Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Erfolg ist aber sicherlich darauf zurückzuführen, dass der Girls’ Day eben ein spezieller Zukunftstag für Mädchen ist und nicht einmündet, wie das in anderen Bundesländern und auch leider in einigen Bremer Schulen bereits geschieht, wie mir zu Ohren gekommen ist, in einen sogenannten Kids’ Day oder allgemeinen Berufsorientierungstag für Jugendliche. Das ist nicht das Ziel, das wir verfolgen.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind froh, dass der Girls’ Day dazu geführt hat, dass sich die Zahl der Bewerbungen von Mädchen auf Praktikumsstellen in diesen Berufen, die ihnen vorgestellt werden, erhöht hat und dass auch die Anzahl der Mädchen in den entsprechenden Ausbildungsberufen zugenommen hat.

Selbstverständlich liegen uns die Jungen am Herzen und sollen nicht vergessen werden. Wir alle wissen, dass die Jungen zurzeit die Verlierer in unserem Bildungssystem sind. Waren es früher katholische Mädchen vom Lande, so ist es heute der islamische Junge in der Großstadt, der in unserem Bildungssystem die wenigsten Chancen hat. Bessere Schulabschlüsse, wie sie die Mädchen haben, führen aber leider nicht

dazu, dass sie auch bessere, noch nicht einmal gleiche Chancen in der Berufswelt haben. Die Mädchen haben Vorteile in der Schule und Nachteile in der Berufswelt, bei den Jungen ist es genau umgekehrt.

Immer noch ist es so, dass die Sozialisation, Bildung und Erziehung es fördern, dass nach geschlechtsspezifischen Kriterien die Berufsauswahl stattfindet. Deshalb erwarten wir von der Schule, dass sie den wichtigen Einstieg in die Identitätsarbeit, den Jungen und Mädchen während der Schulzeit leisten, produktiv aufgreift. Es reicht eben nicht, die Jungen jetzt auch am Girls’ Day in die Betriebe zu schicken. Eine wesentliche Voraussetzung, dass sich hier etwas verändert, ist zum Beispiel die Selbstreflexion der Lehrkräfte.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen ihre eigene Geschlechterrolle, sie müssen sich ihres Verhaltens und ihrer Vorurteile bewusst werden, um den vorhandenen Teufelskreis zu durchbrechen, denn leider wird auch heute immer noch ein Mädchen dafür gelobt, dass es brav und fleißig ist, während ein Junge Anerkennung dafür bekommt, dass er aufsässig ist oder genial, und mit der Genialität, wissen wir ja, ist es nicht immer so weit her.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Schritt ist aber, dass auch Inhalte, Methoden, Interaktion, kurz das Schulprogramm, daraufhin untersucht werden müssen, ob Geschlechterstereotype verstärkt oder ob sie vielleicht abgebaut werden. Ich bin sehr froh, dass der Senator für Bildung ein Konzept für Jungen entwickeln lässt, das sich der besonderen Belange der Jungen annimmt und hier versucht, für ihre Berufs- und Lebensplanung entsprechende Maßnahmen zu entwickeln.

Ich bin sicher, dass berücksichtigt wird, dass viele dieser Jungen Defizite im sozialen Bereich haben, speziell die aus sozial benachteiligten Familien. Diese Jungen haben oft ihre Misserfolgskarrieren bereits im Kindergarten begonnen, sie fallen als aggressive Problemfälle auf, und auch in der Schule gelingt es dann nicht, sie durch Erfolgserlebnisse beim Lernen zu stärken, sodass sie ihre Selbstbestätigung nur in körperlicher Überlegenheit oder einem Machoverhalten finden.

