Von allen Mitgliedern unserer gemeinsamen Kommission wird mehr erwartet, als Advokat in jeweils eigener Sache zu sein. Ich jedenfalls bin überzeugt, ein besseres Finanzsystem für unser ganzes Land dient auch und zugleich dem Zweistädtestaat Bremen.
Aus demselben Verständnis heraus hat sich auch die „Bremer Initiative zur Reform der Bund-LänderFinanzbeziehungen“ auf ihre Erklärung geeinigt, die wir vor zwei Wochen im Rathaus unterzeichnet haben. Kammern, Verbände, Gewerkschaften, Senat und Magistrat haben immer dann gemeinsame Positionen entwickelt und gemeinsam gehandelt, wenn es galt, ein faires bundesstaatliches Finanzsystem zu gewährleisten und die Selbstständigkeit des Stadtstaates zu wahren. Als Bürgermeister möchte ich diese Tradition fortsetzen und das Gespräch mit allen gesellschaftlichen Gruppen suchen.
Die Unterzeichner haben miteinander vereinbart, sich nach innen, in Bremen und Bremerhaven, und nach außen, bundesweit, mit ihren jeweiligen Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass die Föderalismusreform im Interesse des ganzen Bundesstaates zu einem Erfolg wird, dabei auch die spezifische Situation Bremens angemessen berücksichtigt wird, die Freie Hansestadt Bremen als Stadtstaat im deutschen
Meine Damen und Herren, Bremen hat parallel zu den Vorbereitungen der Föderalismuskommission auch das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weiter vorangetrieben. Der Senat hat gerade jetzt – wie versprochen – einen zweiten Schriftsatz auf den Weg gebracht. Das ist ein notwendiger Schritt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Berliner Antrag und den Hinweisen und Argumenten, die sich aus dieser Entscheidung ergeben.
Berlins Klage wurde vom Bundesverfassungsgericht vor allem deshalb abschlägig beschieden, weil das Gericht zu der Auffassung kam, dass die Berliner Zinsbelastung nicht so hoch sei, um nicht aus eigener Kraft bewältigt werden zu können. Das Gericht hat außerdem deutliche Zweifel geltend gemacht, dass Berlin seine Haushaltsspielräume zur Konsolidierung der Haushaltsfinanzen auf Ausgaben- und Einnahmenseite aus eigener Kraft bereits ausgeschöpft habe.
Unser ergänzender Schriftsatz weist deshalb Punkt für Punkt nach, dass die auf Berlin angewendeten Kriterien für Bremen zu einem anderen Ergebnis führen. Im Kern werden folgende Positionen formuliert:
Bremen erfüllt nach den bisherigen Maßstäben die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für eine Haushaltsnotlage, daran ändert sich auch nichts nach den vom Gericht ergänzend formulierten Maßstäben. Bremen befindet sich objektiv in einer extremen Haushaltsnotlage.
Bremen hat auch alle vom Verfassungsgericht angesprochenen Maßnahmen ergriffen, um aus eigener Kraft seine Haushaltsnotlage zu bekämpfen, das gilt auf der Einnahmenseite bei Steuern und Vermögensveräußerungen, das gilt ebenso auf der Ausgabenseite.
Wir haben zum Beispiel die Gewerbesteuer und die Grundsteuer 2004 erhöht, weitere Erhöhungen stoßen allerdings an die Grenze dessen, was im Wettbewerb mit dem Umland und anderen Großstädten noch möglich ist. Das Gleiche gilt für die neu eingeführte Kompetenz der Länder zur Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Eine Erhöhung würde direkte Auswirkungen auf die Abwanderung ins Umland haben.
Bei den Vermögensveräußerungen legen wir dem Gericht dar, dass wir seit 1994 bereits Vermögen im Umfang von 2,3 Milliarden Euro veräußert haben, diesen Weg also früher und stärker als viele andere gegangen sind. Nach dem Maßstab des Gerichts, dass sich Veräußerungen auch wirtschaftlich rechnen müssen, sind wir hier an die Grenze des Möglichen gekommen.
Das gilt insbesondere für BLG und Gewoba. Wir wollen diese beiden Unternehmen nicht veräußern, weil sie für die Zukunft unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind.
