Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

Wenn es in Einzelfällen einmal nicht funktioniert, ist nicht die Behörde in erster Linie – aus meiner Sicht jedenfalls – der Ansprechpartner, sondern sind es zunächst einmal die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer, die Schulleitung, die sich darum kümmern müssen, dass dieses Kind eine adäquate Betreuung bekommt. Ich sage es noch einmal, ich bin davon überzeugt, dass alle, die dort tätig sind, dies auch mit aller Kraft versuchen. Gibt es gelegentlich Hinweise darauf, in welchen Fällen das nicht funktioniert, kümmern wir uns natürlich auch als Behörde darum. Das ist überhaupt keine Frage!

Die Zahlen sind auch deshalb so schwierig einzuschätzen, weil es eine Frage von Definitionen ist. Das kennen Sie alle auch von anderen Phänomenen. Ist Fettleibigkeit bereits eine chronische Erkrankung, ja oder nein? Wenn Sie das dazuzählen, haben Sie eine andere Zahl, als wenn Sie es herauslassen. Es ist auch

so, dass sich bei chronischen Erkrankungen die Krankheitsbilder im Laufe des Lebens verändern. Es ist die Frage: Fällt jetzt jemand aus der Statistik heraus und jemand anderer kommt dazu? Das sind alles schwierige Fragen! Wir verlassen uns natürlich bei dieser Einschätzung auf das Gesundheitsamt Bremen, wonach 2 bis 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler durch chronische Erkrankungen deutlich im Alltag beeinträchtigt sind.

Sie haben gesagt, wir sollen Gesundheitsthemen stärker im Unterricht verankern. Das findet in vielfältiger Weise statt. Auch hier ist natürlich die Frage: Ist das ausreichend, kann man noch mehr machen? Sicherlich kann man auf dieser Ebene auch noch mehr machen, es geht aber auch um andere Themen. Von Schulen wird immer mehr verlangt. Sie sollen auf diesem und auf jenem Gebiet mehr machen und hier, auf diesem Gebiet, natürlich auch!

Wir bieten allen Lehrerinnen und Lehrern Fortbildungen an. Im Übrigen auch zu Ihrem Hinweis, dass wir das Gespräch mit den Krankenkassen in diesen Fragen suchen sollten: Das findet statt! Viele der Fortbildungen, die angeboten werden, sind zusammen mit Krankenkassen, Selbsthilfegruppen und mit Elternvertretungen, die chronisch kranke Kinder haben, organisiert.

Ein Problem ist – das ist auch angesprochen worden –, das Angebot wird nicht so wahrgenommen, wie wir es uns wünschen, das ist richtig. Sie können allerdings auch niemanden zwingen, der selbst kein solches Kind in seiner Klasse hat, eine Fortbildung zu machen für den Fall, dass ihn das Problem einmal erreichen sollte. Wenn ein Problem dann ein paar Jahre später kommt, hat er dann möglicherweise auch schon wieder vergessen, was er damals gelernt hat.

Ich glaube, das ist im Prinzip die Frage: breites Angebot, möglichst viele qualifizieren, verbunden mit dem unmittelbaren Bedürfnis, wenn es einen solchen Fall in der Klasse gibt, sich dann hinreichend zu informieren, damit man das Kind adäquat betreuen kann! Es gibt bei der Frage, was die klassische Halbtagsschule von der Ganztagsschule unterscheidet, in diesen Fällen eigentlich nur drei Unterschiede, das haben wir in der Vorlage auch gesagt. Der erste Punkt ist, natürlich macht es einen Unterschied, wenn ein Kind eine Diät benötigt, ob es nach der Schule nach Hause fährt und zu Hause die Diät bekommt oder sie in der Schule erhalten muss. Auch da stellen sich die Mittagstische und die Betreuer darauf ein, entsprechende Kost anzubieten.

Das Zweite ist die Medikamentenversorgung. In den Fällen, in denen die Eltern sie nicht mehr zu Hause leisten können, muss sie in der Schule gemacht werden. Auch hier sind die Eltern mit den Lehrern im Gespräch.

Der dritte Punkt ist, wenn jemand Krankengymnastik oder Ähnliches benötigt, kann auch das mit

Nachmittagsangeboten in der Schule kollidieren. Sonst gibt es grundsätzlich prinzipiell keinen Unterschied, ob sich ein chronisch krankes Kind in der klassischen Halbtagsschule oder in der Ganztagsschule befindet.

Ich nehme aus der Debatte die Anregung mit zu überprüfen, ob wir nicht noch mehr machen können! Das liegt im Interesse der Kinder und auch im Interesse der Eltern, auch in unserem eigenen Interesse im Übrigen. Insofern nehme ich das gern auf! Die Frage ist nur, was ist machbar, was wird angenommen und was ist wünschenswert. Das ist der ständige Konflikt, in dem wir leben, aber die Anregung aus der Debatte nehme ich gern mit!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1295, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Gesetz zur Ausführung des Passgesetzes

Mitteilung des Senats vom 23. Januar 2007 (Drucksache 16/1275) 1. Lesung 2. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Röwekamp.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Marken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Uns liegt heute der Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Passgesetzes vor. Damit wird die Passbehörde in Bremerhaven als eine von 50 Behörden bundesweit zur Durchführung der erforderlichen Tests im Zusammenhang mit der für den 1. November vorgesehenen elektronischen Speicherung von Fingerabdrücken im Pass bestimmt. Der Test wird vom 1.3.2007 bis 30.6.2007 dauern.

