Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/916 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 14. Februar 2006 (Drucksache 16/917) 1. Lesung 2. Lesung
Präsident Weber, Berichterstatter: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 16/917 den Gesetzentwurf zur Änderung von Paragraph 5 Absatz 1 des Wahlgesetzes vor. Ziel ist es, die Mandatsverteilung zwischen den Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven zu Beginn der 17. Wahlperiode im nächsten Jahr bei einer gleichbleibenden Anzahl von 83 Abgeordneten zu verändern.
Als wir dieses schwierige Thema in den VGO genommen haben, dachte ich: Das wird eine ganz schwierige Diskussion werden. Aber alle drei Fraktionsvorsitzenden und die Mitglieder des Verfassungsund Geschäftsordnungsausschusses haben sehr intensiv, konstruktiv und einmütig diese Debatte begleitet. Auch der Magistrat Bremerhaven war durch Herrn Bürgermeister Teiser vertreten. Es war eine sehr zielführende Debatte mit dem Ergebnis, dass wir heute die erste und zweite Lesung vornehmen können.
Anlass der Befassung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses war die Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 5. November 2004 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Regelungen der Mandatsverteilung in den beiden Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven. Danach ist der Gesetzgeber gehalten und vom Staatsgerichtshof aufgefordert worden, regelmäßig die Bevölkerungsentwicklung in den beiden Städten Bremen und Bremerhaven zu prüfen, um den Erfolgswert der Stimmen in den beiden Wahlbereichen so zu prüfen, dass sie nicht vom Landesdurchschnitt abweichen.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Erfolgswerts der Stimmen richtet sich danach, wie viele Stimmen erforderlich sind, um einen Sitz in dem zu wählenden Parlament zu erringen. Dafür ist der Wert der beiden Wahlbereiche jeweils in den entscheidenden Wahlbereichen zu prüfen. Eine relevante Wahlungleichheit liegt dann vor, wenn der Erfolgswert um mehr als fünf Prozent vom Landesdurchschnitt abweicht.
Nach der Anzahl der deutschen Staatsangehörigen zum Stichtag 30. November 2004 entspricht die Mandatsverteilung im Verhältnis 67 zu 16 nicht mehr den durch den Staatsgerichtshof aufgestellten Grundsätzen. Die Zahlen lassen sich im Einzelnen aus der Drucksache, die ich gerade genannt habe, entnehmen. Das bedeutet, dass die Bevölkerungszahl in unserer Schwesterstadt Bremerhaven dramatisch abnimmt und deswegen die Korrektur vorgenommen werden muss. Ein Beibehalten der gegenwärtig gesetzlich vorgesehenen Mandatsverteilung von 67 zu 16 würde dazu führen, dass die nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs maximal zulässige Abweichung der Erfolgswertgleichheit von fünf Prozent weit überschritten würde.
Der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss hat drei verschiedene Lösungsansätze erörtert: erstens
eine Erhöhung der Anzahl der Abgeordneten auf 84 Mandate. Das war ein Begehren, um dem Wahlbereich Bremerhaven seine 16 Mandate zu erhalten. Das hätte den Anforderungen der Grundsätze des Urteils des Staatsgerichtshofs nicht mehr genügt. Auch bei diesem Modell wäre die nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs maximal zulässige Abweichung der Erfolgswertgleichheit von fünf Prozent weit überschritten. Auf die Zahlenangaben ist im Bericht verwiesen.
Darüber hinaus haben sich die Mitglieder des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses gegen eine Erweiterung der Bremischen Bürgerschaft (Land- tag) ausgesprochen, denn das wäre eine Erhöhung, zwar nur um ein Mandat von 83 auf 84, aber wir hatten die Mandate ja zu Beginn der 16. Legislaturperiode von 100 auf 83 gesenkt, um die Kosten der politischen Führung zu minimieren. Das war auch ein Auftrag, dem wir uns gemeinsam unter dem Diktat der Haushaltsnotlage gestellt haben. An dieser Zielsetzung hat sich nichts geändert.
