Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Ich verhehle Ihnen nicht, meine Damen und Herren, dass wir natürlich nicht nur auf Bremen schauen und auf unsere Eigenanstrengungen, sondern dass wir in dem Zusammenhang auch darauf bauen, dass die Beschlüsse der Koalition im Bund uns helfen werden, also die Beschlüsse, die eine Anhebung der Mehrwertsteuer vorsehen, die auch den Wegfall von Subventionen vorsehen. Ohne zusätzliche Einnahmen, entweder durch eine sich verstärkende und belebende wirtschaftliche Entwicklung oder aber auch durch steuerliche Maßnahmen, die die nicht nur uns, sondern auch die reicheren Südländer betreffende strukturelle Verschuldung der Haushalte durch mangelnde öffentliche Einnahmen ausgleichen, werden wir das nicht schaffen. Wir sind darauf angewiesen, und deshalb muss es auch dazu kommen.

In dem Zusammenhang sei auch noch einmal deutlich gemacht, dass wir, wenn wir über weitere Sanierungsmaßnahmen und Konsolidierungsmaßnahmen sprechen, natürlich von allen drei Gebietskörperschaften sprechen müssen. Wir reden über das Land, wir reden über die Stadtgemeinde Bremen, und wir reden natürlich auch über Bremerhaven. Alle drei

Haushalte sind gefordert, ihren Beitrag zu bringen und sich auf den Pfad der dann mit der Finanzplanung bis 2009 aufzuzeigenden neuen Ausrichtung zu bringen.

Wir wollen damit zeigen, das ist insbesondere mit Blick auf Dritte und externe Hilfe notwendig, dass der Bremer Haushalt kein Fass ohne Boden ist. Dafür ist es absolut notwendig, eine glaubwürdige und überzeugende Finanzplanung vorzulegen. Wir müssen nachweisen können, dass wir etwaige zusätzliche Hilfen effizient und erfolgversprechend verwenden wollen. Ich glaube, es ist jedem einsichtig, dass nur eine solche überzeugende Botschaft auf die Meinungsfindung des Bundesverfassungsgerichts Einfluss haben kann. Nur das kann unsere Verhandlungsposition stärken. Nur das kann unserer Position auch in späteren Verhandlungen mit Bund und Ländern, die dem natürlich zustimmen müssen, helfen.

Meine Damen und Herren, ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir sehr gute Argumente haben sowohl aufgrund unseres bisherigen Sanierungswegs als auch unserer Planungen für die Zukunft. Ich habe keine Angst, mich nach den Einsparungen in der Vergangenheit, mit denen Bremen – das wird jetzt zunehmend auch bei den anderen Ländern deutlich – beispielhaft vorangegangen ist, einem Vergleich mit anderen Ländern zu stellen. Deswegen befürworte ich einen offenen Benchmarking-Prozess, auch gerade mit den Geberländern. Diese unterstellen uns ja immer, dass wir in unserem Ausgabeverhalten in einigen Bereichen zu stark abweichen. Ich fürchte mich vor diesem Prozess nicht, ich halte ihn für notwendig. Auch halte ich es für erforderlich, dass wir hier eine Transparenz bekommen, und zwar eine Transparenz, die länderübergreifend ist, und mit so einem Instrument – wir haben das schon in der Finanzministerkonferenz angeregt – und mit den Zahlen offen umzugehen.

Davor fürchte ich mich nicht, und ich denke, dass dann mit einigen Vorurteilen aufgeräumt wird. Das Verhalten der Kollegen aus den Geberländern, die diesem Wunsch des Saarlandes und Bremens – wir haben schon viel Erfahrung in Bremen mit Benchmarking – skeptisch gegenüberstehen, zeigt auch, dass sie mittlerweile begriffen haben, dass solche Vergleiche nicht, wie sie zuvor immer postuliert und behauptet haben, zu Lasten von Bremen und des Saarlandes gehen, sondern dass sie möglicherweise auch zu Lasten der Geberländer gehen und deutlich wird, dass wir in bestimmten Bereichen unsere Hausaufgaben gemacht haben, die anderen allerdings nicht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich brauche aber in diesem Bereich Ihre Unterstützung, Ihre Unterstützung für die zielgerichtete Fortführung des Benchmarkings in allen Aufgabenfeldern. Die Ergebnisse müssten dann noch jeweils in die Haushaltsaufstel

