Nicht unter Ausschluss eines Drittels der Schüler! Wir leben schließlich nicht in einer geteilten Gesellschaft, Herr Rohmeyer, da die Gymnasiasten, da die Hauptschüler. Wo sollen die Gymnasiasten denn die soziale Kompetenz lernen? Das wird doch immer wichtiger, das müssten Sie als Bildungspolitiker doch ganz genau wissen!
Ich finde, damit versagt die CDU den Gymnasiasten ein ganz wichtiges Lernfeld, nämlich den Bereich des sozialen Lernens, und das ist aus meiner Sicht falsch.
So hat die Sekundarschule derzeit ein Problem, das sie selbst nicht lösen kann, denn sie arbeitet integrativ mit einem Teil der Schülerschaft, die in ihrem Leben die größeren Hürden nehmen muss. An einem isolierten Sekundarschulzentrum fehlen die Vorbilder, und die sind aber aus meiner Sicht sehr wichtig für die Schülerinnen und Schüler. Ich sage es noch einmal: Wir leben in einer Gesellschaft, und wir leben nicht
in einer geteilten Gesellschaft. Für mich heißt das, dass wir Schulen fördern müssen, die Schulen für alle Kinder sind.
Zweitens sind die Teilintegration und die Aufteilung in ein gegliedertes Schulsystem teuer. Alles muss extra konzipiert werden. Andere Länder haben das geändert, sie setzen auf integrierte Systeme. Das Modell „Eine Schule für alle Kinder“ ist und bleibt ein Zukunftsmodell, Herr Rohmeyer, und da können Sie mir Ideologie vorwerfen, aber es ist keine Ideologie, es ist finanzpolitisch rational, und es ist auch bildungspolitisch, das ist international erwiesen, der richtige Weg, sich für eine Schule einzusetzen, in der alle Kinder einen qualifizierten Berufsabschluss erwerben können.
Die Entscheidung für ein integratives Schulsystem wird also auch immer vor dem Hintergrund knapper Haushaltsmittel getroffen, und in einer Schule für alle Kinder ist mit dem gleichen Geld aus grüner Sicht ein breiteres Lernangebot, ein Mehr an Abschlüssen an allen Schulstandorten möglich. Ich finde, das ist sehr positiv.
Wir werden uns das gegliederte Schulsystem in Deutschland nicht nur aus pädagogischen Gründen nicht mehr leisten können, auch finanziell ist diese Schule teuer und unsinnig. Nicht von ungefähr diskutieren andere Bundesländer – und ich sage, das Saarland diskutiert, Nordrhein-Westfalen diskutiert, es wird auch in Hessen diskutiert – und sprechen über die Einführung von integrierten Schulen, um ein breites und gutes Bildungsangebot auch in der Fläche vor dem Hintergrund des demographischen Wandels umzusetzen.
Das ist auch eine Diskussion, die die CDU mittlerweile führt, Herr Rohmeyer. Eine zweizügige Sekundarschule kann nur ein eingeschränktes Bildungsangebot im Wahlpflichtbereich vorhalten, es kann nur eine Fremdsprache genommen werden und auch nur eine berufliche Qualifizierung. In größeren Schulen, in denen die Gymnasiasten integriert sind, kann man ein breiteres Angebot vorhalten. Das finden wir positiv. Auch aus Gründen des effizienten Mitteleinsatzes ist eine Integration aus unserer Sicht vorteilhaft. Schulzentren bieten diese Vorteile.
Dort, wo wir Schulzentren in Bremen haben, müssen sie aus unserer Sicht gefördert werden. Sie befinden sich derzeit in einer sehr schwierigen Lage durch die Einführung des verkürzten gymnasialen Bildungsgangs. Ich finde, die Schulzentren müssen unterstützt werden, sie dürfen nicht kaputtgemacht werden, denn sie sind wichtige Einrichtungen in den Stadtteilen.
In Bremen gibt es einen großen Zuspruch für integrative Schulen, das wissen Sie auch. Das inhaltliche Konzept der Sekundarschule ist aus grüner Sicht gut, es ist ambitioniert, aber es bleibt auf halbem Wege stehen. Die Teilintegration kann nur ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Jetzt noch einmal in Richtung CDU: Ich bin sehr erfreut, dass die Hamburger CDU neue Wege geht! Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren: „Die CDU in Hamburg möchte in Zukunft neue kooperative Schulen einrichten, in denen Schüler bis zur sechsten Klasse zusammen lernen sollen. Die Begründung: Das sei gut für Schülerinnen und Schüler, bei denen in Klasse vier noch keine klare Prognose abgegeben werden kann.“ Das ist als Aussage in einem Antrag der CDU aus meiner Sicht fast revolutionär!
