Gemäß Paragraph 34 Absatz 1 der Geschäftsordnung findet in der ersten Lesung zunächst eine allgemeine Besprechung statt, ihr folgt dann in der Regel die Einzelberatung. Ich schlage jedoch vor, dass wir den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/894, mit in die allgemeine Aussprache einbeziehen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die große Koalition legt Ihnen heute ein Mittelstandsförderungsgesetz zur Beschlussfassung vor. Dieses Gesetz hat das Ziel, Kleinst-, kleine und mittelständische Unternehmen im Lande Bremen langfristig zu stärken und
durch verlässliche Rahmenbedingungen die Wettbewerbsnachteile, die sie aufgrund ihrer Kleinheit haben, auszugleichen.
Fast genau vor 31 Jahren, am 28. Januar 1975, hat die CDU-Fraktion bereits ein Mittelstandsförderungsgesetz in der Bremischen Bürgerschaft beantragt. Der SPD-Abgeordnete Konrad Kunick und der damalige Wirtschaftssenator Karl-Heinz Jantzen lehnten damals den Antrag mit der Begründung ab, es gäbe genug Hilfen für kleine und mittlere Betriebe in Bremen. Ich zitiere Herrn Senator Jantzen aus dem „Weser-Kurier“ vom 14. Februar 1975: „Sollte die Prosperität der bayerischen Betriebe nach dem jüngst verabschiedeten CSU-Gesetz, das mit dem Bremer CDUEntwurf wörtlich übereinstimmt, gewachsen sein, würde das allenfalls darauf hindeuten, dass es dort Unterstützungsmaßnahmen wie in Bremen nicht gab.“
Dass diese Einschätzung ein Irrtum war, haben die vergangenen 30 Jahre gezeigt. Bremen hat noch bis Anfang der neunziger Jahre auf alte Industrien gesetzt. Hunderte von kleinen Betrieben sind damals ins Umland gezogen und mit ihnen die Arbeitsplätze. Existenzgründungsprogramme gab es in Bremen überhaupt nicht. Bayern setzte auf Handwerk, auf Mittelstand und die Förderung von zahllosen Hightech-Schmieden mit dem bekannten Erfolg, was Innovation und Arbeitsplätze angeht.
Inzwischen allerdings sind in Bremen und Bremerhaven von den rund 22 000 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen über 95 Prozent klein- und mittelständisch, unter ihnen viele Technologiebetriebe. Sie stellen, Sie alle wissen das, gemeinsam mit dem Handwerk im Lande den größten Anteil an Beschäftigten und bilden überdurchschnittlich aus. Dies ist der Erfolg von guten Rahmenbedingungen, die die große Koalition seit 1995 auf den Weg gebracht hat.
Ich erinnere zum Beispiel an die Bereitstellung von Gewerbeflächen, um bremische mittelständische Betriebe in Bremen zu halten und hier neue anzusiedeln. Ich erinnere beispielhaft an unsere Bemühungen um innovative Unternehmen im Technologiepark, um Autozulieferbetriebe an der Hansalinie, um Dienstleister in der Flughafen-City, um eine Vielzahl von Gastronomiebetrieben durch den Ausbau des Tourismus. Ich erinnere an spezielle Qualifizierungen, und ich erinnere nicht zuletzt an einige tausend Existenzgründer, die durch das B.E.G.IN-Netzwerk auf den Weg gebracht werden konnten.
Viele tausend Arbeitsplätze sind mit einer soliden Mittelstandspolitik der großen Koalition in den letzten Jahren im Mittelstand entstanden, währenddessen die Industrie, gerade auch in Bremen, Arbeitsplätze abbaut. Der Mittelstand ist ohne Zweifel ein Jobmotor, aber er hat trotzdem keine Lobby. Bei der Pleite des Baugroßkonzerns Holzmann hat sich der damalige Kanzler sofort medienwirksam in Szene gesetzt. Wenn aber ein Dutzend mittelständische Be
Politik ist daher gefordert, sich als Hüter von Handwerk und mittelständischen Betrieben zu bekennen und auch in die Pflicht nehmen zu lassen. Bekanntermaßen kämpfen diese Betriebe fortlaufend mit besonderen Schwierigkeiten, zum Beispiel bei der Kapitalbeschaffung, bei der Bewältigung des Kostendrucks, bei den enorm hohen Bürokratielasten und bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Entscheidend für diese Betriebe ist vor allem eines, verlässliche Rahmenbedingungen, und diese will die große Koalition mit dem vorliegenden Gesetzentwurf etablieren.
