Protokoll der Sitzung vom 16.11.2006

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 16/1194 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, dass wir uns nach der Mittagspause um 14.50 Uhr treffen.

(Unterbrechung der Sitzung 13.16 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.50 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Methadon-Substitution in der JVA Bremen und die Nachsorge nach der Haftentlassung

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 24. Juli 2006 (Drucksache 16/1090)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 19. September 2006

(Drucksache 16/1145)

Wir verbinden hiermit:

Wirksame Beigebrauchskontrollen bei Substitutionstherapie durchsetzen!

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 14. November 2006 (Drucksache 16/1193)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Mäurer.

Es besteht die Möglichkeit, die Mitteilung auf die Große Anfrage zu wiederholen. Ich gehe davon aus, dass der Senatsvertreter davon Abstand nimmt.

Dann treten wir in eine Aussprache ein.

Die gemeinsame Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Drogenabhängige werden oft straffällig, weil sie versuchen, sich bei Einbrüchen Geld zu beschaffen, um ihre Drogen bezahlen zu können. Die allgemeine Besorgnis

über die Kriminalitätsrate hat zu speziellen Programmen geführt, die sich bemühen, Verbrechen zu bekämpfen und Strafgefangenen nach ihrer Zeit in Haft eine Rückkehr in ein sinnvolles Leben zu erleichtern.

Werden Drogenabhängige in Haft gebracht, können sie hier in ein Methadon-Substitutionsprogramm kommen, um kontrolliert in ärztlicher Betreuung aus dem Elend der Drogenabhängigkeit herauszukommen. Ziel ist es, sie für ein Leben nach der Haft vorzubereiten, um aus der Verelendung herauszukommen, um ein gesundes Leben führen zu können. Drogenabhängigkeit gehört unter den Strafgefangenen zu den täglichen Problemen, die in der JVA bewältigt werden müssen. Der Therapieansatz ist im Allgemeinen die Substitution mit Methadon, aber die Behandlung während der Haft ist nur ein Teil des Problems.

Etwa 100 Gefangene werden in der JVA in Bremen mit Methadon behandelt, und gut eingestellt entlassen sie die JVA. Unser Anliegen ist es zu fragen, wie verlässlich, wie gesichert ist die Weitersubstitution nach der Haft zu beurteilen? Erreichen die Entlassenen ihren Drogenarzt? Wie ist sichergestellt, dass nach der Entlassung auch Resozialisierung möglich wird, und wie ist der Übergang zur Weitersubstitution eigentlich geregelt?

In unserer Großen Anfrage an den Senat war eine Frage: Wie viele kommen eigentlich von den Methadonsubstituierten nach einer bestimmten Zeit wieder zurück in die JVA? Das Justizressort kann dazu keine Angaben machen. Es wird darüber speziell keine Statistik geführt, heißt es da in der Antwort. Allerdings, in meinen persönlichen Gesprächen in der JVA gab es zu dieser Frage deutliche Worte. Ganz klar wird berichtet, dass die meisten zurückkommen. Insofern frage ich mich, wer hier schlecht informiert ist. Gibt es hier keine Kommunikation zwischen Justiz und JVA? Wenn ich keine Statistik erhebe und keine Erkenntnisse darüber habe, wer von den Methadonsubstituierten wiederkommt, geht man offensichtlich davon aus, dass es hier kein Problem gibt.

Meine Damen und Herren, die Realität spricht eindeutige Zahlen. Viele, zu viele kommen zurück, wieder drogenabhängig und natürlich straffällig. Warum ist das so? Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung werden den Gefangenen einschlägige, so die Nomenklatur des Senats, Institutionen benannt, bei denen sich die Patienten selbstständig melden müssen. Die Methadonbehandlung wird vonseiten der JVA zunächst Wochen fortgesetzt, damit die Entlassenen Zeit genug haben, sich Hilfe zu holen. Wie diese Wochen für die Entlassenen strukturiert sind, wird in der Antwort nicht deutlich. Realität ist, Patient, entlassener, chronisch Kranker, kommt beim Arzt nicht an. Ich frage Sie: Ist das ein strukturierter Weg? Ist das verantwortlich gegenüber den Betroffenen und auch gegenüber der Bevölkerung? Ist es das, was wir wollen? Können wir mit den Menschen

eigentlich so umgehen? Für die CDU-Bürgerschaftsfraktion sage ich hier ganz klar: Nein!

