Man muss aber natürlich auch nüchtern sehen, die Möglichkeiten unserer Ärzte enden spätestens dann, wenn die Gefangenen in die Freiheit entlassen werden. Wir haben keine Zwangsmittel, um dann sicherzustellen, dass sie wirklich zum Arzt gehen. Wir können Übergangshilfen anbieten, das sind freiwillige Angebote, wir können aber niemanden dazu zwingen, dass er in den nächsten Wochen in der Anstalt weiterhin seine Methadondosis abholt.
Alles dies zeigt, dass hier der Staat aufgefordert ist zusammenzuarbeiten. Das ist, denke ich, eine zentrale Aufgabe, insbesondere vom Sozial- und Gesundheitsressort, das hier in erster Linie gefordert ist. Ich glaube aber, man sollte auch sehr nüchtern mit diesem Problem umgehen und es sich nicht so
einfach machen, wie es gerade der Beitrag des Abgeordneten Köhler zeigt. Es kann nicht unser Interesse, unser Ziel sein, dass die Zahl derjenigen, die im Methadonprogramm sind, immer weiter gesteigert wird. Es geht nicht darum, dass diejenigen, die inhaftiert werden, nicht aufgenommen werden. Dieser Vorwurf, dass man denjenigen, die aufgenommen werden, keine Chance gibt, geht völlig ins Leere.
Ich denke aber, wir müssen realistisch sehen, dass dieses Programm auch mit sehr großen Problemen verbunden ist. Für ein Drittel der Betroffenen ist es völlig unsinnig, weil sie diese Angebote überhaupt nicht annehmen. Vielleicht hat ein Drittel eine Chance. Die mittlere Gruppe ist vielleicht anders. Das heißt, man kann vielleicht in diesem Bereich durch ganz gezielte Hilfen, ganz gezielte Kontrollen möglicherweise den einen oder den anderen stabilisieren, aber ich warne davor zu glauben, dass wir hier mit massenhafter Methadonvergabe dieses Problem auch nur annähernd in den Griff bekommen.
Ich hatte im Zusammenhang mit dem Fall Kevin die Aufgabe gehabt, mich auch dieses Themas anzunehmen. Mir ist dabei sehr deutlich geworden, dass wir ein großes Problem haben, wenn in der Bundesrepublik 50 000 Kinder bei drogenabhängigen Eltern leben; Eltern ist noch übertrieben, in der Regel sind es die alleinerziehenden Mütter, die diese schwere Aufgabe übernommen haben. Sie sind zwar dann substituiert, aber alle sagen, dass der Beigebrauch in dieser Gruppe immens hoch ist. Man spricht davon, dass 60 bis 70 Prozent der Frauen in der Tat auch Alkohol und Medikamente nehmen. Insofern ist auch diese Aussage, man müsse nur mehr kontrollieren, zwar richtig, aber ich habe erhebliche Zweifel, ob wir über Kontrollen allein dieses Problem angehen. Die Frage ist natürlich: Welche Perspektiven haben diese Kinder, die in diesen Verhältnissen aufwachsen, die bereits geschädigt sind, wenn sie auf die Welt kommen? Es sind in der Regel Kinder, die eine Frühgeburt hinter sich haben. Fragen über Fragen, die ich heute hier nicht beantworten kann!
Deswegen ist mein Appell, dieses Thema sehr realistisch anzugehen, sich nicht damit abzufinden und auch nicht zu glauben, dass man dieses Problem nur über Kontrollen, nur mit einer Ausdehnung des Programms auch nur annähernd bearbeiten kann. Ich denke, wir haben einen Weg aufgezeigt, dass die Institutionen sich aufeinander zu bewegen, dass man natürlich mehr kontrollieren muss, aber wir sind weit davon entfernt, die Probleme damit lösen zu können.
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU, Drucksache 16/1193, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1145, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.
Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Herr Senator Kastendiek, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Bremen hervorragende Hochschulen. Wir sind im Jahr 2005 Stadt der Wissenschaft geworden. Die Universität lag bei der Exzellenzinitiative ganz weit vorn und bekommt nun eine Graduiertenschule gefördert. Bei der Drittmittelquote liegt die Universität gegenwärtig an sechster Stelle. Sie hat im ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
letzten Jahr 262 000 Euro pro Professor und Professorin eingeworben. An den öffentlichen Hochschulen haben im Jahr 2005 2800 Studierende ihren Abschluss gemacht.
