprochen worden ist, so ist das schlicht falsch. Juristisch ist die Entscheidung, die die Bildungsbehörde zu treffen hat, eine so genannte gebundene Entscheidung. Das heißt, die Bildungsbehörde muss die Begriffe der Störung des religiösen Empfindens und des Schulfriedens auslegen. Das ist keine Besonderheit. Das ist bei jeder Rechtsanwendung der Fall. Das ist, auch das ist selbstverständlich, in vollem Umfang justiziabel, also durch Gerichte überprüfbar.

Meine Damen und Herren, wer das als Problem ansieht und etwa, wie ich in einer Pressemitteilung der Grünen gelesen habe, abschätzig von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Justiz spricht, der muss sich, meine Damen und Herren, nach seiner Haltung zum demokratischen Rechtsstaat fragen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Noch eines will ich deutlich machen. Nach der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung kann die Behörde sowohl im Einzelfall über das Tragen von religiösen Symbolen entscheiden als auch eine generelle Regelung treffen, also ganz allgemein das Tragen bestimmter religiöser Symbole untersagen, um konkrete Gefahren für die religiösen Empfindungen oder den Schulfrieden gar nicht erst entstehen zu lassen. Für Referendare und Referendarinnen gilt dies alles nur, soweit sie Unterricht erteilen. Das ist

eine Regelung, die sich verfassungsrechtlich von selbst versteht, denn sie folgt aus dem grundgesetzlich gegebenen Ausbildungsanspruch.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend sagen, ich denke, wir haben eine sorgfältig abgewogene Regelung vorgelegt! Sie betont die Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen. Sie schützt die Schülerinnen und Schüler vor unzulässiger religiöser und weltanschaulicher Beeinflussung durch Lehrerinnen und Lehrer, und ich denke, da komme ich zu meiner Eingangsbemerkung zurück, dass wir mit diesem Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht geworden sind, uns auf einen für alle zumutbaren Kompromiss zu verständigen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Böhrnsen hat zu Recht das Neutralitätsgebot sehr deutlich in den Mittelpunkt gestellt. Das ist auch die Grundlage der Rechtsprechung. Natürlich ist es so, dass damit nicht alles gleich wird, weil die Traditionen der Menschen unterschiedliche sind. Unsere Traditionen, das wissen wir, haben auch eine Grundprägung, nicht so sehr eine religiöse, aber eine christlich-kulturelle Prägung, die über Jahrhunderte gewachsen ist. Ich denke, dass wir uns auch deshalb ein bisschen mit der Rahmenrechtsprechung befassen müssen, damit wir die Trennschärfe auch in der Beurteilung dessen, was gemacht werden soll, bekommen.

Es gibt zum einen das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das im Wesentlichen auch von Herrn Böhrnsen dargestellt worden ist. Dieses Verfassungsgerichtsurteil ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als es noch keine Ländergesetze gab. Es gibt inzwischen, wie Sie wissen, ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil, das sich mit dem Gesetzentwurf von Baden-Württemberg befasst. Darin sind zum Teil spezielle Dinge, die BadenWürttemberg betreffen, aber darin sind auch ganz grundsätzliche Positionen, die teilweise auch in Rückkopplung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allgemein gültig sind. Ich will deshalb aus diesem Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 24. Juni 2004 ein paar Punkte zitieren, weil sie auch Klarheit schaffen. Ich glaube, dass Herr Böhrnsen durchaus diese Klarheit an den entscheidenden Punkten auch selbst gesucht hat.

Es heißt hier in dem Urteil: „Eine Lehrerin, die in der Schule ein so genanntes islamisches Kopftuch trägt, gibt damit in eindeutiger Weise zu verstehen, dass sie sich zur Religion des Islam bekennt und sich gehalten sieht, dessen von ihr als verpflichtend emp

fundene Bekleidungsvorschriften zu beachten. Hierin liegt eine Bekundung, nämlich die bewusst an die Außenwelt gerichtete Kundgabe einer religiösen Überzeugung.“

Es heißt dann weiter: „Neben dem Bekenntnis zum Islam und zu dessen Bekleidungsvorschriften kann das Kopftuch auch als ein Zeichen für das Festhalten an Traditionen der Herkunftsgesellschaft gedeutet werden. In jüngster Zeit wird in ihm verstärkt auch ein politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus gesehen, das die Abgrenzung zu Werten der westlichen Gesellschaft, wie individuelle Selbstbestimmung und insbesondere Emanzipation der Frau, ausdrückt.“

Dies sieht das Bundesverfassungsgericht genauso. Dies ist sozusagen Rechtsprechung der beiden obersten Gerichte, die wir haben. Es heißt dann weiter: „Soweit in dem von einer Lehrerin getragenen Kopftuch eine religiöse oder politische Bekundung zu sehen ist, ist diese geeignet, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören.“ So wörtlich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts!

Daher sind die Grundlagen, die wir in unserem Gesetz haben, auch für den Bildungssenator eindeutig. Sie geben einen ganz klaren Entscheidungsrahmen, in dem auch entschieden werden muss.

