Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Historisch sind wir in Deutschland, was den Bereich der elementaren Bildung betrifft, einen anderen Weg gegangen. Wenn man das mit Frankreich vergleicht, dann sind die Vernetzungen zwischen schulischen Angebotsformen der ab Sechsjährigen zu denen, die jünger sind, der ab Vierjährigen, viel enger als in Deutschland. Das liegt daran, dass im Kern in Deutschland früher weniger an die frühkindliche Bildung gedacht worden ist bei der Frage der Kindertagesbetreuung, deswegen heißt sie nämlich auch so, sondern in erster Linie an die Kindertagesbetreuung gedacht worden ist. Hier ändert sich gerade, glaube ich, das Bewusstsein aller, die für diese Bereiche politisch verantwortlich sind, denn Diskurs heißt nicht mehr nur Kindertagesbetreuung, sondern der Diskurs heißt zunehmend frühkindliche Bildung, das können wir hier im Hause auch deutlich feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt stehen wir aber vor der großen Herausforderung, wir wollen das Qualifikationsniveau bei diesem Personal anheben und müssen gleichzeitig feststellen, dass das eine verflucht schwierige Aufgabe ist, weil man immer darauf achten muss, welchen finanzpolitischen Spielraum wir für diesen Teil unserer Großbaustelle überhaupt haben. Das ist die große Problematik.

Deswegen sagen wir auch, wir wollen diesen Antrag jetzt hier nicht einfach beschließen und sagen, wir machen das einmal und engagieren uns, obwohl das eine relativ abstrakte Beschlusslage ist, die Sie da eigentlich wollen – man soll dies unterstützen und

das fordern und fördern –, das könnte man im Prinzip auch so beschließen, nur, entscheidend ist am Ende, wie wir das konkret abarbeiten im Hinblick auf die finanzpolitischen Spielräume. Da müssen wir in der Deputation genau schauen, was wir an dieser Stelle machen können, und deswegen wollen wir auch eine Überweisung dieses Antrags erst einmal an die Deputation und den Jugendhilfeausschuss, um uns das genauer anzusehen.

(Beifall bei der SPD)

Die Situation hat übrigens eine ganz wichtige Besonderheit, das haben Sie überhaupt nicht gesagt. Wir haben zwar in Deutschland, das muss man einmal ganz offen sagen, im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern ein vergleichsweise niedriges Qualifikationsniveau, und wenn man an Steigerungen des Qualifikationsniveaus denkt, assoziiert man damit natürlich automatisch auch, dass entsprechende BATanaloge Arbeitsverhältnisse höher eingruppiert werden, wenn man sich aber anschaut, wie das andere pädagogische Personal in den entsprechenden Einrichtungen in Europa bezahlt wird, dann stellen wir fest, dass die Eingruppierung in der Bundesrepublik Deutschland und den anderen europäischen Ländern ungefähr gleich ist. Das heißt, wir werden sehr schnell die Auseinandersetzung bekommen, wenn es uns wirklich gelingt, neue Ausbildungsgänge zu stärken, mit welchen Tarifen wir da überhaupt eine Vergütung hinbekommen können. Wenn wir uns nämlich nicht nur bei dem Qualifikationsniveau, sondern auch bei den Tarifen an europäischen Niveaus orientieren, wird da mit Gehaltssteigerungen nicht viel möglich sein.

Von der Kultusministerkonferenz haben Sie ja gesprochen. Ich habe ein bisschen die Papiere untersucht und bin da vor allem auf Beschlüsse der Jugendministerkonferenz gestoßen. Sie sagt ja auch ganz deutlich, wir sollen in diesem Bereich und an den verschiedenen Teilen weiter arbeiten, in denen da in den Bundesländern gearbeitet wird, das fordert und fördert die Jugendministerkonferenz auch. Aber die Jugendministerkonferenz sagt auch deutlich, dass sie in dem Zusammenhang sehr skeptisch ist, dass sie realisieren könne, dass wir mittelfristig tatsächlich zu einer Hochschul- oder universitären Ausbildung überwiegend kommen werden.