13 Bundesländer haben dies zum Teil schon vor vielen Jahren getan, und es stünde uns wirklich gut an, ihnen zu folgen, denn um das Wachstum und das Beschäftigungspotential des bremischen Mittelstands zukünftig voll ausschöpfen zu können, sollte die Mittelstandsförderung auch in Zeiten knapper Kassen weiterhin ein zentrales Handlungsfeld bremischer Politik sein. Kammern und Wirtschaftsressort haben dieses Gesetz intensiv vorbereitet. Im Rahmen der Mittelstandsenquete wurden alle in den Ländern vorhandenen Mittelstandsförderungsgesetze ausgewertet, und herausgekommen ist ein Regelwerk für Bremen, das über die üblichen Lippenbekenntnisse hinausgeht und eine höhere Bindungswirkung entfaltet, als dies in manchen Gesetzen der anderen Bundesländer der Fall ist.
Lassen Sie mich einiges zu den Grundzügen des Gesetzes sagen! Das vorliegende Gesetz soll grundsätzlich zur Eigeninitiative anregen und Eigeninitiative unterstützen und legt daher seinen Schwerpunkt in erster Linie auf die Verbesserung der wirtschaftlichen und administrativen Rahmenbedingungen und erst in zweiter Linie auf die Förderinstrumente.
Die Lasten, die neben den Standortkosten den Mittelstand besonders beschweren, sind, wie Sie alle wissen, die Bürokratielasten. Wir schlagen daher eine so genannte Prüfklausel vor, mit der wir in Zukunft alle neuen gesetzgeberischen Maßnahmen auf ihre Belastung für den Mittelstand überprüfen werden. Das bedeutet aber nicht, dass sich die hier angelaufenen Bemühungen um Deregulierung erübrigt haben. Im Gegenteil, diese Bemühungen sind einigermaßen zäh und müssen dringend schneller und konsequenter angegangen werden. Der nächste Bericht zum Thema Deregulierung ist für Anfang des Jahres angekündigt, und ich hoffe sehr, dass dieser Termin auch eingehalten wird. Rechtlich fixiert wird im Mittelstandsförderungsgesetz auch die Befristung von
Nun höre ich schon die Kritiker, die sagen, ein neues Gesetz ist genau das Gegenteil von Deregulierung. Das sehen wir und übrigens auch die Kammern nicht so, denn mit diesem Gesetz soll ein zusätzlicher Mehrwert in Form von nutzbringenden Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den Mittelstand erzielt werden.
Eine weitere zentrale Forderung der mittelständischen Wirtschaft in Bremen ist es, die in Bremen beeinflussbaren Kosten wettbewerbsgerecht auszurichten. Auch diesem Anliegen wollen wir uns verpflichten, und im Übrigen bleibt es bei unseren Grundsätzen zum Vorrang der privaten vor den öffentlichen Leistungserbringungen.
Ein weiterer Punkt, den wir geregelt sehen wollen, ist in diesem Hause wohl unumstritten, das ist eine mittelstandsfreundliche Vergabepraxis. Wir schreiben in diesem Gesetz daher noch einmal fest, dass Leistungen so in Lose zu zerlegen sind, dass sich die mittelständischen Betriebe mit Angeboten beteiligen können und Generalunternehmervergaben die Ausnahme sind und auch besonders begründet werden müssen.
