Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

(Widerspruch bei der CDU)

Das kann doch nicht wahr sein. Weil der eine seinen Willen nicht bekommt, wird der andere erpresst, und

sinnvolle, bares Geld sparende Investitionen bleiben auf der Strecke. So darf das nicht laufen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist eben nötig, zwischen verschiedenen Arten von Investitionen zu unterscheiden. Wenn es gelingt, alle solche Investitionen zu tätigen, durch die der Staat auf absehbare Zeit selbst Geld spart, dann wäre es eine gute Sache. Ausgaben, die die Wirtschaftlichkeit erhöhen, müssen oberste Priorität haben. Bei den europäischen Mitteln ist der befürchtete Kahlschlag erfreulicherweise ausgeblieben. Es wird zwar ab 2007 weniger Geld ausgegeben, aber nicht viel weniger. (Glocke)

Ich komme zum Schluss! Jede Vorstellung, das jetzt herauszulösen, und dann am besten auch noch zwischenfinanziert, Kofinanzierungen per Kredit zur Verfügung zu stellen, das wird jenseits unserer Möglichkeiten liegen. Es liegt bislang keine Drittmittelübersicht vor. Kofinanzierungsmittel unterliegen denselben Restriktionen wie andere Mittel auch. Weil bei Kofinanzierungen zusätzliches Geld eingeworben wird, gibt es den Anreiz, sich darauf zu konzentrieren, das bedeutet aber Einsparungen anderswo. Bremen muss mit diesem Haushalt den Beweis antreten, dass dieses Land kein Fass ohne Boden ist, Herr Dr. Nußbaum hat es gesagt, sondern dass wir in der Lage sind, die Konsequenzen aus der falschen Politik der großen Koalition der letzten elf Jahre zu ziehen. Wir müssen wieder auf dem Boden der Realität Haushalte und Ausgabelinien festlegen. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass gute Politik allein etwas mit Geldausgeben zu tun hat. Entwickeln wir das, was wir haben, weiter und kümmern wir uns um die Qualität der Dienstleistungen und Angebote! Die Zeit der Schönfärberei, der unseriösen Versprechungen, der teuren Umarmungen muss zu Ende sein. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich vermute einmal, dass Sie von der Graubündener Straße sind? Die zehnte Klasse? Dann darf ich Sie recht herzlich begrüßen.

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der uns hier heute ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

vom Senat vorgelegte Doppelhaushalt 2006/2007 ist ein besonderer Haushalt. Ich finde, wir müssen uns diesen Eckpfeiler in dieser Debatte immer wieder vor Augen führen. Es ist ein Haushalt der Zäsur! Es ist der erste Haushalt, der völlig ohne externe Sonderhilfe und auch ohne Hilfehoffnung wie noch in den vergangenen Haushalten auskommen muss. Es ist ein Haushalt, der sich bei unserer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, bei unserem notwendigen Einstieg in die Verhandlungen bewähren muss. Es ist eben ein Haushalt, der nicht nur in Bremen und Bremerhaven auf hohe Akzeptanz stoßen muss, sondern der sich auch mit den Haushalten anderer Länder und Stadtstaaten vergleichen können muss.

Wir sind nach wie vor mit dem Problem des großen Ungleichgewichts zwischen unseren Einnahmen und Ausgaben konfrontiert, ein Ungleichgewicht – daran will ich an dieser Stelle erinnern, weil es in der Darstellung immer wieder in die Schieflage gerät –, das dadurch entstanden ist, dass die Einnahmeentwicklung, übrigens aller öffentlichen Haushalte, aber eben auch bei uns, in den vergangenen Jahren deutlich unter der prognostizierten geblieben ist und wir damit diese Situation heutzutage haben, zur Kenntnis nehmen und damit umgehen müssen. Wir müssen aber feststellen, dass sie unverschuldet ist, dass wir hier einen Haushalt haben, von dessen Verfassungskonformität uns immerhin gut 500 Millionen Euro trennen. Das ist politisch mittlerweile in dieser Republik keine Sondersituation mehr, wenn wir wissen, dass die überwiegende Zahl der Bundesländer Schwierigkeiten mit ihren Haushalten und der Verfassungskonformität haben. Wir haben gestern in der Föderalismusdebatte über die notwendigen Konsequenzen auch aus bremischer Sicht gesprochen.

