Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Mir erschließt sich übrigens nicht, wann man schwerstkrank ist und therapieresistent. Ab wann gehört man zu dem Kreis, der Heroin bekommen darf? Welche Kriterien gelten denn überhaupt, kann es dazu führen, wenn man zwei Therapien abbricht, dass man Heroin auf Rezept erhält? Kann man dann gezielt darauf hinarbeiten, in ein Heroinprogramm zu kommen? Das sind für mich zentrale Fragen, die noch nicht gelöst sind.

Ich wiederhole es: Liegt es an der Wirksamkeit eines Stoffes, eines Arzneimittels, warum unsere Drogenhilfe nicht zum gewünschten Effekt führt? Die Begehrlichkeiten, meine Damen und Herren, bleiben bestehen, sie werden eine Dynamik in eine andere Richtung bekommen, das ist klar. Ein Patient wird immer anstreben, wie komme ich in dieses Projekt.

Die CDU, ich schließe ab, hält konsequent an dem Ziel eines suchtfreien Lebens fest. Wir müssen der Sorglosigkeit im Umgang mit Drogen mit allen Mitteln entgegenwirken. Unerlässlich und unverzichtbar ist die Stärkung vorbeugender Maßnahmen. Wir müssen in erster Linie junge Menschen vor dem Drogenkonsum und der Abhängigkeit bewahren. Ich tendiere natürlich zu einer vorsichtigen Bewertung des Modellprojektes, ich denke, wir werden noch an verschiedenen Stellen Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die konstruktiven Beiträge meiner Mitdiskutantinnen, aber ich muss auch sagen, wir sind dazu da, hier die Probleme zu diskutieren. Wir sind nicht dazu berufen, neue Probleme herbeizudiskutieren, sondern wir haben den Auftrag, Lösungen herbeizuführen.

Wir sind natürlich wie Sie, Frau Dr. Mohr-Lüllmann, nicht dafür, dass Leute drogenabhängig sind. Wir sind für ein suchtfreies Leben, aber wir sind als Sozialdemokraten auch Realisten, und die Zahl der Drogenabhängigen habe ich vorhin genannt. Es gibt in Bremen, wie ich finde, einen unglaublich großen Personenkreis, der schwer drogenabhängig ist, wozu wir sagen müssen: Es ist mit den Mitteln, die uns bisher zur Verfügung stehen, ja offenbar nicht gelungen, nachhaltig darauf Einfluss zu nehmen, dass ihr Ge

sundheitszustand besser wird, der in einem erheblichen Maße auch das öffentliche Gesundheitssystem belastet, und darauf, dass sie in einem erheblichen Maße Straftaten begehen, was das gesamte Sicherheitssystem belastet. Sprechen Sie einmal mit Leuten, die Opfer von Beschaffungskriminalität geworden sind! Sie wären dankbar dafür, dass wir wenn auch nur kleine Schritte tun, um hier die Situation zu verbessern.

Wir haben uns in Bremen, aber auch anderweitig erkundigt. Frau Röpke wird es mir nachsehen, dass wir nicht nur beim Senat nachgefragt haben! Es gibt insgesamt etwa 1300 Substituierte in Bremen und davon etwa 60 bis 70 Prozent, die illegal noch andere Drogen gebrauchen, also illegale Drogen nehmen, weil ihnen das Methadon nicht den Kick gibt, den sie brauchen. Die Zahlen stammen nicht von mir, sondern das haben wir nachgefragt. Das ist aber genau der Kreis von Personen, der weiterhin dafür in Frage kommt, ich will sie nicht alle verdächtigen, das wäre falsch, bei dem die Gefahr besteht, weiterhin Beschaffungskriminalität zu begehen, also von der Drogenprostitution bis hin zu den Straftaten, die ich vorhin genannt habe. Das wollen wir gern ändern, soweit wir dazu gesetzlich und finanziell in der Lage sind. In diesem Sinne wollen wir mit Augenmaß schauen, ob wir dann, wenn der Bund die gesetzlichen Regelungen ändert, uns an einem solchen Vorhaben beteiligen können.

