Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Dafür CDU, FDP und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt die restlichen Ziffern des Antrags ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der FDP abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/183 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, Die Linke und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich recht herzlich auf der Besuchertribüne eine Gruppe vom Team 2 begrüßen. – Herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft!

(Beifall)

Den europäischen Reformvertrag von Lissabon ratifizieren!

Antrag (Entschließung) der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDU und der FDP vom 22. November 2007 (Drucksache 17/149)

Wir verbinden hiermit:

Öffentlichkeit und parlamentarische Beteiligung bei der Debatte um die Zukunft der Europäischen Union sicherstellen!

Antrag der Fraktion der FDP vom 11. Dezember 2007 (Drucksache 17/182)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vom 13. Dezember 2007

(Drucksache 17/188)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Loske.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieses Thema

ist jetzt nicht ganz so nah daran, sondern etwas weiter weg, aber ich werde trotzdem versuchen, dafür zu werben, dass es ein Thema ist, das uns sehr angeht und betrifft.

Heute Mittag ab 13 Uhr haben die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Lissabon den Reformvertrag von Lissabon unterzeichnet. Wir wollen jetzt nicht von der Ökobilanz dieser Veranstaltung reden, aber wir wollen mit der heutigen Debatte und der vorgelegten Entschließung deutlich machen: Wir begrüßen, wir unterstützen die Einigung auf diesen Vertrag! Er ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Europäische Union endlich wieder auf die politisch inhaltlichen Herausforderungen konzentrieren kann.

Ich möchte mich bei den Fraktionen der FDP und der CDU dafür bedanken, dass sie in dieser Frage die Gemeinsamkeiten vorangestellt haben und die Entschließung gemeinsam mit den Grünen und der SPD eingebracht haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Geschichte dieses Vertrags ist eine typisch europäische Geschichte, die man immer nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählen kann. Die dicke Träne kommt natürlich daher, dass der „Verfassungsvertrag“ von 2004, der schon unterzeichnet war, in zwei nationalen Referenden – in Frankreich und den Niederlanden – abgelehnt wurde. Wir kennen eine Reihe von anderen Ländern, die heilfroh waren, dass sie selbst nicht mehr entscheiden mussten.

Nach einiger Zeit der Schockstarre hat dann die deutsche Präsidentschaft mit der Erklärung von Berlin und dem Juni-Gipfel den Zug wieder auf das Gleis gesetzt. Ich sage ausdrücklich, dass das ein politischer Erfolg dieser deutschen Ratspräsidentschaft gewesen ist.

Nun werden wir, und ich hoffe, noch vor der Europawahl 2009, einen neuen Vertrag bekommen, aus dem dann alles entfernt ist, was an eine Verfassung erinnert: das Wort Verfassung, die Symbole, die Hymne, die Flagge, das schöne Motto „in Vielfalt vereint“, all das, was hervorhebt, dass die Europäische Union inzwischen eine reale Staatlichkeit ist, allerdings einer ganz besonderen Art. Verloren gegangen – und das wollte ich Ihnen mit diesem Papierstapel hier auch zeigen – ist leider die Klarheit und Bündigkeit eines lesbaren und verstehbaren Vertrages.

Er heißt nun „Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Europäischen Gemeinschaft“, und er heißt nicht nur so, sondern er ist auch leider so, das muss man einfach sagen, das ist schmerzlich. Auf der anderen Seite der Waagschale liegt aber, und das ist entscheidend, dass die politische Substanz des Ver

fassungsvertrags zu 95 Prozent und mehr erhalten geblieben ist.

2001 ist die Sache in Laeken nach dem Debakel von Nizza gestartet worden mit dem Auftrag, die Europäische Union demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu machen. Der damals eingesetzte Konvent hat unter wesentlicher Beteiligung von legitimierten Parlamentariern die Vorschläge erarbeitet, die dann in der Substanz bis jetzt in den Vertrag gekommen sind. Wesentliche Neuerungen dieses Vertrags haben wir in unserem Antrag aufgeführt, ich möchte daher jetzt in der Debatte nur einige hervorheben!

In der Frage von mehr Demokratie möchte ich hinweisen auf die Verankerung der Charta der Grundrechte, gestern feierlich in Straßburg deklariert, die die Grundrechte der Bürger gegenüber den europäischen Organen – nur darum geht es, vor nationalen Organen sind wir durch das Grundgesetz ohnehin geschützt! – garantiert. Ich möchte auch hinweisen auf die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments, auf die Einführung eines Bürgerbegehrens auf europäischer Ebene – eine Million Menschen können jetzt mit ihrer Unterschrift die Kommission veranlassen, Initiativen zu ergreifen –, auf die bessere Einbindung der nationalen Parlamente und damit auch der Landesparlamente über den Bundesrat. Ich sage an dieser Stelle aber auch, weil wir viel über Bürgerbeteiligung reden, richtig, aber wir müssen diese Rechte auch wahrnehmen, und wenn wir hier die öffentliche Debatte um europäische Politik führen, dann wird Europa auch für die Bürger greifbarer werden. Also: Wir stehen in der Pflicht!