Wir müssen sie aber auch selbst nach den Kriterien des Verfassungsgerichts nicht veräußern, weil wir durch einen Verkauf unseren Haushalt unter dem Strich nicht nennenswert entlasten.
Bei den Ausgaben können wir belegen, dass wir bei den konsumtiven Ausgaben das Hamburger Niveau erreicht haben und nicht wie Berlin um 10 Prozent höher liegen. Faktisch liegen wir bei den gestaltbaren Ausgaben sogar deutlich unter Hamburg, weil bei uns ein größerer Teil rechtlich und tatsächlich gebunden ist.
Unser Schriftsatz kommt zusammengefasst zu dem eindeutigen Ergebnis, dass sich Bremen nach wie vor in einer extremen Haushaltsnotlage befindet und unsere eigenen Handlungsspielräume so gut wie erschöpft sind. Er begründet, dass in Bremen die vom Gericht geforderte absolute und relative Haushaltsnotlage vorliegt und Bremen auch nach dem neu in die Rechtssprechung eingeführten Ultima-Ratio-Prinzip Anspruch auf Unterstützung hat.
Bremen wird seinen Schriftsatz jetzt beim Bundesverfassungsgericht einreichen, dem Bund und den anderen Ländern ist eine Äußerungsfrist bis zum 31. Juli gesetzt worden. Ich habe keine Zweifel, dass der Bund und die anderen Länder sich sehr kritisch und detailliert mit unseren Argumenten auseinandersetzen werden, das ist auch völlig in Ordnung. Wir sind gut vorbereitet, wir haben gute Argumente und plausible Antworten auf die absehbaren Fragen.
Einen Vorgeschmack haben wir in der vergangenen Woche bekommen. Der von 8 Ländern vorgelegte Schriftsatz aus der Feder von Herrn Professor Korioth zeichnet sich allerdings weniger durch die Stichhaltigkeit und Überzeugungskraft seiner Argumente, sondern eher durch eine in einem derartigen Verfahren etwas ungewöhnliche Wortwahl und Argumentationsweise aus,
forsch im Ton, aber wenig tiefschürfend in der Sache, man könnte es auch schlicht als Polemik bezeichnen, die doch insgesamt als sehr rückwärtsgerichtet erscheint.
Das Papier von Herrn Professor Korioth setzt sich nicht ernsthaft mit der schwierigen Situation eines Landes in einer Haushaltsnotlage und den Anforderungen des Verfassungsgerichts auseinander. Um nur einen Kernpunkt aufzugreifen: Wenn Herr Professor Korioth behauptet, das Bremer Konzept sei von An
fang an verfehlt gewesen, muss er sich fragen lassen, welches der 8 Länder, die er vertritt, zu welchem Zeitpunkt denn darauf aufmerksam gemacht hat, denn das Sanierungsprogramm Bremens ist mit Bund und Ländern abgestimmt worden, und seine Umsetzung war jedes Jahr Gegenstand einer ausführlichen Berichterstattung vor dem Finanzplanungsrat.
Meine Damen und Herren, ich will nicht behaupten, dass wir in den vergangenen, in den letzten Jahren alles richtig gemacht haben, aber wenn es auch Irrtümer gegeben hat, dann haben wir uns, Bund und Länder, gemeinsam geirrt. Das kann aber kein Kriterium der rechtlichen Beurteilung sein und erst recht nicht Anlass dazu bieten, die Haushaltsnotlage Bremens zu ignorieren.
Ich wehre mich an dieser Stelle ausdrücklich auch gegen Legendenbildung und Geschichtsklitterung! Dass wir in Bremen während der Sanierung bewusst auch auf aktiven Strukturwandel und Investition zur Stärkung der Wirtschaftskraft gesetzt haben, war eine gemeinsame Strategie, sie entsprach den Hinweisen des Verfassungsgerichts im Urteil von 1992, den Sanierungsvereinbarungen und den von Bremen penibel eingehaltenen Sanierungsauflagen.
