Das Dritte ist: Die geduldeten Personen sind zahlenmäßig in der Tat gleich geblieben. Das liegt aber sicherlich auch daran, dass auf der einen Seite eine große Zahl dieser Menschen nicht freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt ist, obwohl sie dazu veranlasst gewesen wären, weil rechtskräftig und letztinstanzlich festgestellt worden ist, sie müssten wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Die Herausnahme der Duldung nach Paragraf 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz, Herr Dr. Güldner, halte ich im Angesicht dessen, was im Moment diskutiert wird, für nicht mehr realisierbar oder für überflüssig, sie noch zu realisieren. Ob das möglich ist oder nicht, lassen wir dann dahingestellt. Ich setze da dann doch schon auf die einheitliche Haltung der Innenminister des Bundes und der Länder.
Meine Damen und Herren, bevor ich es vergesse – der Kollege Kleen hat es eben auch vergessen –, will ich sagen, wir möchten diesen Antrag an die Innendeputation überweisen und würden dort auch noch einmal im Detail und in die Tiefe hinein sicherlich uns darüber unterhalten können; auch dies in Anbetracht der Tatsache, dass die Innenminister ja schon sehr weit in dieser Zielrichtung vorgedrungen sind und insofern auch zu erwarten ist, dass sie voraussichtlich in der Sitzung im November, glaube ich, dann auch eine Entscheidung herbeiführen werden. Auf ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
dem Wege dahin ist sicherlich noch eine Reihe von Problemen rechtlicher oder auch tatsächlicher Natur zu klären.
Insbesondere aber, denke ich, ist die Zielrichtung klar, die da lautet, ich darf das mit Genehmigung des Präsidenten zitieren: „Ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen, die faktisch, wirtschaftlich und sozial im Bundesgebiet integriert sind und bei ihrer Rückkehr eine eigenständig geschaffene und gesicherte Lebensgrundlage aufgeben müssten, soll auf der Grundlage des Paragrafen 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz ein Bleiberecht gewährt werden.“ Das ist die Zielrichtung, und da werden wir dann sicherlich auch ein Ergebnis hören. Ich habe gesagt, auch der Antrag, in dem Punkt die Regelung von Berlin zu übernehmen, ist im Grunde hinfällig, weil die Innenminister hier so weit in der Beratung vorgedrungen sind.
Es ist auf der anderen Seite aber auch – und das will ich hier auch nicht verhehlen – sicherlich richtig, die ganze Geschichte nicht zu pauschal zu betrachten, sondern sehr wohl zu differenzieren und eben nicht nur auf Grundlage der Frage zu entscheiden, hat jemand eine Straftat begangen, sondern auch darüber hinaus zu schauen, um welche Personenkreise handelt es sich, welche Grundlagen, welchen Status haben sie et cetera, insbesondere auch, warum sind sie hierher gekommen. Da differenziere ich schon zwischen Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern oder aber auch Ausländern, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen hier in unser Land gekommen sind und die nach meinem Erkenntnisstand die Gruppe darstellen, die am wenigsten auffällig ist, ob positiv oder negativ, die sich mit anderen Worten integriert und in das soziale Gefüge eingefügt hat.
Insofern ist auch die Frage, die hier immer so in den Raum gestellt wird, wer integriert ist, der soll es sein, welche Kriterien führen wir dazu an! Außer der deutschen Sprache – darüber hatten wir gestern schon gesprochen – gibt es meines Erachtens auch noch andere Kriterien, die berücksichtigt werden müssen, um feststellen zu können, diese Menschen haben sich hier sich so in diesem Sinne, wie es auch die Innenminister anstreben, wirklich integriert. Man müsste vielleicht einmal etwas genauer darüber nachdenken, welche Kriterien und welcher Maßstab da angesetzt werden sollen.