Um zu illustrieren, dass wir nicht jenseits aller Realität reden, darf ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Antwort der niedersächsischen Landesregierung auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen zitieren. Ich glaube, dass die niedersächsische Regierung in dieser Frage völlig unverdächtig ist. Das sind ja keine Radikalinskis, sondern Leute, die ganz vernünftig argumentieren. Die Regierung argumentiert:

„Die Auswertung der Daten aus der Studie, erste Studienphase, hat eine statistisch signifikante Überlegenheit der Behandlung mit dem Originalstoff gegenüber der Methadonbehandlung in beiden Hauptzielkriterien, nämlich ‚Verbesserung Gesundheitszustand’, ‚Rückgang illegaler Drogenkonsum’ ergeben. Eine Verbesserung sowohl des gesundheitlichen Zustands als auch ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums wird in der Diamorphingruppe bei zirka 57 Prozent und in der Methadongruppe bei zirka 45 Prozent der Probanden festgestellt.“ Weiter: „Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass mit der Diamorphinbehandlung mehr Opiatabhängige therapeutisch erreicht und zudem perspektivisch auch in andere Behandlungsformen überführt werden können. Die Diamorphinpatienten lösen sich besser als die Methadonpatienten von der Drogenszene, und ihr kriminelles Handeln nimmt stärker ab.“

Schließlich sagt die niedersächsische Landesregierung: „Die auf Bundesebene zu treffende Entscheidung, ob eine Regelversorgung mit Heroin für die

sen eng begrenzten“, das möchte ich betonen, „Personenkreis bei einer strengen Indikationsstellung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen ist, wird das Land konstruktiv begleiten.“

Ich finde, das ist in Ordnung. „Konstruktiv begleiten“ heißt, es sind noch Fragen offen, und man geht den Dingen ordentlich nach.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage an dieser Stelle: Was für Niedersachsen gut ist, das kann für Bremen nicht schlecht sein. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antwort des Senats auf die Große Anfrage zeigt einmal mehr die katastrophale Unfähigkeit dieser rot-schwarzen Landesregierung. In der wirksamen Bekämpfung der Suchtgefahren haben Sie schon jahrzehntelang deutlich versagt. Dieses Versagen hat dazu geführt, dass die Beschaffungskriminalität in Form von Straftaten wie zum Beispiel Raub, Diebstahl, Betrug und Fälschung durch Drogensüchtige erschreckend hoch ist. Im Bundesland Bremen sind Delikte wie zum Beispiel Kaufhausdiebstahl, Autoaufbrüche, Wohnungseinbrüche, Prostitution und so weiter praktisch an der Tagesordnung. Die polizeiliche Kriminalstatistik spricht diesbezüglich eine klare, eindeutige Sprache.

Dass die Beschaffungskriminalität Schwerstabhängiger die Polizei, die ohnehin schon unter unverantwortlichem Personalmangel zu leiden hat, zusätzlich belastet und Justiz und Strafvollzug vielfach überfordert sind, dürfte sogar Ihnen, meine Damen und Herren, klar sein. Dass durch Drogensüchtige unsere Bürgerinnen und Bürger zusätzlich ausufernden Gefahren ausgesetzt sind, brauche ich Ihnen ja auch nicht extra zu erklären. Das können selbst Sie nicht verleugnen.

In der Großen Anfrage wird auf das bundesweite Modellprojekt Bezug genommen, an dem 1000 Heroinabhängige in sieben Städten teilgenommen haben. Es heißt, dieses Projekt sei vor einiger Zeit erfolgreich abgeschlossen worden. Das ist es meines Erachtens nicht. Betont wird: „Innerhalb eines Jahres besserte sich der Gesundheitszustand der Abhängigen deutlich, und ihr illegaler Drogenkonsum nahm ab.“ Weiter heißt es: „Die Ergebnisse dieser Substitution mit Heroin waren deutlich besser als die Substitution mit Methadon.“

Meine Damen und Herren, zu der von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung propagierten Ver

abreichung von Heroin an Rauschgiftabhängige, natürlich auf Kosten des Steuerzahlers, ganz klar, gibt der Senat in seiner Antwort natürlich keine Bewertung ab. Dass aber ganz andere Möglichkeiten zur Bekämpfung des Suchtproblems und damit der Beschaffungskriminalität in Betracht kommen könnten, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen. So heißt es zum Beispiel, dass im Strafrecht keine Änderungen notwendig seien. Das heißt also für mich: Es kann genauso weitergehen wie bisher.

