Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

In dieser Anfrage ist festgestellt worden, und das ist auch wichtig, es wird immer behauptet, wir brauchten keine Einfamilienhäuser mehr, weil die Nachfrage immer geringer würde. Es zeigt sich aber deutlich, dass gerade bei den Fünfzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen, die ja jetzt in die Haushalte hineinwachsen, der Trend zum Eigentum immer größer wird, deswegen auch die Nachfrage nach Eigentum und insbesondere Ein- und Zweifamilienhäusern oder auch Reihenhäusern nach wie vor vorhanden ist. Wir können deswegen nicht einfach sagen, wir brauchen gar keine Wohnungsbaugebiete mehr, sondern wir müssen auch in diesem Bereich immer noch ein breites Angebot vorhalten, damit die Nachfrage befriedigt werden kann und damit das einwohnerstabilisierend wirkt.

Wenn wir uns die Antwort auf die Frage acht anschauen, da geht es um die Umlandwanderung, dann stellen wir fest, dass in den letzten Jahren die Umlandwanderung erheblich zurückgegangen ist, und zwar so deutlich, dass wir 1999 im Saldo noch 3600 Einwohner verloren hatten und das Minus jetzt nur noch zirka 1500 beträgt, es ist also wesentlich zurückgegangen. In Bremerhaven ist sogar der Wanderungssaldo von 1150 im Jahr 2000 auf 330 im Jahr 2004 zurückgegangen.

In Bremerhaven wird seit einiger Zeit auch wieder Wohnungsbau betrieben, und zwar werden Wohnungsbauflächen für Ein- und Zweifamilienhäuser ausgewiesen. Das zeigt deutlich, wenn man das macht, kann man auch die Leute in dem Kreis halten, und sie ziehen nicht alle in das Umland. Insofern ist es in

den letzten Jahren doch wesentlich besser gelungen, die Leute in Bremerhaven zu halten. Wenn das fortgeführt wird, und das wird geschehen, dann wird sich der Trend noch weiter verbessern. Bei den ganzen Investitionsmaßnahmen, die in Bremerhaven durchgeführt werden, was auch Arbeitsplätze und neue Arbeitsplätze betrifft, führt das vielleicht dazu, dass diese Trendwende erreicht wird. Sie wird bei Gewos im Übrigen nicht mehr ausgeschlossen, da gibt es ja auch noch weitere Untersuchungen.

(Glocke)

Meine Damen und Herren, die Beantwortung dieser Anfrage zeigt deutlich, dass aufgrund der Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur Handlungsbedarf gegeben ist. Die Antwort zeigt aber auch Lösungsmöglichkeiten auf und benennt Felder, die in den nächsten Jahren verstärkt bearbeitet werden müssen. Das vorgelegte Konzept für das Programm „Zukunft Wohnen“ ist eine gute Grundlage für die weitere Arbeit, die wir in den nächsten Wochen auch bei den Haushaltsberatungen intensivieren müssen.

Alles hängt mit Geld zusammen, und auch bei dem Stadtumbau brauchen wir Geld, da brauchen wir auch das AIP. Darin hat es auch noch viel mehr Dinge gegeben, die ich jetzt gar nicht ansprechen kann, weil meine Redezeit schon abgelaufen ist, was den Stadtumbau betrifft, was das Wohnen an Wall und Weser betrifft und das seniorengerechte Wohnen, also eine ganze Menge Dinge. In zehn Minuten kann man aber nicht alles abarbeiten. Wenn das Publikum hier heute aber noch sehr interessiert sein sollte, dann werde ich mich gern noch einmal melden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Kummer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jetzt, wo wir so friedlich miteinander umgehen, hört keiner mehr zu, dann können wir es uns ja hier gemütlich miteinander machen!

(Abg. I m h o f f [CDU]: So nun wieder auch nicht!)

Grundsätzlich ist es gut, dass wir anlässlich dieser Anfrage im Landtag Gelegenheit haben, einmal wieder über Wohnungspolitik zu reden, weil – der Kollege Focke hat es schon ausgeführt – die derzeitigen und zukünftigen Veränderungen der Gesellschaft neue Herausforderungen an eine städtische Wohnungspolitik stellen. Es geht nicht mehr nur rein quantitativ um Konkurrenz, um Bewohner und Arbeitsplätze, sondern es geht auch um solche qualitativen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Fragen wie Integration von Zuwanderern und demographischen Wandel, um drohende Segregation zwischen den Stadtteilen. Es genügt eben nicht mehr, nur eine ausreichende Anzahl von Wohnungen bereitzustellen, wie es zu Zeiten von Wohnungsknappheit sicher sinnvoll und richtig war, sondern wir müssen mit einem differenzierten Angebot auf eben diese differenzierten Nachfragen und Probleme antworten.

