Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Das Wort erhält Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig gut und außerordentlich zu begrüßen, dass aufgrund von Verschärfungen des Jugendschutzgesetzes Tabakwaren an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren weder abgegeben werden dürfen noch ihnen das Rauchen in der Öffentlichkeit gestattet ist. Tabakautomaten, wir haben es mehrfach gehört, müssen seit dem 1. Januar 2007 durch technische Vorkehrungen sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren keine Tabakwaren entnehmen können. Dennoch, und ich glaube, das hat die Debatte hier auch gezeigt, bleibt nach wie vor der Vollzug dieser Bestimmungen ein Problem.

Es ist leider nicht auszuschließen, dass sich Kinder und Jugendliche, die an Zigaretten, an Tabakwaren kommen wollen, sich größerer Geschwister, Freunde oder möglicherweise auch Eltern bedienen, um an Tabakwaren zu kommen. In Bremen und Bremerhaven sind inzwischen sowohl die öffentlich zugänglichen Tabakautomaten im Straßenbild als auch in Restaurants und Gaststätten weitestgehend auf das Verfahren mit der elektronischen Zahlkarte umgestellt worden.

Allerdings, auch das ist ein Punkt für die Behörden, ist es offensichtlich außerordentlich schwierig, die Abgabe von Tabakwaren an junge Menschen konkret zu verhindern oder nachzuweisen, dass dies erfolgt. Es gibt, das haben Sie hier auch schon deutlich gemacht, keine Statistiken darüber, und es wird wohl auch keine flächendeckenden Kontrollen von Kiosken, von Läden, kleineren Läden und Supermärkten geben können. Gleichwohl wäre es außerordentlich zu begrüßen, wenn hier sehr deutlich und viel mehr auch mit öffentlichen Hinweisen darauf aufmerksam gemacht wird, dass eine Abgabe an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht erfolgen darf und erfolgen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Eine Erhöhung des Abgabealters auf 18 Jahre ist zudem ein deutliches Zeichen, um die Gesundheitsgefährdung durch den Konsum von Tabakwaren anzugehen. Auch hier, meine ich, muss es eine breite Unterstützung geben. Das ist ein weiteres Signal, das deutlich macht, wie gesundheitsschädlich Zigarettenkonsum, Tabakkonsum ist. Es müssen Wege gefunden werden, dass die Zigarettenautomaten mehr und mehr aus dem öffentlichen Bild und insbesondere natürlich im Umfeld von Schulen verschwinden.

Wir haben mit dem Rauchverbot in Kindergärten, Krankenhäusern und in Schulen, glaube ich, hier einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet, wo wir auch erste Effekte und deutliche Signale bekommen. Auch

der beispielhafte Rauchverzicht von Erwachsenen, und hier ist mehrfach gesprochen worden von der Vorbildfunktion, darf nicht geringgeschätzt werden.

Wenn wir das Thema Rauchen verbinden mit den Attributen von Freiheit, von Erfolg und von Coolness, dann ist das natürlich gerade für Jugendliche eine Aufforderung, sich so darzustellen, und das heißt in ganz besonderem Maße, dass die Vorbildfunktion von Erwachsenen eine entscheidende Rolle spielt.

(Beifall bei der SPD)

Das Angebot an Präventivmaßnahmen ist zu verstärken, damit der Anreiz zu rauchen oder das Rauchen aufzugeben, sehr vergrößert wird, und es muss auf die Gefahren des Rauchens sehr deutlich hingewiesen werden. Sie haben sicherlich an der einen oder anderen Stelle verfolgt, dass hier die Belgier eine sehr drastische Kampagne fahren, indem sie auf Zigarettenpackungen Bilder abbilden, die, ich sage einmal, sehr abschreckend sind. Hier muss man sehr wohl überlegen, ob das die geeignete Form ist, Kinder und Jugendliche vom Rauchen abzuhalten.

