Hören Sie zu! „Die Kleinfamilie Vater, Mutter, Kind beziehungsweise in Ausnahmefällen Kinder wird den Bedürfnissen vieler Menschen nicht gerecht. Sie wünschen sich stattdessen Beziehungen auf Zeit, Beziehungen mit mehr als einer Person, Freundschaften und Sex.“
Meine Damen und Herren, das ist eine ganz klare Aussage Ihrer grünen Jugendorganisation. Meine Damen und Herren, das ist Ihre Familienpolitik, so sieht Ihre Abschaffung der Familie mit all Ihren Moralvorstellungen aus. Falls ich etwas Falsches zitiert habe, können Sie jetzt gern nach vorn kommen und das berichtigen oder das widerlegen. Das aber dürfte Ihnen nicht gelingen, weil ich wie immer Recht habe. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf alles eingehen, was Herr Tittmann gerade gesagt hat. Ich möchte nur sagen, dass ich es unglaublich finde, dass wir hier über das Thema Sexualkundeunterricht reden
und Herr Tittmann es wieder einmal geschafft hat, das ganze Thema rassistisch aufzubrezeln, dass er es geschafft hat, das zu einem Thema zu machen, bei dem es wieder einmal darum geht, seinen Ausländerhass hier am Rednerpult vorzutragen. Ich glau
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir dürfen, glaube ich, einen Eindruck nicht vermitteln, nämlich dass es beim Sexualkundeunterricht vor allem um HIV-Prävention und um das Verhindern von Jugendschwangerschaften junger Mädchen geht. Die Universität Nürnberg, Professor Wittenberg, hat 2005 eine Studie veröffentlicht unter dem Titel „Aufgeklärt, doch ahnungslos“. Ein Problem, das von den befragten Schülerinnen und Schülern genannt worden ist, ist, dass die Verhütung zum „Vermeidungsthema für brennende Fragen zur Sexualität“ verkommt. Schülerinnen und Schüler beklagen das. Sie haben weniger Fragen zur Verhütung von Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten, sondern nach ihrer Auffassung soll es um Liebe und Zärtlichkeit gehen, Kompetenzen für Partnerschaft und Sexualität sind gefragt.
Wenn die Große Anfrage, die wir hier diskutieren, den Titel „Sexualerziehung und Aufklärung an Schulen im Lande Bremen“ trägt, sich dann aber fast nur mit Fragen zu Aids und Jugendschwangerschaften beschäftigt, dann atmet diese Große Anfrage genau den Geist, den es zu überwinden gilt.
Trotzdem will ich anerkennen, dass es ein richtiges Ergebnis dieser Anfrage ist, dass der Bildungssenator den Leitfaden zur Sexualerziehung aktualisieren will. Der alte ist immerhin von 1987, seitdem hat sich einiges getan. Überarbeitung heißt nicht, dass das Alte schlecht war, sondern dass es an eine veränderte Realität angepasst werden muss. Wichtig beim neuen Leitfaden ist dabei vor allem die Diskussion an sich, die erneute und verbesserte Verankerung der Inhalte von Sexualerziehung. Es muss auf dem Papier auch nicht so viel anderes herauskommen als bei dem Teil von 1987. Es geht nicht im Wesentlichen um mehr Themen, die angesprochen werden sollen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat 2004 eine Expertise erstellen lassen, die die Ansprüche der Lehrpläne in den Bundesländern auswertet. Danach hat Bremen trotz des Alters der Regelungen einen sehr fortschrittlichen Anspruch, einziger Wermutstropfen: Das Thema Sexualität von Behinderten wird nicht angesprochen. Selbstverständlich muss das ergänzt werden.
Auch bei den methodischen Anleitungen für Lehrerinnen und Lehrer kann sich der alte Bremer Leitfaden im Bundesvergleich sehen lassen. Ich denke, das kann man hier an dieser Stelle auch einmal sagen, Handlungsbedarf ist vor allem in Bayern festgestellt worden. Bei einer Überarbeitung könnte man
Die Wissenslücken, die in zahlreichen Studien seit Jahren immer wieder dargelegt werden, lassen sich nicht mit schlechten Konzepten, sondern allenfalls mit einer schlechten Praxis erklären. Aber auch hier ist Vorsicht angesagt. Zwar erschrecken Einzelbefunde, wie sie auch vom Kollegen Bensch genannt worden sind, immerhin ein Viertel der Befragten glaubt zum Beispiel, Aufpassen sei ein sicheres Verhütungsmittel, allerdings muss man auch vernünftige Maßstäbe behalten. Wenn man Elf- bis Siebzehnjährige befragt, dann verwundern nicht alle Wissenslücken, und es würde mich eher überraschen, wenn auch alle Elfjährigen alle Fragen zu dem Thema richtig beantworten könnten. Wenn seit Jahren immerhin konstant weit über 95 Prozent zumindest ab dem zweiten Geschlechtsverkehr richtig verhüten, ist auch nicht alles falsch gelaufen.
