Protokoll der Sitzung vom 13.10.2005

Wer das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Umweltinformationen, Drucksache 16/704, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Profilbildung der Sekundarschulen vorantreiben

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 20. Juli 2005 (Drucksache 16/707)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 27. September 2005

(Drucksache 16/760)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator Lemke ist auf dem Weg in das Haus der Bremischen Bürgerschaft. Er wird sicherlich auch darauf verzichten, wie das ja schon Tradition ist, das mündlich zu wiederholen, so dass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Senator Lemke betritt den Plenarsaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man ist ja schon fast geneigt ob der steigenden Zahl von Kameras auf der Pressetribüne, jetzt die unwichtigen Teile dieser Debatte bis 17.30 Uhr zu machen, um erst dann die wesentlichen Teile, die für die Sekundarschule wichtig sind, noch hervorzuholen. Ich glaube allerdings, dass man sich damit den großen Unmut des gesamten Hauses zuziehen würde, von daher, und da der Senator jetzt auch da ist, steigen wir gleich ein.

Die Sekundarschule ist eine völlig neue Schule im Land Bremen. Die große Koalition hat bei der Schulgesetznovelle, die wir im Frühjahr 2004 beschlossen haben, diese Schulform neu geschaffen. Es ist keine neue Schulform in Deutschland. In anderen Bundesländern gibt es schon Erfahrungen mit der verflochtenen Haupt- und Realschule. Am besten kann man dies, denke ich, im Freistaat Sachsen sehen, wo es seit Gründung des Staates 1990 eine Schule gibt. Der Freistaat Sachsen hat ja eine ganz erstaunliche und erfolgreiche Bildungsgeschichte hingelegt. Man hat es ja in 15 Jahren geschafft, durchaus respektable Ergebnisse bei der nationalen Pisa-Studie vorzulegen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ich glaube, dass es, auch wenn wir die Erfahrungen in Hamburg, Rheinland-Pfalz und auch im Saarland, wo es auch eine Zusammenlegung von Hauptund Realschule gegeben hat, als Beispiele anschauen, ein richtiger Weg war, dass wir gesagt haben, wir wollen hier die Kräfte bündeln, und zwar nicht, um eine neue Schulform zu schaffen, sondern, meine Damen und Herren, die Sekundarschule hat einen wesentlichen Zweck, sie soll die Praxisorientierung der Schülerinnen und Schüler erhöhen, und sie soll auch dafür sorgen, dass die Grundfertigkeiten von nicht so starken Schülerinnen und Schülern deutlich gestärkt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt den zweiten Jahrgang von Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe. Sie befinden sich jetzt in Klasse sechs. Wer sich unter Sekundarschule nichts vorstellen kann, weil man es ja auch mit der Sekundarstufe verwechselt, dem will ich nur eine kurze Erläuterung geben. In den Jahrgangsstufen fünf und sechs werden die Schülerinnen und Schüler im Klassenverband gemeinsam unterrichtet, in den Jahrgangsstufen sieben und acht findet eine Leistungsdifferenzierung in den Fächern Englisch und Mathematik statt und in Deutsch auch ab Klasse acht, in den Jahrgangsstufen neun und zehn werden die Schülerinnen und Schüler auf Abschlüsse bezogen aufgeteilt, das heißt, da gibt es wieder Haupt- und Realschulklassen. Das Ziel ist die Erlangung der Berufsbildungsreife, der einfachen und der erweiterten, sowie der Mittleren Reife.

Meine Damen und Herren, viel zu oft werden bildungspolitische Debatten im G-Bereich geführt. Das sind dann die Debatten über Gymnasium und Gesamtschule. Die große Koalition hat sich bewusst von solchen ideologischen Debatten verabschiedet. Wir haben in Bremen Schulvielfalt propagiert. Die einzigen Anhänger ideologischer Schulbildungsdebatten sitzen in der Mitte, das ist die Opposition, das sind die Grünen! Wir haben gesagt, wir wollen Schulvielfalt, und zur Schulvielfalt gehört es, dass, wenn eine Schulform eingeführt wird, diese auch ein entsprechendes Profil bekommt, damit sie attraktiv ist für die Schüler, für die Eltern und damit die Lehrerinnen und Lehrer auch eine entsprechende Schulentwicklung vornehmen können.

Meine Damen und Herren, die Sekundarschule kann natürlich auf den Erfahrungen, die in Bremen in der Real- und Hauptschule gemacht wurden, aufbauen. Sie kann und muss die Erfahrungen der verbundenen Haupt- und Realschulen anderer Bundesländer einbeziehen. Wir haben aber in Bremen auch Besonderheiten, die wir berücksichtigen müssen. Es gibt die große Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die jedes Jahr ohne Abschluss die Schule verlassen. Hier sehen wir als CDU-Fraktion mit der Sekundarschule die Möglichkeit, die Zahl zu senken, indem wir mehr Schülerinnen und Schüler einen bes

seren Schulabschluss erlangen lassen, und zwar nicht, indem wir die Qualität senken, sondern indem wir die Qualität des Unterrichts und des Angebots der Schule verbessern.