Die Schule muss aus meiner Sicht Raum auch für Ängste und Schwächen der Jungen schaffen. Es müssen alternative Wege zum Mannsein angeboten werden, als sie bisher von den Jungen wahrgenommen werden, und es muss ermöglicht werden, dass auch diese Jungen Spaß am Lernen erleben, indem sie nämlich erfolgreich lernen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Windler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Warum ist es so wichtig, einen Mädchen-Zukunftstag zu haben? Ich könnte meine Rede eigentlich schnell beenden, indem ich sage, solange Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, ist es wichtig, die Frauen dahingehend zu fördern und einen Mädchen-Zukunftstag zu haben.

Junge Mädchen sollen sich schon sehr früh mit der Arbeitswelt auseinandersetzen. Geld verdient man überwiegend in sogenannten Männerberufen. Ich sage hier ganz bewusst sogenannte Männerberufe, denn Dank der Technisierung unserer Gesellschaft ist männliche Körperkraft in vielen Fällen nicht mehr notwendig. Mädchen sind in der schulischen Ausbildung immer besser als die Jungen. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Frauen immer noch die sozialen Berufe oder Bürotätigkeiten in ihren Fokus nehmen. Mädchen sollten deshalb schon sehr früh auch in Berufe, die nicht weiblich dominiert besetzt sind, schauen.

Der Girls’ Day besteht in Bremen seit fünf Jahren, und wir sind sehr stolz darauf, weil dieser Girls’ Day einiges auch schon bewegt hat. Inzwischen wird der Girls’ Day so gut angenommen, dass die Mädchen es schon etwas schwerer haben, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich habe gehört, dass Mädchen bei besonders beliebten Unternehmen schon Anmeldungen zum nächsten Girls’ Day getätigt haben. Ich finde, das ist doch schon etwas sehr Erfreuliches,

(Beifall bei der SPD)

dass da also die Resonanz so groß ist, dass die Mädchen sich jetzt schon Gedanken für nächstes Jahr machen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wichtig ist es auch, dass die Mädchen diesen Tag für sich behalten und er nicht von den Jungen dominiert wird. Die Bundesregierung hat ein neues Programm extra für Jungen aufgelegt, es heißt „Neue Wege für Jungs“. Dieses Programm soll Jungen in frauendominierte Berufe schauen lassen und sie von dem überholten Bild abbringen, dass sie später allein ihre Familie ernähren müssen. Erfreulich ist es, dass auch dieser Tag für die Jungen ausgesprochen gut angenommen wird, aber es muss ja nicht unbedingt der Girls’ Day sein.

Wir müssen den Frauen Mut machen, andere Berufsbilder anzunehmen als nur die gängigen zehn von 346 anerkannten Ausbildungsberufen. Ich möchte Ihnen nur einmal die Top 5 bei der Berufswahl der ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Mädchen aufzeigen. Das sind zum Beispiel die Kauffrau im Einzelhandel, die Bürokauffrau, die medizinische Fachangestellte, die Verkäuferin und die Friseurin. Bei den Jungen sieht es ganz anders aus. Da dominieren der Kraftfahrzeugmechaniker, der Kaufmann im Einzelhandel, der Koch, der Industriemechaniker und der Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik.

Wenn Sie sich diese Berufe einmal anschauen, so könnten diese Berufe auch in der Auswahl von Mädchen und Jungen ausgetauscht werden. Der Girls’ Day ist überflüssig, wenn wir nicht mehr von typischen Männer- und von typischen Frauenberufen sprechen.

Frau Böschen hat eben schon die schulische Nachbereitung angesprochen. Auch die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass hier ein Konzept greifen muss. Die Erziehung muss hier greifen, eine geschlechtsneutrale Sicht der Ausbildungsberufe aufzuzeigen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Crueger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht schaut auch jemand von zu Hause zu. Hier ist ja leider gerade nicht mehr so viel Aufmerksamkeit. Dennoch, glaube ich, haben wir es hier mit einem sehr wichtigen Thema zu tun.

(Heiterkeit)

Ich kann jetzt noch eine halbe Minute warten, ich habe fünf davon!