Ich möchte das kurz mit Genehmigung des Präsidenten zitieren: „Die Jugendministerkonferenz geht davon aus, dass die Fachschul- beziehungsweise Fachakademieausbildung noch für viele Jahre vorherrschend sein wird.“ Das dokumentiert, glaube ich, wie selbst in anderen Bundesländern im Moment die Einschätzung ihrer Handlungsspielräume ist. Wenn man sich dann noch einmal anschaut, welche Lage wir hier in Bremen gerade haushalts- und finanzpolitisch haben, wird mir ein bisschen schwummerig dabei, das will ich Ihnen offen sagen. Trotzdem habe ich diese

Ambition genauso wie Sie, wir müssen uns genau anschauen, was wir da treiben.

Es gibt ein paar Geschichten, die wir gemacht haben. Das Qualifikationsprogramm, das mit einigen Schwierigkeiten behaftet ist, haben Sie gerade wieder einmal kleingeredet. Ich bedauere das sehr. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die wir weiter betreiben wollen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es ist klar, dass die Opposition an so einer Stelle natürlich versucht, den Finger in die Wunde zu legen.

(Zuruf der Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/ Die Grünen])

Aber man muss einmal deutlich sagen, was da läuft, ist besser als das, was vorher gelaufen ist. Das ist ein Fortschritt. Der Fortschritt ist nicht so groß, wie wir es gern gehabt hätten, aber es ist und bleibt ein Fortschritt!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen)

Worin besteht denn der qualitative Sprung? Dass wir es geschafft haben, auf der einen Seite Erzieherinnen in dieses Programm hineinzubringen, die als Ersatzpersonal dann für die Erzieherinnen, die im Job stehen, fungieren können! Das sind bei weitem nicht so viele, wie es eigentlich werden sollen.

Das ist übrigens interessant, das muss man sich einmal anschauen: Wie kommt es eigentlich, dass sozusagen das Reintegrieren von arbeitslosen Erzieherinnen nicht in dem Maße funktioniert hat, wie wir uns das eigentlich gewünscht haben? Das hat verschiedene Faktoren. Bei einigen müssen wir auch etwas wirklich an der Systematik ändern. Ich sage nur einmal ein Stichwort: Ist die Kindertagesbetreuung für solche Personengruppen eigentlich gut genug, dass sie das Programm auch tatsächlich machen können? Aber was wir erreicht haben, ist doch, dass wir die Freistellung hinbekommen können.

Jetzt läuft allerdings hier in der Stadt Bremen im Moment ein Deal. Der Deal ist der: Wie viel Ersatzpersonal bekommen wir eigentlich dafür, wenn andere Erzieherinnen aus den Einrichtungen heraus sind? Da werden gerade Geschäfte gemacht, das kommt auch einmal politisch hoch. Da sollte man aber vorsichtig sein, dass man dem nicht hinterherläuft, sondern genau schaut, was dahintersteckt. Das ist jedenfalls meiner Meinung nach ein richtiger Schritt. Ich will, dass das Programm weitergeführt wird, und wenn es nach mir geht, dann wird es noch in deutlich größerem Umfang durchgeführt, weil ich der Überzeugung bin, dass das ein richtiges Programm ist.

(Beifall bei der SPD)

Den Bachelorstudiengang, dazu haben Sie einiges gesagt, kann ich nur unterstützen. Die Finanzierung, die wir mit der BEK über die Robert-Bosch-Stiftung hinbekommen haben, so dass wir an der Universität einen Studiengang haben, in dem Grundschullehrerinnen und Erzieherinnen gemeinsam ausgebildet wer-den, ist ein richtiger Schritt. Das ist genau eines von diesen Elementen, die in der Jugendministerkonferenz auch beschrieben worden sind. Das zeigt, dass wir neue Wege gehen, aber es zeigt eben auch, dass wir wie alle anderen Bundesländer das als ein Element benutzen, aber dass wir genau sehen, dass das nicht komplett die gesamte Systematik kurz- oder mittelfristig ändern kann, sondern dass wir das fördern, aber gleichzeitig die, die jetzt im Job sind, weiter aufbauen wollen. Das ist unsere Strategie, und da stehen wir politisch sehr dahinter.

