Protokoll der Sitzung vom 21.03.2007

Wir treten nun in die Mittagspause ein. Der Beginn nach der Mittagspause ist pünktlich um 14.30 Uhr.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung 12.59 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die unterbrochene Landtagssitzung ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion, Berufsschüler der Wilhelm-Wagenfeld-Schule und eine Klas

se der Erwachsenenschule Bremen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen nun die Tagesordnung fort.

15. Bericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau über deren Tätigkeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005

Mitteilung des Senats vom 28. November 2006 (Drucksache 16/1219)

Wir verbinden hiermit:

Bericht des Ausschusses für die Gleichberechtigung der Frau zum 15. Bericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau über deren Tätigkeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005 (Mitteilung des Senats vom 28. November 2006, Drs. 16/1219) vom 26. Januar 2007

(Drucksache 16/1280)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Meine Damen und Herren, der 15. Bericht der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 73. Sitzung am 14. Dezember 2006 an den Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 16/1280 seinen Bericht dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Rednerin erteile ich der Landesfrauenbeauftragten, Frau Ulrike Hauffe, das Wort.

Frau Hauffe (Landesbeauftragte für die Gleichbe- rechtigung der Frau): Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es übt sich, wenn ich jetzt schon das zweite Mal hier bin. Herzlichen Dank für die Einladung, hier als Sachverständige wieder sprechen zu dürfen!

Ich könnte nun anlässlich der Debatte über den 15. Bericht der ZGF meine Redezeit dafür nutzen, unsere guten Taten aufzuzählen, gemessen an unserer bescheidenen Personalausstattung – das sage ich hier sehr deutlich – über die vielen Aktivitäten berichten, die wir unternommen oder angeschoben haben. Ich denke, das kann nicht Sinn meiner Rede sein, denn Sie haben sicherlich alle den bewusst ausführlich gestalteten Bericht gelesen. Ich will Sie vielmehr mitnehmen, weitere wichtige Schritte auf dem Weg zur

Gleichberechtigung zu gehen – ich mit meiner analytischen Sicht auf die Dinge und Sie mit Ihrem Engagement, das Sie die letzten Jahre bewiesen haben.

Gleichberechtigung, und ich betone „Recht“ in dem Wort, haben wir doch, hören Sie sicherlich häufiger. Ich würde denen, die das sagen, im Wortsinne des Rechts fast übereinstimmend Ja sagen, hätten wir nicht die eine oder andere Rechtsetzung, die in der Folge ungleiche Verhältnisse schafft. Die faktische Gleichstellung jedoch ist noch fern.

Ich weiß, Sie sind nicht so naiv zu sagen: Diese Gleichstellung haben wir längst erreicht. Darüber sind wir uns sicherlich ganz einig, ich weiß das. Anders kann ich Ihre sich immer stärker tragende Zusammenarbeit mit mir und meiner Behörde nicht erklären. Darin kann ich auch die verschiedenen Senatsressorts einschließen. In den inzwischen zwölfeinhalb Jahren Amtszeit hat sich die Zusammenarbeit stabilisiert. Sie hat natürlich immer wieder auch Reibungspunkte, die wir gemeinsam mehr und mehr konstruktiv nutzen, aber auch noch mehr nutzen könnten. Die morgige Debatte zum Gender Mainstreaming zeigt Ihnen dazu auch Wege.

Worin sind wir gut als ZGF? Wir sind stark im Querdenken. Das tun die Ressorts in der Regel nicht. Wir sind analytisch stark, für jedes Thema politischer Gestaltung sind wir in der Lage, aus der Perspektive der Gleichberechtigung Zustände zu beschreiben, ihre Genese zu begründen und Wege aufzuzeigen, wie sie überwunden werden können. Die Maßnahmen einsetzen und umsetzen müssen die Ressorts, die Aufträge dazu erteilen Sie, das Parlament.