Ganz offensichtlich aber sind die ersten Maßnahmen Grund dafür, dass die vorliegenden Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auch erste Erfolge verzeichnen können. Der Anteil der NieRaucher hat sowohl bei den männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren als auch bei der gleichen Altersgruppe der jungen Frauen zugenommen. Das ist ein positives Signal, man darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass es immer noch viel zu viele sind. Die Gruppe der Raucherinnen und Raucher innerhalb dieser Altersgruppe ist nach wie vor groß und zu groß.

Die präventiven Maßnahmen in ihren vielfältigen Formen und in ihrer Intensität dürfen nicht nachlassen. Neben den gesetzlichen Schutzmaßnahmen bleiben sie zurzeit ein unverzichtbares und notwendiges Instrument, um Kinder und Jugendliche vom Griff zur Zigarette abzuhalten. Rauchverzicht von Erwachsenen ist ein gutes und richtiges Signal. Dazu möchte ich Sie, insbesondere natürlich als Gesundheitssenatorin, aber auch als überzeugte Nichtraucherin, herzlich einladen und ermuntern, dies umzusetzen in den Räumen, wo auch Kinder und Jugendliche Zugang haben, und ich wünsche mir, Rauchverzicht auch weit darüber hinausgehend. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1258, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Regelmäßige Gesundheitsvorsorge im frühkindlichen Bereich

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 15. November 2006 (Drucksache 16/1199)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 9. Januar 2007

(Drucksache 16/1260)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Frau Senatorin, ich gehe davon aus, dass Sie die Antwort nicht mündlich wiederholen möchten. – Herzlichen Dank!

Treten wir in eine Aussprache ein? – Das ist der Fall.

Dann ist die Aussprache eröffnet.

Als Erster erhält das Wort der Kollege Bartels.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherung des Kindeswohls, die Gesundheitsprävention und die Präventionsarbeit vor Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen haben für uns als CDU-Bürgerschaftsfraktion allerhöchste Priorität. Gesundheitsprävention braucht ein funktionierendes Netzwerk, klare Verantwortlichkeiten, klare Strukturen, Verzahnung der Systeme und, noch einmal, Vernetzung der Institutionen. Der kleine Kevin aus Gröpelingen, er hätte gestern drei Jahre alt werden können, der Tod des Jungen mahnt uns, und der Untersuchungsausschuss ist jetzt dabei, sehr präzise und sehr sauber die einzelnen Fragen abzuarbeiten. Auf Initiative der CDUBürgerschaftsfraktion haben wir hier heute zu debattieren die Große Anfrage zur regelmäßigen Gesundheitsvorsorge im frühkindlichen Bereich, in der auch die Verbindlichkeit von Früherkennungsuntersuchungen eine maßgebliche Rolle spielt.

Unter medizinischen Gesichtspunkten, so sagt der Senat in seiner Mitteilung hierzu, ist die Bedeutung dieser regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung weitgehend unbestritten. Viele chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes schon im frühen Kindesalter können besser behandelt werden, je früher sie erkannt werden. Die steigende Zahl von chronischen Erkrankungen macht uns zunehmend Sorge. Je effektiver man handelt, desto geringer sind auch die Behandlungskosten in diesem Zusammenhang.

Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen werden auch vom Bremer Bündnis für Prävention bezahlt, und mit unserem Dringlichkeitsantrag hier in diesem Haus haben wir ja auch damals klargemacht, dass wir für diese verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen sind. Wir haben uns da klar positioniert, dass für Kinder ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

schon im Alter von einem halben Jahr bis zu fünfeinhalb Jahren diese sogenannten U1- bis U9-Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend gemacht werden. Der Bundesrat hat diese Auffassung ja auch übernommen.

Am 15. Dezember des vergangenen Jahres ist dort ein gemeinsamer Beschluss erfolgt, und auch Bremens Bürgermeister Thomas Röwekamp hat sich maßgeblich auf bundespolitischer Ebene für die verbindliche Einführung der Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt. Das ist nicht unwesentlich, meine Damen und Herren, denn wichtig ist, dass hier auch länderübergreifend Daten von den Erziehungsberechtigten und ihren Kindern ausgetauscht werden und dass zwischen den Melde- und Jugendbehörden eine Vernetzung stattfindet.