In der Sekundarschule passiert dies in erster Linie durch eine viel höhere Praxisorientierung, durch eine intensivere Berufsvorbereitung, durch Praktika und durch Betriebsaufenthalte, wo die Schülerinnen und Schüler schon während ihrer Schulzeit nicht nur in einen Betrieb hineinschnuppern können, sondern im Prinzip – im Einzelfall – sich mehr im Betrieb als in der Schule aufhalten können. Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass dies sehr erfolgreich sein kann, wenn dies mit einer Vermittlung der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen einhergeht. Hier gibt es sehr erfolgreiche Beispiele anderer Bundesländer, die zeigen, dass dies der richtige Weg ist.

Meine Damen und Herren, die Sekundarschule spielt im Konzert Gymnasium–Sekundarschule–Gesamtschule–Integrierte Stadtteilschulen eine wichtige Rolle.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, ja, in der Reihenfolge!)

Wir haben in der vergangenen Landtagssitzung über die Herausforderung zum Teil gestritten – zumindest mit den Grünen –, die das verkürzte Abitur, die der verkürzte gymnasiale Bildungsgang für die Bremer Bildungslandschaft bedeutet. Bei der Neuausrichtung der Sekundarschule geht es um eine bedeutend wichtigere Aufgabe! Es geht darum, Schülerinnen und Schülern eine Berufsausbildungsreife zu verleihen, das heißt, wir müssen Schülerinnen und Schülern die Fertigkeiten für ihren weiteren Lebensweg mitgeben und ihnen alles Wichtige vermitteln, damit sie dann nämlich nach der zehnten Klasse in eine Berufsausbildung eintreten können.

Wir wissen alle, dass es gerade heutzutage extrem schwierig ist, einen entsprechenden Ausbildungsplatz zu bekommen, weil auch von Seiten der Betriebe immer höhere Anforderungen gestellt werden. Das heißt, wir haben nicht nur die Betriebspraktika, von denen ich eben gesprochen habe, als Instrument. In einer der letzten Sitzungen, Frau Schön wird sich besonders erinnern, haben wir auch über das Thema des Berufswahlpasses gesprochen. Der Berufswahlpass ist ein erfolgreiches Mittel, um Schülerinnen und Schüler schon frühzeitig auf die Möglichkeiten für die berufliche Ausbildung nach der Schule vorzubereiten. Der Berufswahlpass wird verpflichtend eingeführt und auch eine transparente und individuelle Berufswahl der Schülerinnen und Schüler ermöglichen.

Wir werden neben einer verbindlichen Aufgabenstellung für alle Schulen auch die Möglichkeit individueller Lernplanung haben. Wir werden Wahlpflichtbereiche in der Sekundarstufe haben, wir werden, meine Damen und Herren, natürlich auch dafür sor

gen müssen, dass der Wechsel im Schulsystem möglich ist. Es wird nicht so sein, wie es sich vielleicht der eine oder andere vorstellt, dass man immer, zu jedem Zeitpunkt und ob man nun gerade will oder wann man nun gerade will, von der Sekundarschule zum Beispiel auf das Gymnasium wechseln kann. Der gymnasiale Bildungsgang ist ein anderer als der Bildungsgang in der Sekundarschule, aber wir haben in Bremen die Möglichkeiten und Andockpunkte geschaffen, sowohl innerhalb der Sekundarstufe I, aber auch nach der Sekundarstufe I, aus der Sekundarschule kommend, zum Beispiel die Möglichkeit der gymnasialen Oberstufe und des Abiturs zu nutzen. Meine Damen und Herren, es ist eine wesentliche Voraussetzung, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Sekundarschule über neue methodisch-didaktische Ansätze ausgestalten. Dazu gehört auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeiten einer entsprechenden Fortbildung nutzen können. Wir haben in der Bildungsdeputation im Juni einen ersten Sachstandsbericht über die Arbeit der Sekundarschule zur Kenntnis nehmen können. Ich bin, nachdem wir als CDU-Fraktion ja schon mehrere Male leicht drängeln mussten, was denn jetzt mit der Profilbildung der Sekundarschule ist, mit den Angeboten, die es in diesem Schuljahr geben wird, einigermaßen zufrieden. Es ist allerdings auch eine wichtige Aufgabe für den Senator für Bildung, dass die Sekundarschule auch in der Öffentlichkeit entsprechend dargestellt wird, denn eine neue Schule, und einige politische Kräfte in diesem Land haben ja auch eine Kampagne gestartet, um die durchaus positiven Ansätze schlecht zu reden und eine Verunsicherung bei den Eltern zu schaffen, darf nicht schlecht geredet werden,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das machst du schon!)