Mit dem Auf- und Ausbau der Hochschulen und der Universität wurde eine wichtige Voraussetzung für den Strukturwandel geschaffen, aber für den Strukturwandel reicht es nicht aus, sich bundesweit als anerkannter Hochschul- und Forschungsstandort zu profilieren, sondern es muss auch ein Technologieund Wissenstransfer in Bremer und Bremerhavener Unternehmen erfolgen, aber an der Stelle hapert es.
Heute ist die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen von zentraler Bedeutung, ob sie in der Lage sind, technologische Vorsprünge zu nutzen, verstärkt wissensbasierte Produkte und Dienstleistungen anzubieten, Talente zu fördern und hoch qualifizierte Menschen anzuziehen, kurz, es ist eine Frage, ob man Kompetenz in der Stadt halten kann oder ob sie abwandert. Da gibt es in Bremen erstens erheblichen Nachholbedarf, zweitens ist die sehr einseitige Ausrichtung auf Technologiepolitik bezogen auf ingenieurwissenschaftliche und High-Tech-Bereiche da nicht ausreichend, und drittens benachteiligt sie im Ergebnis Frauen.
Ich will das kurz erläutern. Bremen und Bremerhaven haben Nachholbedarf, wenn es darum geht, gut ausgebildete Leute an den Standort zu binden. Diese Bindung ist aber wichtig für den Strukturwandel, gemessen wird das an der sogenannten Akademikerquote. Die Akademikerquote ist quasi der Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss an der Gesamtzahl der Beschäftigten. Diese Quote ist in Bremen und Bremerhaven besonders niedrig. In Bremen liegt sie bei 11,4 Prozent und in Bremerhaven sogar nur bei 6,5 Prozent.
Im Vergleich dazu liegen Städte wie München oder Stuttgart bei 20 Prozent, also jeder fünfte, der in München oder Stuttgart arbeitet, hat dort eine Hochschulqualifikation, in Bremerhaven mit 6,5 Prozent sind wir da weit abgeschlagen. Der Senat räumt auch selbst ein, dass wir hier eher die hinteren Plätze belegen, und auch der Zuwachs in den letzten 10 Jahren liegt um 2 Prozentpunkte geringer als in anderen Regionen Deutschlands.
Die Antwort des Senats kommt dann auch zu dem Ergebnis, ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin: „Die Position Bremens ist Ausdruck der wirtschaftsstrukturellen Schwächen, kaum Headquarter-Funktion, wenig forschungsintensive Unternehmen, wenig wissensbasierte Dienstleistungen. Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden.“ Diese Analyse teilen wir, die Schlussfolgerungen daraus jedoch nicht. Die Senatsantwort bietet ein konsequentes
Der Senat lobt seine Strategie auf Luft- und Raumfahrt, auf Logistik, Mobile Solution, maritime Wirtschaft und Gesundheit, Telematik, also eine Strategie, die auf natur- und ingenieurwissenschaftliche Lösungen setzt. Die Grünen haben viele Projekte davon mitgetragen, wir finden sie auch richtig, insbesondere die umweltbezogenen Projekte, aber als zentrale Strategie greift sie zu kurz und bewertet HighTech-Lösungen über. Aus der Senatsantwort ist nicht erkennbar, was er zum Beispiel für den Aufbau wissensbasierter Dienstleistungen an dieser Stelle unternimmt, aber gerade das ist ein riesiger Zukunftsmarkt.
Wenn man sich die Absolventenzahlen ansieht und dabei die Lehramtsabschlüsse außer Acht lässt, haben wir in Bremen und Bremerhaven 35 Prozent naturund ingenieurwissenschaftliche Abschlüsse, aber 65 Prozent geisteswissenschaftliche Abschlüsse. Es liegt auf der Hand, dass eine Wirtschaftsförderung, die zu sehr die Natur- und Ingenieurwissenschaften im Blick hat, zu kurz greift, weil sie das Potenzial der Geisteswissenschaften, also Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und so weiter, zu wenig erschließt.