Wir müssen, ich gebe dem Finanzsenator da völlig Recht und finde, er hat es hier umfassend und überzeugend dargelegt, auf die Eigenanstrengungen setzen, wenn wir diese Glaubwürdigkeit erreichen wollen. Ich möchte hier über die drei größten, wichtigsten Blöcke, die Investitionen, die konsumtiven Ausgaben und die Personalkosten, kurz etwas sagen.

Ich will mit den Investitionen anfangen, weil es der Bereich ist, der zurzeit im Mittelpunkt der politischen Debatte in diesem Lande steht. Ich denke, das ist der Bereich, bei dem wir innerhalb der Koalition am intensivsten diskutieren, aber, darauf will ich hinweisen, auch in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion stattfindet. Wir sind in einer Lage, dass wir in Bremen Überinvestitionen haben. Wir investieren in einem Maße, was deutlich, deutlich, meine Vorredner haben es gesagt, über dem Durchschnitt der anderen Länder liegt, allein 300 Prozent über den Investitionen des Stadtstaates Berlin und 80 Prozent über denen von Hamburg. Wenn man bei Bund und Ländern bestehen will, dann muss man auch an dieser Stelle die Vergleichbarkeit herstellen.

Wir sind in neuen Zeiten und brauchen an der Stelle deutlich neue Antworten, neue Antworten deshalb,

weil, und das ist doch die Ursache, wir dieses erhöhte Investitionsniveau erreicht haben und angegangen sind, weil wir in den letzten zehn Jahren Sonderhilfen bekommen haben, Sonderhilfen, mit denen wir eindeutig die Möglichkeit bekommen haben zu investieren. Diese Sonderhilfen von Bund und Ländern sind aber ausgelaufen. Wenn Sonderhilfen ausgelaufen sind, dann muss man auch die Sonderinvestitionen korrigieren. Das ist die politische Herausforderung, vor der wir stehen. Das braucht in der politischen Diskussion einen Mentalitätswechsel, beinhaltet aber auch die Chance, vieles, was sich natürlich in solchen Situationen entwickelt und nicht im Kern notwendig ist, zu korrigieren. Die Chance wäre hier, in der Investitionspolitik auf Klasse statt auf Masse zu setzen. Ich bin sicher, dass wir das mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung erreichen können.

(Beifall bei der SPD)

Nun ist die Zielrichtung, die der Bürgermeister in seinem Eckpunktepapier formuliert und niedergelegt hat und die ich auch für alternativlos halte, die, dass wir 2012 Hamburg erreichen, Herr Köhler hat es angesprochen. Ich gebe Ihnen Recht, das ist außerhalb Bremens durchaus erklärungsbedürftig, warum wir erst 2012 auf das Niveau kommen. Man kann es sich aber doch nicht ganz so einfach machen, weil wir gute Begründungen dafür haben, ein solches Investitionsniveau anzustreben und uns übrigens sehr zügig auf diesen Weg zu begeben. Ich finde es etwas leichtfertig, hier zu sagen, man könne und müsse da doch jetzt noch mehr machen, wenn man Glaubwürdigkeit wolle. Da muss man dann wirklich glaubwürdig bleiben.

Wenn Sie das, was Sie hier gesagt haben, in die Realität umsetzen würden, dann müssten Sie Konsequenzen ziehen, die auch zu Anträgen und Initiativen der Fraktion der Grünen nicht passen. Ich beobachte hier immer mit Wohlwollen, wie stark man hinter den Aktivitäten und den Entwicklungen in der Universität, in der Forschung, im Forschungsbereich steht,

(Beifall bei der SPD)

wenn man dann das Geld braucht, dann muss man die Investitionen dafür auch haben. Sie können sich hier nicht hinstellen und sagen, wir müssten noch stärker einschneiden, und dann an diesen Bereich aber mehr Forderungen stellen. Das passt nicht zueinander. Ich glaube, dass dieser Weg zum Hamburger Niveau, ein Niveau von 480 Millionen Euro Investitionen im Jahr, gut begründet ist und sich auch an den Einzelmaßnahmen wird belegen lassen.