lung und auch in den Vollzug einfließen. Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal eindeutig sagen, dass das, was der Berliner Kollege Sarrazin macht, der nun in der letzten Woche beim Finanzplanungsrat wiederum versucht hat, mit seinem Berliner Kurs zu Lasten von Bremen, zu Lasten des Saarlandes sich abzusetzen, nicht in Ordnung ist. Es wurde da auch ganz deutlich, dass jemand, der zwei Milliarden Euro Sonderergänzungszuwendungen des Bundes, die ausschließlich investiv zu verwenden sind, ausschließlich für konsumtive Zwecke benutzt, nicht derjenige ist, der uns hier in Bremen sagen kann, wie wir unseren Kurs zu fahren haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir haben zur Vorbereitung unserer Klage, aber auch zur Standortbestimmung renommierte Finanzwissenschaftler und Verfassungsrechtler mit der Erstellung von Gutachten beauftragt, die einerseits die verfassungsrechtliche Situation, also die Frage nach der verfassungsrechtlichen Garantie auch eines Stadtstaates belegen sollen, und Finanzwissenschafter, die unseren Anspruch auf eine aufgabengerechte Finanzausstattung herausarbeiten sollen. Diese Gutachten haben gezeigt, dass es gerechtfertigt ist, den Weg zum Verfassungsgericht zu beschreiten.

An dieser Stelle sage ich gleichzeitig, ich meine, es wäre falsch, erst das Ergebnis von Verhandlungen abzuwarten oder erst das Ergebnis einer Klage abzuwarten, ohne bereits jetzt mit dem auch für die Erfolgsaussichten einer Klage notwendigen Eigenbeitrag zu beginnen und diesen Eigenbeitrag zu intensivieren. Wer das nicht tut, sondern abwartet, der vergrößert unser Defizit, und der verkleinert die Chancen einer Durchsetzung unseres berechtigten Anspruchs. Jeder weiß natürlich, dass Klagen und Verhandeln keine Gegensätze sind, sondern dass man das parallel und abgestimmt tun kann.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Ich meine, der Senat hat bei den Beratungen zum Haushalt 2006/2007 im Sinne der elementaren öffentlichen Aufgabenfelder richtungweisende Entscheidungen getroffen. Das wird mit dem Lösen der letzten offenen Fragen und im Rahmen der weiteren Finanzplanung bis 2009 fortgesetzt werden. Wir haben gegenüber den Eckwertbeschlüssen vom April 2005 finanzielle Probleme in einer Größenordnung von fast 200 Millionen Euro pro Haushaltsjahr gelöst. Wir haben zusätzliche Bedarfe der Ressorts in Höhe von 45 respektive 55 Millionen Euro gedeckt. Neben den konkreten Forderungen in den Produktplänen Inneres, Sport und Kultur konnte damit das strukturelle Defizit in den Bereichen Justiz, Sozialleistungen, aber auch der im öffentlichen Fokus stehende besondere Personalbedarf in der Steuerverwaltung gedeckt werden. Damit ergeben sich auch für uns Möglichkeiten zur Steigerung der Steuereinnahmen durch einen verstärkten Personaleinsatz in der Betriebsprüfung.

Eine konsequente Konsolidierungspolitik darf aber nicht zu sozialem Kahlschlag führen. Wir müssen, ich sagte es schon, die Menschen mitnehmen, wir müssen sie in ihren Bedürfnissen ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD)