In der Frage von mehr Transparenz möchte ich hinweisen auf eine klarere Abgrenzung der Kompetenzen zwischen europäischer und nationaler Ebene, darauf, dass der Rat in Zukunft als Gesetzgeber öffentlich tagen muss. Das heißt, wir bewegen uns auf ein echtes Zwei-Kammern-System in der europäischen Gesetzgebung zu, auf der einen Seite das Parlament, auf der anderen Seite der Rat als Staatenkammer.

In der Frage von mehr Handlungsfähigkeit möchte ich hinweisen auf die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen und damit auf weniger Vetomöglichkeiten, auf die Bestellung eines Hohen Vertreters für Außenpolitik – das ist der Außenminister, auch wenn er nicht mehr so heißen darf – und auch darauf, dass die EU in Zukunft stärkere Kompetenzen erhält in Sachen Energie und Klimaschutz. Das erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger.

Ich will an der Stelle sagen: Klimaschutz und Energiepolitik sind ganz herausragende Beispiele dafür, dass rein nationale Regelungen offensichtlich nicht mehr ausreichen, sondern dass gemeinsame, verbindlich Rahmen setzende Politik auf der Ebene der Europäischen Union nötig ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben in unserem Entschließungsantrag künftige Haupthandlungsfelder der EU nur benannt: Energie, Kriminalitätsbekämpfung, Welthandel, soziale Sicherung, Migration, Außenpolitik insgesamt, wir können schlagwortartig auch einfach sagen: Globalisierung. Die Menschen erwarten – und ich finde, zu Recht – europäische Antworten. Ich bin nach wie vor überzeugt, wir brauchen mehr Europa, um überhaupt noch einen Beitrag zur Gestaltung der heutigen Welt leisten zu können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in den politischen Kommentaren, wenn man es einmal so verfolgt, zu der wechselhaften Geschichte dieser Verträge hat sich zunehmend Verdruss und eine müde Ungeduld mit diesen komplizierten Verhandlungen, mit dem Hin und Her, dem Auf und Ab, eingestellt. Ich kann das gut verstehen. Wir hätten uns es auch anders, schneller und besser gewünscht, natürlich, aber ich möchte an dieser Stelle trotzdem auch um Verständnis werben. Dieses komplizierte Geflecht der Interessen, nicht nur der Nationalstaaten gegeneinander, kleiner wie großer, auch der Institutionen untereinander, was sich auch ständig verschiebt, das ist einfach so. Es wird keine einfache, stromlinienförmige Europäische Union geben, vom grünen Tisch aus geplant. Das wäre ein Traum, und ich sage Ihnen auch, ein schlechter Traum!

Die EU ist eine Union der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten: schon ein Widerspruch! Die EU ist gleichzeitig Brüssel, Berlin und Bremen. Die Staaten bleiben souverän, obwohl sie Souveränität abgeben, um überhaupt gestaltungsfähig zu bleiben. Das Ganze ist ein Widerspruch in sich, aber ein höchst lebendiger, und die europäische Integration ist die Form, in der sich diese Widersprüche friedlich bewegen können. Sie produziert Vertrauen, und das ist und bleibt der Kernpunkt der ganzen Veranstaltung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen ist dieses Vertragswerk in meinen Augen zum gegenwärtigen Zeitpunkt trotz allem ein guter tragfähiger Kompromiss. Ich halte nichts davon, heute schon von der nächsten Änderung zu reden, und schon gar nicht, wenn ich das sagen darf, durch einen Rat der alten und weisen Männer, das sehen wir genauso wie die FDP. Auf diesen Antrag komme ich später im zweiten Durchgang zurück ebenso wie auf die Änderungsbegehren der Linken. Da würde ich mir gern erst einmal anhören, was Sie hier vortragen wollen!

Meine Damen und Herren, mit der heutigen Entschließung erklären wir, dass das Land Bremen die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon unterstützen wird. Wir brauchen uns jetzt aber nicht zurückzuleh

nen und mit Bangen verfolgen, was in Dublin, London und Kopenhagen passiert. Wir können hier viel dazu beitragen, dass der Inhalt und der Geist dieses Vertrags bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen, auch wenn der Text lang, kompliziert und trocken ist.

Erstens: Dazu bietet der EuropaPunkt Bremen, der seit dem Sommer endlich hier unten in unserem Haus eröffnet ist, vielfältige Möglichkeiten. Dazu kann der Europatag genutzt werden, wir können wieder EUBeamte und -Parlamentarier in die Schulen einladen, und wir sollten dafür sorgen, dass die Charta der Grundrechte, dieses bündige, knappe und beste Grundrechtewerk, das es heute gibt, in den Schulen so verbreitet wird wie unser Grundgesetz.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)