Dazu gehört aber, da gebe ich Ihnen völlig Recht, dass wir mit gewissen Dingen aufhören, die auch etwas damit zu tun hatten, dass wir Erwartungen im Bereich von Einnahmen und weitere Bundeshilfen an die Zukunft hatten und in der Erwartung, das wird

sich dann schon auffüllen, Vorfinanzierungen eingegangen sind. So ist es nicht mehr. Deshalb sagen wir als SPD-Fraktion, die Vorfinanzierungen können so nicht weitergehen. Wir können die Investitionspolitik nicht auf den Schultern zukünftiger Generationen durchführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt nicht auf viele Einzelpunkte eingehen. Ich will aber für meine Fraktion deutlich machen, und ich finde, die Zahl 500 Millionen steht dafür unzweifelhaft, wir Sozialdemokraten sind noch nie als Investitionsgegner aufgetreten, sondern wir haben immer auch wirtschaftspolitisch vertreten und vertreten es auch weiterhin, dass eine ordentliche öffentliche Investition natürlich ein ganz wesentlicher Beitrag dafür ist, dass wirtschaftliche Entwicklung läuft und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Ich finde, mit einer Investitionsquote von 500 Millionen leisten wir das und stehen wir immer noch gut da. Ich lasse mir jedenfalls nicht anhängen, dass wir hier investitionsfeindlich sind. Wir sind im Umgang damit aber nicht leichtfertig.

Herr Senator Kastendiek, da möchte ich Sie ansprechen, weil ich heute Morgen ein Interview gelesen habe, das haben sicherlich viele schon gelesen, bei dem ich fand, auf der einen Seite werden da Selbstverständlichkeiten angesprochen, Selbstverständlichkeiten dahingehend, dass gesagt wird, wir müssen doch weiter in die Häfen investieren, schon beschlossen, Selbstverständlichkeiten, dass wir sagen, wir müssen weiter etwas im Bereich Luft- und Raumfahrtpolitik machen! Ich kenne keinen, der für die Luft- und Raumfahrtpolitik hier nichts machen will und der nicht anerkennt, dass beispielsweise bei Airbus, auch mit den öffentlichen Hilfen, der Arbeitsplatzaufbau in den letzten Jahren gewaltig war. All diese Dinge, ich könnte aus Ihrem Interview noch mehrere Punkte nennen, waren Selbstverständlichkeiten.

Es kann nicht angehen, dass Sie als Senator, auch wenn Sie viele Investitionen zu verantworten haben, in einem solchen Interview die Öffentlichkeit nicht darüber aufklären, dass Investitionen auch finanziert werden müssen und dass wir uns vor dem Bundesverfassungsgericht bewähren und beweisen müssen. Ich erwarte, dass sich hier jeder Senator für das Ganze engagiert und sich nicht geriert wie ein Abteilungsleiter für seinen Bereich. Wir haben eine Gesamtverantwortung, meine Damen und Herren. Stellen Sie sich dem! Wir brauchen das Alle-Mann- und das AlleFrau-Manöver. Das erwarte ich auch in Interviews.

(Beifall bei der SPD)

Uns wird in der Investitionspolitik immer unterstellt, wir hätten da keine konkreten Überlegungen. Ich werde hier nicht – entschuldigen Sie – auf die Ebene gehen, dass ich über Turnfeste, Kirchentage oder ähn

liche Ereignisse rede. Das finde ich nicht angemessen.

(Bürgermeister R ö w e k a m p : Schade!)

Schade, Herr Röwekamp! Das mögen Sie so finden. Ich weiß aber nicht, ob Sie es nicht in Wirklichkeit schon schade finden, dass Sie diese Äußerungen gemacht haben, weil ich glaube, sie haben nicht zu Ihrem Renommee beigetragen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sagen als Sozialdemokraten, und da halten wir uns ganz genau an das, was wir gemeinsam – da waren Sie noch nicht im Koalitionsausschuss – im Koalitionsausschuss beraten haben. Wir können Investitionen im Bereich der Wirtschaftsförderung reduzieren, wenn wir das machen, was beispielsweise das Bundesland Niedersachsen macht. Wir müssen in der Wirtschaftspolitik eine Umstellung von der Zuschussförderung hin zur Darlehensbefürwortung eingehen. Das ist ein richtiger Weg, Niedersachsen macht es erfolgreich. Lassen Sie es uns auch anfangen!