In dem Zusammenhang sind deshalb auch richtungweisende Schwerpunktsetzungen, die Entscheidungen zur Anschubfinanzierung im Rahmen des Tagesbetreuungsausbaugesetzes, zum Ganztagsschulprogramm und zu den Pisamaßnahmen zu sehen. Ich bin überzeugt, dass wir den Menschen in unseren beiden Städten vor diesem Hintergrund den weiteren Sanierungskurs gut vermitteln können. Die Einsicht zur Notwendigkeit konsequenten Handelns ist in der Bevölkerung angekommen. Die Akzeptanz für nicht überzeugende Großprojekte und teure Verschönerungsmaßnahmen ist nicht mehr vorhanden. Ich bin der festen Meinung, dass wir mit dem Doppelhaushalt 2006/2007 im Sinne dieser Zielsetzung gut aufgestellt sind und dass wir sehr gut belegen können, warum wir den verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen zur Kreditaufnahme deutlich überschreiten. Deshalb begründen wir auch alle Ausgaben nach den Kriterien, die wir in Anlehnung an das Urteil des Berliner Staatsgerichtshofs mit dem Haushalts- und Finanzausschuss vereinbart haben. Aber ich bin auch genauso davon überzeugt, dass wir im notwendigen Maße die Grenzen einhalten, um im Rahmen der weiteren Finanzplanung, mit der Option auf neue externe Hilfe, eine weitere erfolgreiche Zukunftsperspektive für die Freie Hansestadt Bremen aufzuzeigen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende noch meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, aber natürlich auch an alle Haushälter in den anderen Ressorts aussprechen: Ohne deren Einsatz in den letzten Wochen und Monaten wäre die Haushaltsaufstellung und die Finanzplanung, die sich an so vielen unterschiedlichen Zielvorgaben orientieren muss, nicht möglich gewesen. – Vielen Dank dafür und Ihnen vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit den Haushaltsentwürfen 2006 und 2007 muss Bremen dem Bundesverfassungsgericht, dem Bund und den anderen Ländern beweisen, dass Bremen sparsam, wirtschaftlich und vor allem seriös mit Geld umgehen kann. Das Problem dabei ist, was anderswo üblich ist, ist für die große Koalition etwas völlig Neues. Bislang hat es die große Koalition in Bremen noch nicht einmal hinbekommen, eine korrekte Buchhaltung zu machen.

Aus politischen Gründen sind massiv laufende Ausgaben als Investitionen verbucht worden, um ein falsches Bild über die tatsächliche Lage zu vermitteln. Das hat der Rechnungshof immer wieder festgestellt, und wir Grünen haben uns den Mund fusselig geredet, um mit der systematischen Falschverbuchung laufender Ausgaben als Investitionen endlich Schluss zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

91 Millionen Euro sind es für das Land Bremen jedes Jahr. In diesem Haushalt wird nun zum ersten Mal von der Koalition das seit Jahrzehnten geltende Recht angewandt, wie es auch überall woanders in der Republik angewandt wird, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein notwendiger Schritt zurück in die Rechtsgemeinschaft. Sie können allerdings natürlich kein Lob von der Opposition erwarten, wenn einfach nur künftig das geltende Recht angewandt werden soll.

Wir wollen anerkennen, dass für den Justiz- und den Sozialhaushalt realistischere Ansätze in den Haushalt eingestellt worden sind, als es in den letzten Jahren der Fall war. Es gab dann immer eine richtig teure Einigung, wenn sich während des Jahres herausstellte, dass höhere Ausgaben oder niedrigere Einnahmen in Bereichen kommen würden, in denen niemand einen Schalter umlegen kann, um Geld zu sparen, sondern wo die Ausgaben einfach nur durch den Bund festgelegt werden und ein Rechtsanspruch besteht. Früher musste der überhaupt nicht beeinflussbare Zusatzbedarf erkauft werden, indem eine Kompensation für andere Ressorts geschaffen werden musste. Das wird es nun glücklicherweise so nicht mehr geben. Unter den Bedingungen der großen Koalition führt ein höherer Haushaltsanschlag manchmal zu niedrigeren Gesamtkosten. Absurd, aber so ist es hier!

Bremen hat bei den laufenden Ausgaben massiv gespart. Bremen hat dort wesentlich mehr eingespart als andere Länder. Das Ende der Fahnenstange ist in etlichen Bereichen erreicht. Kollege Joachim Schuster hat gestern die Situation im Sozialhaushalt plastisch geschildert. Ich will es nicht wiederholen. Die laufenden Haushalte werden weiter unter Druck bleiben.

Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass wegen 40 000 Euro Einsparungen, die andernorts für Hochglanzbroschüren, Beratungskosten oder Dienstwagen ausgegeben werden, die Verbraucherzentrale in Bremerhaven geschlossen werden soll.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Kürzungen hat es dort bereits umfangreich gegeben, und das ist auch vertretbar. Wenn aber die Struktur als solche auf dem Spiel steht, dann muss man sich entscheiden, ob es weiterhin Beratungen für Verbraucherinnen und Verbraucher in Bremerhaven geben

soll oder ob auf absehbare Zeit Schluss damit ist. Das kann man nicht einmal so schnell wieder hochziehen, wenn wieder einmal etwas Geld vorhanden ist. Bei der Schuldenberatung im Gefängnis ist es das Gleiche. Wenn die Leute, die es können, erst einmal weg sind, dann sind ihre Kenntnisse nicht einfach so an Nachfolger weiterzugeben. Weil alles zusammengespart worden ist, ist dann der Staat irgendwann nicht mehr in der Lage zu handeln. Das müssen wir verhindern. Wir sind nicht nur mit dem Geld ganz konkret in der Klemme, sondern Bremen steht auch politisch schlecht dar. Bremen ist wegen der Investitionsstrategie der großen Koalition bundesweit in der Kritik. Da geht es nicht nur um einzelne Fehlinvestitionen, sondern es geht um den gesamten Kurs. Die große Koalition hat aber die Investitionsausgaben in eine Höhe getrieben, die nicht nur uns Grünen, sondern auch allen anderen in der Republik die Tränen in die Augen treibt. CDU und SPD in Bremen haben die Investitionsausgaben pro Einwohner fast verdoppelt. Das führt dann dazu, dass nach all den Jahren schmerzhafter Sparmaßnahmen Bremen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens pro Einwohner inzwischen deutlich mehr ausgibt als jedes andere Land in der Bundesrepublik. Bremen ist inzwischen Spitzenreiter bei den Ausgaben pro Kopf. Diese Position ist selbstverschuldet. Das liegt an den teuren Investitionen, von denen wir herunter müssen, um überhaupt eine Chance vor dem Bundesverfassungsgericht zu haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die formale Kenntnisnahme der Bremer Politik im Finanzplanungsrat mag ein juristisches Argument sein, hoffentlich rettet es uns. Die politische Verantwortung trägt aber die große Koalition. Wenn Jens Böhrnsen in seinem Papier als Zielmarke angegeben hat, dass Bremen im Jahre 2012, erst im Jahre 2012, das Investitionsniveau von Hamburg erreichen soll – immer noch ein Geberland im Länderfinanzausgleich –, dann müssen wir die Pro-Einwohner-Investitionen von ungefähr 1050 Euro auf etwas über 600 Euro absenken. Das ist dann das Niveau von Hamburg. Sparen ist immer ein Problem, vor allem aber dann, wenn man keinen Maßstab hat. Wenn wir so viel investieren wie Hamburg, dann heißt es nicht, dass wir handlungsunfähig sind. Über 550 Millionen Euro Investitionen in Bremen und Bremerhaven sind nicht nichts. Die Politik der letzten Jahre hat zu einem Anspruchsdenken geführt, das häufig schlicht nicht bezahlbar ist. Bremen muss sich glaubhaft von dem bisherigen Investitionskurs abgrenzen, und dort besteht der größte Handlungsbedarf.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Bedeutung der Frage, ob es gelingt, die Investitionen erst im Jahre 2012 auf das Niveau Hamburgs

zu reduzieren, hat Herr Böhrnsen in seinem Papier zutreffend dargestellt. Das, was an Kürzungen bei Investitionen im Papier steht, ist das Mindeste, was nötig ist. Egal, ob es dem einen oder anderen Chefredakteur oder Kommentarschreiber gefällt oder nicht, wenn Herr Böhrnsen umknickt oder zu Fall gebracht wird, dann sinken die Chancen Bremens beim Bundesverfassungsgericht ganz erheblich. Scheitert er, sei es an der CDU oder an der SPD, und scheitert Bremen in Karlsruhe, das muss uns klar sein, dann ist ein Entrinnen aus einer immer weiter steigenden Verschuldung, ein Entrinnen aus einer immer schneller werdenden Schuldenspirale unmöglich. Umgekehrt, wenn jetzt auf Freiheiten verzichtet wird, die es niemals gegeben hat, dann können vielleicht Spielräume in der Zukunft entstehen. Wer jetzt noch zusätzliche Investitionen durchbringen will, setzt die Selbständigkeit Bremens aufs Spiel und damit die mittel- und langfristige Perspektive für das jeweilige Anliegen.