Es heißt hier weiter: „Nicht erst Bekundungen, welche die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden konkret gefährden oder gar stören, fallen darunter, sondern man will so genannten abstrakten Gefahren vorbeugen. Eine derart“ – so heißt es wörtlich – „abstrakte Gefährdung gerade der weltanschaulich-religiösen Neutralität der Schule und des religiösen Schulfriedens geht von dem Tragen eines islamischen Kopftuchs durch eine Lehrerin aus.“ So wörtlich das Bundesverwaltungsgericht!

Insofern ist es klar, dass es immer um die Interessen derjenigen geht, die sich subjektiv berührt fühlen durch ein solches Signal, nicht aber um die Frage, ob der Schulfrieden objektiv, ständig und in welcher Qualität und in welchem Umfang gestört ist, sondern es geht um diesen abstrakten Ansatz, die abstrakte Gefährdung des Schulfriedens ganz prinzipiell. Deshalb kann das natürlich auch nicht in der Schule entschieden werden, sondern kann auch nur in der Behörde grundsätzlich entschieden werden. Damit sind im Grunde in diesem Falle auch die Rechtsgrundlagen eindeutig.

(Beifall bei der CDU)

Herr Böhrnsen hat etwas zu der Referendarklausel gesagt. Ich könnte Ihnen jetzt die einzelnen Ländergesetze, soweit wir sie haben, vorlesen. Es gibt, glaube ich, kein Land, das keine Referendarklausel hat. Für die Referendarin gilt im Prinzip dasselbe wie

für die Lehrerin, sie darf das Kopftuch im Unterricht nicht tragen. Eine Lehrerin kann natürlich privat sehr wohl ihr Kopftuch tragen, aber sie kann es natürlich nicht dann tragen, wenn sie in dieser ganz besonderen Neutralitätsverpflichtung sich bewegt, und dann gilt das in gleicher Weise für die Referendarin.

Diese Monopolausbildung, so nennt man das ja wohl, die der Staat den Referendaren gewährt, die nur der Staat gewähren kann nach unserem Ausbildungsrecht, bedeutet, dass wir eine Ausbildungspflicht gegenüber den Referendaren haben und dass im Grunde der Referendar keine Möglichkeit hat, sich woanders ausbilden zu lassen, wenn nicht beim Staat. Insofern steht die Monopolausbildung dagegen, wenn es sich nur um die Ausbildung handelt und nicht um die aktive Tätigkeit des Referendars auch als Lehrer, dann stellt sich hier ein anderer Rahmen. Das ist kompliziert, das ist aber alles geltendes Recht und ist auch in diesen Grundsatzurteilen im Einzelnen festgelegt.

Meine Damen und Herren, wenn Sie die beiden Urteile und die Urteilsbegründungen lesen, dann geht es eigentlich immer im Kern um die Frage: Entsteht eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens oder nicht? Diese Frage wird eindeutig beantwortet im Sinne des Kopftuchs. Das hängt auch mit dem Wesenskern dieser Rechtsprechung zusammen, weil sie sich mit diesem besonderen Fall auseinander gesetzt hat.

Es ist sicherlich so, dass hier in der Rechtsprechung kein unmittelbares Beispiel ausgeführt wird, was denn beispielsweise aus einer christlich-abendländischen Kultur verboten wäre. Ein solches Beispiel gibt es in der Rechtsprechung nicht, auch das muss man wissen. Es ist sicherlich so, dass wir uns, weil es hierfür auch keine dezidierte und keine präzise Aussage gibt, sondern eine ganze Reihe auch von eher zutreffenden, allgemeinen Bekundungen beider Gerichte, des Verfassungsgerichts wie des Verwaltungsgerichts, darüber, selbstverständlich auf den Grundlagen und auf dem Boden der Kultur christlich-abendländischer Struktur bewegen.

Von daher muss man auch wohl feststellen, dass in diesem Neutralitätsgebot gemeint ist, dass keine Provokation Andersdenkender und Andersglaubender entsteht, dass keine Provokation entsteht. Ich glaube, von daher ist es so, dass wir mit Augenmaß unsere eigene kulturelle Tradition tragen müssen, wie wir die schutzwürdigen Dinge, die bei den Schülern, bei den Eltern, bei den Lehrern, bei den übrigen Beteiligten liegen, gemeinsam zu sehen haben.

Eine eindeutige Entscheidung gibt es zum Kopftuch. An unserer bremischen Verfassung habe ich nicht mitgewirkt, wenn man mich gebeten hätte, daran mitzuwirken, dann hätte ich wahrscheinlich innerlich Probleme gehabt mit dieser sehr klaren Trennung zwischen Kirche und Staat und dem Verzicht auf Religionsunterricht. Es steht aber so in unserer Lan

desverfassung, und es gibt bei uns auch nur einen Religionsgeschichteunterricht. Insofern ist auch bei uns hier eine besondere und eine spezielle Situation. Dennoch rate ich uns, uns nun nicht in der Abgrenzungsfrage hinzustellen und die christlich-abendländischen Wurzeln unserer Kultur zu leugnen. Das wäre sicherlich eine Geschichtsklitterung in besonderer Weise.