Auch wenn wir dabei nicht alle Ziele erreicht haben, haben wir damit unübersehbare Erfolge geschafft! Wir sind Stadt der Wissenschaft geworden. Wir haben unsere Häfen für den anhaltenden Boom des Außenhandels fit gemacht. Wir haben den Raumfahrtstandort Bremen gestärkt. Wir haben in den alten Hafenrevieren um die Überseestadt die Grundlagen für neues Leben gelegt. In Bremerhaven hat sich eine Menge positiv entwickelt. Die guten, aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zeigen, wir haben Arbeitsplätze gesichert und Grundlagen geschaffen.
Der Senat wird sich zu gegebener Zeit mit dem Schriftsatz von Herrn Professor Korioth ausführlich auseinandersetzen und in dem Sinne darauf antworten, wie ich es Ihnen vorgetragen habe.
Schlagkräftiger als alle anderen Argumente, die wir in Karlsruhe vorbringen, und Voraussetzung jeder weiteren solidarischen Unterstützung ist eine konsequente und überzeugende Sparpolitik, so schwer sie auch fällt. Wir sind auf diesem Weg und halten ihn konsequent ein. Die dem Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollantrag vorgelegten Konsolidierungsschritte wurden in voller Höhe umgesetzt.
2006 konnten die bereinigten Ausgaben um 1,9 Prozent gesenkt werden. Zusätzliche Steuermehreinnahmen wurden für die Absenkung der Nettokreditaufnahme verwendet. Die Primärausgaben gingen um 3,4 Prozent zurück, unser Primärsaldo ist damit um 308 Millionen Euro, also beinahe um die Hälfte, gesunken. Er soll nach unserer bisherigen Planung bis 2009 ausgeglichen sein. In unserem zweiten Schriftsatz haben wir darüber hinaus bekräftigt, dass wir auch weitere Einnahmesteigerungen aufgrund der guten Konjunktur in vollem Umfang in die Tilgung einbringen werden.
Meine Damen und Herren, im Januar letzten Jahres bin ich mit einem Strategiepapier an die Öffentlichkeit getreten, in dem Dreiklang „Konsolidieren – Klagen – Verhandeln“ als Leitlinie für die Bewältigung der Finanzkrise Bremens dargelegt wurde. Mit der Regierungserklärung möchte ich deutlich machen: Wir sind auf gutem Weg, auch wenn es ein Weg mit vielen spitzen Steinen sein wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bürgermeister Böhrnsen, ich versichere – das macht auch der gemeinsame Antrag von CDU und SPD deutlich –, dass Sie uns in diesem Prozess, in den wir uns gemeinsam hineinbewegen, hinter sich wissen können! Ich habe mich natürlich auch mit diesem Thema seit langer Zeit sehr intensiv auseinandergesetzt, zwangsläufig. Ich glaube, dass wir natürlich unsere besondere Situation immer wieder erklären müssen. Das ist mühselig, und viele begreifen es dann trotzdem immer noch nicht. Das heißt, wir werden in dieser offensiven Arbeit zu begründen haben, warum was geschehen ist und warum im Grunde genommen bestimmte politische Entscheidungsmaßnahmen, insbesondere Ende der Sechzigerjahre, diese zentralen Veränderungen geschaffen haben, die Bremen von einem Tag auf den anderen vom Geberland zum Empfängerland gemacht haben. Die Auswirkungen dieses Prozesses bekommen wir heute in besonderer Schärfe zu spüren.
Ich bin Ihnen auch dankbar, weil es wichtig ist, dass Sie gegen Ende auch darauf verwiesen haben, dass Sie sich gegen die Legendenbildung, was unsere Investitionsstrategien angeht, wenden. In der Tat ist es so, man kann eine Sanierung eines Landes nur dann durchführen, wenn man gleichzeitig Aufholtempo gegenüber anderen Ländern, die vor uns liegen, entwickelt.
Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts nicht verbessern, dann schaffen wir nicht mehr Arbeitsplätze, sondern weniger, und wenn wir weniger Arbeitsplätze schaffen, dann steigen unsere Ausgaben und unsere Einnahmen sinken. Deshalb ist es so, dass wir diese kluge Balance immer wieder überprüfen müssen und uns immer wieder die Fragen beantworten müssen: Sind wir in der Lage, durch Konzepte für die Zukunft den Wettbewerb mit anderen Städten – nicht nur in Deutschland, sondern in der Hafenpolitik konkurrieren wir mit vielen Städten in der ganzen Welt – zu bestehen? Sind wir in der Lage, Wachstum zu generieren? Sind wir in der Lage, moderne und zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu schaffen, oder sind wir nicht in dieser Lage?