Ich habe auch noch leichte Bauchschmerzen, wenn diese Menschen – natürlich richtigerweise – in Beschäftigung überführt werden sollen, wer denn diese Beschäftigung jeweils tatsächlich überprüft, insbesondere dann, wenn vorgelegt wird, ich bekomme dort oder dort Arbeit. Wer prüft dann nach, dass tatsächlich die Arbeit aufgenommen wird et cetera? Das sind sicherlich Details, aber, ich meine, nicht ganz unwichtige Details, denn wir wissen, dass es auch viele Menschen in diesem Personenkreis gibt, die eben alles daransetzen, hier bleiben zu können, und dabei nicht immer so genau hinschauen, was denn eigentlich er
forderlich ist und was nicht. Ich will damit sagen, dass sie teilweise sogar auch gegen Recht verstoßen.
Meine Damen und Herren, deswegen und weil ich glaube, dass wir gut daran tun, in dieser Frage wirklich differenziert vorzugehen und das Ganze nicht nur unter Zugrundelegung der Kriterien wirtschaftlich und sozial integriert zu betrachten, sollten wir uns auch darauf konzentrieren, was sich real auch aus Teilen dieses Personenkreises ergibt und vollzieht. Das ist auch nicht immer das, was wir eigentlich in diesem Zusammenhang erwarten.
Ich will hier jetzt nicht, weil es so toll ist, noch einmal auf das Jahr 1999 zurückgehen. Ich will aber daran erinnern, dass es damals zum Beispiel eine Berichterstattung gab, Märchen aus 1001 Nacht, die Polizei deckte den bundesweit größten Fall von Asylbetrug auf. Der Schaden beträgt mehr als 20 Millionen DM. Diesen Personen, die mittlerweile in Teilen, weil sie noch nicht abgeschoben worden sind, nicht abgeschoben werden konnten und auch nicht freiwillig ausgereist sind, muss man allerdings sehr kritisch gegenüberstehen, auch wenn sie hier mittlerweile 18 und 20 Jahre aus den verschiedensten Gründen leben. Ich will das hier jetzt nicht alles aufzählen, aber es reicht vom Widerspruch bis zum obersten Gerichtsspruch und dann anschließend neue Klageverfahren für jedes einzelne Familienmitglied und so weiter bis hin zur Reiseunfähigkeit einer Person dieser Familie und dann Verbleib hier im Lande.
Dorthin müssen wir also kritisch sehen, genauso wie wir kritisch sehen müssen, was in Bezug auf wirtschaftliche Integration stattgefunden hat. Ich will nur beispielhaft sagen, und das ist leider auch die Realität, dass sich zum Beispiel im Autohandel blühende Landschaften aufgetan haben. Wer einmal näher hinschaut, wird seine wahre Freude haben, abgesehen davon, dass dort für den Staat erhebliche Steuern verloren gehen und so weiter. Das sind also alles Dinge, die man sehen muss.
Wenn man über Integration redet, muss man auch sehen, dass nicht alles positiv ist, was Integration darstellt. Wir haben es damit zu tun – und da bitte ich auch wirklich, die Realität zu sehen –, dass wir in verschiedensten Stadtteilen zumindest Anfänge von Ghettoisierung haben. Ich fahre mit dem Fahrrad oft durch Huckelriede. Da stelle ich fest, dass ein Haus nach dem anderen von Ausländern aufgekauft wird und dass sich dort Vereine bilden, die nicht kontrolliert werden. Ich will nicht gleich unterstellen, dass dort etwas Schlechtes passiert und möglicherweise kriminelle Handlungen vorgenommen werden, aber wir müssen darauf achten, dass sich das nicht erweitert und wir letztendlich, wie in einigen Stadtteilen in Berlin, nicht auch in unserer Stadt solche Verhältnisse bekommen.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass es richtig ist, hier im Rahmen dieser Regelungen, die angestrebt werden, auch so zu verfahren, dass wir das Ganze
sehr differenziert in den Vollzug bringen. Ich erinnere auch daran, dass das Zuwanderungsgesetz auch ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz ist.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Berliner Republik setzt sich zurzeit die Erkenntnis durch, dass alles mit allem zusammenhängt. Diese Erkenntnis kann man auch in Bremen spüren. Von der Diskussion über die Frage eines Pilotprojektes in Berlin und die damit zusammenhängende Frage der Ausräumung der Vorrangberechtigung über die gestrige Diskussion zur Novellierung des Zuwanderungsgesetzes bis heute zur Bleiberechtsregelung hängt natürlich auch im Ausländerbereich irgendwie alles mit allem zusammen.