Allein diese erschreckende Aussage zeigt mir klar und deutlich, dass diese Große Koalition nun wirklich am Ende und in jeder Hinsicht nicht mehr politisch handlungsfähig ist. Dabei ist es eine traurige Tatsache, dass immer mehr junge Menschen durch Drogen auf die schiefe Bahn geraten. Es kann doch auch nicht in Frage gestellt werden, dass die grassierende Beschaffungskriminalität durch Diebstähle, Einbrüche, Prostitution und so weiter die gesamte Gesellschaft unverantwortlich hoch kriminell belastet. Das kann doch auch von Ihnen nicht abgestritten oder beschönigt werden!

Fest steht auch, dass das schwere Leid der Süchtigen und ihrer Angehörigen kaum materiell behoben werden kann. Hierzu muss auch deutlich gesagt werden, dass die Verharmlosung des Drogenkonsums, besonders durch Politiker, unverantwortlich ist. Zum Beispiel hat die Abgeordnete der Linkspartei PDS im Sächsischen Landtag, Julia Bock, die selbst bekennende Drogenkonsumentin ist, den Konsum von Rauschgift als etwas ganz Normales hingestellt. Ihre linken Ansichten gipfelten dann in dem Satz: Schöner leben mit Drogen! Meine Damen und Herren, das ist unverantwortlich!

Immer mehr Deutsche gehen elendig und qualvoll an Rauschgift zugrunde, mit steigender Tendenz. In Bezug auf Bremen wird mitgeteilt: In den vergangenen fünf Jahren lag der Anteil der festgestellten Konsumenten harter Drogen bei zirka sieben Prozent. Das sind sage und schreibe 1530 tatverdächtige Konsumenten harter Drogen pro Jahr, Tendenz, wie gesagt, weiterhin steigend. Weiter ist zu erfahren: Gleichzeitig wurden von diesem Personenkreis zirka 20 Prozent, das sind zirka 8300 Delikte, aller aufgeklärten Straftaten begangen, wohlgemerkt aller aufgeklärten Straftaten. Die Dunkelziffer der unaufgeklärten Straftaten dürfte weitaus höher liegen. Ich frage Sie allen Ernstes: Müssen erst unzählige Töchter von etablierten Politikern auf dem Babystrich landen, bevor endlich etwas Effektives gegen die ausufernde Rauschgiftkriminalität unternommen wird?

Meine Damen und Herren, nach Auffassung der Deutschen Volksunion muss bereits das Empfehlen von Drogen, egal ob Heroin, Kokain und so weiter, durch Prominente – siehe Friedmann und andere Drogenabhängige oder ehemalige Drogenabhängige – und die Massenmedien unter Strafe gestellt werden. Darum fordert die Deutsche Volksunion die verstärkte Aus- und Fortbildung von Ärzten, Lehrern, Sozial

arbeitern, Krankenkassen, Polizeibeamten und Justizvollzugsbeamten für die Drogenbekämpfung sowie umsetzbare, praxisgerecht Konzepte für eine effektive Zusammenarbeit mit den Behörden. Vor allem aber im Rahmen der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und der damit verbundenen Beschaffungskriminalität fordert die DVU ein viel härteres, konsequenteres Vorgehen gegen die in der Mehrzahl ausländischen Drogendealer.

(Glocke)

Bitte, Herr Präsident?

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter Tittmann!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch ganz kurz eine Einlassung zu Herrn Grotheer, auf das andere gehe ich jetzt hier nicht ein!

Einmal zum Beikonsum! Wir hätten das Problem des Beikonsums und dieser sogenannten Polytoxikomanie natürlich nicht, wenn sich jeder auch in dem Behandlungsplan an die Kriterien halten würde, denn das ist schlicht nicht erlaubt. Das ist einfach so festgelegt.

(Beifall bei der CDU)

Dass die Realität eine andere Sprache spricht, wissen wir alle. Dass das immer wieder toleriert wird, liegt, wie ich ausgeführt habe, natürlich an der mangelhaften Begleitung. An sich sehen die ärztlichen Leitlinien das genauso vor.

