Protokoll der Sitzung vom 24.01.2007

Ich will das zusammenfassen. Ich glaube, dass es falsch ist, hier im Haus in dem zweiten Redebeitrag den Eindruck entstehen zu lassen, der mir auch ein bisschen zu emotional erschien, lieber Herr Rohmeyer, den kann ich nicht akzeptieren, Sie haben so getan, als würden wir heute gerade die Pisa-Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und sagen, jetzt müssen wir die Ärmel aufkrempeln.

Wir machen innerhalb der Koalition – und ich sage das ganz ausdrücklich – seit Jahren eine Reformpolitik im Bildungsbereich, die sehr intensiv darauf abstellt, früh zu überprüfen, was unsere Kinder können. Nach der ersten Klasse Leseintensivkurse, das hat diese Koalition eingeführt, und das kann man nicht einfach vom Tisch wischen und sagen, da macht ja jeder, was er will. Nein, wir prüfen auch nach der vierten Klasse, wo unsere Schülerinnen und Schüler stehen.

Wir haben das erste Mal richtig erfolgreich Abschlussprüfungen in Klasse 10 durchgeführt, dass der

Leiter einer Gesamtschule freudestrahlend gesagt hat, ich bin sehr stolz darauf, dass alle meine Schülerinnen und Schüler an diesen Tagen dabei waren. Niemand war krank, niemand hat sich gedrückt, und sie haben das mit Bravour gemacht, was wir gar nicht geglaubt haben, was wir gar nicht gehofft haben. Das sind positive Signale aus unseren Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist das unfair, wenn wir so tun, als hätten wir da die ganzen letzten Jahre eigentlich geschlafen. Das tut uns allen nicht gut, dass dieser Eindruck entstehen könnte, aber, wie gesagt, der 13. Mai ist auch hier vielleicht ein bisschen der Hintergrund. Ich bedauere das ein bisschen, weil es um die Kinder, um die Jugendlichen geht. Diese müssen wir so fördern, dass, was ich am Anfang gesagt habe, Liebe und Vorbild das Entscheidende ist, nicht das Abhaken eines Fächerkanons ist das Entscheidende. Wir haben Rahmenlehrpläne mit den entsprechenden Möglichkeiten, das auch von Schule zu Schule zu variieren.

Das machen wir übrigens immer gemeinsam, da gibt es keine Dissense zwischen CDU und SPD, sondern wenn wir Rahmenpläne auf den Weg bringen, dann ist das sehr einvernehmlich. Das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist aber nicht das Abhaken des Kanons, sondern das Entscheidende,

(Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Herr Rohmeyer, ist, dass die Kinder willkommen sind in unseren Schulen, und zwar vom ersten Schultag an, dass wir ihre Stärken stärken und ihnen nicht zeigen, wo sie Schwächen haben. Das ist das Entscheidende für eine erfolgreiche Schulausbildung unserer Kinder. Daran möchte ich weiter, übrigens gemeinsam mit Ihnen, arbeiten und positive Signale aussenden.

Ich weiß nicht, warum Sie das mit Günther Verheugen eben gebracht haben.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ich habe das gelobt!)

Ich war unheimlich stolz auf unsere Schulen, und ich habe gemerkt, dass der Bürgermeister auch stolz war, als wir nach Burgdamm gegangen sind und als wir ins Hermann-Böse-Gymnasium gegangen sind. Ich habe so einen Unterton eben bei Ihnen gehört. Ich muss Ihnen sagen, wir waren sehr froh und glücklich, als der Vizepräsident der EU im Rathaus sagte, er hätte vorher schon gehört, dass sich hier eine Menge getan hätte, und als er das mit eigenen Augen gesehen hat, in welchen schönen, einladenden Räumen jetzt – das sah vor einigen Jahren auch noch ein bis

schen anders aus – die Schülerinnen und Schüler in Bremen einen ganz engagierten Unterricht von Lehrerinnen und Lehrern erhalten, die hoch motiviert sind und sich Europa auf die Fahnen geschrieben haben in diesen beiden Schulen. Darüber habe ich mich sehr gefreut, das waren richtig gute Belege für eine gute Bildungspolitik in diesem Land. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Lemke, dass dort kein falscher Zungenschlag hereinkommt! Ich habe keinen Unterton gehabt, als ich über den Besuch von Herrn Verheugen sprach,