Zweitens: Der Ausschuss hat auch den Vorschlag des Abgeordneten Wedler, FDP, in beiden Wahlbereichen je ein Mandat einzusparen, geprüft, um die Gleichwertigkeit von Bremerhaven zu gewährleisten. Die Berechnungen – hier darf ich auf die Zahlen des Berichts verweisen – haben ergeben, dass die daraus folgende Mandatsverteilung im Verhältnis 66 zu 15 bei der Bürgerschaftswahl 2007 rechtlich nicht zu beanstanden wäre. Die für die Bemessung der Erfolgswertgleichheit der Stimmen zwischen den Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven zulässige Differenz von maximal fünf Prozent wäre nicht überschritten.
Allerdings muss der Gesetzgeber schon jetzt berücksichtigen, dass sich die Bevölkerung in Bremen und Bremerhaven bereits seit einigen Jahren leider gegenläufig entwickelt. Spätestens bei der übernächsten Landtagswahl, also 2011, ist zu befürchten, dass erneut ein Handlungsbedarf dieses Parlaments, also des Gesetzgebers, bestehen könnte, und zwar deshalb, weil bei der Mandatsverteilung von 66 Mandaten für den Wahlbereich Bremen und 15 für den Wahlbereich Bremerhaven die Wahlrechtsgleichheit nicht mehr gewährleistet ist.
Ob eine weitere Reduzierung der auf den Wahlbereich Bremerhaven entfallenden Abgeordnetenmandate – zum Beispiel auf 14, auch das haben wir geprüft – möglich wäre, ist wegen der wahlbereichsweiten Fünfprozentklausel, die in diesem Falle rechnerisch weit überschritten wäre, sehr fraglich. Dies könnte auch dazu führen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass bereits für die übernächste Legislaturperiode, also ab 2011, dann wieder eine Vergrößerung des Landtags erforderlich wäre.
Drittens haben wir geprüft: Die Erfolgswertgleichheit für die Wahl zur 17. Bremischen Bürgerschaft (Landtag) im nächsten Jahr könnte bei gleichbleiben
der Anzahl von 83 Abgeordneten durch eine Veränderung der Mandatsverteilung zwischen Bremen und Bremerhaven, also diesen beiden Wahlbereichen, im Verhältnis 68 zu 15 bewirkt werden. Diese Aufteilung entspricht dem Anteil der deutschen Bevölkerung in beiden Wahlbereichen.
Wie sich aus den Berechnungen im Bericht ergibt, benötigt man im Wahlbereich Bremen – in absoluten Zahlen – 3,05 Stimmen weniger als im Landesdurchschnitt und im Wahlbereich Bremerhaven 13,81 Stimmen mehr, um ein Mandat zu gewinnen. Das entspricht prozentual für den Wahlbereich Bremen 0,20 Prozent und für den Wahlbereich Bremerhaven 0,40 Prozent. Das ist quasi eine Punktlandung, wenn wir bei dem bleiben, was wir Ihnen vorschlagen.
Daraus ergibt sich, dass die Mandatsaufteilung im Verhältnis 68 zu 15 bei 83 Abgeordneten die höchstmögliche Erfolgswertgleichheit der Stimmen in den Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven sicherstellt. Deshalb empfiehlt der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, den Paragraphen 5 Absatz 1 Satz 2 Bremisches Wahlgesetz entsprechend zu ändern. Dies kommt – wie die vorgenannten Zahlen zeigen – einer Punktlandung gleich, ich sagte es. Den Begriff der Punktlandung benutze ich deswegen, weil der Wissenschaftliche Dienst in unserem Haus wunderbar gearbeitet und es auch vorgeschlagen hat.
Die vorgeschlagene Neuregelung entspricht den Anforderungen des Staatsgerichtshofs und dürfte dies auch im Falle einer weiter gegenläufigen Bevölkerungsentwicklung bei der übernächsten Wahl tun.