Wir haben es hier mit einem sehr wichtigen Thema zu tun, und zwar kann ich mich zum einen dem anschließen, was von meinen beiden Vorrednerinnen gesagt wurde, das ist ja auch nicht bei jeder politischen Angelegenheit von Bedeutung, sodass sich eigentlich fast alle Fraktionen einig sind. Ich möchte an der Stelle auch noch einmal das Bemühen von Ulrike Hauffe würdigen.

(Beifall)

Hier versuchen die Politik und die Landesbeauftragte gemeinsam, die Öffentlichkeit zum Jagen zu tragen, und es gibt hier zwar Fortschritte, bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich mich durch den Blätterwald der Zeitungsberichterstattung gewühlt, aber ich erkenne da auch schon wieder so etwas wie ein Rollback. Ich möchte aber erst einmal ––––––– *) Vom Redner nicht überpüft.

etwas ganz Grundsätzliches sagen. Wir finden es natürlich richtig, dass es neben dem Girls’ Day auch einen Boys’ Day geben soll. Das war ein Antrag der grünen Fraktion aus dem letzten Jahr. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist ein Problem, dass nur 1,79 Prozent der pädagogischen Arbeit in Kindergärten von Männern gemacht wird. Auch wenn das viel damit zu tun hat, wie da die Bezahlung ist, und auch wenn das für andere soziale Berufe ähnlich aussieht, hat es auch etwas damit zu tun, dass sich die Jungen eben genauso wenig in der Arbeitswelt sozialer Berufe auskennen, wie das vor Jahren zumindest noch bei Mädchen und technischen Berufen war.

Ich glaube, die Aufgabe, die wir hier haben, ist unbestritten. Ich denke aber, wenn wir uns dann einmal anschauen, ganz aktuell aus dem „Sonntagsjournal Bremerhaven“, ich zitiere mit Erlaubnis des Senats, Ausgabe vom 22.4.2007, „Vom Hip-Hop bis zur Sexualberatung“ ist die Überschrift – –.

(Glocke)

Es heißt: Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten und nicht des Senats!

Habe ich des Senats gesagt?

Ja!

Dann meinte ich aber Sie, Herr Präsident! Mein Versehen, ich war so in Rage. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten, des Staatsoberhauptes unseres Bundeslandes:

(Heiterkeit und Beifall)

„Vom Hip-Hop bis zur Sexualberatung“.

(Heiterkeit – Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich komme hier nicht mehr zu Ende, merke ich. Ich habe doch nur fünf Minuten! Jetzt möchte ich um etwas Aufmerksamkeit bitten, sonst schaffe ich das nicht!

„Jungenaktionstag im Lehe-Treff als Parallelveranstaltung zum Girls’ Day“. Ich finde es sehr richtig, dass man sich darum sorgt, dass Jungen und auch Mädchen vernünftige Aufklärung bekommen und da Pro Familia als Träger auch nutzt. Das habe ich selbst in meiner Schulzeit auch so erlebt, das ist eine schö

ne Sache. Aber so etwas ausgerechnet am Girls’ Day zu machen, finde ich auch bedenkenswert.

Es geht da noch weiter, das Presseecho auf den Girls’ Day im letzten Jahr, „Bremer Nachrichten“, „WeserKurier“ vom 28.4., ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Ganz im Zeichen der Emanzipation hatte die Polizei Bremen den Girls’ Day zum Kids’ Day umfunktioniert und auch Jungen eingeladen.“ Ich weiß nicht, was das mit Emanzipation zu tun haben soll.

„Norddeutsche“ vom 28.4.2006, ich zitiere mit Erlaubnis: „Inzwischen ist auf dieser Grundlage des Girls’ Day aber eine kunterbunte Mischung geworden. Mädchen schnuppern auch in andere Branchen hinein, die sie eben interessieren. Jungen sind bei Betriebsbesichtigungen dabei, Mädchen bleiben in den Schulen. Beide Geschlechter tummeln sich am Arbeitsplatz der Eltern.“