Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe kurdischer Frauen aus der Neustadt. – Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Anlass der heutigen Debatte ist, dass bis heute, zweieinhalb Monate, nachdem die Einrichtung einer Härtefallkommission im Gesetzblatt verkündet und einen Tag später rechtlich in Kraft getreten ist, nämlich am 10. Januar dieses Jahres, weder eine Einladung noch ein Termin für eine konstituierende Sitzung dieser Kommission stattgefunden hat. Ich denke, das ist Anlass, dass sich dieses Parlament, wenn es ernst genommen werden will, mit diesem Thema befassen muss, meine Damen und Herren.
Warum eine Härtefallkommission? SPD, CDU, Grüne und FDP haben im Bundestag und Bundesrat ein Zuwanderungsgesetz beschlossen, dessen Teil das Aufenthaltsgesetz ist, und in diesem Aufenthaltsgesetz wurde erstmals für die Länder in Deutschland die Möglichkeit eröffnet – es ist kein Muss, es ist eine Kann-Bestimmung für die Länder –, in ganz besonderen Ausnahmefällen, wenn humanitäre Härten vorliegen, von den sonst üblichen Bestimmungen des Ausländerrechts abzusehen und sich zu einigen. Die jeweiligen Innenminister und Innensenatoren müssen es dann exekutieren, sich darauf zu einigen, diesen Menschen ein Bleiberecht hier in Deutschland zu gewähren. Es dreht sich, wenn Sie sich die Fälle in anderen Bundesländern anschauen, sehr oft um Fragen von Kindern, Schule und Ausbildung, schweren Krankheitsfällen und anderen humanitären Angelegenheiten. Das heißt, es geht also um eine ernsthafte Sache.
Die Bundesländer haben im Großen und Ganzen diese Aufforderung aus dem Zuwanderungsgesetz aufgenommen. Bis auf Bayern war Bremen das vorletzte Land, das diese Härtefallkommission dann auch eingerichtet hat. Ich nehme einmal das Land Nieder––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sachsen aus, das ein Nebengleis betreten hat, indem man es dem Petitionsausschuss anheim geben wollte, was inzwischen wohl auch gescheitert ist, aber das soll hier auch keine weitere Rolle spielen. Es ist also ein politischer Konsens, sowohl im Bund als auch in Bremen, dass wir dieses Zuwanderungsgesetz mit diesem Passus haben und diese Härtefallkommission einzurichten.
Es gab dann, darüber kann man geteilter Meinung sein, eine Abmachung innerhalb der Koalition zwischen CDU und SPD, dass man sagte, gut, die SPD steht mehr für die Einrichtung einer Härtefallkommission. Wenn sie dann in einem Zug auch der Verabschiedung eines neuen Polizeigesetzes und eines neuen Verfassungsschutzgesetzes zustimmt, dann stimmt die CDU auch der Härtefallkommission zu. Dass das jetzt keine böswillige Behauptung von mir ist, dass es diese Abmachung gab, kann man in einer Presseerklärung des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion nachlesen, Hermann Kleen, der am 24. Februar dieses Jahres sagte: „Die SPD hat ihren Teil der Abmachung treu eingehalten,“ – Zustimmung zum Polizei- und Verfassungsschutzgesetz – „jetzt ist der Innensenator am Zug.“ Dort kann man deutlich nachlesen, dass es diese Abmachungen gab.
Wir halten solche Abmachungen, die sachfremd sind, verschiedene Gesetze, Verordnungen und Themen in einen Topf zu werfen und dann einmal herumzurühren und wieder herauszuziehen, nicht für so sachgerecht. Das Positive an dieser Abmachung ist allerdings, dass auch im Land Bremen wenigstens eine Härtefallkommission dabei herausgekommen ist. Es wäre schöner gewesen, Sie hätten sich aus der Sache heraus zu dieser Härtefallkommission bekannt und nicht als Folge einer solchen Absprache.
