Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Arbeitsloser der Agentur für Bildung und Vermittlung und eine Klasse der Tobias-Schule aus Bremen.
Die Eingänge bitte ich der Mitteilung über den voraussichtlichen Verlauf der Plenarsitzung sowie dem heute verteilten Umdruck zu entnehmen.
Unterschriftenliste der Einwohner des Schnoors und einiger Freunde mit dem Wunsch, in diesem Stadtteil keine neuen gastronomischen Betriebe
zuzulassen, keinem bestehenden Betrieb den Ausbau zu genehmigen und keine Änderungen des Nutzungsplans vorzunehmen.
Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionelle Absprachen getroffen, und zwar zur Verbindung der Tagesordnungspunkte 1 und 2, Wahl eines Mitglieds des Senats und Vereidigung eines Mitglieds des Senats.
Hinsichtlich der Abwicklung der Tagesordnung der Bürgerschaft (Landtag) wurde vereinbart, dass zuerst Tagesordnungspunkt 3, Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste, und anschließend die miteinander verbundenen Punkte 1, Wahl eines Mitglieds des Senats, und 2, Vereidigung eines Mitglieds des Senats, behandelt werden.
Für die Aussprache über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktionen der SPD und der CDU „Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste“ ist für den jeweils ersten Redner je Fraktion eine verlängerte Redezeit bis zu 30 Minuten vereinbart. Danach wird nach Geschäftsordnung verfahren. In dieser Aussprache erhält als erster Redner der Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort, danach der Vertreter der SPD und der CDU. Im Anschluss daran wird in der Reihenfolge der Wortmeldungen verfahren.
Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Abgeordneten Thomas Ehmke zu seinem heutigen Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 16. Wahlperiode – 69. (außerordentliche) Sitzung am 2. 11. 06 4578
Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktionen der SPD und der CDU vom 20. Oktober 2006 (Drucksache 16/1168)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bremer Junge Kevin, der am 23. Januar 2004 hier geboren wurde, wurde zweieinhalb Jahre alt. Das genaue Todesdatum ist unbekannt. Sein kurzes Leben muss, das kann man aus den Akten sehen und aus dem, was in die Öffentlichkeit gedrungen ist, ein Martyrium gewesen sein, und das auch, obwohl es dem Staat – jedenfalls nach dem Tod der Mutter – und all denjenigen, die für die Hilfe für dieses Kind zuständig gewesen wären und waren, bekannt gewesen ist, unter welchen Gefahren Kevin leben musste und dass er zum Teil vernachlässigt und misshandelt wurde. Dieser Sachverhalt hat ganz Bremen betroffen gemacht, auch hier die Bremische Bürgerschaft, und wir werden uns gemeinsam daranmachen, diesen Tod aufzuklären und einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der herausbekommt, wie es zu diesem Geschehen, das uns alle fassungslos macht, kommen konnte.
Am 10. Oktober dieses Jahres wurde seine Leiche im Haus seines Vaters gefunden. Senatorin Röpke hat auch die Opposition unverzüglich informiert, und es war erkennbar, wie wir alle betroffen über das sind, was dort geschehen ist. Ihr Rücktritt, das haben wir hier schon besprochen, ist respektabel, aber alternativlos. Sie trägt die politische Verantwortung für eines der größten Verwaltungsversagen in der Geschichte Bremens.
Bremen ist mit dem schlimmen Versagen des Bereiches Jugendhilfe bundesweit in die Aufmerksamkeit geraten. Teilweise haben überregionale Zeitungen diesen Fall aufgearbeitet, haben sich mit dem Leben von Kevin beschäftigt und viele gute Gedanken eingebracht, weil es auch aus der Distanz oft vielleicht noch einmal mehr möglich ist, Dinge zu sehen, die wir lange, auch mit den Verwaltungen, die hier beschäftigt sind, übersehen haben. Ich verweise auf die gute Chronologie in der „Süddeutschen Zeitung“, aber auch auf die Aufarbeitung in der „Zeit“.
Das, was dort geschehen ist, ist unfassbar. Es ist auch schwer, darüber zu reden. Das wird Ihnen auch so gehen. Viele Gespräche, auch im Bekanntenkreis, drehen sich darum, und eigentlich bleibt neben dem Entsetzen darüber, dass so etwas passieren konnte, ein großer Berg von Fragen, die sich nicht nur um die Menschen drehen, die mit Kevin zu tun hatten, sondern die auch etwas mit uns selbst zu tun haben, mit unserer eigenen Haltung zu Kindern, zu Gewalt, Armut, Jugendhilfe und – an die Adresse der Grünen – unserer eigenen Haltung zur Oppositionsarbeit. Wir selbst haben über den Zustand der Jugendhilfe viel gewusst, und auch uns ist es ja nicht gelungen, das so in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, dass es vielleicht doch noch möglich gewesen wäre, mehr Menschen dazu zu bewegen, sich damit zu beschäftigen, was in den Jugendämtern in Bremen passiert.
Der Untersuchungsausschuss wird heute einstimmig und einvernehmlich eingesetzt. Das ist eine gute Grundlage, gute Ergebnisse zu erzielen, die wir hier dringend brauchen. Im Vorfeld, auch in der letzten Debatte hier, ist ja der Vorwurf der Parteipolitik erhoben worden, irgendjemand wollte, in diesem Fall die Grünen, sein Süppchen aus diesem tragischen Geschehen kochen. Ich möchte hier nur dazu sagen: Niemand kann daraus ein Süppchen kochen, wenn es nicht zu einem weiteren Missbrauch dieses toten Kindes kommen soll. Wir werden aber auch nichts verschweigen, denn das gehört zur Aufklärungsarbeit dazu, und man sollte sich nicht einer Haltung hingeben, die den Versuch, Verhältnisse zu benennen und Mechanismen zu durchschauen, als „parteipolitisches Süppchen-Kochen“ denunziert. Wenn ich aus dem Rathaus höre, dass dort in der Presseabteilung die Einschätzung herrscht, dass die Grünen „auf dem Grab von Kevin tanzen würden“, weil wir das als Gelegenheit nutzen können, der SPD zu schaden, dann sagt das viel mehr über die Urheber solchen Drecks aus als über die Grünen.
Wir werden allen Ermittlungsansätzen nachgehen, und ich kann mir vorstellen, dass es für Sozialdemokraten mit ihrer Tradition, die darin besteht, für benachteiligte Menschen in besonderem Maße einzustehen, auch besonders schwer auszuhalten ist, was dort passiert ist. Sie müssen damit klarkommen, dass das in einem SPD-geführten Ressort passiert ist, in einer Stadt, die seit dem Krieg von der SPD regiert wird. Das ist aber Ihre Sache, und ich finde, Sie sollten der Versuchung widerstehen, das dann anderen anzukreiden.
Die Grünen werden Bürgermeister Böhrnsen, um das hier ganz klarzumachen, kein persönliches Versagen ankreiden. Dafür gibt es bisher keinerlei Hinweise. Politisch verantwortlich sind Sie aber für den Zustand einer Regierung, in der über viele Dinge nicht