(Beifall bei der CDU)

Der Kontakt der JVA zu den Ärzten und der Kontakt der Ärzte zur ambulanten Drogenhilfe scheint mangelhaft, jedenfalls ist das das Ergebnis meiner Recherche. Strafvollzug, meine Damen und Herren, kann nicht isoliert betrachtet werden. Nach der Entlassung ist der Strafvollzug nicht abgeschlossen. Hier ist durch das Justizressort verantwortlich sicherzustellen, dass Resozialisierung, in diesem Fall für die drogenabhängigen Gefangenen, fortgesetzt wird. Man könnte ja sogar den eigenen Anspruch haben, und wir können das hier übrigens auch verlangen, zu überprüfen: Wie ist unser Hilfesystem nach der Haft? Wie funktioniert das? Wie ist denn der Resozialisierungseffekt bei Drogenabhängigen, das heißt, wie sinnvoll ist denn mein Konzept mit drogenabhängigen Straftätern, und war die Prävention erfolgreich, denn Prävention muss bereits im Gefängnis beginnen und selbstverständlich dann darüber hinausgehen.

Hier ist übrigens die Prävention vor Rückfälligkeit gemeint, übrigens zunächst im Sinne der Patienten und der Bevölkerung, das ist Aufgabe des Justizressorts, Prävention mit dem Ziel, Strafkarrieren zu vermeiden und drogenfrei zu werden. Es handelt sich nämlich hier um Patienten, ich sagte es bereits, um chronisch kranke Menschen, die bewiesen haben, dass sie begleitet werden müssen. Sie verlassen, wenn sie auf sich selbst gestellt sind, sehr leicht die Zielgerade zum drogenfreien und natürlich straffreien Leben.

Was passiert, wenn man den Methadonsubstituierten eigenverantwortlich nach der Entlassung die Weitersubstitution überlässt? Das ist eigentlich nicht schwer zu erahnen. Weitersubstitution muss für die Freiheit vorbereitet werden, und es ist nicht damit getan, dass man den Entlassenen einschlägige Institutionen nennt, an die sie sich wenden können. Wie hier der Kontakt zum Arzt verlässlich hergestellt werden kann, wird nicht klar. Klar wird aber, dass viele nicht beim Arzt ankommen. Erfolgt hier nicht der direkte Anschluss, kommt der Entlassene in seine alte Umgebung zurück, und der Bruch ist da. Die alten Lebensumstände sind ihm ja bekannt, die Chance ist dann schnell vertan. Es folgt sehr schnell der Drogenrückfall.

Der Substitutionsverlauf in der Haft war gut. An diesen Erfolg kann man aber dann nicht anknüpfen. Wenn sich die Haftanstalt auch nicht als therapeutische Anstalt versteht, muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil der Insassen drogenabhängig ist und für diese Gruppe die herkömmlichen Mittel der Besserung nicht ausreichend sind. Hier muss man über die herkömmlichen Entlassungsvorbereitungen hinaus tätig werden. Es muss sehr viel

intensiver begleitet werden. Die medizinische Maßnahme, das heißt, das Verabreichen von Methadon, reicht nicht aus, das wissen wir. Wenn die Patienten nämlich so stabil wären, dass sie ihr Leben selbst in den Griff bekämen, wären sie wahrscheinlich auch nicht drogenabhängig. Also, sie benötigen Hilfe.

Dazu gehört ein weiterer Punkt, die psychosoziale Begleitung. Wie ist die eigentlich geregelt? Auf unsere Anfrage bei den Ärztevertretern, wie die Realität aussieht, heißt es, dass viele Ärzte die psychosoziale Begleitung kostenfrei mit übernehmen, obwohl diese vom Land zur Verfügung gestellt werden muss. Wir fragen also den Senat, ob er Kenntnisse darüber hat, wie viele Ärzte diese kostenfrei mit übernehmen. Es wird geantwortet: Es ist nicht bekannt! Haben Sie mal bei der KV oder bei den Vertragsärzten angerufen?