In Zukunft sollen Pässe biometrische Daten wie Lichtbild und Fingerabdrücke enthalten. Dies geht zurück auf die Verabschiedung einer europäischen Verordnung des Rates vom Dezember 2004. Seit November 2005 werden bereits Pässe ausgegeben, in denen das Lichtbild auf einem Chip gespeichert ist. Ab 1.11.2007 soll dann auch mit der Ausgabe von ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Pässen mit den zusätzlich gespeicherten Fingerabdrücken begonnen werden. Es ist vorgesehen, dass die Abdrücke der beiden Zeigefinger bei der Passbeantragung eingescannt werden und mit dem Lichtbild und den übrigen Passantragsdaten elektronisch an den Passhersteller übermittelt werden.

Noch einmal zur Verdeutlichung: Es handelt sich nicht um eine erkennungsdienstliche Behandlung – dort werden alle 10 Finger benötigt –, sondern in der Meldestelle wird es Scanner geben, das sind kleine Geräte, in denen beide Zeigefinger eingescannt werden, und diese biometrischen Daten werden elektronisch übermittelt. Es wird niemand in seinem Pass die Fingerabdrücke sehen können, sondern diese sind in dem Chip – das ist ein kleiner, goldener Chip – eingespeichert.

Der Passhersteller speichert die Fingerabdrücke zusätzlich zu dem Passbild auf dem Chip des Reisepasses, die Daten sind gegen unberechtigten Zugriff gesichert und werden an keiner anderen Stelle gespeichert. Das halte ich für besonders wichtig! Für die Bürgerinnen und Bürger entstehen durch die geplanten Änderungen keine Zusatzkosten, insbesondere ist keine Erhöhung der Passgebühr vorgesehen.

Im Übrigen, das sollte man auch betonen, dient der Einsatz biometrischer Verfahren auch dazu, eine missbräuchliche Nutzung deutscher Pässe zu verhindern. Für die Bürgerinnen und Bürger gilt aber auch – deswegen erwähne ich das ausdrücklich –, alle bislang ausgegebenen Pässe bleiben im Rahmen ihrer Laufzeit gültig, sodass keiner demnächst seine Behörde aufsuchen muss, um einen neuen Pass zu beantragen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güldner.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ganz so einfach und unproblematisch, wie von der Kollegin Marken gerade dargestellt, ist das, was in Bremerhaven ab nächster Woche geschieht, nun nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will mich allerdings, weil es sich um einen sehr komplizierten Sachverhalt handelt, auf 2 Punkte beschränken. Erstens: Stimmt es wirklich, dass wir durch diese Maßnahme die Sicherheit mehr erhöhen oder gefährden wir sie eher? Zweitens: Wie wurde in Bremerhaven mit diesem Thema umgegangen? ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Zum ersten Punkt: Der „Tagesspiegel“ aus Berlin am 10. Februar, also vor etwa 2 Wochen, hat einen ausführlichen Bericht gebracht, wie zwei Techniker, zwei Computerexperten, durch ein geschlossenes Jackett aus einem zugeklappten Pass in der Innentasche dieses Jacketts mit einem 200 Euro teuren Scanner sämtliche elektronisch gespeicherten Daten ausgelesen und in sage und schreibe 4,8 Sekunden auf einen Computer übertragen haben. Sie haben dort den Presseleuten vorgeführt, dass das möglich ist. Der Pass befand sich in der Innentasche des Jacketts, der Scanner wurde aus einem gewissen Abstand außen hingehalten, die elektronischen Daten erschienen in 4,8 Sekunden auf einem Computer mit Foto und den biometrischen Daten, die dort gespeichert sind, das würde dann auch den Fingerabdruck betreffen, den Frau Marken schon angesprochen hat.

Nun kann man sagen, das ist ein Experiment, das dort geglückt ist, das vielleicht aber nur ganz besonders ausgesuchten Spitzenwissenschaftlern gelingt. Die beiden, die dies dort vorgeführt haben, sagen, die Anleitung zu dem Bau dieses Scanners, der insgesamt 200 Euro kostet, sei im Internet verzeichnet. Jeder kann ihn nachbauen

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wir nicht!)

und dieses Experiment dann so nachvollziehen. Warum erwähne ich diesen Artikel, und warum ist das so problematisch? Ich weiß sehr wohl und möchte das hier auch nicht weglassen, weil es unredlich wäre, dass wir hier eine Vorgabe der Europäischen Union, somit Gesetze aus verschiedenen Amtsperioden – unter anderem auch der rot-grünen Regierung – exekutieren. Das ist mir alles bewusst! Es gibt aber einen Punkt, bei dem wir unter Umständen nach diesem Experiment vom 10. Februar innehalten müssen: Dass nämlich sämtliche Gesetze, auch die Vorgaben der Europäischen Union, unter der Voraussetzung dort gemacht worden sind, dass diese Daten auf diesem Chip in diesem Pass sicher sind und dass Dritte sie nicht auslesen können aus diesem Pass, um sie zu verwenden.