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Sind Sie jetzt Oppositionsführer in der Bildungspolitik?)

weil ich mich wirklich über die Initiative der Bundeskanzlerin sehr gefreut habe, überhaupt einen Europatag zu initiieren. Das gibt es jetzt zum ersten Mal, und dass wir hier in Bremen gleich den ranghöchsten Deutschen in Brüssel bekommen konnten, das fand ich schon super! Ob das etwas mit Wahlkampf zu tun hatte, das müssen Sie dann allerdings einmal in der Findorffstraße klären, das ist ein anderes Thema. Aber inhaltlich habe ich mich sehr gefreut, dass wir dies gemacht haben und dass Herr Verheugen hier in Bremen war, denn er ist der Vizepräsident der Europäischen Kommission. So jemanden nach Bremen zu bekommen, ist sicherlich nicht ganz einfach.

Meine Damen und Herren, über alle Fragen der sozialen Kompetenz des Erziehens zu wehrhaften jungen Demokraten haben wir eine große Gemeinsamkeit. Das ist in Bremen, das haben Sie auch in dieser Debatte festgestellt, überhaupt nicht strittig. Ich sage Ihnen, Herr Lemke, ich finde es gut, wenn Schülerinnen und Schüler nach Sachsenhausen fahren oder Bergen-Belsen oder auch nach Auschwitz, nur, das ersetzt nicht den Politikunterricht und kann ihn auch nicht ersetzen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das muss ich so deutlich sagen, weil es ja nicht alle Schülerinnen und Schüler erreicht. Das sind Projekte, und das ist, was ich vorhin sagte, dann die Einzelleistung eines Lehrers oder mehrerer Lehrer, die im Netzwerk arbeiten, aber es erreicht nicht alle Schülerinnen und Schüler. Das ist auch der große Unterschied, den wir bei dieser Bildungskanon-Debatte haben. Es geht darum, dass wir verbindlich für alle Schü––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lerinnen und Schüler zum Beispiel fragen: Wie setzten sie sich mit der Frage des Nationalsozialismus auseinander?

(Beifall bei der CDU)

Eine Frage, die immer wichtiger wird, solange wir auch hier Herrn Tittmann im Hause haben, damit so etwas nicht mehr passiert! Sie haben den „Tatort“ am Sonntag vielleicht gesehen, der auch ein Bild über Bremen kommuniziert hat, das auch nicht so sonderlich gut war. Da haben Sie aber auch gesehen, welche Netzwerke diese Rechtsradikalen und Rechtsextremen heutzutage benutzen. Da ist es wichtig, dass wir in die Schulen gehen, denn diese gehen auch in die Schulen. Wir müssen alle Schülerinnen und Schüler und nicht nur die, die mit besonders engagierten Lehrerinnen und Lehrern solche Projekte machen, erreichen.

Nur am Beispiel des Politikunterrichts möchte ich Ihnen hier ganz konkret aufzeigen, warum es wichtig ist, für alle etwas Gemeinsames als Grundverbindlichkeit festzuhalten. Sie hatten völlig recht, als Sie sagten, wir müssen auch diese jungen Menschen dort heranführen, auch wenn sie selbst vielleicht von ihren Eltern nicht so erzogen wurden. Wir müssen sie motivieren, auch Familien zu gründen. Das ist für unser Land überlebenswichtig, aber es ist auch für das Miteinander in diesem Land überlebenswichtig, dass wir nicht lauter Egoisten haben, sondern dass es ein Miteinander gibt. Darin sind wir uns doch alle völlig einig!

Wir haben nur festgestellt, meine Damen und Herren, es gibt hier einen großen Dissens, wenn es darum geht, Lehrinhalte verbindlich zu machen. Diesen Dissens werden wir vor dem 13. Mai sicherlich nicht auflösen. Ich kündige Ihnen nur an, nach dem 13. Mai werden wir diese Debatte fortführen. Das hat hier nichts mit einem Wahlkampf zu tun. Es ist wichtig, dass wir über das, was wir haben, das sind Rahmen, auch verbindliche Sachen festhalten. Es ist auch richtig, man muss Unterschiede zwischen den Schulformen machen, Frau Stahmann. Man muss aber auch Grundkenntnisse zum Beispiel darüber haben, die ich in allen Schulen voraussetze.

