Um ein Missverständnis auszuräumen, Herr Dr. Schrörs, das Sie bewusst hier in die Debatte eingeführt haben: Natürlich ist im Wirtschaftsressort und in den Gesellschaften in der Vergangenheit gut gearbeitet worden, zum Beispiel das EFRE-Programm, ich habe es an dieser Stelle hier bereits gesagt, oder das Hafenstrukturkonzept. Es wird auch weiter gut gearbeitet, so zum Beispiel bei der praktisch aus dem Stand notwendigen Umstellung der Wirtschaftsförderung von überwiegend Zuschüssen auf überwiegend Darlehen, oder auch beim ersten Entwurf für das Strukturkonzept oder auch bei wichtigen Entscheidungen für Bremerhaven.
Meine Damen und Herren, nicht die fachlich programmatische Arbeit der Mitarbeiter steht in der Kritik, sondern die Schwäche der politischen Führung im Ressort in der letzten Legislaturperiode. Die Führung wäre dringend notwendig gewesen, weil absehbar war, in welch schwierige Haushaltslage man in dieser Legislaturperiode kommen wird.
Die Strukturpolitik, meine Damen und Herren, ist keiner kritischen Prüfung unterzogen worden. Wider besseres Wissen wurde so getan, als könne Bremen auch in den nächsten Jahren mit einer Investitionsquote von annähernd 20 Prozent so weitermachen, und gleichzeitig hat man in Karlsruhe die Haus
haltsnotlage dargelegt oder anders formuliert: Offiziell war „Schmalhans Küchenmeister“, aber der Wirtschaftssenator hat bis zuletzt im Feinkostladen gekauft und heimlich anschreiben lassen. Was das bedeutet, kann man hier ablesen.
Seit dem Auslaufen der Bundesfinanzhilfen im Jahr 2005 steigen die Zinsausgaben im Stadtstaat Bremen exorbitant an: plus 80 Millionen Euro, plus 69 Millionen Euro, dann 2007/2008 plus 30 Millionen Euro und plus 43 Millionen Euro! Wir müssen im Jahr 2008 so viele Schulden aufnehmen, wie wir an Zinsen zahlen. Das, meine Damen und Herren, war spätestens seit 2005 bekannt!
Dann kommt erschwerend hinzu, dass das Geld für 2008 und 2009 – das haben wir in der Wirtschaftsdeputation besprochen – auch schon vervespert war. Das ist mindestens grob fahrlässige, wenn nicht vorsätzliche Verantwortungslosigkeit.
Jetzt behaupten Sie noch, Herr Röwekamp, auch das haben Sie gesagt: Der Rest, das bisschen, was wir noch haben, muss unbedingt in die Wirtschaft! So lautet eine Ihrer Aussagen in diesen Tagen! Dabei haben Sie selbst doch diesen vermeintlichen Rest bereits verteilt, denn zusätzliche 25 Millionen Euro, meine Damen und Herren, haben Sie hier in der Bürgerschaft doch beantragt, nicht für die Wirtschaft, sondern für eine weitere Erhöhung der Einkommen im öffentlichen Dienst über den Senatsbeschluss hinaus. So viel zu Ihrer Forderung an mich, ich solle doch bitte Prioritäten für Wirtschaft setzen, und der Rest des Geldes soll in die Wirtschaft gehen! Sie selbst bekommen es nicht hin!
Nun zum Dissens, auch die eine oder andere Auffassung der Handelskammer betreffend! Es wurde bereits zitiert, dass der Präses gesagt hat, hier würden soziale Wohltaten verteilt und die Wirtschaftskraft würde nicht ausreichend gesichert. Abgesehen davon, dass ich dies für eine sehr ausschnitthafte Wahrnehmung der Arbeit des Senats halte, ist es aus meiner Überzeugung heraus auch keine Position, mit der man Zukunft gewinnen kann, denn aktivierende Sozialpolitik ist eben etwas anderes als das Verteilen von sozialen Wohltaten, sie hält nämlich Menschen in Gesellschaft, sie hilft Menschen zurück in Arbeit. Sie trägt dazu bei, dass unsere Stadtteile lebenswert bleiben. Kurz: Gute Sozialpolitik leistet einen wesentlichen Beitrag zur Standortpolitik!
Es hilft deshalb niemandem und auch nicht der Wirtschaft, wenn hier Fronten aufgebaut werden. Wir brauchen den öffentlichen Diskurs sowohl über die
Zukunft der Wirtschaftspolitik als auch über eine gute, richtige Sozialpolitik. Es wäre ein Beitrag zur Kultur in diesem Dialog, wenn die bremische Wirtschaft dies auch von sich aus zum Thema machen würde. Deshalb mein Vorschlag, dass sozialpolitische und gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaft eben auch Bestandteil eines gemeinsam zu diskutierenden Wirtschaftskonzepts sein sollte!