Dass es dann trotz dieser Absprache wohl ein ungeliebtes Kind der CDU ist, ist niemandem verborgen geblieben. Das fürchtet die CDU auch nicht, glaube ich, wenn sie sich sozusagen um ihr öffentliches Bild bemüht, mit dem sie gern gesehen werden will. Zur Vorreiterschaft in diesen humanitären Angelegenheiten gehört eine Härtefallkommission nicht, deswegen wird es Sie möglicherweise nicht so hart treffen, wenn ich sage: Es ist auch in der Folge deutlich geworden, dass das ein ungeliebtes Kind der CDU war und offensichtlich bleibt. Nachdem nämlich dann im Bremischen Gesetzblatt die entsprechende Verordnung des Senators für Inneres verkündet worden und die Verordnung in Kraft getreten ist, ist erst einmal nichts passiert. Das heißt, wir warten bis heute auf die Einrichtung und Konstituierung dieser Härtefallkommission.
Nun gibt es mehrere Gründe, die immer wieder ins Feld geführt wurden. Zum früheren Zeitpunkt sagte man: Na ja, die darin vertretenden Nichtregierungsorganisationen – das sind die großen beiden Kirchen,
evangelische und katholische Kirche, und die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände – kommen nicht so richtig voran. Diese drei Vertreter haben noch im Februar – die evangelische Kirche am 24. Februar – ihre Vertreter und Stellvertreter benannt.
Nun hört man, dass der Magistrat Bremerhaven überfällig gewesen wäre, seinen Vertreter zu benennen. Das mag so sein, das wirft auch kein gutes Licht auf den Magistrat Bremerhaven, das soll aber hier gar nicht Gegenstand der Debatte sein. Es ist aber doch wirklich allen klar, wie man verfährt, wenn man als Regierung nun eine solche Härtefallkommission einzurichten hat: Entweder – das ist das Informelle und funktioniert im Land Bremen gewöhnlich sehr gut – man ruft beim Magistrat in Bremerhaven an und fragt: Wie ist es? Wir haben doch hier eine Härtefallkommission. Ihr solltet jemanden benennen. Wer ist das denn? Wann kommt er denn? Wenn man das so nicht machen will, lädt man ein, setzt einen Termin, schreibt dann „N. N.“ hinein, und dann wird in den meisten Fällen in der Zwischenzeit ein Vertreter des Magistrats benannt worden sein, oder aber man macht eine konstituierende Sitzung, lässt den Stuhl offen und lässt den Vertreter Bremerhavens dann eben nachbenennen. Ich bin mir ganz sicher: Wenn wir einen Termin gesetzt und eine konstituierende Sitzung einberufen hätten, wäre auch ein Vertreter Bremerhavens erschienen.
Das ist aber alles nicht der Punkt. Ich glaube, es geht hier um die Frage: Sind wir verpflichtet – auch wenn wir Gesetze und Verordnungen politisch vielleicht nicht so besonders mögen, und das gibt es bei Ihnen, das gibt es bei den Sozialdemokraten, das gibt es auch bei Grünen, wo Sie regiert haben und in Zukunft wieder regieren werden –, als die Regierung eines Landes unsere eigenen im Gesetzblatt verkündeten Verordnungen ernst zu nehmen und dann auch die nötigen verwaltungsmäßigen Schritte einzuleiten, dass diese Härtefallkommission auch tatsächlich tagen kann?
Der innenpolitische Sprecher der SPD sieht das offensichtlich so, denn in der von mir schon erwähnten Presseerklärung vom 24. Februar 2006, und das war vor einem Monat, mahnt er ganz dringend, diese Kommission nun endlich ganz schnell und sofort einzuberufen. Ich finde, dass er damals Recht hatte, und ich finde auch, dass dann ein Parlament, wenn einen Monat später immer noch nichts passiert ist, selbstverständlich eine Landesregierung auffordern kann und muss, dem dann endlich nachzukommen und hier für einen ordnungsgemäßen Vollzug einer solchen Verordnung zu sorgen.