Da ist es in der Tat nicht mehr damit getan, auf der grünen Wiese Einfamilienhausgebiete von der Stange auszuweisen und zu bebauen. Sicher, auch solche Gebiete müssen sein. Ich war neulich in Borgfeld, und der Run dorthin hält ungebrochen an. Die Leute fühlen sich dort wohl, das können die Grünen jetzt irgendwie schlecht finden, aber es ist einfach so, und wir können den Leuten ja nun nicht einfach vorschreiben, wo sie zu wohnen haben.

Das allein aber, das sagte ich, reicht nicht. Laut der in Rede stehenden Studien ist inzwischen wieder eine stärkere Nachfrage nach innerstädtischen Wohnformen festzustellen. Der Senat ist dabei, das genauer zu untersuchen. Es hat sich offensichtlich herumgesprochen, dass man statt mit dem Zweit- und Drittwagen im Umland und mit langen Arbeitswegen auch genauso gut in der Stadt selbst leben kann, zumal in einer Stadt wie Bremen, wo überall Grünflächen, Parks und Kleingartenanlagen direkt vor der Haustür liegen.

Zum demographischen Wandel hat Herr Focke schon einiges gesagt. Wir werden alle älter –

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Mehr oder weniger!)

wir werden alle gleichmäßig älter, das können wir gar nicht verhindern! –, und es ist sicherlich besser, dass man so lange wie möglich in seiner eigenen Wohnung leben kann. Das ist an sich besser, und es ist günstiger für die Pflegekosten und damit auch für den Haushalt.

Was uns weiterhin aktuell beschäftigt, ist die Frage der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Bezieher und -Bezieherinnen. Gewos hat auch hier im Auftrag des Sozialressorts festgestellt, dass wir nicht ausreichend preisgünstige und kleine Wohnungen für Ein- und Zweipersonenhaushalte haben. Das betrifft ja wahrscheinlich nicht nur die Bezieher und Bezieherinnen von Arbeitslosengeld, sondern alle, die wenig Geld zur Verfügung haben. Möglicherweise müssen wir auch wieder einmal über Mietwohnungsbau nachdenken, nachdem wir jahrelang gedacht hatten, das Thema hätte sich erledigt. Wir haben, denke ich, immer noch eine Verantwortung auch für die einkommensschwachen Haushalte, damit diese sich adäquat am Wohnungsmarkt versorgen können.

Wir müssen auch versuchen, dass sich diese Versorgung nicht ausschließlich auf einzelne Stadtteile konzentriert. Wohin das führen kann, kann man leider

in Frankreich beobachten. Ich will jetzt hier nicht den Teufel an die Wand malen, aber es macht, positiv gesehen, deutlich, dass der Zusammenhalt in der Stadt zwischen den einzelnen Stadtteilen auch ein Standortfaktor sein kann bei der Entscheidung für Wohnort und Arbeitsplatz.

Der Senat gibt in seiner Antwort auf unsere Fragen Hinweise darauf, wie mit den Herausforderungen umgegangen werden muss. Ich finde, wir haben uns da im Laufe der letzten Jahre zwischen den Koalitionsparteien schon aneinander angenähert. Nach der Debatte vorhin ist es offensichtlich einmal nötig, das an dieser Stelle zu sagen. Wir versuchen, beide Dinge zu machen: Innenentwicklung, Stichwort TÜVGelände, Stichwort Stadtwerkegelände, Lückenbebauung, Modernisierungsförderung – über den Umgang mit unseren eigenen Wohnungsbaugesellschaften werden wir ja im Laufe der nächsten Tage noch debattieren –, aber auch Einfamilienhausgebiete wie Borgfeld und Brokhuchting.