Lieber Herr Abgeordneter Schildt, ich habe im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss Ihnen und natürlich allen Bremerhavenern versprochen: Wenn die Bevölkerungsentwicklung in der Seestadt Bremerhaven eine Richtung nach oben nimmt – was wir alle wünschen –, dann werden wir uns alle gemeinsam im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss wieder treffen und Korrekturen vornehmen, die dann notwendig sein werden. Ich glaube, das kann das Parlament auch versprechen.
Ich danke also zugleich den Bremerhavenern in diesem Ausschuss, dass sie das gemeinsam getragen haben. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Bericht, den ich Ihnen gerade vorgestellt habe!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wollen heute mit einem Bericht und sogar mit einem Dringlichkeitsantrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses das Bremische Wahlgesetz per Dringlichkeitsantrag ändern. Das Undemokratische dabei ist, dass ich als demokratischer Abgeordneter der Deutschen Volksunion nicht Mitglied dieses Ausschusses sein darf. Dies einmal nur zur Kenntnisnahme!
Ihr undemokratisches Verhalten zeigt mir auch gerade wieder Ihr Zwischenruf. Mir gegenüber habe ich es ja nie anders kennen gelernt, aber was soll es!
Meine Damen und Herren, Sie wollen also, dass die Stadt Bremerhaven ab 2007 aufgrund ihres Einwohnerschwundes einen Sitz an Bremen abgibt. Das hätte zur Folge, dass Bremen mit 68 anstatt vorher mit 67 Abgeordneten in der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vertreten wäre und die Stadt Bremerhaven nur noch mit 15 Abgeordneten anstatt vorher mit 16 Abgeordneten. Damit ist klar, dass Bremerhaven unverhältnismäßig einen sehr großen Einfluss im Land Bremen verlieren würde.
Für mich als Bremerhavener Landtagsabgeordneter der Deutschen Volksunion ist diese Machenschaft einmal wieder ein eindeutiger Beweis dafür, dass die Stadt Bremerhaven und ihre Bevölkerung wieder einmal von Bremen stark benachteiligt werden, ungerecht behandelt werden und sozusagen über das Ohr gehauen werden sollen. Unzählige Beispiele hierfür gibt es ja zur Genüge. Das haben die Stadt Bremerhaven und die Bremerhavener Bevölkerung wahrlich nicht verdient. Diese Machenschaften haben wir in Bremerhaven schon lange genug erleiden und ertragen müssen.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob sich die Bremerhavener Abgeordneten, die diesem Dringlichkeitsantrag wahrscheinlich gleich aus Fraktionszwang zustimmen müssen, darüber im Klaren sind, welche weitreichenden Folgen diese Gesetzesänderung im Einzelnen für die Stadt Bremerhaven und ihre Bevölkerung haben wird. Erstens: Der Einfluss der Bremerhavener Abgeordneten wird auch in ihren Fraktionen deutlich verringert. Das heißt, der Einfluss der Bremerhavener Abgeordneten auf die Landespolitik wird auf Kosten und zu Lasten von Bremerhaven unweigerlich drastisch abnehmen. Zweitens: Durch diese Änderung des Bremischen Wahlgesetzes wird sich selbstverständlich auch der Einfluss in den Ausschüssen und Deputationen zu Lasten der Bremerhavener Bevölkerung deutlich verändern beziehungsweise verringern.
geordneten verantwortungsbewusst bedenken. Sie haben gegenüber der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung eine ganz besonders hohe politische Verantwortung und große Verpflichtung.
Wenn Sie etwas zu sagen haben, kommen Sie nach vorn! Aber da sieht man Sie ja selten! Darüber hinaus weiß ich gar nicht, warum Sie eine solch schwerwiegende Gesetzesänderung per Dringlichkeitsantrag schnellstens durchpeitschen wollen. Sie werden schon Ihre so genannten selbsternannten demokratischen Gründe dafür haben.
Meine Damen und Herren, ich als verantwortungsbewusster Bremerhavener Abgeordneter werde im Interesse und zum Wohl der Stadt Bremerhaven und ihrer Bevölkerung dieser Gesetzesänderung selbstverständlich nicht zustimmen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Tschöpe?