Deshalb ist es von so zentraler Bedeutung, dass wir die Wettbewerbsrahmenbedingungen unseres Standortes in der Wissenschaftspolitik, in der Bildungspolitik, in der Aufenthalts-, in der Tourismuspolitik, in der Wirtschaftsförderung, in all diesen Fragen konsequent nach vorn drücken müssen, und das setzt Handeln voraus! Das setzt Veränderungen voraus, und den Mut zur Veränderung braucht man, und Veränderungen kosten auch sehr häufig Geld. Deshalb ist das wichtig!
Meine Damen und Herren, im Jahre 2000 hat es eine lange Diskussion über die geplante Steuerreform gegeben, die die rot-grüne Bundesregierung damals plante. Es hat damals auch einen großen Druck auf die Großen Koalitionen insbesondere gegeben, dieser Steuerreform zuzustimmen. Es war aus unserer Sicht damals eindeutig absehbar, dass diese Steuerreform in einem relativ langen, überschaubaren Zeitrahmen zu drastischen Mindereinnahmen führen wird.
Gleichzeitig hat natürlich aber auch die rot-grüne Bundesregierung Druck auf ihre eigenen Ministerpräsidenten ausgeübt. Ich habe das auch in den Gesprächen mit Henning Scherf festgestellt, und er hat den Druck natürlich weitergegeben und wollte, dass auch wir als CDU dieser Steuerreform zustimmen. Wir haben das damals nicht verantworten können, weil sie uns als ein Land im Sanierungsprozess in einer besonderen, extremen Haushaltsnotlage weiter zurückgeworfen hätte. Ich erinnere ganz vage an die Debatte, die gestern geführt worden ist.
Nun ist es so, damals hat Henning Scherf uns gesagt, wenn ihr dieser Steuerreform nicht zustimmt, weiß ich nicht, ob wir die Koalition weiter aufrechterhalten. Der Druck war massiv, es hat dann Verhandlungen gegeben. Natürlich war Bundeskanzler Schröder hochinteressiert daran, insbesondere die Großen Koalitionen zu einer Zustimmung zur Steuerreform zu bewegen, weil es ohne diese Zustimmung keine Mehrheit gegeben hätte. Dann hat der Bundeskanzler Angebote gemacht an die CDU.
Kanzlerbrief nie einen Hehl daraus gemacht, dann muss ich sagen, zunächst einmal ist es so gewesen, nur wegen der Geschichtsklitterung und der Legendenbildung, dass die SPD dieser Steuerreform ohne Kanzlerbrief zugestimmt hätte. Das ist richtig!
Die Verhandlungen mit dem Bundeskanzler sind nur dadurch entstanden, weil die CDU die Zustimmung zu dieser Steuerreform abgelehnt hat, weil die Mindereinnahmen, die sich daraus ergeben würden, evident waren. Der Bundeskanzler hat dann Zusagen gemacht und uns beruhigt, wie er gesagt hat. Wir haben mehrere Nachverhandlungen gehabt. Als wir in der letzten Nachverhandlung darauf bestanden haben, dass er auch noch eine schriftliche Erklärung darüber abgibt, dass es nicht nur er persönlich ist, der das so sieht mit der notwendigen Hilfe für dieses Land Bremen in extremer Haushaltsnotlage, sondern er hat uns schriftlich bestätigt, dass er dies mit den Vorständen von Fraktion und Partei, mit den SPD-Ministerpräsidenten besprochen und mit dem Fraktionsvorstand der Koalition ebenso verhandelt hat.
Nachdem wir das hatten, haben wir gesagt, wenn das so ist und wir uns darauf verlassen können, dass die Mindereinnahmen erstattet werden, die sich aus der Steuerreform ergeben, dann können wir zustimmen. Wir haben damals zugestimmt. Meine Damen und Herren, warum hätten wir zustimmen sollen, wenn wir nicht der festen Überzeugung gewesen wären, dass der Kanzler zu seinen Aussagen steht?