Der Senat spricht in seiner Antwort einige Punkte an, ich will das jetzt nicht verlängern, das kann man nachlesen. Wohnen an Wall und Weser unternimmt zum Beispiel den Versuch, die Innenstadt wieder als Wohnstandort zu etablieren. Die Initiative Wohnen im Alter beschäftigt sich mit der Problematik des Älterwerdens unserer Gesellschaft, Wohnen in Nachbarschaften und Soziale Stadt zielen auf benachteiligte und überforderte Quartiere.

Wie wir mit dem Problem des fehlenden angemessen preiswerten Wohnraums für einkommensschwache Haushalte umgehen, werden wir dringend diskutieren müssen, das tun wir ja auch in einer gemeinsamen Sitzung der Bau- und der Sozialdeputation. Das Problem lässt sich meines Erachtens weder allein über Umzüge lösen noch über die Neuauflage des früheren sozialen Wohnungsbaus. Ansonsten, denke ich, sind wir gemeinsam auf einem guten Weg, um den Herausforderungen der zukünftigen Wohnungspolitik begegnen zu können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Krusche.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Focke, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann glaube ich immer noch, dass Sie die Bedeutung und die Auswirkungen des demographischen Wandels nicht richtig verstanden haben. Hier ist mit dem demographischen Wandel ein Prozess gemeint, der aufgrund der geringen Geburtenrate in Gang gesetzt wurde und der für die nächsten Jahrzehnte nicht mehr umkehrbar ist. Der hat sehr viel drastischere Auswirkungen, als

Sie es hier wieder so schöngeredet haben. Das einmal vorweg!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der demographische Wandel und vor allen Dingen die Veränderung der Bevölkerungsstruktur haben weitreichende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Dies ist das Ergebnis, das haben meine Vorredner gesagt, sowohl der Gewos-Studie als auch der Studie der Landesbausparkasse. Die generelle Aussage, die beide Studien machen, belegt, was wir Grünen schon immer gesagt haben und was wir kurz so umschreiben: Wir werden älter, wir werden weniger, und wir werden bunter. Das „bunter“ meint mehr Migrantinnen und Migranten in unseren Städten, aber es wird auch ein sehr viel ausdifferenzierteres Wohnungsangebot zukünftig nötig sein, als wir es bisher in unseren Städten anbieten.

Auf jeden Fall haben wir es bei dieser Entwicklung aber mit dem Gegenteil dessen zu tun, was dieser Senat jahrelang an Wachstumsszenarien vertreten hat. Wir sind eben keine wachsende Stadt, Bremen ist keine wachsende Stadt. Dies steht noch im Stadtentwicklungskonzept von 1999, und ich bin glücklich und zufrieden, dass wenigstens der Kollege Focke sich im Schneckentempo auf diese Einsicht zu bewegt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich muss Ihnen sagen, die Wohnungswirtschaft beschäftigt sich seit langem mit den Folgen des demographischen Wandels, mit den Folgen für den Wohnungsmarkt und die Folgen der Wohnungsbaupolitik. Schwieriger scheint es zu sein, und auch dafür ist Kollege Focke ein lebendes Beispiel,

(Heiterkeit)

dieses Thema auf die politische Ebene zu hieven. Im Westen Deutschlands wollte man lange nichts von schrumpfenden Städten oder gar schrumpfenden Regionen wissen. Rückbau oder Abriss von Gebäuden oder gar ganzen Stadtquartieren war lange Zeit nur in ostdeutschen Kommunen ein Thema. Man war so, ich sage einmal, arrogant im Westen zu sagen, das ist nur ein Problem des Ostens, das hat mit uns nichts zu tun, aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist gut so, dass sich das auch im Bundesland Bremen langsam ändert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist völlig klar, dass die Folgen der Bevölkerungsentwicklung langfristig das Gesicht unserer beiden Städte nachhaltig verändern werden. Dies gilt vor allem für Bremerhaven, dessen Bevölkerung bis 2020 laut Gewos-Studie um 15 Prozent sinken wird. Gleich

zeitig wird es einen Wohnungsüberhang, darauf wurde hingewiesen, von 16 Prozent oder 10 000 Wohnungen geben. Bremerhaven ist eine schrumpfende Stadt, vergleichbar mit ostdeutschen Städten. Dies ist nicht als Schlechtreden zu verstehen, das sage ich jetzt auch genau in Richtung Bremerhaven, sondern es beschreibt einen Fakt, der die Wohnungswirtschaft und die Politik vor große Herausforderungen stellt.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Nur beide zusammen müssen und können Strategien und konkrete Handlungskonzepte entwickeln, wie diese Stadt Bremerhaven zukünftig zusammengehalten werden kann. Unattraktive Wohnungen und problematische Wohnlagen werden sich nur noch schwer oder gar nicht mehr vermarkten lassen. Instandhaltung, Modernisierung, Rückbau von Wohnungen und Wohnungsumfeldmaßnahmen sind die Aufgaben der Zukunft. Hierbei, das möchte ich auch in Richtung Bremerhaven sagen, sind die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die Stäwog und die Gewoba, unverzichtbar für die Stadt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

Dieter, du kannst gleich!