Wenn Sie heute an den Schulen fragen, was ist Paris, dann erwarte ich nicht mehr am Gymnasium, dass man sagt, das ist der Sohn des Königs von Troja, sondern ich erwarte, dass an allen Schulen die Kinder sagen, das ist die Hauptstadt von Frankreich. Ich befürchte, dass die meisten sagen: Das ist eine ganz tolle junge Frau, das ist die, die immer in den Medien ist, jetzt gerade 36 Monate auf Bewährung bekommen hat wegen Trunkenheit am Steuer – Vorbildfrage kommt hier wieder herein –, und die ist ganz toll, und das ist eine Hotelerbin aus den USA. Das ist die Befürchtung, die ich dabei habe. Darum, meine Damen und Herren, müssen wir uns, glaube ich, wirklich da

rauf verständigen, Lehrinhalte auch verbindlicher zu machen als bisher. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine – –.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, ich bin schon so in Verve! Frau Präsidentin, entschuldigen Sie bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, man muss dazu einfach doch noch einmal etwas sagen, was Herr Rohmeyer gesagt hat. An der einen Stelle hatte er recht.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Aha!)

Politikunterricht sechsstündig die Woche würde ich mir wünschen und wird durch nichts ersetzt. Ich glaube, das ist gerade das Entscheidende, dass wir im Unterricht die Fundamente legen, die es dann erst möglich machen, dass man sinnvollerweise mit einer Klasse nach Sachsenhausen, nach Neuengamme fahren kann, dass man das sinnvollerweise im Unterricht verknüpfen kann.

Das eine ist die Erfahrung außerhalb der Schulwelt, und die ist ganz wichtig, da sind wir uns auch alle einig, glaube ich, aber das andere ist, dass ohne die Fundamente im Unterricht das nicht verstanden wird, was passiert, wenn man sich in den Bus setzt, irgendwohin fährt, aussteigt, sich einen Vortrag anhört, wieder in den Bus steigt und nach Hause fährt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich muss gestehen, es ärgert mich sehr, wenn ich von Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen höre, wie die Situation um den Politikunterricht bestellt ist. Es ist ja schön und richtig, dass das Wahlalter für die Beiratswahl jetzt auf 16 Jahre herabgesetzt wurde. Dafür haben wir als Grüne gestritten. Aber wir haben mit bei unserer Forderung auch immer gesagt, dass es auch auf Landesebene herabgesetzt wird, um den Kritikern dort zuvorzukommen. Es ist genauso wichtig, dass das in der Schule auch entsprechend beantwortet wird. Es reicht einfach nicht aus zu sagen, jetzt könnt ihr ab 16 wählen, sondern wir müssen den Politikunterricht besser machen.

Es ist egal, ob man ab 16 oder ab 18 Jahren wählen kann, es ist ganz essenziell, um sich in dieser De––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

mokratie zurechtzufinden, dass man in der Politik auf spannende Weise das vermittelt bekommt, was man braucht, um das politische System zu verstehen, und sich nicht einfach nur abgekoppelt und unverstanden zu fühlen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, dass in diesem Sinne Veranstaltungen hier im Hohen Hause wie „Jugend debattiert“ oder „Jugend im Parlament“ ganz richtig und ganz wichtig sind. Aber es hilft eben nichts, wir müssen in der Schule besser werden, wir müssen natürlich auch besser werden, nicht nur, was die Gestaltung des Unterrichts angeht, sondern was auch die Mitbestimmung von Jugendlichen in Schulen angeht. Auch dort vermitteln sich ganz viele wertvolle Erfahrungen. Überall dort, wo man das theoretische Wissen des Unterrichts praktisch einsetzten kann, und sei es dann gleich auf einer Schulversammlung, hat da schon seinen Wert gehabt.

Von daher glaube ich, dass wir dort wesentlich deutlicher, weg von diesen currikularen Fragen, die Herr Rohmeyer hier heute thematisieren wollte, dahin gehen müssen, wie bieten wir Jugendlichen ein Forum, wo sie sich nicht nur äußern können, sondern wo das, wie sie sich äußern, auch ernst genommen wird. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1267, auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion Kenntnis.

Der Kriminalität den Nachwuchs nehmen

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 9. Oktober 2006 (Drucksache 16/1157)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 21. November 2006