Der Einzige, der noch Schwierigkeiten hat, diese komplexen Zusammenhänge zu erkennen, ist – und auch das überrascht nicht – jemand, der eher in einfachen Parolen denkt. Herr Tittmann, es ist eben nicht wie bei Pippi Langstrumpf, dass man sich die Welt so machen kann, wie sie einem gefällt! Deshalb ist auch die Frage der Bleiberechtsregelung eine sehr schwierige Fragestellung, über die man an vielen einzelnen Punkten noch unterschiedlich nachdenken muss.
Ich glaube, dass man trotzdem mit einer gewissen Selbstverständlichkeit für sich selbst zunächst einmal eine Grundhaltung entwickeln muss. In der Grundhaltung unterscheiden wir uns sicherlich, Herr Dr. Güldner, bei allen Gemeinsamkeiten, die Sie mit mir zusammen in den letzten Wochen und Monaten entdeckt haben. Wir unterscheiden uns in den grundsätzlichen Fragen, erstens: Wollen wir aus anderen Gründen einen weniger gesteuerten Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern nach Deutschland? Da sage ich ganz klar nein, ich bin mit den Regelungen des Zuwanderungsgesetzes, insbesondere mit der Beibehaltung des Anwerbestopps, einverstanden. Dann stellen sich auch die Fragen: Wie gehen wir mit hier lebenden Flüchtlingen um? Wollen wir eine Bleiberechtsregelung, wie Herr Wedler das angedeutet hat, für alle, die hier noch in Deutschland leben, obwohl sie eigentlich ausreisepflichtig sind, oder wollen wir auch hier unterscheiden?
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin dafür, dass wir an dieser Stelle auch weiterhin sehr deutlich unterscheiden, und wir haben auch eine Verantwortung dafür, zwischen denen zu unterscheiden, die wirtschaftlich und sozial hier in Deutschland integriert sind – für die müssen wir eine Lösung finden –, und denjenigen, die sich außerhalb unserer Gesellschaft stellen und auch weiterhin stellen werden. Für diese müssen wir auch eine Lösung finden, und diese
Lösung kann allerdings nur Abschiebung heißen, das ist meine feste Überzeugung. Deswegen habe ich auch nichts von dem, was ich hier im Parlament an einigen exemplarischen Stellen der Vergangenheit gesagt habe, zurückzunehmen.
Es ist für mich selbstverständlich, dass einer, der auf der Diskomeile wie ein Geisteskranker auf Unschuldige schießt und Ausländer ist, nach strafrechtlicher Verurteilung unser Bundesland und Deutschland zu verlassen und in seine Heimat zurückzukehren hat!
Deswegen dürfen wir auch nicht nachlassen in dem Bestreben sowohl bei den hier lebenden Ausländern, die auch über eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis verfügen, aber auch bei denen, die wir hier in Deutschland nur dulden: Diejenigen, die straffällig sind, müssen den Aufenthalt in Deutschland beenden und in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Das ist eine der Grundvoraussetzungen. Da muss man unterscheiden, da gibt es keine standardisierte Lösung. Da muss es unterschiedliche Lösungen geben.
Die zweite Frage, die sehr unterschiedlich dazu gesehen werden muss, ist: Wie gehen wir mit denen um, die nur noch hier sind, weil sie sich selbst über Tricks, Tarnung und Täuschung der bisherigen Ausreise und Abschiebung widersetzt haben? Auch da bin ich für eine sehr differenzierte Lösung. Ich höre bei Ihnen eher heraus, dass Sie sagen: Im Prinzip sollten wir damit großzügig sein. Ich sage ganz offen: Nein! Wir können nicht diejenigen belohnen, die sich ihrer Abschiebung am geschicktesten widersetzt haben, weil wir damit gleichzeitig diejenigen bestrafen, die sich rechtstreu verhalten und nach Ablehnung ihres Asylantrags entweder freiwillig aus Deutschland abgereist sind oder durch uns haben abgeschoben werden müssen.