Niemand sollte darauf vertrauen, dass ein Nordstaat oder die niedersächsische Landesregierung den Kommunen Bremen oder Bremerhaven das Investitionsniveau Hamburgs zubilligen würde.

Es geht nicht nur um die 30 Millionen Euro, die jeweils in 2006 und 2007 gekürzt werden sollen und für die es immer noch keine Einigung gibt. Überhaupt scheint der Vorrat an Einigungsmöglichkeiten erschöpft zu sein. Diese Gelder sind als globale Minderausgabe in die Haushaltsentwürfe eingestellt worden. Wir dürfen abwarten, welchen Vorschlag der Senat zur Verteilung dieser Einsparungen macht. Es geht auch nicht um die zusätzlichen sieben Millionen Euro in 2007, die nach dem Böhrnsen-Papier darüber hinaus gestrichen werden sollten, die aber im Haushalt gar nicht erst auftauchen.

Die eigentliche Musik spielt im Bereich des Anschlussinvestitionsprogramms. Da hatte die Koalition vor, noch zirka 140 Millionen Euro bis zu ihrer Abwahl 2007 an so genannten Vorfinanzierungskontingenten auszugeben. Im Finanzplanzeitraum hatte die große Koalition noch 228 Millionen Euro an Vorgriffen geplant, denen allerdings schon Wunschlisten im Umfang von weit über 300 Millionen Euro gegenüberstanden. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die so genannten Barmittel, die jedes Jahr zur Verfügung stehen, sondern wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, die Misere Bremens ist dadurch massiv vergrößert worden, dass der Senat über Finanzierungstricks, über den Kapitaldienstfonds, die Haushalte kommender Jahre bereits jetzt ausgegeben oder vorverpflichtet hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Grünen haben ständig gesagt, dass es falsch war und falsch ist. 140 Millionen Euro sollten zu Lasten der Investitionshaushalte der Jahre 2011 bis 2014 jetzt schon bis 2007 ausgegeben werden. Das war die bis

herige Einigung zwischen SPD und CDU unter Henning Scherf. Wir haben erfreut zur Kenntnis genommen, dass Herr Böhrnsen jetzt, genauso wie wir es auch immer gesagt haben, ein Ende der Vorfinanzierung fordert, wenn auch etwas versteckt und verklausuliert.

Die SPD-Fraktion hat die Position freundlicherweise noch etwas deutlicher als der Bürgermeister ausgedrückt, ich zitiere: „Die AIP-Wunschlisten der Ressorts sind gegenstandslos. Auch Beschlossenes muss überprüft werden, Investitionsentscheidungen zu Lasten kommender Haushalte darf es nicht mehr geben.“ Das haben die Grünen schon sehr lange und sehr deutlich gefordert. Wir Grünen haben diese ganzen Finanzierungstricks, das Verfrühstücken der Investitionsmittel weit entfernter Haushaltsjahre immer aufs Schärfste kritisiert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Position der Grünen geht über die der SPD und Herrn Böhrnsen hinaus. Wir wollen das Anschlussinvestitionsprogramm einschließlich der Barmittelreste ganz abschaffen. Die SPD will die Barmittelreste, immerhin 25 Millionen Euro, mit dem Grundinvestitionsprogramm zusammenlegen. Wir werden aber den Bürgermeister daran messen, ob es ihm gelingt, wenigstens das durchzusetzen, was er angekündigt hat, denn das ist im Interesse Bremens bitter nötig.