Im Übrigen sollte sich Wirtschaftspolitik davor hüten, sich zu sehr einzuengen. Natürlich ist Wirtschaftsförderung – richtig eingesetzt – ein Katalysator für Strukturwandel. Das werden wir auch zukünftig nach Kräften tun. Natürlich muss Wirtschaftspolitik auch aktive Infrastrukturpolitik machen können, Stichwort A 281 oder die Weservertiefung oder Flächenaufbereitung für Windenergie und Gewerbeflächenentwicklung! All dies ist notwendig, aber all dies, meine Damen und Herren, würde nicht reichen. Bildung, Ausbildung, Qualifizierung, Wissenschaft, der Wettbewerb um die besten Köpfe, hier schon erwähnt, Universitäten, Hochschulen, angesehene wissenschaftliche Institute, gute Schulen, attraktive Stadtteile und ein vielfältiges kulturelles Angebot, all das sind Bestandteile von Standortqualität, und genauso macht es die rot-grüne Koalition.
Zurück zum eigentlichen Anlass! Sie haben „Kritik der Handelskammer und der CDU ernst nehmen“ im Titel der Aktuellen Stunde. Nun bin ich, wie Sie wissen, kein geborener Bremer Hanseat, ich kann es auch nicht mehr werden, weil ich schon woanders geboren bin. Soviel weiß ich aber trotzdem, meine Damen und Herren, dass nämlich dem Hanseaten die plumpe, aufdringlich kumpelhafte, ungefragte Vereinnahmung fremd, wenn nicht sogar zuwider ist. Sie, Herr Röwekamp, versuchen, mit Vampirzähnen die Handelskammer auf ein schwarzes Sofa zu zerren, um mit fremdem Lebenssaft Ihre wirtschaftspolitische Blutleere zu beheben. Das wird durchschaut!
Dass Sie mich darüber hinaus loben, Herr Röwekamp, Sie hatten mir in einer Presseerklärung „Größe“ bescheinigt, empfinde ich auch als ein wenig hanseatisch. Wenn es aber wenigstens eine aufgedrängte Bereicherung wäre, dann müsste ich es mir als Regierungspolitiker vielleicht gefallen lassen. Es ist aber ja nur aufgedrängt und keine Bereicherung, denn es geschieht mit einem durchsichtigen Zweck, nämlich auch bei mir wirtschaftspolitischen Lebenssaft abzu
saugen, der Ihnen fehlt. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wirklich glauben, sich dadurch wirksam zwischen mich und die Regierungsfraktionen schieben zu können, lassen Sie es lieber! Auch daran werden Sie sich die Zähne ausbeißen, und die benötigen Sie ja bekanntlich zum Blut saugen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gern noch auf Sie und Ihren Beitrag eingehen, Herr Dr. Sieling. Noch einmal einen Satz zu den Investitionen! Ich glaube, wir haben an dieser Stelle schon eine unterschiedliche Auffassung. Es geht nicht um die Frage, welche Investitionen man in Bremen vielleicht im nächsten Jahr oder in 2 Jahren machen kann oder will, sondern es geht um die Perspektive. So ist auch die Frage, und so ist mit Sicherheit auch in Ihrem Gespräch mit der Kammer, an dem ich nicht teilgenommen habe, argumentiert und erörtert worden, nämlich die Frage der Perspektiven Bremens. Diese Perspektive Bremens muss eine hohe Investitionskraft beinhalten, denn wenn Sie alle anderen Bundesländer um uns herum sehen, dann werden Sie feststellen, dass diese deutlich investieren, wie zum Beispiel Hamburg.
Warum haben wir denn so schnell diese 12 Prozent von Hamburg erreicht? Das liegt doch daran, dass Hamburg mittlerweile eine höhere Investitionsquote hat als Bremen.
Es wird doch im Grunde genommen am Schluss dazu kommen, dass wir in die alte Zeit zurückfallen und keine Möglichkeit haben, das zu machen. Ich darf Sie nur noch einmal daran erinnern: Womit haben wir damals bei der Großen Koalition begonnen? Deswegen ärgert es mich auch unheimlich, dass Sie als Fraktionsvorsitzender, der wesentlich an der Großen Koalition beteiligt ist und war, den Begriff in der Debatte prägen und sagen: Die Wirtschaft hätte man verkommen lassen. Das, lieber Herr Dr. Sieling, finde ich nicht in Ordnung. Es geht so auch nicht!
Wir haben hier gemeinsam sehr viel für Bremen getan. Wir haben Investitionen getätigt, die notwendig waren. Wir haben ohne Ende gespart. Das hat uns ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
jeder innerhalb und außerhalb Bremens gesagt. Es ist aber notwendig gewesen, und diese Investition ist auch der Kernpunkt der weiteren Entwicklung. Ich lasse mich da auch an der Stelle nicht überreden oder überzeugen oder sonst etwas. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nur möglich ist mit einer vernünftigen Investitionspolitik.