Im Hinblick auf die Praktikanten haben Sie gerade etwas geschildert. Der Sachstand im Jugendhilfeausschuss war der, dass das düstere Bild, das Sie an die Wand gemalt haben, noch nicht Realität ist, sondern

(Glocke)

das müssen wir uns an dieser Stelle noch genau ansehen. Es darf meiner Meinung nach nicht passieren, dass Praktikanten einfach kein Geld bekommen, deswegen für sie in Bremen die Ausbildung unattraktiv ist und dann die Konsequenz ist, dass nur die, die keinen anderen Ausbildungsplatz bekommen, nach Bremen kommen. Das meinten Sie, glaube ich, mit dem Fremdwort Brain Drain. Ich jedenfalls will mich dafür engagieren, dass wir eine solche Situation nicht schaffen.

Es ist aber auch schon deutlich gesagt worden, dass natürlich Wege gesucht werden, über Modularisierung, über Verflechtung von Theorie und Praxis genau das zu organisieren, dass das verhindert wird. Das hat Michael Schwarz, der Referent für diesen Bereich, im Jugendhilfeausschuss deutlich gesagt. Deswegen will ich nur sagen, die Welt ist nicht so düster, wie es die Opposition geschildert hat, auch in diesem Fall nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich diese Vorlage bekommen habe, habe ich mich zunächst gefragt: Warum ist das Ressort Bildung und Wissenschaft, warum bist du eigentlich jetzt für diesen Bereich, der ja im Wesentlichen den Kindergarten, die frühkindliche Erziehung betrifft, zuständig? Klar, für die Ausbildung, die in der Universität und den Hochschulen stattfindet, ist der Bildungs- und Wissenschafts

senator zuständig, allerdings, die Feinsicht aus dem Ressort habe ich mit der Kollegin Röpke abgestimmt.

Zunächst muss ich Ihnen sagen, dass ich dem Tenor dieses Antrags absolut zustimme. Warum? Wenn wir den Thesen der Hirnforscher folgen, die belegen, dass innerhalb der ersten sechs Jahre die wesentlichen Synapsenbildungen abgeschlossen sind und dann bis zum zehnten Lebensjahr eigentlich alles erledigt ist, auf was wir später bei der Beschulung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen aufbauen können, dann ist es eigentlich überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum diejenigen, die mit den ganz Kleinen arbeiten, deutlich schlechter qualifiziert und bezahlt werden als die, die anschließend mit den Grundschulkindern zusammenarbeiten, dann mit den Sekundarschulkindern und den gymnasialen Oberstufenkindern bis hin zum Universitätsprofessor. Eigentlich müsste das Ganze genau andersherum sein. Eigentlich!

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. P i e t r z o k [SPD])

Bitte?

(Abg. P i e t r z o k [SPD]: Wenn Sie das schaffen, sind Sie der Star!)

Ich sage ja nur, wenn ich mir anschaue, wie auch skandinavische Länder das machen, gibt es in Finnland zum Beispiel, das haben wir ja gesehen, Hochschulausbildung für all diejenigen, die mit Kindern ab dem Vorschulalter bereits im Kindergarten beginnend arbeiten. Das ist meine Anerkennung für die inhaltliche Zielrichtung. Da gibt es kein Vertun.

Aber jetzt gibt es noch eine andere Frage, wir haben das übrigens vor einem Jahr in der KMK genauso auf dieser Ebene diskutiert: Was heißt das eigentlich? Uns betrifft das aus zweierlei Gesichtspunkten. Erstens: Wir müssen die Ausbildungskapazitäten dafür zusätzlich schaffen. Gar keine Frage!

