Protokoll der Sitzung vom 24.04.2007

sche Gewinne in diesen Bereichen, sondern wir reden darüber, dass höhere Löhne sich offensichtlich nicht erzielen lassen, weil sie Arbeitsplätze gefährden. Das ist die große Gefahr!

Deswegen sage ich, der CDU-Weg ist der sozialere, weil er nicht die Gefahr in sich birgt, Niedriglohnbeschäftigungen zu beseitigen durch fiktiv hohe Löhne, die am Markt nicht erzielt werden können. Das ist genau die Realität! Die Gewerkschaften haben diese Löhne nicht vereinbart, weil sie möglichst wenig Geld für die Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollten, sondern sie haben diese Löhne vereinbart, weil sie genau wussten, dass bei höheren Tarifabschlüssen die Arbeitsplätze in ihrem Bestand gefährdet sind. Das ist die Realität in Deutschland, Herr Dr. Sieling!

(Beifall bei der CDU)

Wir reden im Übrigen in erster Linie nicht über Bremen, das muss man an dieser Stelle auch wissen. Am meisten Widerstand in beiden Lagern – Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite – kommt im Übrigen aus den neuen Bundesländern, weil wir dort an der Grenze zu Osteuropa sehr viele Beschäftigungsverhältnisse haben, wo Tarifvertragsparteien sehr genau wissen, dass, wenn sie einen nicht in Deutschland erwirtschaftbaren Tariflohn von 7,50 Euro pro Stunde vereinbaren, die Arbeitsplätze weg sind. Davor möchte ich Deutschland bewahren.

Das halte ich für den falschen Weg, und deswegen sage ich, wir müssen mit der Realität leben, dass es in Deutschland in einigen wenigen Bereichen, vielleicht 10 Prozent der gesamten Arbeitsverhältnisse, Löhne gibt, deren Höhe – 7,50 Euro – sich am Ende nicht erwirtschaften lässt. Dann bin ich aber dafür, genau den Weg zu gehen, den übrigens auch Herr Müntefering im Wesentlichen für ungelernte Arbeit und ältere Arbeitnehmer finden will, nämlich dann zu sagen, in diesen Fällen bin ich als Staat bereit, lieber die Arbeit zu finanzieren als die Arbeitslosigkeit. Das Ergebnis von gesetzlichen Tariflöhnen für den Fall, dass Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich vernichtet werden, ist nämlich, dass ich als Staat die Arbeitslosigkeit finanziere. Ich will in Deutschland lieber die Arbeit finanzieren und nicht die Arbeitslosigkeit! Deswegen reden wir über Lohnzuschüsse.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich birgt das eine Missbrauchsgefahr in sich, da bin ich völlig sicher, wie alles in unserem System Missbrauchsgefahren in sich birgt. Ich halte es für fast ausgeschlossen, dass Tarifvertragsparteien in Zukunft sittenwidrige Löhne vereinbaren in dem stillen Bewusstsein, dass der Staat das auf einen gesetzlichen Mindestlohn aufstockt. Man kann aber durch Unterschreitungsverbote auf der Grundlage der bisher

geltenden Tarifvertragsstrukturen, durch Dynamisierungsregelungen in der Frage der Höhe der Lohnzuschüsse in Höhe der Lebenshaltungskostenindizes und so weiter einen Mechanismus einbeziehen, der das, was Sie hier als Missbrauch an den Pranger gestellt haben, beseitigt. Ich werbe dafür, dass wir in Ruhe über diese Lösung reden.

Die SPD ist in diesen Tagen mit einer Bundeskampagne unterwegs mit dem Thema Mindestlohn, insbesondere in Bremen, weil hier Wahlkampf ist. Der Kollege Böhrnsen fährt nachher mit der ver.di-Straßenbahn, habe ich heute auf der Seite der Linkspartei gelesen, die im Übrigen, und da sehe ich eine weitere Gefahr, auf ihrer – –. Die Reaktion ist vorprogrammiert gewesen. Da steht dann: „Bürgermeister Böhrnsen fährt heute mit der ver.di-Straßenbahn, steigen Sie bitte an der Domsheide um 16.10 Uhr ein, um für gesetzliche Mindestlöhne zu demonstrieren.“ Dann kommt der Nachsatz: „Und übrigens, die Linkspartei fordert einen Mindestlohn von 8 Euro.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht die Gefahr, dass der Gesetzgeber, dass sich die Politik am Ende in die Frage endgültig einmischt, was gerechte Löhne für gerechte Arbeit in Deutschland ist. Ich will das bewährte System der Tarifautonomie und des Interessenausgleichs nicht um einer Wahl willen und nicht um der politischen Agitation willen abschaffen und durch ein gesetzliches Lohnfindungssystem ersetzen. Das halte ich für schädlich. Wir haben in Deutschland viele gute Erfahrungen, viele hochwertige Arbeitsplätze und viel gerecht finanzierte Arbeit entstehen lassen in dem bewährten System der Tarifautonomie, und deswegen werbe ich dafür, dass das auch so bleibt. – Vielen Dank!