Was können wir noch? Wir können untypische kreative Verbindungen aufbauen, Zusammenhänge, aus denen Mehrwert entsteht: ein Mehr an Wissen, an Einsicht, an Handeln. Wir stellen Arbeitszusammenhänge quer zu Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Fachkräften her, die die Grenzen von Einzelfachlichkeit überwinden und dadurch komplexen Problemen gerechter werden können, zum Beispiel zu Themen wie berufliche Perspektiven von Frauen und Mädchen, zu Fragen der Gesundheit oder auch der Gewalt gegen Frauen.

Ich möchte nicht mit Ihnen die einzelnen politischen Fachgebiete durchgehen, wie sie im Bericht der ZGF repräsentiert sind, sondern unsere Analyse auf vier zentrale Begriffe der Geschlechtergerechtigkeit verdichten: Arbeit, Zeit, Geld und Macht. Solange Arbeit, Zeit, Geld und Macht nicht zwischen Frauen und Männern gleich verteilt sind, haben wir keine gerechte Welt und kein demokratisches Gemeinwesen. Lassen Sie uns die Begriffe einmal veranschaulichen und sie vielleicht auch einmal kühn neu definieren!

Arbeit: Wir glauben alle zu wissen, was hinter dem Begriff Arbeit steckt, er wird aber eher und fälschlicherweise eindimensional für die Erwerbsarbeit genutzt. Eine Definition von Arbeit bedarf einer Erweiterung in Erwerbsarbeit, Familienarbeit und BürgerInnen

arbeit mit großem „i“, Bürger- und Bürgerinnenarbeit, mit allen übrigens interessanten Folgen für unsere Sozialgesetzgebung, wenn wir das einmal konsequent durchdeklinieren würden, deswegen übrigens mein eben gemeintes „kühn“.

Zur Erwerbsarbeit Bremen: Mit 54,4 Prozent liegen wir in Bremen mit der Erwerbsbeteiligung von Frauen verglichen mit dem Bundesdurchschnitt ausgesprochen niedrig. Die in den letzten Jahren festzustellende Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ist nur eine numerische Größe, drückt nur die Anzahl der Köpfe aus – das Erwerbsarbeitsvolumen der Frauen ist geschrumpft! Sie sind diejenigen, die in Teilzeit, geringfügige und ungeschützte Beschäftigung geschoben wurden. Hier müssen wir mit gezielten Programmen und Maßnahmen gegensteuern!

Familienarbeit, Kinder, Pflege: Ich muss an dieser Stelle, glaube ich, nicht beweisen, wer hauptsächlich die Erziehungs- und Hausarbeit leistet. Richten Sie Ihr Augenmerk auf die Frage, dass es zukünftig auch noch mehr um die Pflege von Familienangehörigen gehen wird! Wieder eine familiäre Betreuungsleistung, die wahrscheinlich eher von Frauen geleistet wird mit allen Konsequenzen für ihre berufliche Situation und ihre soziale Absicherung!

Der dritte Arbeitsbegriff, und nur zusammen sind sie richtig: BürgerInnenarbeit, nachbarschaftliche Arbeit. Wer gibt unseren Städten in den Stadtteilen das soziale Gesicht?

Mein zweiter Begriff war Zeit. Das mag Ihnen vielleicht erst einmal so komisch anmuten, denn worüber reden wir in der Politik ganz selten: über Zeit. Dabei ist Zeit eine ausgesprochen interessante politische Kategorie! Die möglichen Karrieren – ich will das einmal an so einem Beispiel sagen – werden behindert, weil Karriere bildende Zirkel männlichen Zeitstrukturen unterliegen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie finden dann statt, wenn Frauen keine Zeit haben, weil sie ihre familiären Aufgaben wahrnehmen. Oder erinnern Sie sich noch an „Männer gegen länger“?

(Abg. Frau T u c z e k [CDU]: Nein, das kenne ich nicht!)

