Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns in der Tat, und da ist alles Hinterfragen von Ihnen auch völlig berechtigt, darauf konzentrieren, was 2012 passiert, denn genau 2012, darauf ist in allen Beiträgen hingewiesen worden, haben wir zwei Abiturjahrgänge, den verkürzten und den normal laufenden. Da ist es in der Tat richtig, dass wir frühzeitig, vielleicht nicht sechs Jahre vorher, aber doch mehrere Jahre vorher, darauf in der KMK, mit den Arbeitgeberverbänden und mit den Gewerkschaften hinweisen und alle Anstrengungen unternehmen, dass wir hier nicht gegen die Wand laufen. Wir haben die doppelte Anzahl von Abiturienten, die in die Hochschulen kommen, die in das duale System drängen, und auf diese Belastung müssen wir entsprechend vorbereitet sein. Da ist es völlig richtig, dass nicht nur Sie, sondern auch andere Vertreter, die in den Bildungsinstitutionen arbeiten, uns bereits jetzt darauf hinweisen, dass wir hier Hausarbeiten zu machen haben. Wir wissen über diese Probleme, und wir werden das der Deputation für Bildung, und das geht sicherlich auch in die Deputation für Wissenschaft, rechtzeitig vorlegen.

Meine Damen und Herren, Frau Stahmann, ich glaube, ich muss irgendwann noch einmal sehr detailliert mit Ihnen auch über die einzelnen Möglichkeiten der Durchlässigkeit im Bremer Schulsystem reden. Wie Sie wissen, arbeiten mittlerweile ganz viele Grundschulen jahrgangsübergreifend. Ein Ziel des

jahrgangsübergreifenden Unterrichts ist, Kinder springen zu lassen.

Es gibt eine Menge Kinder, die schon im fünften, sechsten Lebensjahr rechnen, lesen, schreiben können. Das ist wunderbar so, das ist nicht schädlich, wie uns früher die Lehrerinnen und Lehrer gesagt haben, sondern es ist eine wunderbare Voraussetzung für ein lebenslanges Lernen und hilft diesen Kindern und schadet ihnen nicht. Genau diese Kinder sind gemeint, wenn wir sagen, wir eröffnen das Band, den Schuljahreseingang damit, dass wir jahrgangsübergreifend arbeiten. Das heißt, es wird demnächst eine Menge Kinder geben, die in dem Primarbereich in den ersten Schuljahren schon ganz salopp, ohne dass sie das eigentlich mitbekommen, ein Jahr einsparen. Sie sind also noch ein Jahr früher fertig mit dem Abitur, und das ist gut so. Das ist die erste Antwort auf Ihre Frage, mit der Sie so tun, als gäbe es das nicht. Aber das ist doch de facto Bremer Schulpolitik!

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: In der Regel!)

Aber wir arbeiten ganz heftig daran, Frau Stahmann, und darüber sind Sie informiert, dass immer mehr Schulen dieses Modell übernehmen, und das ist ausgesprochen positiv für die betroffenen Kinder. Es ist nämlich genauso gut für die Kinder, die wir zu fördern haben, die müssen dann nicht sitzen bleiben, sondern sie bleiben ein Jahr länger in diesem Jahrgang eins bis zwei oder drei und vier. Das ist absolut im Interesse der Kinder.

Ihr Beispiel kann ich auch nicht nachvollziehen. Sie haben gesagt, um Gottes willen, was passiert mit dem, der in der sechsten Klasse, also jetzt bitte schön nicht mehr in der vierten, sondern der in der sechsten Klasse ist und von uns das Angebot hat, und das ist positiv, damit gehen wir einen Schritt nach vorne, dort bereits eine zweite Fremdsprache zu erlernen, genau wie das Kind, das einen gymnasialen Bildungsgang eingeschlagen hat? Um hier noch eine Möglichkeit des Übergangs zu schaffen, sagen wir, wähle das an. Da sagen Sie, dieses Kind hat ja nie wieder eine Chance, anschließend das Abitur zu machen. Das ist völlig falsch.