Die Hamburger CDU sagt: Kinder entwickeln sich auch nach der vierten Klasse ganz unterschiedlich schnell. Die CDU hat damit nach meiner Ansicht ihre alte Ideologie aufgegeben. Die Tür ist offen, Herr Rohmeyer, wenn auch nur einen kleinen Spalt. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der für uns alle gesellschaftspolitisch alarmierende Befund der Pisa-Studie über die enge Verknüpfung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg begründet sich unter anderem auch durch den reproduktiven Zusammenhang von selektiver Struktur und schulartentypischen Lernkulturen.
Der Hauptschule wird in diesem Zusammenhang von vielen abgesprochen, dass sie ihre Stelle als Schnittstelle zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung optimal wahrnimmt. Außerdem sagt auch die PisaStudie, dass Hauptschülerinnen und Hauptschüler kaum mehr eine förderliche Lernumgebung erfahren haben.
Das wird die Sekundarschule in Bremen verändern. Die Bedingungen für jene Schülerinnen und Schüler, die früher den Bildungsgang der Hauptschule und der Realschule durchlaufen haben, werden verändert werden. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass die Kinder und Jugendlichen von der Klasse fünf bis acht gemeinsam unterrichtet werden. Eine Trennung ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
in Haupt- und Realschule findet erst ab der Klasse neun statt. Diese Offenheit des Bildungssystems bis Klasse neun führt dazu, dass zukünftig mehr als zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler in Bremen in integrierten und teilintegrierten Systemen unterrichtet werden.
Das sehe ich als Erfolg. Dies ist speziell für Jugendliche und Kinder mit langsamer Lernentwicklung eine unheimlich gute Möglichkeit, eben nicht den von vornherein festgelegten Weg – vielleicht auf den Erwerb einer minderen Qualifikation ausgerichtet – zu gehen, sondern breitere Möglichkeiten zu bekommen, sich zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, die OECD verlangt ausdrücklich, wenn schon eine Zuordnung von Schülerinnen und Schülern zu verschiedenen Schulformen stattfindet, dass dies mit einem speziellen Förderansatz verbunden sein muss. Dies ist bei der Sekundarschule der Fall, können wir doch dem Konzept der Sekundarschule entnehmen, dass ihre Arbeit geprägt ist, und ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „durch das Bestreben, Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen gemeinsame Lernerfahrungen zu vermitteln und sie durch differenzierenden Unterricht individuell zu fördern“.
Auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaft reagiert die Sekundarschule mit einem besonderen pädagogischen Profil. Sie ist gefordert, breit differenzierende Lernangebote und Lernanforderungen sowie eine individuelle Förderplanung als übergreifendes Unterrichtsprinzip zu organisieren.
Meine Damen und Herren, jede Sekundarschule bietet die Möglichkeit zur Erlangung der Berufsbildungsreife, also dem ehemaligen Hauptschulabschluss, und zur Erlangung des mittleren Bildungsabschlusses. Damit erübrigt sich zukünftig endlich eine Schulartenetikettierung, die schon lange eine Schulartenabwertung geworden ist. Wir haben in der letzten Zeit hier in diesem Haus verschiedene Debatten zum Übergang Schule/Beruf geführt und dabei einhellig festgestellt, dass zwar viele unterschiedliche Aktivitäten durchgeführt werden, diese aber nicht immer optimal koordiniert und miteinander in Verbindung gebracht wurden.
In besonderem Maße sieht die Sekundarschule ihren Auftrag darin, die Orientierung der Jugendlichen über die Arbeits- und Berufswelt zu ermöglichen, um den jungen Menschen den Übergang in eben diese Welt zu erleichtern und ihnen bessere Startmöglichkeiten zu vermitteln. Arbeits- und Berufsorientierung ist Querschnittaufgabe in der Sekundarschule. Sie ist, wie wir es schon häufig gefordert haben, Gegenstand und Unterrichtsprinzip in den Jahrgangsstufen fünf
bis zehn. Außerdem entwickelt jede Sekundarschule ein Konzept, das ganz konkrete Aussagen über die Betriebs- und Arbeitsplatzerkundungen, Betriebspraktika, Praxistage in den Betrieben und die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kooperationspartnern enthält. Damit dies allerdings erfolgreich laufen kann, ist auch die Wirtschaft gefordert, hier entsprechende Praxismöglichkeiten anzubieten, denn ohne sie wird es nicht gehen.