Gleichzeitig geht diese einseitige Politik zu Lasten von Frauen. Wir haben 53 Prozent Abschlüsse in Bremen, die von Frauen gemacht werden, 47 Prozent von Männern. Wenn man hinterher auf dem Arbeitsmarkt schaut, dann finden wir ein Verhältnis wieder, dass nur noch 33 Prozent Frauen integriert sind, aber 67 Prozent Männer. Das ist eine Politik, die zulasten von Frauen geht. Es hat auch etwas damit zu tun, dass in den naturwissenschaftlichen Studiengängen weniger Frauen sind und mehr in den Geisteswissenschaften, aber wir können es uns überhaupt nicht leisten, die Kompetenz von Frauen für die Standortentwicklung nicht zu nutzen, sondern das Gegenteil muss der Fall sein. Da gibt es Nachholbedarf!
Auch diverse Förderprogramme, von denen in der Senatsantwort die Rede ist, wie Pro-WIN-Qu, Arbeit und Technik, sind Programme, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind. Wirkliche Förderung von Frauen findet in diesem Landesprogramm also nicht statt. Das Gegenteil muss in Zukunft der Fall sein. Auch das Bundesprogramm, Hochschul- und Wissenschaftsprogramm, das in der Antwort erwähnt wird, Föderalismus sei Dank, läuft zum Ende des Jahres aus.
deten Akademiker und Akademikerinnen, ihre Qualifikation und Kompetenz besser in Bremer und Bremerhavener Unternehmen zu integrieren. Insbesondere muss es eine Strategie geben, die den Frauenanteil erhöht. Ihre Kompetenz und Qualifikationen sind entscheidende Faktoren für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
Dafür muss es aus unserer Sicht folgende Bausteine geben: Das schwerfällige Gründerprogramm für Absolventen muss umgebaut werden. Es kann nicht sein, dass es in acht Jahren nur 49 Gründungen gab. Hier sollte überlegt werden, ob ein breites Stipendienprogramm in Kombination mit bestehenden Coachings besser wäre. Wir haben deutlich zu wenig Selbstständige in dem Bereich. In der Vergangenheit gab es deutlich mehr Gründungen über die Ich-AG und Überbrückungsgeld, aber das ist ja ein Programm, das Sie auf Bundesebene auch rasiert haben.
Statt nur auf teure Gründer- und Technologiezentren zu setzen, deren Auslastung teilweise auch zu wünschen übrig lässt, kann es besser sein, auf die Vermittlung günstiger Gewerbeimmobilien zu setzen. Eine Konzentration auf technische und High-TechGründungen verengt unnötig die Spielräume, die wir haben. Benötigt werden auch Gründungen bei den unternehmensnahen Dienstleistungen, also im B2BGeschäft. Bremen und Bremerhaven sollten sich aus unserer Sicht als Gründungsstandorte mit Raum für Experimente, neue Ideen und neue Ansätze vermarkten. Wir brauchen mehr Open Calls in der Technologieförderung.
Die bestehenden Förderprogramme müssen kompetent die Qualifikation von Frauen einbeziehen, und die Bewilligung von Förderanträgen muss die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen zum harten Förderkriterium machen.
Wir brauchen ein Programm für Frauen, um gezielt den Frauenanteil an der Akademikerquote zu erhöhen, denn wir können es uns nicht leisten, die Qualifikation von Frauen für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit nicht ausreichend zu nutzen.
Um im Standortwettbewerb bestehen zu können – ich komme zum Schluss –, müssen wir die kreativen Köpfe mehr in Bremen und Bremerhaven binden. Wir haben mit den Hochschulen gute Potenziale, wir sind im Moment Studienanfängereinwanderungsland. Das ist auch gut so. Leider sind wir Absolventenauswanderungsland. Wir bauen hier viel Kompetenz aus, aber wir nutzen sie zu wenig. Deshalb muss es aus unserer Sicht eine Neujustierung in der Wirtschaftspolitik geben, um die Andockstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und den