Dann möchte ich noch kurz sagen: Es geht hier natürlich um chronisch kranke Patienten, denen geholfen werden muss, und zwar optimal. Das ist auch unsere Einstellung, aber ich verlange einfach auch eine bahnbrechende Innovation, und zwar in der Drogenhilfe insgesamt. Da ist die Frage für mich schon: Ist das eine wirkliche Innovation, ein Medikament auszutauschen? Das bleibt zu klären. Ich glaube, in diesem Modellversuch ist nicht schlüssig bis zum Ende jede Frage geklärt, denn wenn wir hier nur von einem Zeitfenster sprechen, in dem die Behandlung möglich ist, dann stehen wir am Ende des Zeitfensters wieder vor demselben Problem. Deshalb habe ich dort erst einmal nicht viel gewonnen. Sie werden mir persönlich sicherlich glauben, dass ich einer Innovation, was Arzneimittelforschung anbelangt, bestimmt nicht entgegenstehe.

Als Letztes möchte ich noch sagen: Natürlich sind auch wir im Übrigen für eine bundeseinheitliche Regelung, ganz klar! Es kann nicht sein, dass an der Grenze von Bremen zu Niedersachsen möglicher

weise andere Kriterien für den Zugang zu einem Heroinmodell liegen könnten. Um allein schon diesem Pilgerwahn vorzubeugen, setzen wir auch auf eine bundeseinheitliche Regelung. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe es vorhin schon erwähnt, dass in der Mehrzahl diese Drogenhändler ausländischer Herkunft sind. Das sind oftmals auch Asylbetrüger, die Leben und Gesundheit vieler junger Menschen rücksichtslos ruinieren. Darum ist es ein Gebot der Stunde, dass die Drogenprävention in allen öffentlichen Institutionen deutlich verstärkt werden muss. Das heißt auch, dass zum Beispiel Betriebe, die nichts gegen den sogenannten Partydrogenhandel effektiv und spürbar unternehmen, dadurch ihre Konzession verlieren müssen. Dass bekannte Kontakt- und Verkaufstreffs in bestimmten Stadtteilen durch massive Polizeipräsenz vehement zerschlagen werden müssen, dürfte auch klar sein. Verstärkte Razzien in den Rauschgiftszenen bieten zudem gute Voraussetzungen zur Verringerung der Beschaffungskriminalität. Ebenso sind verstärkte Kontrollen auf dem Bremer Flughafen und den Seehäfen in Bremen und Bremerhaven dringend erforderlich.

Insbesondere aber muss durch politische Weichenstellung endlich dafür gesorgt werden, dass in der Mehrzahl ausländischen Drogendealern schnellstens das schmutzige Handwerk gelegt wird, denn deren verbrecherisches Treiben ist grausamer Mord auf Raten an unseren Jugendlichen. Hier muss ich sagen: Selbstverständlich sind Drogensüchtige kranke Menschen, denen man helfen muss. Das betone ich hier noch einmal ausdrücklich.

Aus der Mitteilung des Senats geht eindeutig die Hilflosigkeit und das Versagen derzeit politisch Verantwortlicher hervor. Ganz deutlich geht daraus hervor, dass diese Landesregierung nicht einmal ansatzweise den Kampf gegen den Drogensumpf und gegen die damit verbundenen Straftaten mit der dringend erforderlichen Sequenz führt. Die Deutsche Volksunion aber wird mit aller Kraft weiterhin rigoros gegen diesen zunehmenden Drogensumpf kämpfen und unseren Jugendlichen immer und immer wieder deutlich machen und damit ihr Bewusstsein stärken, dass Probleme niemals durch Drogen aller Art gelöst werden können, ganz im Gegenteil: Drogen schaffen Probleme, aber sie beseitigen sie nicht.

Meine Damen und Herren, eine grundsätzlich andere Politik, eine Politik des Verantwortungsbewusstseins gegenüber unseren Jugendlichen, ist nötiger denn je. Nur eine gesunde und selbstbewusste Generation junger Menschen kann und wird der Garant für eine bessere Zukunft Deutschlands sein.

Ansonsten kann ich den fachlich hervorragenden und sehr guten Redebeitrag von Frau Dr. Mohr-Lüllmann voll und ganz unterstützen. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tittmann, ich glaube, hier freut sich niemand darüber, von Ihnen gelobt zu werden.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist eine Beleidigung! Zu Ihren Plattitüden will ich nur sagen: Ich höre nichts von Ihnen darüber, dass rechtsextremistische Versammlungen sich vollsaufen und dann über andere herfallen und prügeln, was es nur so hergibt. Ich finde, das ist auch eine Form von Drogenkonsum, wie wir ihn nicht haben wollen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)