Es gibt erstens die Möglichkeit, dass dieses Kind sich das selbst erarbeitet, wie ich viele einzelne Kinder kenne, die von Spanisch auf Französisch gewechselt haben, auch während der gymnasialen Mittelstufe. Es ist absolut möglich, also nicht ausgeschlossen, wenn mit einem Mal der Spätstarter zündet und jetzt auf den gymnasialen Bildungsweg wechseln will und ihm Spanisch oder Französisch fehlt. Für ein oder zwei Jahre kann man das individuell mit den Instituten machen, die wir auch in Bremen haben. Es ist nicht ausgeschlossen.

Der normale Weg dieses Schülers wäre in der Tat, ein exzellentes Realschulabschlusszeugnis zu bekommen und dann, so wie wir es vorgesehen haben, mit

diesem guten Zeugnis anschließend in die gymnasiale Oberstufe zu gehen. Wo ist das Problem? Dieses Kind, der Spätstarter, macht nach 13 Jahren sein Abitur. Wunderbar! Genau das haben wir gewollt in der großen Koalition, um die Durchlässigkeit von unten nach oben zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das, was wir hatten, liebe Frau Stahmann, war genau das Umgekehrte. Als ich 1999 anfing, wurde ich mit den höchsten Sitzenbleiberquoten in der Republik konfrontiert. Dem begegnen wir, Jahr für Jahr haben wir größere Erfolge. Da werden wir weitermachen, bei den Kindern das Sitzenbleiben zu vermeiden und bei der Möglichkeit, nicht vom Gymnasium in die anderen Schularten geschickt zu werden, sondern wir wollen den Kindern die Möglichkeit geben, bis hin zur zehnten Klasse den Abschluss noch zu bekommen und auch ein Abitur zu machen. Ich finde, das ist sehr vernünftig.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass die Schulzeitverkürzung nicht nur für Bremen sehr wichtig ist, sondern insgesamt für Deutschland. Es ist nicht einzusehen, dass uns viele Länder lange Jahre vorgemacht haben, dass man schon nach zwölf Schuljahren zu Hochschulabschlüssen kommen kann. Da sind wir sehr spät dran. Wir haben zu späte Abschlüsse, was das Abitur angeht, wir haben ein zu hohes Alter der Hochschulabschlüsse. Wenn Sie sich das Promotionsdurchschnittsalter oder sogar das Habilitationsdurchschnittsalter in Deutschland ansehen, da liegen wir weit hinter den anderen Industrienationen zurück. Im Rahmen der Globalisierung ist das ein ganz wichtiger Ansatzpunkt. Wenn man keine Rohstoffe hat, dann müssen wir in die Köpfe unserer jungen Menschen investieren. Dazu gehört es auch, dass wir bereit sind, die Schulzeit entsprechend zu verkürzen.

(Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Stahmann?

Eigentlich bin ich jetzt am Ende meiner Rede, aber ausnahmsweise, weil Sie es sind!

Bitte, Frau Stahmann!

Da Sie in Ihrem Redebeitrag nicht darauf eingegangen sind hinsichtlich der Entrümpelung der Stundenpläne und der Stunden, die laut KMK vorgeschrieben sind, eben diese 265 Wochenstunden: Wie ist Ihre Position dazu?

Unsere Position dazu ist auf der KMK-Ebene, dass zurzeit diese 265 Stunden überarbeitet werden. Ich möchte nur völlig klar allen Eltern sagen, und daran sind Sie sicherlich interessiert, dass wir nicht die Schulzeit verkürzen und gleichzeitig Unterricht kürzen. Dies wäre ein völlig fatales Signal den Eltern gegenüber. Wir wollen, dass die Kinder in zwölf Jahren das lernen, das mit auf ihren Lebensweg bekommen, was sie in anderen Nationen vergleichbar auch bekommen. Sie sollen nicht schlechter gestellt werden durch die Schulzeitverkürzung, sondern ihnen soll ein Jahr Lebenszeit geschenkt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Eine weitere Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Eine Nachfrage, wenn es mir vom Präsidium erlaubt ist: In welcher Zeitperspektive werden dann die Stundenpläne entrümpelt werden? Wird es da innerhalb der KMK eine Einigung geben, dass das gelockert werden kann?