Ich hatte in Ihrer Rede, Herr Dr. Sieling, schon erwartet, dass Sie auf Ihren Beitrag in der Zeitung eingehen würden. Ich fand es schon ungeheuerlich, so will ich es sagen, dass Sie von Funktionären in der Handelskammer sprechen und dass Sie der Handelskammer die Grundüberzeugung für Bremen abstreiten. Wissen Sie, ich glaube, es hat außer der Handelskammer in Bremen und der Industrie- und Handelskammer Bremerhaven niemand so viel für Bremen und für die Arbeitsplätze getan wie gerade diese Kammern. Nicht die Politik und nicht die Sozialdemokraten, mein lieber Herr Dr. Sieling!
Einen letzten Satz noch einmal zum Wirtschaftssenator! Sie haben doch im Grunde genommen von uns eine Reihe von Konzepten vorgefunden. Das ist doch das, wovon Sie zurzeit auch leben. Wo gibt es denn neue Elemente von Ihnen? Sie haben uns neulich in der Deputation eine neue Konzeption über den Technologiepark in Bremen vorgelegt. Die einzige wirkliche Neuigkeit war, dass Sie Investitionen in den Bereich des ehemaligen grünen Foyers geben wollen. Alles andere, Herr Senator, war alt, nichts Neues!
Sie haben kein Marketing-Konzept. Wir haben eine Struktur der Wirtschaftsförderung. Sie sind immer noch nicht in der Lage, die BIG, die bag und wen auch immer zu verschmelzen oder etwas Neues zu machen. Wir haben Anfragen gestellt, aber Sie antworten nicht. Sie wissen nicht, was Sie machen wollen, das ist das Problem!
Wir haben Ihnen ein Landestourismuskonzept vorgelegt. Was ist daraus geworden? Nichts ist passiert! Im Ressort ist ein Kulturwirtschaftsplan erarbeitet worden. Was ist denn damit, Herr Senator Nagel, was ist denn mit diesem Teil?
Ich nehme da gern den Beitrag von Herrn Möhle auf, natürlich ist es eine tolle Idee zu sagen, wir wollen hier diese Kreativen einbinden und sie sollen etwas machen. Das ist doch genau ein richtiges Beispiel zu
sagen, lasst uns ein Kulturwirtschaftskonzept erarbeiten, das es in allen Bundesländern gibt. Bei uns gibt es so etwas nicht, und es läuft nicht bei Ihnen!
Wir haben Sie nach dem Bereich der Umweltwirtschaft gefragt. Das ist auch ein Teil, der die Grünen an der Stelle interessiert und eine große Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Was ist denn da aus Sicht der Wirtschaft passiert? Wo ist denn die Vorlage von Herrn Nagel aufgenommen worden? Nichts ist passiert, Herr Nagel, nichts!
Sie setzen und stellen sich hier hin und erzählen etwas über Visionen. Nein, Herr Nagel, Sie müssen im Grunde genommen an Ihrem Konzept arbeiten, das Sie offensichtlich gar nicht haben, was auch von der Kammer kritisiert wird, und nicht sagen, es wird ad hoc entschieden. Gerade das, was im Moment aktuell ist, müssen wir lösen, und ansonsten können wir leider nicht weiter schauen als die zwei Jahre, und in den zwei Jahren gibt es eben den Doppelhaushalt, und das war es. Darüber hinaus müssen wir einmal sehen, was passiert. Ich bin sicher, das ist keine Politik.
Ich komme zum Schluss. Ich denke, Sie müssen mehr darüber nachdenken, auch wenn Sie den Umweltteil annehmen! Wenn ich in der Zeitung lese, dass der Umweltsenator offensichtlich bewegt ist über den Teil einer Steuer für Plastiktüten, da kann ich Sie nur fragen, ob es in dem Ressort nicht etwas Wichtigeres gibt, als darüber nachzudenken, ob man Steuern für Plastiktüten einführt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schrörs, ich habe mich eben zum ersten Teil Ihrer Rede gemeldet, weil ich finde, dass es eine Diskussionsspur ist, die ich gern aufnehmen und fortsetzen möchte. Dem letzten Teil, Ihren Beitrag zum Wirtschaftssenator, stimme ich überhaupt nicht zu, und alle anderen Fragen müssen wir jetzt hier, glaube ich, auch nicht diskutieren.
Zu dem ersten Teil: Eine erste wichtige Angelegenheit ist, dass wir hier gemeinsam festhalten, dass diese Regierung nicht aufhört zu investieren und dass wir ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
in der mittelfristigen Finanzplanung und auch in den Ihnen bekannten längeren Planungen vor dem Hintergrund der Verhandlungen der Föderalismusreformkommission daran festhalten werden. Natürlich muss man darüber reden – die Diskussion läuft doch –, was wir nach Abwicklung der erfolgreichen Projekte angehen.