(Starker Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich bedanke mich bei der CDU-Fraktion, dass sie zum Ende gekommen ist. Das Erste und Erfreuliche ist ja durchaus, Herr Röwekamp, dass Sie sich hier zur Tarifautonomie bekennen.

(Zuruf von der CDU: War nie anders!)

War nie anders, das ist sehr schön in dem Zusammenhang! Aber Tarifautonomie ist natürlich mehr als die Tatsache, dass sich da vielleicht zwei an einen Tisch setzen und etwas autonom verhandeln, sondern es gab einen wichtigen Hinweis auf die Anerkennung der Tarifverträge als allgemein verbindliche Tarifverträge.

Ich freue mich über diese Wendung, ich finde nur, sie hätte früher kommen können. Wir haben hier vor

zwei Monaten, Herr Röwekamp, diskutiert und beschlossen, dass wir das Ladenschlussgesetz verändern. In dem Zusammenhang sind wir auf Sie zugekommen, auf die CDU-Fraktion, und haben gesagt, es kommt darauf an, damit wir dort die Lohnbedingungen sichern, dass die Allgemeinverbindlichkeit realisiert wird und dass wir diesen Weg gehen und das verpflichten. Dazu hat es eine Ablehnung gegeben. Da hätte ich Ihren mutigen, starken Vortrag gern gehört und hätte gesagt, die CDU-Fraktion macht das mit. Heiße Luft war das! Nichts kam an der Stelle, als es zum Schwur kam!

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, der Hinweis, das macht doch alles deutlich, wenn wir hier den Vergleich aufmachen zu den anderen Ländern, in denen es natürlich Mindestlöhne gibt, und in denen es auch freie Gewerkschaften gibt, wenn Sie dann kommen mit Bulgarien: Sie haben versucht zu relativieren, aber ich muss sagen, das ist hochgradig lächerlich. Das, finde ich, macht Ihren ganzen Zynismus in dieser Frage deutlich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Statt ernsthaft darüber zu reden, wo wir in vergleichbarer Höhe sind! Dann ist man natürlich an der Stelle, dass man darüber reden muss, dass wir in Europa gemeinsame Standards brauchen, dass wir sozusagen Untergrenzen brauchen. Darum geht es doch in der politischen Auseinandersetzung.

Ich will in dem Zusammenhang zu dem Thema, zu dem Sie sich lange ausgelassen haben – Verhandlungen, Tarifautonomie –, hier an dieser Stelle nur sagen: Dieser Umgang mit den Gewerkschaften und mit der Situation ist entweder absichtlich oder von Naivität und ökonomischer Unkenntnis geprägt. Es ist doch so, dass wir in vielen Bereichen aufgrund des Lohnabbaus der letzten Jahre und Jahrzehnte in einer Situation sind, dass die Gleichberechtigung gar nicht mehr, die Gleichrangigkeit, die Waffengleichheit, geboten ist, sondern die Erpressbarkeit der Gewerkschaften riesig geworden ist. Das wollen wir verhindern, darum eine Untergrenze, darum Mindestlohn. Das ist Sicherung der Tarifautonomie!

(Beifall bei der SPD)

Herr Röwekamp, eines finde ich gut: dass Sie auf die Fahrt heute Nachmittag, die Bürgermeister Böhrnsen macht, hinweisen, auf den Weg, den er hin zu den Menschen macht. Jens Böhrnsen hat hier Herrn Perschau schon eingeladen zuzusteigen. Ich kann natürlich keine weiteren Einladungen aussprechen, die der Bürgermeister wahrnimmt, aber ich bin sicher, Herr Röwekamp, wenn auch Sie einmal zu den

Menschen gehen wollen, Sie sind herzlich eingeladen mitzufahren und sich das anzuschauen,

(Widerspruch bei der CDU)

wie die Verhältnisse hier sind, oder selbst eine solche Fahrt zu organisieren. Machen Sie das! Aber Herr Röwekamp kann doch – Herr Focke, regen Sie sich doch nicht auf! –, Herr Röwekamp könnte doch einmal diesen Weg gehen und könnte sich die Arbeitsverhältnisse und die Lebensverhältnisse anschauen, anstatt hier zu polemisieren, dass die Linkspartei 50 Cent mehr will.

Meine Damen und Herren, bewegen Sie sich an der Stelle, gehen Sie den Weg mit, den wir hier vorgezeichnet haben! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, hier ist heute schwer etwas los! Schade, dass es nicht in den letzten fast 4 Jahren auch öfter einmal so war! Das wertet ja sozialpolitische und arbeitsmarktpolitische Themen richtig auf.