Wir müssen eine gerechte Lösung finden, und das bedeutet, dass wir bei den rund 3500 hier lebenden geduldeten Flüchtlingen in Bremen und Bremerhaven natürlich zunächst einmal auf die größte Gruppe schauen müssen. Die größte Gruppe sind mit 1800 Menschen immer noch diejenigen, die keine Pässe oder Passersatzpapiere haben. Sie haben sie nicht deshalb nicht mehr, weil wir sie ihnen weggenommen haben, sondern sie haben sie nicht mehr, weil sie sie entweder an Schleuserbanden weggeben haben, weil sie uns bewusst und gewollt über ihre wahre Identität getäuscht haben, um sich einen längeren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, oder weil sie die Ausweispapiere selbst vernichtet haben. Ich möchte diese Menschen jetzt nachträglich nicht durch einen verfestigten Aufenthaltsstatus in Deutschland belohnen. Das wäre nicht gerecht!
Aus diesem Grund bietet sich auch dort nur eine differenzierte Lösung an. Es ist auch deswegen nicht in Ordnung, will ich an dieser Stelle sagen, weil wir aufpassen müssen, dass wir nicht eine Sogwirkung erzeugen. Wenn es sich herumspricht, dass man in Deutschland so lange leben kann, wie man will, wenn man sich nur trickreich genug anstellt, dann ist das ein völlig falsches Signal, das wieder zu mehr Fremdenfeindlichkeit und zu mehr Zuspruch für extreme Parteien führen kann. Da sind wir gerade in einer Welle, wie ich finde, dass wir dieses Problem der Ausländerpolitik einvernehmlich demokratisch und auch gemeinsam gelöst haben.
Ich will es noch einmal sagen, Herr Tittmann: Wir haben kein Problem mehr mit Menschen, die zurzeit zu uns kommen. Ich will das so deutlich sagen. Sie kommen gesteuert und geregelt durch das Zuwanderungsgesetz, und sie kommen in erheblich verminderter Zahl als Asylsuchende zu uns. Diese Verfahren werden ordnungsgemäß abgehandelt.
Wir haben noch ein kleines Restproblem, so will ich das einmal sagen, wenn man bei rund 200 000 Menschen über ein kleines Restproblem reden kann. Das sind nämlich Menschen, die über viele Jahre aus vorhergehenden Asylverfahren noch bei uns sind und für die wir noch keine geeignete Antwort gefunden haben. Dieses Thema eignet sich nicht für eine Überfremdungsdiskussion, das will ich an dieser Stelle sagen, weil wir eben nicht über den massenhaften Ansturm von Ausländerinnen und Ausländern nach Deutschland reden, sondern wir reden über eine überschaubare Gruppe von per 30. Juni 2006 186 056 Menschen, rund 3500 in Bremen, für die wir noch eine gerechte Lösung finden müssen. Dann haben wir das Problem der Ausländerpolitik in Deutschland auf Dauer gelöst. Das ist die Wahrheit, und da nützen auch Ihre vereinfachenden Parolen nichts.
Es wird sich also die Frage stellen, wie wir mit ihnen umgehen. Ich bin dafür, dass wir natürlich diejenigen, die wirtschaftlich und sozial bei uns integriert sind, auch auf Dauer bei uns hier in unser Gemeinwesen integrieren, denn, meine Damen und Herren, wir haben sowohl bei den geduldeten als auch bei den rechtmäßig hier lebenden Ausländern in der Regel kein Problem mit denen, die sich in unsere soziale und wirtschaftliche Lebensgrundlage integriert haben, sondern wir haben in beiden Bevölkerungsgruppen Probleme mit denjenigen, die sich der Integration nachhaltig widersetzen.