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bei den Gewerbeflächen eine Situation, dass wir mittlerweile Vorräte haben. Das weiß doch jeder, das ist auch zugestanden, das sieht man auch in Senatsmitteilungen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir haben keine Notwendigkeit mehr, weiter Vorrat zu erzeugen, sondern müssen bedarfsorientiert vorgehen. Bedarfsorientiert heißt, wenn einer an die Tür klopft, der nirgendwo anders hin kann als an eine bestimmte Stelle, dann kann man da die Bagger rollen lassen. Ansonsten haben wir in den Städten keinen Bedarf mehr an Gewerbeflächeninvestitionen. Wenn man da korrigiert, wird man zu Kürzungen kommen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen versuchen, die Eigenbeiträge Dritter bei allen Maßnahmen zu erhöhen. Eine große Aufgabe, die Herr Neumeyer als neu gewählter Senator sicherlich als erste vor sich haben wird, ist, dass wir zu Kostenreduzierungen und Standardreduzierungen kommen, eine alte Diskussion, warum wir die breiten Fahrradwege unbedingt in Gewerbeflächen brauchen, warum der Ausbaustandard so hoch sein muss. Da kann man Geld sparen. Diese konkreten Dinge müssen angegangen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum zweiten Block, den konsumtiven Ausgaben, sagen, dass wir hier einen Bereich vor uns liegen haben, in dem in den letzten Jahren

enorme Kürzungsleistungen erbracht worden sind! Im Gegensatz zur Situation der Investitionshaushalte bewegen wir uns hier im Schnitt der Länder und der anderen Städte, auch der Hansestädte. Hier bewegen wir uns auf dem Niveau, hier ist quasi schon geschafft worden, was wir noch vorhaben, und ich will an dieser Stelle im Gegensatz zu der allgemeinen Beschimpfung das Sozialressort hier ausdrücklich loben. Es hat in den letzten Jahren große Sparleistungen vollbracht. Das muss hier einmal gesagt werden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Die in diesem Haushalt angelegte Nulllinie, sozusagen bei den konsumtiven Ausgaben so zu bleiben, wie man steht, wird verdammt schwierig, insbesondere vor dem Hintergrund der Umbuchung der bisher konsumtiv erscheinenden Kosten als Kosten, die bisher als investiv verbucht werden, auf konsumtive Ausgaben. Das wird einen zusätzlichen Druck erzeugen. Ich finde, auch da darf man, Herr Köhler, nicht so schnell mit seinen Worten sein, denn gerade im Bereich der Universität haben wir viele gute Investitionen in die Köpfe. Ich habe hier immer ein breites Einverständnis wahrgenommen, dass Investitionen in die Köpfe richtig sind und dass eine Investition in die Köpfe sich nicht immer haushaltstechnisch als Investition buchen lässt, sondern häufig konsumtiven Charakter hat, aber trotzdem in dem Sinne eine Zukunftsangelegenheit, eine Zukunftsmaßnahme ist und auch Zukunftsinvestitionscharakter beinhaltet. Ich bitte, da bei diesen schnellen Worten vorsichtig zu sein.

Wir müssen dafür sorgen, auch bei diesem Haushalt, dass wir all das, was wir in der Wissenschaftspolitik geschafft haben, weitermachen, denn ich sage auch, wenn ich mir das anschaue – auch die letzten zehn Jahre –, die beste Wirtschaftspolitik in diesem Lande war unsere offensive Wissenschaftspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf zum konsumtiven Haushalt kurz ansprechen, dass da natürlich noch verschiedene Schieflagen sind. Schon hier können wir uns, glaube ich, alle versprechen – das wird wahrscheinlich für alle Fraktionen gelten, selbst für die Opposition –, dass sich die Zahl der Änderungsanträge im Zaum halten wird. Es gibt aber gewisse Dinge, die vor dem Bundesverfassungsgericht nicht entscheidend sind, aber sie sind entscheidend dafür, dass dieses Bundesland seine Stabilität hat und seine Grundleistungen weiter erbringen kann, und da müssen Korrekturen her. Die Kürzungsmaßnahme bei der Verbraucherzentrale ist hier schon angesprochen worden. Für meine Fraktion sage ich, das geht so nicht. Der Präsident hat sie als Bür

gerinitiative bezeichnet. Ich teile das voll und ganz, das muss korrigiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Gleiches gilt für die Anschläge im Bereich der Weiterbildung und auch im Bereich der Jugendbildung. Wir werden dazu Initiativen machen, meine Damen und Herren. Das ist auch in diesem Haushalt möglich und darstellbar. Mir fällt da eine ganze Reihe ein, um 40 000 Euro aufzubringen. Wenn wir das nicht mehr könnten, dann könnten wir in der Tat hier nur der Verwaltung die Politik überlassen. Das brauchen wir Gott sei Dank nicht.

(Beifall bei der SPD)