Auch hier sieht die Realität ganz anders aus: Wenn die Ärzte nicht die psychosoziale Begleitung kostenfrei mit übernehmen würden, käme es bei den Anlaufstellen zu einer Überflutung. Früher soll das Problem übrigens nicht so auffällig gewesen sein, weil der Kostendruck natürlich in den Praxen nicht so groß war. Das heißt, die Prognose ist gleichfalls schlecht. Damit gibt es nämlich keine zuverlässige psychosoziale Begleitung. Für die psychosoziale Begleitung ist, wie gesagt, das Land zuständig, und auch hier wird natürlich unter steigendem Kostendruck nicht umfänglich und vor allem nicht kontrolliert eine Begleitung zur Verfügung gestellt. Eine verlässliche Koordination der bestehenden psychosozialen Angebote ist nicht zu erkennen, jedenfalls ist das das Ergebnis unserer Gespräche.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal erwähnen, ich habe das hier schon häufiger an dieser Stelle gesagt: Psychosoziale Begleitung ist unverzichtbar! Menschen, die drogenabhängig sind, in ihrem Lebensumfeld immer wieder in die Nähe der Droge kommen, kein geregeltes Leben als den Normalzustand verstehen, sind psychosozial zu begleiten. Die Debatte gewinnt übrigens angesichts des tragischen Todesfalls von Kevin an Aktualität, denn in diesem Zusammenhang wäre auch zu überprüfen, wie die psychosoziale Begleitung während des Methadon-Programms des Vaters funktioniert hat. In diesem besonders tragischen Fall von Drogen- und Elternschaft darf nichts dem Zufall überlassen werden, und in diesem Zusammenhang ergibt sich ebenso die Frage nach der Kontrolle des Beigebrauchs. Wer hat hier eigentlich verlässlich kontrolliert, ob Beigebrauch stattgefunden hat, ob neben der Methadonsubstitution weitere Drogen genommen wurden und welche Konsequenzen daraus gezogen wurden?

Ich würde am liebsten noch auf viele einzelne Punkte der Antwort des Senats eingehen, aber ich gehe jetzt – wir haben die Tagesordnungspunkte zusammengelegt – auf den Antrag über!

Ihnen liegt ein Antrag zur wirksamen Beigebrauchskontrolle und zur verbesserten psychosozialen Begleitung vor. Die Substitutionstherapie mit Methadon gilt als erfolgversprechend und ist dann erfolgreich, wenn die drogenabhängigen Patienten sicher und verlässlich in diesem Programm begleitet werden. Dazu gehört natürlich erst einmal die Kontrolle des Beigebrauchs durch die Ärzte, damit das Methadon auch seine Wirkung entfalten kann. Während der Substitutionstherapie muss der Beigebrauch kontrolliert werden, dazu sind die Ärzte verpflichtet. Diese Patienten müssen eng begleitet werden, ansonsten werden wir keine erfolgreiche Drogenpolitik in diesem Land erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Wie muss also qualifizierte Substitutionsbehandlung aussehen? Es gibt Richtlinien, nach denen die ärztliche Behandlung erfolgt, aber Papier ist geduldig. Es ist vorgeschrieben, dass Beigebrauchskontrollen vorgenommen werden müssen, und wird aktueller Beigebrauch mittels Urinkontrolle nachgewiesen, dann wird die Vergabe des Substitutionsmittels untersagt. Sieht die Realität anders aus? Ein großer Teil der Substituierten nimmt alles Erreichbare an psychoaktiven Substanzen zu sich: Beruhigungsmittel, Cannabis, Kokain, Alkohol und alles gleichzeitig. Nicht selten kommt es zu erheblichen Folgen, nicht nur zu einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands einerseits, übrigens der ohnehin angeschlagenen Gesundheit andererseits.

Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch noch eine andere Folge: Das Methadon kann bei gleichzeitiger Einnahme beispielsweise von Kokain nicht wirksam werden, rein pharmakologisch funktioniert das nicht. Was ich damit deutlich machen will: Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die vorgeschriebenen Untersuchungen auf Beikonsum auch verlässlich erfolgen. Eine Substitution ist unzulässig, wenn gleichzeitig andere Mittel eingenommen werden. Wenn jemand glaubt, dass es nur in einzelnen Fällen zu Beikonsum kommt, der irrt. Leider ist Beikonsum die Regel, nicht die Ausnahme. Hier müssen auch die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärzteschaft ihren verlässlichen Beitrag leisten.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme abschließend noch zur psychosozialen Begleitung als einem wesentlichen Bestandteil des methadongestützten Therapiekonzeptes! Sie dient der Wiedergewinnung eigener sozialer Kompetenzen im Umgang mit Ämtern und Arbeitgebern, sie ist eine Vorbereitung für das Leben in der Drogenfreiheit. Konkrete Hilfestellungen sind für die Patienten unabdingbar für die soziale Integration. Hier ist das Land zuständig für die verlässliche Begleitung und übrigens auch für die Bezahlung. Wenn wir hier heute den An