Ich denke, dass der Arbeitskreis Wirtschaft/Schule hier die richtige Adresse ist für diesen Wunsch, auch dann entsprechend dafür zu sorgen, es umzusetzen.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh darüber, dass mit der Einführung der Sekundarschule ein Schritt in die richtige Richtung des Abbaus selektiver Strukturen gegangen wird. Für Eltern wird diese Schulform genau dann attraktiv, wenn es ihr gelingt, eine Lebensweltorientierung des Unterrichts mit einer angemessenen Leistungsorientierung zu verbinden. Es muss in der Öffentlichkeit deutlich werden, dass die Sekundarschule durch ihr pädagogisches Konzept die Grundlage für einen gelungenen Übergang in die Berufs- und Arbeitswelt und weiterführende Bildungsgänge legt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einmal auf den Beitrag der Kollegin Stahmann eingehen. Mein prophetisches Gemüt hat mich nicht getäuscht, liebe Frau Stahmann, das war Ideologie pur, an der Sache vorbei und nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler, um das einmal deutlich auf den Punkt zu bringen, was die Grünen hier gerade vorgetragen haben.
Ich weiß nicht, woher die Grünen ihre Gewissheit nehmen, dass die integrierten Systeme hier besser wären. Wir bekommen im Übrigen erst Anfang November Zahlen über die Länderdetails bei der PisaE-2-Untersuchung. Man kann die skandinavischen Schulsysteme nicht mit der Bremer Gesamtschule vergleichen. Die ganze Presse ist ja nicht wegen der Bildungsdebatte hier. Ich darf in diesem Zusammenhang Henning Scherf zitieren. Die Quittung für das, was Frau Stahmann hier vorgetragen hat, hat Henning Scherf als Ohrfeige für die SPD-Bildungspolitik bezeichnet, nur dass sie nicht mehr von der SPD, sondern jetzt von den Grünen betrieben wird. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Das ist nicht zukunftsorientiert. Es geht darum, Schülerinnen und Schüler bei ihren jeweiligen Stärken und Schwächen individuell zu fördern. Das machen die Skandinavier aus ökonomischen Gründen in einem integrierten System. Die Skandinavier würden es sehr wohl in einem gegliederten System machen, wenn sie die ökonomischen Kapazitäten dafür hätten.
In einem schwach besiedelten Land wie Finnland macht es überhaupt keinen Sinn, dass sie da drei, vier verschiedene Schulformen haben, wenn sie nur eine ganz begrenzte Anzahl Schüler haben. Wir haben hier die Möglichkeit, Schüler wirklich individuell zu fördern, indem wir sie in einem gegliederten System gut fördern können. Der Fehler, der passiert ist, dass es hier in Bremen doch lange Jahre eine Gleichmacherei gegeben hat, dass Sie das nicht einsehen, meine Damen und Herren von den Grünen, das ist der eigentliche bildungspolitische Skandal, der hier heute wieder vorgetragen wird.
Sie werden die Erfolgsgeschichte der Sekundarschule auch im Ansatz nicht kaputtmachen können. Die Sekundarschule wird steigende Schülerzahlen haben. Es ist völlig falsch, was Sie hier gesagt haben. Die Schülerzahlen sind von 34 auf 27 Prozent bei einem starken Anstieg der Gymnasiasten im Übrigen zurückgegangen. Von daher haben wir hier keine Verschiebung zugunsten der integrierten Systeme. Ich bin der festen Auffassung, und ich habe es schon gesagt, diese Sekundarschule wird dafür sorgen, dass gerade lernschwache Schülerinnen und Schüler in Zukunft eine bessere Chance auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt haben. Wenn die Grünen etwas dagegen haben, dann sollen sie sich damit den Wählerinnen und Wählern stellen. Sie werden ihnen die Quittung dafür geben. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren, bevor ich Senator Lemke das Wort erteile, möchte ich ganz herzlich Herrn Staatsrat Köttgen heute hier unter uns begrüßen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund des großen Ereignisses, das gleich kommt, möchte ich mich ganz kurz fassen! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich finde, die Debatte hat diese Aufregung nicht verdient, weil ich glaube, das hat auch Frau Stahmann eben gesagt, dass es ein richtiger Schritt ist, den wir hier gehen. Wir haben, das ist zugegeben, auf die Eltern, auf den Elternwillen gesetzt. Wir haben uns bemüht, den integrativen Prozess der Beschulung weiter auszubauen. Es ist uns gelungen. Ich sage persönlich, dass ich es sehr gut finde, dass wir den Anteil von Gesamtschulen in den letzten Jahren verdoppeln konnten und dass wir jetzt den integrierten, zum Teil auch den teilintegrierten Anteil bis zur achten Klasse durchführen.
Ich finde, das ist ein richtiger Weg, und den sind wir mit den Eltern an unserer Seite gegangen und nicht im ideologischen Kampf gegeneinander. Wir haben die Eltern bei diesem Prozess mitgenommen, und das ist mir sehr wichtig an dieser Stelle.