man muss ihr eine Chance geben, sich zu entwickeln! Dazu gehört auch – Frau Stahmann, Sie können ja gleich etwas sagen –, dass man die Sekundarschule den Eltern, Lehrern und Schülern gegenüber entsprechend positiv darstellt. Dazu wird es, in diesem Herbst beginnend, Veranstaltungen von Seiten der Bildungsbehörde und der ihr nachgeordneten Dienststellen geben. Die Sekundarschule wird – und ich will den anderen noch Gelegenheit geben, etwas zu sagen, um dann später vielleicht noch einmal einzusteigen – eine gute Möglichkeit sein, gerade lernschwache Schülerinnen und Schüler besser zu fördern als in der Vergangenheit und starken Schülerinnen und Schülern, die praktisch orientiert sind, einen besseren Start in eine berufliche Ausbildung zu geben. Dafür, denke ich, meine Damen und Herren, zeigt dieses Beispiel der Bildungspolitik der großen Koalition, dass wir hier die richtigen Entscheidungen treffen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es adelt einen ja, wenn man schon angesprochen wird, bevor man hier oben steht, Herr Rohmeyer! Aber die Antwort lässt auch nicht lange auf sich warten.

Herr Rohmeyer, ich habe in der Deputation auch schon gesagt – wir hatten das Thema schon auf der Tagesordnung, es ging um die Sekundarschule, die neue Schulform, die sich zusammensetzt aus dem, was bisher Realschule und Hauptschule waren – und habe mit etwas Spott reagiert, warum Sie als CDU erst nach einem Jahr, nachdem Sie als Koalition ja auch eine neue Schulform eingeführt haben, nach einer Konzeption gefragt haben für eine Schule, die Sie selbst mit auf den Weg gebracht haben!

(Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Doch, Herr Rohmeyer, da haben Sie die Verwaltung vor sich hergetrieben und haben gefragt: Wo ist das Konzept? Wir waren darüber mehr als erstaunt, dass man eine Schulform auf den Weg bringt, bei der man anscheinend konzeptionell so wenig auf der Pfanne hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wissen auch ganz genau, dass seit Einführung die Sekundarschule große Akzeptanzprobleme bei den Eltern hat. Das drückt sich auch deutlich in den drastisch gesunkenen Anmeldezahlen innerhalb nur eines Jahres aus. Das mag auch daran liegen, da gebe ich Ihnen völlig Recht, dass eine Imagebroschüre fehlt, dass den Eltern nicht richtig klar ist, was ihre Kinder in dieser Schule eigentlich erwartet. Da haben wir auch völlig Konsens. Ich finde auch, wenn im Land Bremen diese Schulform angeboten wird, muss die Öffentlichkeit, müssen die Eltern und Schülerinnen und Schüler darüber informiert werden, was diese Schulform bietet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meldete sich im letzten Jahr nur noch ein Viertel der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarschule an, war es ein Jahr später nur noch rund ein Fünftel eines Jahrgangs, und das mach deutlich, Herr Rohmeyer, dass man darauf reagieren muss.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Man muss die Zahlen nur richtig lesen!)

Ja, Herr Rohmeyer! Dort ist ein Schwund an Anmeldungen eingetreten. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Die Eltern empfinden die Schule, und das ist auch in vielen Gesprächen deutlich geworden, als eine Art Restschule. Diese Schulform hat von Anfang an ein Imageproblem gehabt und wird es auch schwer los. Deshalb melden Eltern auch ihre Kinder in den Gesamtschulen und integrierten Stadtteilschulen an oder versuchen, für ihre Kinder den direkten Weg auf das Gymnasium zu wählen. Den Eltern ist nämlich sehr wohl bewusst: Sie suchen natürlich auch nach dem besten Bildungsweg und nach den besten und höheren Bildungsabschlüssen in dem Bildungssystem.

Die Sekundarschule ist eine Schulform, die nur teilintegrativ arbeitet. Ich finde, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Herr Rohmeyer, das kann aber nicht reichen, um in der Zukunft bestehen zu wollen. Erstens ist aus meiner Sicht überhaupt nicht zu verstehen, warum wir die guten pädagogischen Konzepte, die es zweifelsohne in der Sekundarschule gibt und die dort erarbeitet und umgesetzt werden, den Gymnasiasten vorenthalten sollen. Warum kann man diese guten pädagogischen Konzepte den gymnasialen Kindern nicht zumuten?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Warum sollen denn die Gymnasiasten nicht profitieren von einer guten Berufsorientierung? Praxisphasen sind doch auch für alle Schüler wichtig, sie sind doch auch für Gymnasiasten wichtig. Auch Gymnasiasten stehen irgendwann einmal in ihrem Leben vor dem Punkt Berufswahl.

Also: Integration, Herr Rohmeyer, ja bitte, aber nicht nur in Teilen, sondern für alle!

(Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Nicht unter Ausschluss eines Drittels der Schüler! Wir leben schließlich nicht in einer geteilten Gesellschaft, Herr Rohmeyer, da die Gymnasiasten, da die Hauptschüler. Wo sollen die Gymnasiasten denn die soziale Kompetenz lernen? Das wird doch immer wichtiger, das müssten Sie als Bildungspolitiker doch ganz genau wissen!