Der zweite Teil des Gesetzes plädiert für eine kontinuierliche Verbesserung der Zielgenauigkeit von Fördermaßnahmen und ein verbindliches Monitoring. Gerade auch angesichts unserer Haushaltslage sind wir gefordert, uns ständig den veränderten Wettbewerbs- und Standortbedingungen anzupassen. Ich nenne nur ein paar Schlagworte, und zwar sind das die Stärkung der Innovationskraft, die Stärkung der Existenzgründer und ein besserer Zugang zu Investitionen und Finanzierungshilfen und natürlich gerade auch eine herausragende Qualifizierungsunterstützung.
Meine Damen und Herren, das Mittelstandsförderungsgesetz ist ein richtungsweisendes Bekenntnis des Senats und der Bürgerschaft für eine mittelstandsfreundliche Politik im Land. Sehr geehrter Herr Möhle, ich beziehe mich auf das Ergebnis Ihrer Klausurtagung: Für diese mittelstandsfreundliche Politik brauchen wir eine Aufforderung Ihrerseits nicht!
Ich glaube, dass wir, wenn wir dieses Gesetz heute in erster Lesung beschließen, ein gutes Signal setzen. Ich glaube aber auch, dass wir noch mehr für den Mittelstand in Bremen tun können und müssen. Dazu zählt zum Beispiel, dass wir unseren mittelstandsfreundlichen Standort besser vermarkten müssen. Hierzu wäre zum Beispiel die Entwicklung einer Dachmarke notwendig, die den Rahmen setzt für alle mittelstandsrelevanten Aktivitäten des Landes. Sie wissen alle, wir haben in allen Rankings bereits einen sehr guten Ruf, und warum sollten wir nicht
Dieses Gesetz wäre ein entscheidender Meilenstein auf diesem Wege, und ich bitte Sie daher, diesem Gesetz in erster Lesung zuzustimmen!
Sehr geehrter Herr Möhle, ganz kurz zu Ihrem Antrag, der überwiegend redaktionelle Änderungen vorsieht: Ich darf darauf hinweisen, dass in Paragraph 2 ausdrücklich steht „Kleinst- und kleine Betriebe“, wir also diesen Begriff schon aufgenommen haben. Ich denke aber insgesamt, dass es richtig wäre, diese Fragen im Detail in der Deputation zu beraten. Daher möchten wir sowohl das Gesetz als auch Ihren Antrag in die Wirtschaftsdeputation überweisen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die besondere Bedeutung des Mittelstands für die deutsche, aber auch gerade für die bremische Wirtschaft ist schon in den Debatten der vergangenen Jahre immer wieder hingewiesen worden. Unbestritten ist, dass die kleinen und mittleren Unternehmen für einen wesentlichen Beitrag zur Beschäftigung insgesamt sorgen. Sie tummeln sich in dem Bereich, in dem wir in Bremen noch einen Nachholbedarf haben, im Dienstleistungsbereich. Sie stellen die meisten Ausbildungsplätze, sie haben den größten Anteil an allen Unternehmen überhaupt, und sie bringen 43 Prozent des steuerpflichtigen Umsatzes ein. Das macht deutlich, welch große Bedeutung der Mittelstand auch für uns hat.
Ich möchte, da dies in der Debatte immer wieder eine Rolle spielt, auch noch einmal ausdrücklich betonen, dass nach einer Unternehmensstatistik 87,1 Prozent dieser kleinen und mittleren Unternehmen weniger als zehn Beschäftigte haben. Insofern muss auch ein Mittelstandsförderungsgesetz insbesondere hier einen Schwerpunkt setzen können.
Wir Sozialdemokraten, Frau Winther hat darauf hingewiesen mit ihrem Ausflug ins Jahr 1975, damit habe ich nun nicht gerechnet, haben uns in der Tat lange schwer getan mit diesem Gesetz, denn für uns war die Frage: Leistet das Gesetz nun wirklich einen Beitrag, um die Lage des Mittelstands zu verbessern? Betrachten wir die Situation objektiv und nur nach Kosten- und Nutzengesichtspunkten, dann können ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Allerdings hebt sich das bremische Mittelstandsförderungsgesetz, das hier nun vorgelegt wird, von den Gesetzen anderer Länder deutlich ab. Es ist qualitativ deutlich besser, es gibt nicht nur einen Rahmen, sondern es benennt auch wirtschaftspolitische Ziele, und es versucht, diese wirtschaftspolitischen Ziele nicht in den Rang der Beliebigkeit zu bringen, sondern dadurch, dass hier eine klare Formulierung des Gesetzgebers vorgegeben wird, versuchen wir, hier eine Linie über Jahre auch zu halten und damit verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Insofern stimmen wir dem Gesetz ausdrücklich zu.