Das sind nicht nur die geduldeten Flüchtlinge, das will ich an dieser Stelle deutlich sagen, sondern das ist ganz besonders eine Problemgruppe von vorwiegend männlichen Jugendlichen dritter, vierter Generation, bei denen man davon ausgehen müsste, weil sie hier in Deutschland in den Kindergarten und in die Schule gegangen sind und hier eine Ausbildung gemacht haben, dass sie eigentlich die geborenen integrierten Bestandteile unseres Gemeinwesens sind. Bei denen haben wir ein Problem. Deswegen ist eine
Bleiberechtsregelung auch kein Ersatz für Integrationspolitik, sondern wir alle müssen bestrebt sein, diese Menschen noch zu erreichen, um sie darauf einzuschwören, dass man sich in unserer Gesellschaft entweder rechtstreu und vor allen Dingen integriert verhält oder dass man in unserer Gesellschaft nichts zu suchen hat. Diese Wahrheit muss man auch diesen Menschen sagen, egal, welchen aufenthaltsrechtlichen Status sie in Deutschland haben.
Beim Bleiberecht wird es deswegen entsprechende Ausnahmeregelungen geben müssen. Diese Ausnahmeregelungen betreffen insbesondere diejenigen, die die Ausländerbehörden über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände über viele Jahre hinweg getarnt und getäuscht und unkorrekte Angaben gemacht haben. Sie sollen nicht belohnt werden. Auch diejenigen, die behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, zum Beispiel durch Untertauchen, Wiedereinreise und so weiter, vereitelt haben, sollen durch ein Bleiberecht nicht belohnt werden. Auch diejenigen, bei denen wir über eine Straftat sprechen, wobei ich der Ansicht bin, dass 50 Tagessätze additiv ausreichen müssten, kommen nicht in Betracht, genauso, Herr Tittmann, wie natürlich diejenigen, die Bezüge zum Extremismus und Islamismus haben, also Terroristen sind und bei uns in Deutschland sozusagen nicht geduldet werden sollen. Das hat auch niemand wirklich ernsthaft vor Augen, egal, welcher inhaltlichen Auffassung er zuneigt.
Wenn Herr Dr. Güldner hier sagt, anders als beispielsweise in Rheinland-Pfalz hätte Bremen von dieser Möglichkeit nach Paragraph 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz keinen Gebrauch gemacht, so muss ich sagen, dass das keine geeignete Grundlage für die Frage der Kettenduldung ist. Das war auch nie beabsichtigt, sondern dieser Paragraph 25 Absatz 5 sagt: Nur für eine ganz bestimmte Personengruppe kann man eine humanitäre Lösung finden, nämlich bei denjenigen, die faktisch sozusagen unschuldig an ihrer Ausreise gehindert wurden. Bei den 3500, über die wir hier in Bremen reden, reden wir aber vorwiegend über Menschen, die aus persönlichen Gründen die Ausreise nicht gewollt haben, die also nicht gehindert waren auszureisen, sondern sich ihrer Ausreise widersetzt haben. Deswegen ist das keine Lösung, und deswegen diskutiert die Innenministerkonferenz über eine Bleiberechtsregelung.
Ich gehe davon aus, dass wir in der Novembersitzung zu einer einvernehmlichen Lösung kommen werden. Es gibt eine länderoffene Arbeitsgruppe, die, glaube ich, am 9. Oktober das erste Mal zu der Frage der Kriterien tagen wird, und ich glaube, dass man sich dort auch auf bestimmte Kriterien verständigen will.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass es noch einen Streitpunkt gibt, der in der letzten Woche auch zu ein
bisschen mehr Dynamik unter den Innenministern der CDU/CSU geführt hat. Das ist nämlich die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit Kindern und Jugendlichen um, also denjenigen, die ihre vermeintliche Heimat eigentlich nie gesehen haben? Sie sind in Deutschland geboren, aufgewachsen, in den Kindergarten und in die Schule gegangen. Da reden wir über diejenigen, die sich hier sozusagen deswegen illegal aufhalten, weil ihre Eltern den eigenen Aufenthalt teilweise illegal herbeigeführt haben.
Es sind sich eigentlich alle einig, dass Kinder und Jugendliche, die hier aufgewachsen und gut integriert sind, auch in Deutschland bleiben können sollen. Das ist die übereinstimmende Auffassung aller. Der Weg dahin ist aber wie immer, wenn Juristen etwas damit zu tun haben, schwierig, weil wir natürlich nicht isoliert darüber reden können, was mit den Kindern und Jugendlichen passiert. Bei Minderjährigen reden wir auch darüber, was eigentlich mit den Eltern passiert.