Nein, das kennt Frau Tuczek nicht! Das ist gut, Frau Tuczek, das gibt mir die Chance, es zu erklären!

„Männer gegen länger“ ist eine bundesweite Initiative von sehr hochrangigen Männern gewesen und existiert auch heute noch, die sich in die Debatte um die Verlängerung der Wochenarbeitszeit eingemischt haben. Sie waren „gegen länger“ und hatten gute Gründe. Haben Sie sich jemals bei der Debatte um

die Verlängerung der Wochenarbeitszeit die Familienfeindlichkeit vergegenwärtigt, übrigens auch vergegenwärtigt, dass viele keine Arbeit haben und eine Umverteilung der vorhandenen Arbeit vielleicht auch an der Stelle sinnvoll ist, aber unter dem Zeitaspekt?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich freue mich übrigens sehr, dass es an dieser Stelle, also bei „Männer gegen länger“, Frau Tuczek, eine Allianz mit zum Teil sehr prominenten Männern gibt, die einen anderen Lebensentwurf realisieren wollen und – was auch wichtig ist – Modelle für eine neue Zeitgestaltung und Arbeitsgestaltung vorgelegt haben.

Mein dritter Begriff ist Geld. Welches Geld wird für welche Arbeit bezahlt? Der eine oder die andere kennt sicherlich noch den Satz „Die Leiterin eines Kindergartens verdient weniger als der Fahrer eines Müllwagens“, ein Satz, der für die tarifliche Diskriminierung der sogenannten Frauenberufe steht. Wissen Sie, dass viele Friseurinnen mit ihrem Stundenlohn weit unterhalb der derzeit diskutierten Mindestlohngrenze liegen? Übrigens mit großen Folgen dieser niedrigen Löhne und einem direkten Bezug zur weiblichen Altersarmut!

Ohne Geld wird sozialer Kitt zur Selbstausbeutung. Wieso sage ich das? Weil Frauen besonders in dieser Gefahr stehen. Wenn ich hier zum wiederholten Male nicht nur den Erhalt, sondern auch den Ausbau der Frauen- und Mädchenprojekte fordere, so ist dies keine Klientelpolitik als Selbstzweck, sondern stellt klar, dass diese Einrichtungen für das soziale, kulturelle und berufliche Netz unseres Bundeslandes unverzichtbare Dienste leisten, die von keiner anderen Stelle wahrgenommen werden.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Sie sind als Vorbild für Lösungswege wichtiger sozialer und gesellschaftlicher Fragestellungen anzusehen. Es kann nicht sein, dass diese Projekte stets als Bittstellerinnen da stehen, wenn es um die Absicherung ihrer Arbeit geht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der vierte Begriff: Macht! Wer spielt die wichtigen politischen Rollen in unserem Bundesland? Im Senat sind wir nicht in der Nähe einer Geschlechterparität, Sie haben eine Chance nach dem 13. Mai! Wer sitzt in welchen Aufsichtsräten und Geschäftsführungen wichtiger bremischer Gesellschaften? Auch das spricht für sich! Dies, und das lassen Sie mich zum Abschluss sagen, sind nur Schlaglichter auf Frauenpolitik, die viel bedeutungsvoller für das Funktionieren

und die Weiterentwicklung einer Gesellschaft sind als häufig angenommen.

(Glocke)

Zu allen von mir genannten Themen finden Sie im Bericht eine Fülle von Kritikpunkten, aber auch Anregungen. Bevor wir nicht alle wie selbstverständlich die hohe und vielfältige Kompetenz von Frauen auch dort nutzen, wo sie machtvoll agieren kann, vertun wir Chancen und verschwenden Ressourcen. Wenn Sie es nicht Frauenpolitik nennen wollen, nennen Sie es schlichtweg Demokratie! – Vielen Dank!

(Beifall)

Das Wort hat als Berichterstatterin die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.