Die Früherkennungsuntersuchungen sind ein Puzzleteil bei dem Maßnahmenkatalog, den wir zur Gesundheitsprävention und Sicherung des Kindeswohls benötigen. Wer mit seinen Kindern daran nicht teilnimmt, wird zukünftig auffallen, und damit wird dann ein Hilfesystem in Gang gesetzt, das sich auch über konkrete Lebenssituationen des Kindes ein genaues Bild machen muss.

Wir haben das schon des Öfteren debattiert, dass Kinder mit einem erhöhten Armutsrisiko häufiger als nicht arme Kinder gesundheitliche Probleme haben oder in ihrer körperlichen Entwicklung zurückgeblieben sind. Wir müssen deshalb die Instrumente der Familienförderung und gesundheitlichen Vorsorge ohne ideologische Präferenzen überprüfen und ein einheitliches Ineinandergreifen der Systeme aufbauen. Aufgabe von uns als Politik, aber auch der Gesellschaft, muss es sein, den Kindern, und gerade denen aus einkommensarmen Familien, ein Aufwachsen in Gesundheit zu ermöglichen. Vernachlässigung, das müssen wir gerade in den letzten Monaten und Wochen so dramatisch in ganz Deutschland feststellen, hat viele Gesichter, die man bei genauem Hinschauen dann auch erkennt. Defizite, zum Beispiel in der Essensversorgung, produzieren Übergewicht oder andere Ernährungsstörungen und vielfältig auch Zahnkrankheiten.

Die Kosten im Gesundheitswesen, das wissen wir, steigen. Unser Gesundheitssystem ist im Umbruch begriffen. Eine gesicherte Versorgung wird immer schwieriger. Je schneller aber gesundheitliche Schäden bekämpft und behoben werden können, desto geringer sind auch die damit verbundenen Behandlungskosten. In Bremen wie auch in Bremerhaven, so sagt der Senat in seiner Antwort auf unsere Große Anfrage, für die wir uns sehr bedanken, kann von einer vollständigen Beteiligung bei der Schuleingangsuntersuchung ausgegangen werden.

Wichtiger ist aber oft die Entwicklungsphase vor der Einschulung, und hier haben wir es mit sehr abnehmenden Werten zu tun. Im Alter von 5 und fünfeinhalb Jahren wird die sogenannte U9-Untersuchung

durchgeführt. Da ist es so, dass in der Stadtgemeinde Bremen nur 84,9 Prozent eines Jahrgangs daran noch teilnehmen, in Bremerhaven sind es sogar nur 78,5 Prozent. Wir wollen auch die übrigen 20 Prozent zu diesen Vorsorgeuntersuchungen haben, meine Damen und Herren!

Besonders positiv im Rahmen dieser Vorsorgeuntersuchungen, das muss man sagen, ist das Engagement der Kinder- und Jugendärzte in unseren beiden Städten. Sehr engagiert ist diese Initiative auch insbesondere mit der Unterstützung der Bewegungskindergärten zusammen mit dem Landessportbund und anderen Sportvereinen und den Kindertagesstätten. Aber auch die speziellen Qualifizierungsprogramme für Erzieherinnen und Erzieher möchte ich herausstellen.

Wir müssen besonderes Augenmerk darauf legen, dass Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund und sozial benachteiligte deutsche Familien besonders in Augenschein genommen werden. Sie wollen wir auch stärker sensibilisieren für die direkten Zusammenhänge zwischen Ernährung, Bewegung, Körpergewicht. Dabei spielt eben diese besondere Rolle der Sport, und das Engagement der Sportvereine ist hierbei sehr bedeutend.