Im Haushaltsentwurf, den der Senat beschlossen hat, ist keine Kreditermächtigung für solche Vorfinanzierungen vorgesehen, und wir Grünen werden in den nun kommenden Haushaltsberatungen im Ausschuss ein Auge darauf haben, dass das so bleibt. Irgendwelche Zugeständnisse, auch um zum Beispiel die Finanzplanung beschließen zu können, dürfen nicht zu Lasten künftiger Generationen gemacht werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In diesem Zusammenhang finden wir den Vorschlag des CDU-Innensenators Röwekamp, auf das Turnfest für neun Millionen Euro zu verzichten, auch allenfalls putzig. Dieses Projekt war nie finanziert. Es war eine Seifenblase, die nun geplatzt ist. Es wäre im Übrigen auch wegen der extremen Haushaltsnotlage von Verfassung wegen verboten, das Turnfest zu finanzieren. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den Kirchentag, für den 15 Millionen Euro vorgesehen sind. Wir erinnern uns alle, wie das zustande gekommen ist, wie diese Projekte entschieden worden sind, was es damals für ein Chaos war, und jetzt könnten wir uns von mir aus darauf einigen, dass wir über diese Projekte nie wieder diskutieren. Wir könnten sie eigentlich schlicht vergessen, wir streichen sie vom Wunschzettel, und gut ist es. Schauen wir einmal, wie Sie von den Zusagen, die Sie gemacht haben, wieder herunterkommen!

In einer extremen Haushaltsnotlage muss auch die große Koalition die besonderen Bestimmungen erfüllen, die in der Verfassung für eine solche Situation vorgesehen und unter anderem vom Berliner Verfassungsgericht konkretisiert worden sind. Es geht um die Begründung von Ausgaben nach Artikel 131 a der Landesverfassung. Wir Grünen haben diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, und schließlich hat der Senat dem zugestimmt. Wenn wir uns jetzt die Ausführungen dazu anschauen – es ist hier erstmals so, dass in dem Haushalt solche Ausführungen angebracht sind –, dann gibt es da noch einigen Handlungsbedarf im Rahmen der Beratungen im Haushaltsausschuss und im Rahmen der Tätigkeit der Berichterstatter.

Es muss jedem, egal ob in der Verwaltung oder in der Politik, ständig klar sein, dass nur noch solche Ausgaben gemacht werden dürfen, die bundesrechtlich verpflichtet sind oder in der Landesverfassung geregelt sind, Landesgesetze spielen dabei keine Rolle. Nur in ganz wenigen Fällen, zum Beispiel wenn es den Staat teurer käme, eine Ausgabe nicht zu machen, sind Ausnahmen zulässig. Das ist die Rechtslage. Das gilt auch und gerade im Bereich der Erhaltungsinvestitionen, also dort, wo der Staat ein Gebäude, einen Radweg oder irgendeine Maschine unterhält, wo Geld investiert werden muss, um in einem überschaubaren Zeitraum mehr Geld einzusparen, als man hineingesteckt hat. Jeder Unternehmer würde solche Kosten aufbringen, das ist ein völlig normales wirtschaftliches Denken.

Von so einem hervorragenden Beispiel haben wir gestern gehört, nämlich dem Stromeinsparprogramm für öffentliche Gebäude, meine Damen und Herren. In dem Minipilotprojekt sind zirka 76 000 Euro ausgegeben worden, und es werden dadurch 9000 Euro jährlich gespart. Das rentiert sich also – kann jeder nachrechnen – nach acht, neun Jahren und spart danach jedes Jahr mehr Geld. Nicht nur das, jedes Jahr werden allein durch diese geringe Summe 55 Tonnen Treibhausgas eingespart. Überschaubare Investitionen, die nach ziemlich kurzer Zeit zu echten Einsparungen führen und darüber hinaus auch noch richtig Gutes für die Umwelt bewirken! Solche Investitionen soll und muss der Staat auf jeden Fall machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Darum habe ich auch kein Verständnis dafür, dass die CDU letzte Woche in der Umweltdeputation nicht bereit war, mit diesem hervorragenden Pilotprojekt jetzt in die Fläche zu gehen und mit dem Geldsparen durch Erhaltungsinvestitionen weiterzumachen, und zwar mit dem Argument, dass der Koalitionspartner andere Investitionen blockieren würde.

(Widerspruch bei der CDU)