Ich werde auf einen einschränkenden Punkt nachher am Schluss meiner Rede noch einmal zu sprechen kommen, weil man natürlich nicht die Erwartung hegen kann, dass wir mit diesem Mittelstandsgesetz nun ein Füllhorn ausschütten würden. Erstens haben wir das Füllhorn überhaupt nicht, und zweitens ist es eigentlich auch genau das, was der Mittelstand selbst proklamiert, dies für sich nicht zu wollen. Der Mittelstand lebt von der Eigeninitiative. Seine große Stärke und prägend für ihn ist die große Innovationskraft, und die gilt es zu unterstützen, aber nicht den Mittelstand zu alimentieren.
Die Beiträge, die der Staat leisten kann, um kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, ihre Wettbewerbssituation zu verbessern, die staatlich begründeten Einschränkungen, wenn nicht zu beseitigen, so doch zu lindern, sollen mit dem Gesetz benannt und, soweit möglich, dann auch verändert werden. Insofern ist das Gesetz für uns auch nur ein erster, aber ein wichtiger Schritt, weil er die Ziele benennt.
Zur Erreichung dieser Ziele aber benötigen wir natürlich entsprechende Maßnahmen, und diese Maßnahmen werden in der Folge der Gesetzesverabschiedung analysiert werden müssen. Wir werden zu prüfen haben, ob die Förderinstrumente, die Förderhöhen und die Förderschwerpunkte im Einklang mit dem Gesetz stehen oder ob wir stärkere Profilierungen haben. Im Übrigen bin ich sehr zuversichtlich, dass eine solche Überprüfung ergeben wird, dass viele der genannten Punkte und Anforderungen durch die Arbeit der großen Koalition schon geleistet worden sind. Insofern, finde ich, hat der Mittelstand mit diesem Senat und den ihn tragenden Fraktionen durchaus schon eine Lobby.
Das von den Erstellern des ersten Gesetzentwurfs gesehene Problem, einerseits die Entbürokratisierung zu fordern, andererseits aber in einem neuen Gesetz zu fordern, dass Gesetze auf ihre Auswirkungen auf
die mittelständische Wirtschaft hin untersucht werden sollen, also ein Stück weit Bürokratie zu schaffen, ist für uns nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Die mit dem Gesetz festgelegte Mittelstandsklausel stellt sicher, dass die Ziele des Gesetzes Anwendung finden. Damit ist ein durchaus auch von uns wünschenswerter Kontrollmechanismus geschaffen worden.
Wir haben nach dem ersten Gesetzentwurf, der ja auf Initiative der Organisation der mittelständischen Wirtschaft, der IHK Bremerhaven und der Handelskammer in Bremen, insbesondere aber auch des Wirtschaftsressorts zustande gekommen ist, das Gespräch insbesondere mit der Handelskammer, aber auch mit der Arbeitnehmerkammer gesucht, um unsere Positionen einzubringen. Ich möchte mich ausdrücklich für die Gespräche, die wir dort haben führen können, noch einmal sehr bedanken. Sie waren sehr konstruktiv, sehr hilfreich, und ich glaube, sie haben in dem Gesetz auch einen Niederschlag gefunden.
Ich möchte einige wenige Punkte, die für uns für dieses Gesetz wesentlich waren, noch einmal kurz benennen. Kleine und mittlere Unternehmen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung von Ausbildungsplätzen, das sollte im Gesetz auch deutlich werden. Genauso deutlich werden sollte, dass der Staat hier nur unterstützend tätig sein kann. Für die Versorgung der eigenen Unternehmen mit ausreichend qualifizierten Mitarbeitern bleiben die Unternehmen selbst verantwortlich.