Eine sinkende Bevölkerungszahl ist keine Katastrophe. Sie ist vor allem eine Folge der geringen Geburtenrate, und sie kann aus unserer Sicht auch eine Chance bedeuten, wenn wir uns auf die veränderten Wohnbedürfnisse einstellen. Wir brauchen mehr Wohnungen für die stark wachsende Gruppe der Einpersonenhaushalte. Das zeigt aktuell auch die ALG-II-Debatte. Wir brauchen mehr Angebote für seniorengerechtes Wohnen. Die barrierefreie Wohnung ist eine Wohnform der Zukunft.

Die Nachfrage nach städtischen, urbanen Wohnformen steigt. Das finde ich für beide Städte positiv, weil hier die Chance besteht, Menschen wieder für die Städte zurückzugewinnen, auch direkt in die Innenstädte. Dafür müssen Angebote gemacht werden. In Bremen ist das Programm „Wohnen an Wall und Weser“ ein guter Ansatz, aber wir fordern auch, dass er nicht nur im Programm steht, sondern auch umgesetzt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Darüber hinaus, das sage ich hier immer wieder, und wir Grünen bestehen auch darauf: Die Überseestadt muss auch ein Ort für Wohnen sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, die Stadt Bremen hat nicht die gleichen Probleme wie Bremerhaven, die Bevölkerung sinkt laut Gewos bis 2020 um 1,5 Prozent. Die langfristige Globalplanung des Senats geht von einer gleich bleibenden Bevölkerungszahl aus. Ich will darüber jetzt nicht streiten, auch wenn ich persönlich der Auffassung bin, dass auch Bremens Bevölkerung perspektivisch sinken wird. Aber gut, das werden wir dann in ein paar Jahren vielleicht genauer wissen. Trotzdem, jeder neue Bewohner und jede neue Bewohnerin, den oder die die Stadt gewinnen kann, ist gut für die Stadt, und darum müssen wir uns kümmern. Ganz besonders müssen wir uns um den Zuzug von jungen Menschen kümmern. Das gilt gerade auch für Bremerhaven, weil offensichtlich der Standort Bremerhaven für junge Leute bisher nicht so attraktiv ist, das gilt aber auch für Bremen. Wir müssen junge Leute in die Stadt ziehen und ihnen aber auch geeignete Wohnungsangebote machen. Diese Gruppe für unsere beiden Städte zu gewinnen ist umso wichtiger, gerade weil sie kleiner wird.

Wir müssen uns auch um die jungen Zuwanderer kümmern. Hier hat Tenever eine Chance, wenn neben den großen Sanierungs- und Rückbauanstrengungen auch die Betreuungseinrichtungen, die Kinder-, Jugend- und Bildungsangebote in diesem Stadtteil weiterhin ein großes Gewicht behalten. Ich sage ganz deutlich, in diesem Zusammenhang, gerade was die Chancen von Tenever angeht, ist es für uns ganz besonders wichtig, dass der Kindergarten Andernacher Straße wieder aufgebaut wird, meine Damen und Herren!

Bei allen Stadtumbaudebatten geht es immer und vor allem um die Menschen in den unterschiedlichen Stadtquartieren. Diese müssen wir bei diesen Umbauprozessen mitnehmen. Wie wichtig gerade Stadtteilgruppen sind, zeigt die hervorragende Arbeit, die im Stadtteil Tenever geleistet wird. Ohne diese Stadtteilgruppe, ohne die Einbindung der unterschiedlichen Nationalitäten, der unterschiedlichen Menschen gäbe es sehr viel mehr Probleme in Tenever, als es sie heute gibt. Das ist durch die hervorragende Stadtteilarbeit so gut, wie es augenblicklich läuft.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)