Wir warten zunächst einmal ab, was die KMK erarbeitet. Mir sind darüber noch keine Zwischenberichte bekannt. Sobald die KMK das diskutieren und beschließen wird, wird selbstverständlich die Bildungsdeputation darüber in Kenntnis gesetzt. Was unsere eigene Entrümpelung angeht, das wissen Sie, sind wir mitten darin, da sind wir stets auch im Dialog, damit wir genau wissen, welche Schwerpunkte wir setzen. Da geht es um Kompetenzbereiche, das haben Sie auch die ganze Zeit verfolgt, die sind in der sprachlichen Darstellung, in den Fremdsprachen und in der Mathematik und Naturwissenschaften gegeben. Das sind von den Kompetenzen her die Dinge, an denen wir gemeinsam mit der KMK arbeiten. Wir sind mitten dabei, die KMK ist mitten dabei, und Sie verfolgen das ständig.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Übergang von der Schule in die Berufsausbildung verbessern

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 17. Juni 2005 (Drucksache 16/659)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 2. August 2005

(Drucksache 16/709)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator, Sie werden darauf verzichten, so dass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Allers.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Thematisch bleiben wir jetzt in der Bildungspolitik, wir verlassen jetzt allerdings die Schule etwas, weil wir uns mit der so genannten ersten Schwelle befassen wollen, nämlich dem Übergang von der Schule in die Berufsausbildung.

Die vorliegende Antwort des Senats befasst sich mit der beruflichen Orientierung Jugendlicher und damit auch mit der anschließenden Beschäftigungsfähigkeit. Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigung ist zurzeit ein in Deutschland sehr heiß diskutiertes Thema. Es ist ein sehr wichtiges Thema gerade bei der Arbeitsmarktlage auch im Land Bremen, ganz besonders im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit ist es auch für uns ein ganz wichtiges Problem, dem wir uns stellen müssen.

Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt ist für die Jugendlichen oftmals ein sehr schwerer Schritt, weil sie das erste Mal meistens diese schwierige Aufgabe bewältigen müssen, bei ihrer Berufswahlentscheidung zuerst einmal selbst ihre eigenen Wünsche, Ansprüche, Möglichkeiten und Chancen einzuschätzen. Sie befinden sich dabei mit Sicherheit manches Mal auch in der Zwickmühle zwischen Wunsch und Machbarkeit. In dieser Phase brauchen junge Menschen ganz besonders jede und vor allen Dingen eine ganz individuelle Unterstützung, denn jeder Jugendliche hat seine eigenen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Gerade gestern haben wir in der Fragestunde von Eignungstests, Interessentests und Potentialtests gehört. Ich finde, das ist auch schon ein ganz wirksames und gutes Instrument der Hilfestellung, die wir hier jungen Menschen bieten können. Wir können nur so Jugendlichen Sicherheit geben und sie befähigen, sich aktiv an Entscheidungen, die ihre eigene Zukunft betreffen, zu beteiligen und ihnen die Sorgen und Ängste, die sie diesbezüglich mit Sicherheit in der heutigen Zeit haben, zu nehmen.

In der Antwort des Senats finden Sie sehr viele Maßnahmen, Projekte und Kooperationspartner auf––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

geführt, mit denen Jugendliche in der allgemeinbildenden Schule unterstützt werden. Ich will darauf verzichten, diese hier im Einzelnen zu wiederholen, ich möchte mich aber trotzdem an dieser Stelle für die Ausführlichkeit beim Senat bedanken. Ich denke, es ist auch deutlich geworden, dass es schon sehr viele Maßnahmen gibt, dass hier auf diesem Feld schon sehr viel geackert wird, aber trotz der Vielzahl der Maßnahmen, die es gibt, können wir noch lange nicht zufrieden sein mit dem Ergebnis. Die Zahlen von Ausbildungsabbrüchen sprechen eine sehr deutliche Sprache, dass wir hier noch viel zu tun haben.