Meine Damen und Herren, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder zur Pflicht machen, das haben wir uns hier auf die Fahnen geschrieben, aber wir müssen auch die aufsuchende Familienarbeit verstärken, und die Hausbesuche bei problematischen Familien müssen zum Standardrepertoire der Kinder- und Jugendhilfe gehören. Wir brauchen eine fortlaufende Beurteilung des Entwicklungsstandes der Kinder in den Krippen, Kitas, Horten und in der Tagespflege. Wir haben damals bei der Beratung des Dringlichkeitsantrags zur verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zugesichert, dass wir diese Thematik auch weiter in der Deputation behandeln. Uns ging es damals darum zu handeln, und ich glaube, wir sind schon ein Stück weiter. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Kollege Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bartels, das Urheberrecht, wer was jetzt erreicht hat und so weiter, ich glaube, das ist nicht so wichtig in der Frage. Wichtig ist, was die Kinder erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann nur darauf hinweisen, Jens Böhrnsen hat den Antrag zur Früherkennungsuntersuchung mitgetragen im Bundesrat, er hat sich engagiert auch bei Parteivorstandssitzungen. Also, wie gesagt, es ist

nicht so wichtig, und wir sollten es mehr im Hintergrund lassen, es kommt darauf an, was letztlich bei den Kindern ankommt. Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt unserer Kinder- und Familienpolitik. Wir wollen, dass alle Kinder, unabhängig von der sozialen, aber auch von der ethnischen Herkunft gleiche Chancen haben und auch gesund aufwachsen können. Ich glaube, das ist unser wichtigstes Prinzip, und das sollten wir auch durchhalten.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich tragen in erster Linie Eltern und Familien die Verantwortung, aber es gibt auch eine Verantwortung von Staat und Gesellschaft insgesamt, die wir stärker als bisher, finde ich, wahrnehmen müssen. Deshalb, meine Damen und Herren, Herr Bartels hat es schon gesagt, haben wir im Dezember gemeinsam mit dem Koalitionspartner, auch mit anderen Bundesländern im Bundesrat eine Entschließung eingebracht, die eben Vorsorgeuntersuchungen zur Pflicht erhebt. Nach der Antwort des Senats ist dies notwendig, da die Teilnahme abnimmt. Es geht von 100 Prozent bis 78 Prozent bei der U9 in Bremerhaven, und von daher ist es sinnvoll, hier auch anzusetzen.

Allerdings erwarten wir, dass der Bundesbewertungsausschuss bald Ergebnisse liefert, wie neuere Erkenntnisse und Daten berücksichtigt und die Untersuchungsintervalle reformiert werden können. Seit 2005 wird dort diskutiert und überlegt, was verbessert werden kann. Wir hoffen, dass hier schnell etwas geschieht und neue Erkenntnisse eingebaut werden.

Zu den Früherkennungsuntersuchungen: Sie sind nur ein Teil einer Gesamtstrategie. Wir als Fraktion würden es gern sehen, dass Begleitmaßnahmen laufen. Es gibt ja hier in Bremen die Familienhebammen. Angedacht ist das Projekt „Tip und Tap“, mit dem schon bei der Geburt die Familien mit Informationen, Informationsmaterial und Beratungsmöglichkeiten aufgesucht werden. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Sache. Der Bürgermeister von Dormagen hat berichtet, in der kleinen Gemeinde Dormagen wird jede Familie nach der Geburt besucht, was ein erheblicher Fortschritt ist.

In diesem Zusammenhang habe ich erwähnt, man könnte vielleicht auch überlegen, ob jemand, der zur Beratung kommt, nicht vielleicht auch ein Vorlesebuch mitbringen könnte. Das wäre eine zusätzliche Maßnahme, durch die auch die Bildung gestärkt würde, denn für uns als Sozialdemokraten hat umfangreiche Bildung auch mit Gesundheitsvorsorge zu tun. Ich weiß, es gibt in Sachsen ein Modellprojekt, da werden von den Kinderärzten bei der Geburt schon Vorlesebücher mitgegeben, damit die Kinder und auch die Eltern als ein erstes Medium ein Buch in die Hand bekommen. Das wäre eine Idee, die man hier auch mit verfolgen könnte.