Darum wird die Politik am Ende eine Abwägungsentscheidung zu treffen haben zu der Frage: Jawohl, ich will, dass gut integrierte Kinder und Jugendliche, die hier in Deutschland schon immer gelebt haben und noch nie ihre vermeintliche Heimat gesehen haben, hier bleiben, und dabei nehme ich in Kauf, dass auch ihre Eltern, die sich illegal hier aufhalten, bis zum 18. Lebensjahr, bis zur Vollendung der Volljährigkeit der Kinder und Jugendlichen hier bleiben. Eine andere Lösung wird sich nicht anbieten.
Die andere Möglichkeit ist zu sagen, nein, die Eltern haben es zu verantworten, die Kinder teilen das Schicksal der Eltern, und weil die Eltern sich falsch verhalten haben, müssen die Kinder mit den Eltern gemeinsam abgeschoben werden in eine Heimat, die die Kinder selbst teilweise gar nicht kennen. Ich habe mich in dieser Abwägungsentscheidung, weil es auch ein überschaubarer Personenkreis ist, dafür ausgesprochen, dass man dem Wohl der Kinder und Jugendlichen folgt.
Ich werde auch in den nächsten Wochen und Monaten dafür werben, meine Damen und Herren, dass man diesen zeitlich befristeten Nachteil hinsichtlich der Eltern in Kauf nimmt.
Das gilt für mich im Übrigen auch bei der Frage der Straftäter. Warum muss ich eigentlich ein minderjähriges Kind abschieben, nur weil der Vater straffällig geworden ist? Das ist mit meinem Rechtsverständnis nicht zu vereinbaren. Deswegen werbe ich dafür, auch hier eine Lösung zu finden, die die Familie vor die Wahl stellt: Entweder, dass der Rest der Familie ohne den straffällig gewordenen Vater gemeinsam den Aufenthalt in Deutschland fortsetzen will oder dass er sagt, uns ist die Familie wichtiger, wir sind bereit, gemeinsam das Schicksal zu teilen. Dann müssen sie aber auch gemeinsam ausreisen,
weil wir über diesen Weg natürlich nicht Straftäter in Deutschland dulden wollen. Das muss auch klar sein.
Ich werbe für großzügige Lösungen für Kinder und Jugendliche, aber ebenso für konsequente Lösungen für diejenigen, die sich illegal hier in Deutschland der Ausreise widersetzt haben und die nicht integriert sind. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, in diesem Punkt, der jetzt wirklich nur noch von Details abhängt, weil wir darüber streiten, welche Kriterien wir entwickeln, an welchem Stichtag das gelten soll, welche Kriterien für die Ausgeschlossenen gelten sollen und wie wir mit den Kindern und Jugendlichen umgehen können, schnell zu einer humanitären, aber vernünftigen Lösung zu kommen. Eines ist völlig klar: Ich kann Menschen nicht erklären, weshalb wir Kinder und Jugendliche in die Sittenhaft ihrer Eltern nehmen.
Deswegen, glaube ich, werden wir eine Lösung finden müssen, die auch diesen Interessen der Kinder und Jugendlichen Rechnung trägt, aber gleichzeitig, betone ich noch einmal, geht es auch darum, die Maßnahmen zur Abschiebung derjenigen, die uns getrickst und getäuscht haben und getarnt über viele Jahre hier in Deutschland gelebt haben, zu intensivieren. Das wird Aufgabe der Bundesregierung sein, insbesondere mit den Herkunftsländern in Rückführungsübereinkommen dafür zu sorgen, dass wir auch konsequent in die Heimatländer abschieben können.
Wir werden es der Bevölkerung nur vermitteln können, wenn wir beides tun, wenn wir für die wirtschaftlich und sozial integrierten Menschen hier in Deutschland eine Lösung finden, wenn wir aber gleichzeitig für die Straftäter und diejenigen, die sich über viele Jahre widerrechtlich der Abschiebung entzogen haben, eine Lösung durch Abschiebung und Ausreise finden werden. Für diese Lösung, glaube ich, gibt es eine breite gesellschaftliche Mehrheit. – Vielen Dank!