Warum ist es gefährlich, wenn dies so möglich ist? Es ist deswegen gefährlich, weil der sogenannte Identitätsdiebstahl, das heißt die Erlangung von Daten Dritter und Verwendung für entweder kriminelle, terroristische oder andere illegale Zwecke, sehr zugenommen hat, in den USA 9 Millionen Fälle pro Jahr zurzeit! Identitätsdiebstahl bedeutet, man bemächtigt sich der Daten von Personen, erstellt mit diesen Daten entweder neue Dokumente, kauft mit diesen Daten im Internet ein, fertigt Kreditkarten. Die getäuschten Personen wissen von nichts, haben aber einen immens hohen materiellen Schaden, und auf diesem Wege wird inzwischen weltweit massiv Kriminalität betrieben.

Gleichwohl wäre es auch gefährlich, wenn sich terroristische Kreise dieser Daten bedienen könnten, die auf den Pässen der Bürger gespeichert sind. Man kann es sich leicht vorstellen, weil dann, wenn man falsche Dokumente so wiederherstellen kann, die Pässe nicht fälschungssichere, sondern wesentlich anfälliger werden, und es in Zukunft einfacher wird, gefälschte Dokumente, die dann auch noch original biometrische Daten von echt lebenden, unverdächtigen Personen enthalten, herzustellen. Man denke sich nur, was es bedeutet, wenn es entsprechenden kriminellen oder terroristischen Kreisen gelänge, auf diese Weise falsche Dokumente herzustellen, mit denen jeder durch alle Passkontrollen am Flughafen ohne Probleme durchreisen kann, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Insofern kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen! Der Bundesminister des Inneren und die entsprechenden Anstalten für die Sicherheit in diesem Bereich, die das überwachen, haben bisher nicht auf dieses Experiment reagiert. Man behauptet dort immer noch, das wird ausführlich geschildert, dass so etwas unmöglich sei, dass so etwas auf gar keinen Fall funktioniere und dass das insofern auch kein Problem sei.

Wenn es nun trotzdem nachgewiesen ist, dass die Technik in dem Punkt noch nicht sicher ist, bin ich der Meinung, es ist die Pflicht des Gesetzgebers und auch der durchführenden Institutionen, die Sicherheit nachzuweisen, zu beweisen, dass dieses Experiment falsch war, dass diese Dokumente und die technischen Daten im Pass in der Tat nicht ausgelesen werden können und dass es zu diesen zusätzlichen Sicherheitsrisiken, die dadurch entstehen könnten, nicht kommen kann. Ich finde, es ist, bevor so etwas von den betreibenden Behörden nicht dargelegt worden ist, relativ unverantwortlich, wenn wir dann dennoch in diesen Feldversuch hineingehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu meinem zweiten Punkt: Bremerhaven ist in Absprache mit dem Magistrat von der Landesregierung als eine der Feldversuchsstädte ausgesucht worden, in der dieses System mit den Fingerabdrücken im Pass nun erprobt werden soll. Meines Wissens ist dies weder in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven oder in ihren Unterausschüssen Thema gewesen noch ist die Bremerhavener Bevölkerung darüber bisher auch nur informiert worden.

Der Versuch beginnt aber am 1. März, nächste Woche Donnerstag ist das, glaube ich, und jeder, der dort einen Reisepass neu beantragt, wird mit dieser Frage konfrontiert werden. Ich frage hier, warum eigentlich in Bremerhaven weder bei den gewählten Vertretern in der kommunalen Stadtverordneten

versammlung noch gegenüber der Öffentlichkeit ein solcher, doch mindestens erheblicher Versuch, wie er jetzt dort gestartet wird, nicht angekündigt worden ist, und warum ist dies nicht in der Bevölkerung breit bekanntgemacht und mit den Menschen diskutiert worden? Auch das finde ich nicht in Ordnung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus meiner Sicht haben die Bremerhavener Bürgerinnen und Bürger das Recht, mehr zu wissen. Sie müssen auch wissen, ob es diese neuen Sicherheitsrisiken, wie sie dort im „Tagesspiegel“ beschrieben worden sind, nun gibt oder nicht.

Ich finde, bevor diese Fragen nicht geklärt sind, können wir diesen Versuch in Bremerhaven auch nicht starten. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstens, das, was Frau Marken gesagt hat, muss ich nicht mehr ergänzen. Diese Dinge bilden die Grundlage für das, was wir heute hier in erster und zweiter Lesung beschließen sollen.