Ich würde gern zu 3 Punkten meiner Vorredner noch einmal etwas sagen: Herr Senator, Bürgermeister Röwekamp, ich glaube, dass Sie bei all dem Hochjubeln der Gewerkschaften übersehen haben, dass zumindest die Theorie – und die wird durch die Praxis bestätigt – sagt, dass Gewerkschaften in Zeiten von Massenerwerbslosigkeit geschwächt sind in dem, was sie durchsetzen möchten. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass hier die Tarifparteien unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen miteinander verhandeln, und es ist natürlich klar, dass unter der Bedingung von Massenerwerbslosigkeit besonders großer Druck auf die Gewerkschaften besteht, untere Einkommensgruppen eher nicht adäquat auszustatten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich hätte mir in den letzten Jahren da mehr Kampfgeist gewünscht, aber dass das jetzt einfach nur so vom Himmel gefallen ist und Sie hier weiter, völlig unabhängig davon, wie viele Arbeitslose man hat, vom freien Spiel der Kräfte fabulieren, hat mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit schlicht und einfach überhaupt gar nichts zu tun!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist auch nicht richtig, dass es sich vor allen Dingen um ungelernte Ausländer und so weiter handelt. Mittlerweile ist ein Drittel aller Personen, die unterhalb der 7,50-Euro-Grenze arbeiten, Personen mit Berufsabschluss, und zwar mit steigender Tendenz. Das ist doch der Grund, warum – aus meiner Sicht zum Glück – dieses Thema Konjunktur bekommt, weil es immer mehr werden und weil die Politik sieht, dass es jetzt notwendig ist zu handeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Jobs gehen verloren und Preise steigen! Jobs gehen verloren, das habe ich Ihnen bereits gesagt, dort haben Sie nur Befürchtungstheorien. Nirgendwo gibt es Beweise dafür, dass das wirklich passieren wird. Und die Preise steigen, ja, vielleicht im Friseurhandwerk. Na und, sage ich jetzt einmal! Ist es nicht in unser aller Interesse, dass die Frau, die mir die Haare macht, davon leben kann? Das finde ich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das gilt auch für den Bereich des Einzelhandels. Die gesellschaftlichen Kosten dieser Art der Dumpinglöhne sind zu hoch, als dass wir das mit diesem Argument, es könnten ja ein paar Preise steigen, kleinreden sollten. Dann sage ich jetzt auch noch einmal an die Adresse der SPD: Hic Rhodus, hic salta! Es ist immer ein bisschen billig, auf den Bund zu verweisen.

(Zurufe von der SPD)

Ja, regen Sie sich ruhig ein bisschen auf, das ist für mich auch gut!

Was ist denn mit der Bremer Praxis? Spitzenplatz bei der Vergabe von Ein-Euro-Jobs! Das ist hier unter der SPD eingeführt worden, und zwar in einer Massivität, wie sie wirklich übermäßig kritikwürdig ist. Ich finde, auch bei der Praxis der Teilzeiterzieherinnen können wir in Bremen eine Menge verbessern. Auch diejenigen, die dort zwangsweise 20 Stunden arbeiten oder 30, können von ihrem Einkommen nicht leben. Also, wir haben hier in Bremen auch noch eine Menge zu tun, damit wir nicht nur auf weit weg weisen, sondern auch vor unserer eigenen Tür kehren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu dem ersten Teil der Aktuellen Stunde liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Stunde auf:

Die Bremer Polizei braucht 100 neue Polizisten

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Vielleicht darf ich vorher noch sagen, die Redezeit des Senats beträgt mittlerweile insgesamt 16 Minuten. Ich schätze, zum zweiten Thema wird der Senat auch reden, sodass sich dann die Redezeiten für die Fraktionen noch entsprechend verlängern und noch Spielraum besteht.

Herr Herderhorst, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben das Thema „100 Polizeibeamte für die Polizei im Jahr 2007“ heute aufgerufen, weil wir sehen, dass wir unter Zeitdruck geraten, was die Bestimmung der Einstellungsquote für 2007 anbelangt. Es ist auch eine andere Voraussetzung in diesem Jahr, im Gegensatz zu 2006, als wir im Mai 2006 einen Ausbildungsplan bekommen haben, der ausdrückte, wie viele Beamtinnen und Beamte eingestellt werden sollten. In diesem Jahr haben wir nun absehbar die Wahl, die Konstituierung der neuen Bürgerschaft und auch letztendlich eines neuen Senats, und von daher befürchte ich, dass wir in die Nähe des Einstellungstermins 1.10. kommen, wenn die Entscheidung dann fällt. Das ist natürlich auch deswegen wesentlich zu spät, weil bis dahin kein Bescheid hinausgegangen ist, unter Umständen die Besten weglaufen und in anderen Bundesländern Anstellungen finden.