Inwieweit der geltende und der künftige Leitfaden umgesetzt werden, das ist sicherlich das Hauptproblem, wenn wir die Praxis an den Schulen verbessern wollen. Der Leitfaden ist aus gutem Grund kein fertiges Unterrichtskonzept, das genau für einzelne Unterrichtsstunden vorschreibt, was zu tun ist. Jede Schulklasse ist anders, in jeder Lerngruppe müssen zu unterschiedlicher Zeit andere Fragen beantwortet werden. Es ist aber immer noch so, dass vielerorts eben gerade nicht mehrere Lehrer in einem Team zusammenarbeiten, die Unterrichtsinhalte aufeinander abstimmen oder Projektunterricht durchführen, sondern es ist von der Lust oder Unlust der Pädagogin oder des Pädagogen abhängig, was konkret im Unterricht passiert. Das müssen wir überwinden, nicht nur im Bereich der Sexualerziehung, aber auch und gerade dort.
Gefordert ist ein ganzheitlicher Sexualkundeunterricht, in dem es nicht vor allem um Wissensvermittlung geht. Ich zitiere aus der Studie der Bundeszentrale: „Bloße Information über die Existenz von Verhütungsmitteln reicht nicht aus, wenn Jugendliche nicht auch gleichzeitig befähigt werden, sich über ihre Anwendung zu verständigen. Sexualerziehung muss deshalb über reines Faktenwissen hinausgehen und den Kindern und Jugendlichen Handlungswissen vermitteln, das Orientierung bietet.“ Nach der Nürnberger Studie geht es darum, dass die für das eigene sexuelle Leben der Jugendlichen wichtigen Inhalte in der Schule nicht zu kurz kommen dürfen, und zwar deshalb, weil sonst keine Bezüge hergestellt werden können zu einem Unterrichtsstoff, der gelernt, geprüft und vergessen wird wie alles andere auch. In dieser Studie wird zitiert: „Die Annahme, man müsse bereits alle Zwölf- bis Vierzehnjährigen ausreichend mit Informationen über Verhütungsmittel versorgen, um ja nicht ,zu spät’ zu sein, ist zwar verständlich, bringt aber in der Realität nicht das gewünschte Ergebnis. Warum sollte es für Jugendliche möglich sein, sich scheinbar langweilige Details über
Verhütungsmethoden zu merken, wenn in ihrem Leben das Thema Verhütung im Moment gar keine Rolle spielt?“
Lange Rede, kurzer Sinn: Sexualerziehung funktioniert dann am besten, wenn sie ganzheitlich geschieht und wenn sie nicht etwa auf Krankheiten und ungewollte Schwangerschaften verkürzt wird,
wenn es gelingt, den Schülerinnen und Schülern altersgerecht individuelle Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Da hat Bremen ein gutes Konzept, das natürlich weiter verbessert werden kann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir brauchen hier aber auch keine Fensterreden für das richtige und gegen das falsche Bewusstsein. Problematisch an der aktuellen Organisation des Sexualkundeunterrichts ist, dass für die bestehenden bewährten Kooperationen zwischen Schulen und Beratungseinrichtungen immer weniger Geld zur Verfügung steht. Wenn Pro Familia eine Beratungsveranstaltung durchführt, dann muss sie Geld dafür nehmen, weil die Institution selbst nicht mehr so viel zur Verfügung hat, dass sie ohne zusätzliche Geldeinnahmequellen ihrem eigentlich Auftrag nachkommen kann, nämlich Sexualaufklärung zu leisten. Schulen müssen Veranstaltungen bei Pro Familia, beim Rat- und TatZentrum für Schwule und Lesben oder bei der Aidshilfe aus ihrem Etat bezahlen. Da wird dann schnell am falschen Ende gekürzt. Statt effektiver Projektwochen oder -tage kann dann nur eine Zweistundenveranstaltung finanziert werden.
Gestern stand in der „taz“, dass die Aidshilfe bis 2003 zirka 40 bis 50 Schulklassen im Jahr beraten hat. Heute sind es gerade einmal 16. Der Grund: Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der SPD, haben die Mittel für die Aidshilfe im Jahre 2003 gestrichen und darauf dann ja mit Sekt angestoßen. Es ging damals um 80 000 Euro. Mit dem Haushalt, den Sie vorgelegt haben und der demnächst beschlossen werden soll, wollen Sie über alle Maßen hinaus zusätzlich 103 Millionen Euro für weitere Investitionen ausgeben, um Ihren Koalitionsfrieden zu retten. Der Frieden in Ihrer Koalition kostet 103 Millionen Euro, die Aidshilfe wäre für 80 000 Euro zu haben gewesen.