Aus dem im April dieses Jahres veröffentlichten Berufsbildungsbericht 2005, der die Daten bis zum Jahr 2003 erfasst, geht hervor, dass die Zahl der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge sowohl im Bundestrend als auch im Bundesland Bremen etwas rückläufig ist. Da Bremen aber weiterhin mit 24,7 Prozent vorzeitig aufgelöster Ausbildungsverträge im Jahr 2003 über dem Bundesdurchschnitt von 21,9 Prozent liegt und nur noch das Saarland und Schleswig-Holstein prozentual mehr vorzeitig aufgelöste Verträge haben, besteht wirklich kein Grund, sich zurückzulehnen. Nebenbei gesagt, der Bundestrend ist von 24,1 auf 21,9 Prozent gesunken, im Bundesland Bremen ist dieser rückläufige Trend von 25,9 auf 24,7 Prozent auch vergleichbar geringer ausgefallen.

Anfang 2004 hatte die CDU-Fraktion schon einmal eine Kleine Anfrage zu diesem Thema eingebracht. In der Antwort des Senats wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass es eine deutliche Verbesserung dieses Trends geben würde aufgrund der vielen landespolitischen Initiativen und Angebote, aber, wie gesagt, die letzten Zahlen sind doch ein deutlicher Indikator dafür, dass wir noch weitere Anstrengungen unternehmen müssen. Damit meine ich nicht Anstrengungen, wenn es Abbrüche in der Ausbildung gibt, da gibt es tolle Initiativen wie zum Beispiel „Ausbildung – bleib dran“, das meine ich nicht. Ich denke, wir müssen hier vorher anfangen zu arbeiten, wenn das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen im Vorfeld ansetzen, nämlich in der Schule bei den berufsorientierenden Maßnahmen. Wie überall gilt auch hier: Vorbeugen ist weitaus besser als Heilen!

Warum hebe ich an dieser Stelle so auf diese Ausbildungsabbrüche ab? Ausbildungsabbrüche sind ein ganz eindeutiger Hinweis auf Differenzen zwischen der objektiv vorhandenen Ausbildungssituation und den subjektiv vorhandenen Interessen und Möglichkeiten. Einer der beiden Hauptgründe für den Abbruch einer Ausbildung sind nämlich neben Schwierigkeiten mit Ausbildern und Vorgesetzten – man muss sich das einmal anhören – zu 42 Prozent falsche Vorstellungen über die begonnene Ausbildung! Anhand dieser Zahl – 42 Prozent, das ist fast die Hälfte – wird sehr deutlich, dass es notwendig und auch wichtig

ist, frühzeitig und umfassend Berufsorientierung zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU)

An der Stelle möchte ich natürlich auch nicht verschweigen, dass manches Mal die fehlende Qualifikation von Schülern und Schülerinnen einen nicht unwesentlichen Grund für Brüche in der Ausbildungsbiographie darstellen, denn bereits mehr als die Hälfte der Betriebe müssen schon Maßnahmen ergreifen, um Bildungsmängel zu kompensieren. Gerade kleine oder mittelständische Betriebe können und wollen das letztendlich auch nicht mehr und bilden in der Konsequenz dann leider weniger aus. Durch den Abbau von Ausbildungsplätzen steigen meistens auch die Anforderungen an andere Auszubildende.

Auf jeden Fall ist es dringend erforderlich, hier neben quantitativen auch qualitative Veränderungen vorzunehmen. Die gestrige Debatte hat aber gezeigt, dass wir hier auf einem guten Weg sind und diesen Aspekt auch nicht aus den Augen verlieren. Man muss ja auch einmal loben!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)