Es geht hier nicht um Petitessen, sondern es geht hier für die Betroffenen um absolut lebenswichtige Entscheidungen. Ich weiß wohl, dass der Innensenator verkündet hat, dass Betroffene in der Zwischenzeit nicht abgeschoben werden können. Trotzdem ist es natürlich so: Wenn eine solche Kommission nicht exis
tiert, werden sehr viele davon abgeschreckt sein, bei einer Kommission, die es nicht gibt, einen Antrag zu stellen. Erst wenn man dazu steht, diese Kommission zu konstituieren, wenn man sie öffentlich macht und weiß, dass sie nun arbeitet, dann werden sich auch diejenigen, die dort auf glühenden Kohlen sitzen, weil sie möglicherweise von einer Abschiebung bedroht sind, aber vernünftige und nachvollziehbare humanitäre Gründe ins Feld führen können, auch an diese Kommission wenden können, und genau diese Chance haben Sie den Menschen bisher verbaut, meine Damen und Herren.
Ich finde, wir sollten keinen Kindergarten aus unserem eigenen Regierungshandeln machen. Wir sollten, wenn wir eine solche Verordnung in das Gesetzblatt stellen, unverzüglich darangehen, dies auch umzusetzen. Eine solch humanitäre Frage sollte kein Gegenstand von handeln zwischen Parteien und Koalitionsfraktionen sein, wie dies offensichtlich der Fall war, jedenfalls hat es der Kollege Kleen in seiner Presseerklärung so interpretiert. Wir sollten unverzüglich den Anforderungen nachkommen, eine solche Kommission auch einzusetzen.
Ich weiß, die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände sind bereit, und inzwischen ist auch Bremerhaven bereit. Nun fehlt noch die Einladung des Innensenators zu einem konstituierenden Termin. Der Antrag heute in der Bürgerschaft sagt, dass wir als Parlament erwarten, dass dieser Termin in den nächsten 14 Tagen stattfindet, und ich finde, es ist noch nicht einmal etwas Besonderes, sondern eher etwas Selbstverständliches, dass ein Parlament eine solche Umsetzung anmahnt. Ich gehe davon aus, dass dieser Antrag heute hier in diesem Parlament angenommen wird. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Herr Dr. Güldner hier vorgetragen hat, ist völliger Schwachsinn und entbehrt jeder Grundlage, ich muss das so deutlich sagen!
Ich will an allererster Stelle die Unverschämtheit zurückweisen, dass Sie behauptet haben, dass die Fraktion oder die Christlich Demokratische Union keine Interesse an humanitären Fragen hätte. Das ist eine Unverschämtheit!
Gerade Mitglieder dieser Fraktion und dieser Partei brauchen sich Vorwürfe von Ihnen, Herr Dr. Güldner, nicht gefallen zu lassen, das will ich vorwegschicken.
Ich kann die Aufregung auch nicht verstehen, die Sie hier versuchen zu konstruieren. Ich will darauf hinweisen, dass wir unmittelbar, nachdem die Verordnung veröffentlicht worden ist, alle betroffenen Institutionen gebeten haben, uns die entsprechenden Vertreter zu benennen. Der Magistrat der Stadt Bremerhaven hat sich am 16. März 2006, also vor einer Woche, in der Lage gesehen, seinen Vertreter für diese Kommission zu entsenden. Es hat keinen Sinn, eine Sitzung einer Kommission einzuberufen, die nicht vollständig benannt worden ist. Das hat es auch noch nicht gegeben, und dass ein N. N. an einer Sitzung teilnimmt, halte ich für völlig ausgeschlossen.