Für 103 Millionen Euro hätte man knapp 1300 Jahre Aidshilfe finanzieren können. Ich finde, das gehört zu einer ehrlichen Debatte über Sexualerziehung in Bremen dazu. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe sehr konzentriert den Rednerinnen und Rednern der demokratischen Parteien zugehört und kann den Beiträgen im Wesentlichen nur zustimmen. Insbesondere überzeugt mich natürlich auch, das sage ich selbstkritisch zur Antwort, dass man das nicht nur reduzieren darf auf eine Betrachtung, wie verhindern wir Schwangerschaften und wie bekämpfen wir Aids. Wenn das als Reduktion zum Thema Sexualerziehung und Aufklärung an Schulen stehen bliebe, wäre das eine völlig falsche Einschätzung.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns, wenn wir jetzt den Leitfaden neu erarbeiten, mehr dem Schwerpunkt widmen, was eigentlich der Stellenwert der eigenen Sexualität ist, dass wir den Schülerinnen und Schülern diese Hauptfrage mit auf den Lebensweg geben. Es gibt kaum eine Frage, die von den Jugendlichen so interessiert diskutiert wird wie ihre eigene Sexualität, aber es gibt keinen Raum, wo die Schülerinnen und Schüler so unsicher sind wie bei ihrer eigenen Sexualität. Ich glaube, dass hier Handlungsbedarf vorliegt. Ich bin deshalb auch dankbar, dass wir die Diskussion hier heute Morgen geführt haben.
In der Vorbereitung auf diese Sitzung habe ich mir sehr aufmerksam den Leitfaden zur Sexualerziehung angesehen. Zuerst habe ich ja auch wie Sie einen Schock bekommen und gesagt, um Gottes willen, 1987 ist er erarbeitet worden. Er ist immerhin 53 Seiten stark mit 40 großen Themen und selbstverständlich, Gott sei Dank, nicht nur reduziert auf Schwangerschaftsverhütung und Aidsbekämpfung, sondern es geht da um viele Dinge, die richtig angesprochen worden sind. Man wird, Herr Bensch, auch nicht alles neu erarbeiten müssen, sondern man muss es aktualisieren, wenn Themen wie Sexualität von Behinderten nicht enthalten sind, wenn wir jetzt ein Thema haben, das ich noch in diese Debatte einbringen würde, Religion und Sexualität. Wir haben in unseren Schulklassen, das wissen Sie, vielfältigste Religionen, und da müssen wir uns auch auf diese Frage einstellen. Wir müssen uns auch mit der Frage Migranten und Sexualität, die Frau Böschen angesprochen hat, beschäftigen. Dort gibt es Probleme, die wir vorher auf diese Art und Weise nicht hatten.
Herr Bensch, ich teile Ihre Auffassung, dass wir diesen Leitfaden überarbeiten müssen. Wir müssen damit aber nicht bis 2008 oder 2007 warten, sondern ich denke, wenn wir eine Arbeitsgruppe daransetzen, wird man diesen Leitfaden auch bis zum Ende dieses Jahres 2006 überarbeiten und dann auch dem Haus beziehungsweise, viel wichtiger, den Schulen zur Verfügung stellen können. Da folge ich Ihrem Rat
Meine Damen und Herren, insgesamt ist die Aufgabe der Sexualerziehung und Aufklärung nicht nur eine schulische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Frage: Wie gehen wir insgesamt damit um? Schule kann nicht alles reparieren, was in der Gesellschaft zerstört, in Frage gestellt wird oder wie der Umgang damit ist. Bei der Diskussion heute Morgen sind verschiedene Medien angesprochen worden. Das beeinflusst die Jugendlichen viel stärker, als wir das gern wünschen, das ist ohne Frage richtig. Wir müssen aber das, was wir in den Händen haben, im Unterricht und bezogen auf einzelne Situationen aktualisieren, denn wir bereiten unsere Lehrerinnen und Lehrer ja vor zu sagen: Hier habt ihr den Unterricht, da sind die Unterrichtsstoffe. Die Rahmenbedingungen, die wir übrigens in dem Bereich haben, gehen auf 2003 zurück, das heißt, vom Rahmenkonzept, von den Lehrplänen, haben wir es etwas aktualisiert, aber der Leitfaden muss dringend korrigiert werden.
Wenn wir die Lehrerinnen und Lehrer diesbezüglich entsprechend weiter unterstützen und weiter vorbereiten, dann sind wir auf einem guten Weg. Insofern muss ich mich in diesem Fall einmal richtig bedanken für den Hinweis auf eine kleine, aber wichtige Baustelle. Die Diskussion heute Morgen, wenn ich von einem Beitrag absehe, hat sich für mich jedenfalls gelohnt, und ich denke, dass wir das auch entsprechend umsetzen werden. – Ich danke Ihnen!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
Auf dem Weg zum Abitur nach zwölf Jahren Organisatorische Entwicklung des achtjährigen gymnasialen Bildungsganges
die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Auch hier, Herr Senator, werden Sie darauf verzichten, so dass wir gleich in die Aussprache eintreten können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage, die die SPDFraktion gestellt hat, ist überschrieben mit „Auf dem Weg zum Abitur nach zwölf Jahren – Organisatorische Entwicklung des achtjährigen gymnasialen Bildungsgangs“. Wir haben hier alle gemeinsam beschlossen, dass wir den gymnasialen Bildungsgang von 13 auf insgesamt zwölf Jahre verkürzen. Das bedeutet natürlich, dass man länger in der Schule verweilen muss. Ungefähr sieben bis acht Unterrichtsstunden pro Tag und Pause können wir rechnen, zuzüglich Arbeitsgemeinschaften, manchmal inklusive Wahlangeboten.