Ich erinnere an die Fragestunde von heute Morgen. Frau Schön hat mich entsprechend gelöchert, was bedeutet das für die Lehre, wie ist die Schwerpunktsetzung in der Universität. Da haben Sie Recht, da müssen wir überlegen: Wo setzen wir denn in Zukunft an unseren Hochschulen und in der Universität die Schwerpunkte, auch die Schwerpunkte unmittelbar im ziemlich nahe liegenden politischen Prozess? Wir werden darüber nachdenken müssen, wie es in den nächsten Jahren in unserem Land weitergeht.

Natürlich müssen wir uns mit Blick auf die KMK auch daran orientieren, was andere Bundesländer machen. Sie werden ja sehr erstaunt schauen, wenn wir als sehr armes Bundesland unseren eigenen Weg gehen, alimentiert von anderen Bundesländern, klein

gerechnet, kurzgerechnet, wenn wir auf einmal sagen, wir haben es jetzt gelernt, wir müssen ein Hochschulstudium anbieten.

Was machen wir übrigens mit den vielen jungen Menschen, die in diesen Beruf hineingehen wollen, aber nicht die Qualifikation dafür haben? Auch das müssen wir einen Augenblick überlegen. Ich schiebe diesen Gedanken aber zunächst einmal beiseite, weil eigentlich das Kind im Mittelpunkt unseres Interesses stehen sollte. Deshalb sage ich, wir können es nur dann hinbekommen, wenn wir auf KMK-Ebene hier einen Schulterschluss bekommen und wenn wir in unserer Schwerpunktsetzung für die Bildung und die Vorschulbildung, ich zähle sie einfach mit dazu, sagen, wir sind bereit, dieses Geld in die Hand zu nehmen.

Dann muss ich innerhalb der Hochschule andere Schwerpunkte setzen, das heißt aber natürlich bei 100 Millionen Euro weniger von fünf bis zehn, dass ich dann noch mehr andere Berufe nicht zulassen kann, weil ich sage, in der Produktionstechnik oder bei den alten Sprachen oder bei der alten Musik reduziere ich jetzt zugunsten der ganz Kurzen. Aber das, meine Damen und Herren, geht nur über die KMK, Alleingänge können wir da überhaupt nicht machen. Es geht natürlich auch dann nur, wenn wir selbst, wenn Sie, Sie entscheiden das, Sie haben das Haushaltsrecht, entsprechende Prioritäten setzen.

Ich bin sehr angetan, so sind jedenfalls die Reaktionen aus der Universität, von der Initiative des Landesverbands der Evangelischen Kirchen zusammen mit der Bosch-Stiftung, die hier diesen Bachelorstudiengang gemacht haben. Das ist ein sehr guter Ansatz. Er soll ja insbesondere, das ist so mit der KMK abgesprochen, dazu führen, dass wir die Leitung zumindest auf diesem Niveau dann ausbilden und auch entsprechend bezahlen können. Das trauen wir uns auf der KMK-Ebene zu. Das haben wir gemeinsam entsprechend so besprochen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass dieser Antrag in die richtige Richtung geht. Aus inhaltlichen Gründen kann ich mich jetzt nicht verbiegen und sagen, weil er jetzt von der Opposition kommt, finde ich ihn furchtbar. Ich finde es richtig, was Sie hier aufschreiben. Ich kann Ihnen nur nicht versprechen, dass wir das ohne die KMK und angesichts der dramatischen Haushaltslage umsetzen können. Der Gedanke, der hier vorgetragen worden ist, diesen Antrag in der eigentlich zuständigen Deputation weiter zu behandeln, ist richtig. Ich sage Ihnen gern zu, dass wir über die Wissenschaftsdeputation, über die Bildungsdeputation hier einen Schulterschluss suchen, um dieses Problem, das im Prinzip alle drei Bereiche betrifft, so weiter auf den Weg zu bringen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration beantragt worden.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/684 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist den Antrag entsprechend.