Wir haben die vorbereitenden Maßnahmen trotzdem, und zwar ohne irgendein Zutun der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in die Wege geleitet. Obwohl wir eine haushaltslose Zeit haben, Herr Dr. Güldner, wird die Geschäftsstelle dieser Kommission ab dem 1. April 2006 besetzt sein. Sie können sich vorstellen, dass mit der Geschäftsstelle dieser Kommission ein erheblicher Arbeitsaufwand verbunden ist. Wir leben in einer haushaltslosen Zeit, Einstellungen sind mir nicht möglich, auch für diese betroffene Geschäftsstelle nicht. Gleichwohl werden wir die volle Geschäftsfähigkeit der Geschäftsstelle in der haushaltslosen Zeit zum 1. April 2006 herrichten.
Es passiert auch in der Zwischenzeit keinem Flüchtling irgendwelches Ungemach. Wir haben nämlich mit Erlass vom 23. Januar 2006 festgestellt: „Sofern in dem Zeitraum zwischen Verkündung der Verordnung und Konstituierung der Härtefallkommission sowie Einrichtung der Geschäftsstelle bei den Ausländerbehörden einzelfallbezogen dargelegt wird, dass ein entsprechender Härtefall an einen Vertreter der Härtefallkommission herangetragen wird, legt die Ausländerbehörde den Fall der senatorischen Behörde zur Entscheidung über die Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vor.“
Es hat bisher keine einzige aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bremen gegeben, die an der Konstituierung der Härtefallkommission gescheitert ist, im Gegenteil. Es hat sicherlich einige Fälle gegeben, die an uns herangetragen worden sind, in denen wir bei einer abschließenden Befassung durch die Härtefallkommission vielleicht die eine oder andere aufenthaltsbeendende Maßnahme schon hätten durch
führen können. Daran vermögen Sie zu erkennen, dass wir mit allem Nachdruck und natürlich auch mit aller Ernsthaftigkeit und nicht um des Populismus willen wie Ihre Debatte, die Sie hier vom Zaun brechen, dieses Thema sachgerecht und vernünftig bearbeiten. Ich glaube, dass den Interessen der davon betroffenen Menschen wesentlich mehr gedient ist als mit der von Ihnen angezettelten Debatte. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass ein Bürgermeister und Senator unserer Hansestadt gegenüber dem innenpolitischen Sprecher einer demokratisch gewählten Fraktion hier damit kontert, dass er ihm Schwachsinn vorwirft, ist eine Qualität, die man, finde ich, als Parlamentarier nicht hinnehmen darf.
Die Auseinandersetzung, um die es hier geht, ist tatsächlich eher Anlass, unaufgeregt miteinander umzugehen. Ich weiß nicht, was den Bürgermeister so aufgeregt hat, dass er sich dieser Wortwahl bedient hat, aber es wäre sowohl ein Zeichen von Größe als auch von Souveränität, dass er sich an dieser Stelle für diese Wortwahl entschuldigt.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das macht er nicht! Er hat noch nie etwas falsch gemacht!)
An der inhaltlichen Auseinandersetzung ändert es leider nichts. Die CDU hat mit dieser Härtefallkommission ein Problem. Das ist seit langem so.
Das ist auch nichts, was sie als Vorwurf auffassen würde, sondern es ist so. Das darf selbstverständlich den von der CDU gestellten Bürgermeister und Innensenator nicht dazu verleiten, sein Amt nicht wahrzunehmen, aber er macht es ja nicht allein. Er hat eine zuständige Referentin, die gute Arbeit leistet, er hat eine Abteilungsleiterin, die erst seit wenigen Wochen in diesem Amt ist und die sich anstrengt, auch in diesem neuen Bereich gute Arbeit zu leisten, und beide haben seit Mitte vergangenen Monats mit Volldampf daran gearbeitet, jetzt die Aufgabe Härtefallkommission anzuschieben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Der Senator hat darauf hingewiesen, dass gewisse Rahmenbedingungen im Moment nicht erfüllt werden können. Die Geschäftsführung muss die Mitarbeiterin neben ihren vielen anderen Aufgaben wahrnehmen, und die Personalausstattung kann nicht verstärkt werden. Auch dazu sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der senatorischen Behörde bereit, und ich finde, das ist überaus anerkennenswert.