Protokoll der Sitzung vom 21.02.2008

Wir möchten gern, dass man Unternehmen mit Migrationshintergrund stärker fördert, dass man Existenzgründungen ermöglicht und dass man die Dinge, die man als Defizit erkannt hat, nun auch mit aufnimmt. Deshalb finden Sie bei uns im Antrag auch die Formulierung, dass wir einen Internetauftritt auch auf russisch und türkisch schaffen wollen, denn wir denken, dass dies große Zielgruppen sind, und nicht nur Zielgruppen in unserem Land, sondern auch Zielgruppen, die wir nach außen erschließen können, weil gerade migrantische Unternehmen die besten Voraussetzungen haben, auch in die Märkte von Osteuropa und der Türkei zu gehen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Von daher ist es auch ein wohlverstandenes wirtschaftliches Interesse unseres Landes, dass wir einen solchen Weg gehen.

Andererseits wissen wir zum Teil sehr wenig, was wirklich die Bedürfnisse und vielleicht auch die Hebel sind, um mehr Existenzgründungen und eine bessere Unterstützung dieser Unternehmen erreichen zu können. Deshalb möchten wir, und das finden Sie im Punkt 2 unseres Antrages, so etwas wie eine Datenerhebung machen. Wir möchten feststellen, um welche Größe es sich eigentlich handelt, in welchen Branchen das ist, wo es vielleicht Nachholbedarfe gibt, wo man zusätzlich fördern oder auch absichern kann. Diese Datenerhebung ist uns in der letzten Legislaturperiode nicht gelungen, das holen wir nach. Wir möchten jetzt gern, dass wir aufgrund dieser Datenerhebung dann auch fundiert sagen können, an welchen Ecken wir neu justieren, nachsteuern oder uns vielleicht verstärken müssen.

Das Ziel bleibt, ein Konzept zu entwickeln und dann auch umzusetzen, durch das die wirtschaftliche Leistungskraft der Migrantinnen und Migranten in un––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

serem Bundesland anerkannt, gefördert und auch zum Wohle unseres Landes genutzt wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Ella.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift ein zweifelsfrei sehr wichtiges Thema wieder auf und zeigt nach Ansicht der FPD in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP)

Selbstständige Unternehmer mit Migrationshintergrund machen nicht nur einen bedeutenden Teil des Bremer Wirtschaftslebens aus, sie sind auch ein enorm wichtiger Integrationsfaktor.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP begrüßt den Vorstoß dementsprechend, hält ihn aber in der vorliegenden Form für nicht ausreichend.

(Beifall bei der FDP)

Das, was hier vorliegt, ist nicht mehr als ein Schnellschuss, um dem eigenen Anspruch den Anschein eines seriösen Hintergrundes zu geben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Unterstützenswert ist auf jeden Fall Ihr Anliegen, Ansprechpartner für Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund einzusetzen, die die Besonderheiten dieser Gruppe kennen. Mangelnde Kenntnis der Fördermöglichkeiten, teilweise sogar Angst vor den Behörden, aber auch, und das wird leider nicht im Antrag genannt, das Problem der Selbstständigkeit aus der Not heraus: Überdurchschnittlich viele der Ausgründungen sind in dieser Gruppe Ausdruck von Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

Wir Liberalen begrüßen es ausdrücklich, wenn Menschen den Weg in die Selbstständigkeit suchen und so auch mehr persönliche Freiheit erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Daher freuen wir uns auch, dass die Gründungsintensität bei Menschen mit Migrationshintergrund steigt. Gerade für Bremen und Bremerhaven, das haben wir immer gesagt, ist die Steigerung der Selbstständigenquote einer der zentralen Punkte für die

Stärkung der Wirtschaftskraft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen aber vermeiden, dass die Gründungsaktivitäten von Menschen mit Migrationshintergrund zu einseitig sind oder als solche betrachtet werden. In der Broschüre der Bremer Existenzgründerinitiative heißt es tatsächlich, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident: „ob italienisches Ristorante, türkischer Gemüseladen oder afrikanischer Beautysalon“. Das ist uns zu einseitig und wird den Fähigkeiten der Migrantinnen und Migranten nicht gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wir vermissen hier den Wunsch nach einem Konzept, welches aufzeigt, wie wir solchen Klischees entgegentreten können.

(Beifall bei der FDP)

Ihre Forderung, die Internetpräsenz in weiteren Sprachen aufzustellen, unterstützen wir nicht. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn wir uns dies leisten können. Ich bin aber einmal gespannt, woher Sie die Gelder für Übersetzer und für die Pflege der schon jetzt deutlich verbesserungswürdigen Internetpräsenz nehmen. Davon abgesehen bleibt hier fraglich, wieso beispielsweise da nicht auch spanisch mit aufgenommen wird. Wir haben eine große spanische Gemeinde, viele Verbindungen nach Südamerika und die iberische Halbinsel und auch ein Instituto Cervantes, welches sich sehr gut als Ausgangspunkt für Wirtschaftsförderung nutzen ließe.

(Beifall bei der FDP)

Andere Migrantengruppen, meine Damen und Herren, sind aber derzeit natürlich mehr in den Medien und sollen daher wohl aktionistisch bedacht werden.

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. O p p e r m a n n [SPD]: Quatsch!)

Erstaunlich ist es schon, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dass Sie jetzt, wo es Ihnen gerade passt, Verbände wie die AG RUS e. V. und die TEWIFO als Ansprechpartner nennen. Wieso sind diese Verbände aber beispielsweise nicht bei den Anhörungen zum Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsaufgabe berücksichtigt worden? Gerade solche Vertreter von Migrationsverbänden wären eine gute Ergänzung gewesen.

Meine Damen und Herren, wir stimmen dem Antrag nicht zu, da er uns zu unausgegoren ist. Wir sind

aber gespannt auf den Bericht des Senats und werden dann gern in den Ausschüssen und Deputationen über das Thema debattieren. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel spielen Unternehmen mit migrantischem Hintergrund im Wirtschaftsleben in Bremen eine große Rolle. Das verkennen auch wir nicht, dafür haben wir uns auch immer eingesetzt, und ich darf daran erinnern, dass Ronald-Mike Neumeyer die erste Initiative zu diesem Thema ergriffen hatte.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen)

In den Jahren von 2005 bis 2007 ist viel auf den Weg gebracht worden: Es sind über 1000 Migrantinnen und Migranten beraten worden, es sind fast 500 Gründungen auf den Weg gebracht worden, Beratungsangebote sind mehrsprachig ausgebaut worden, Infoflyer sind eingeführt worden, zum Beispiel die Broschüre Bremer Unternehmen über erfolgreiche migrantische Unternehmer. Es sind eine Vielzahl von Veranstaltungen für diese Gruppe abgehalten worden, es ist der Arbeitskreis Zuwanderer und Zuwanderinnen ins Leben gerufen worden und vieles mehr. Abgesehen davon hält natürlich auch die Handelskammer ein Beratungsangebot, gerade auch für Migranten, vor, sie verstärkt das aktuell auch noch einmal und schaltet im Zweifel, wenn es nötig ist, auch ihre Auslandsdependancen ein. Auch BIG und BIS und die genannten Institutionen machen keinen Unterschied zwischen Migranten und Bremer oder deutschen Unternehmungen.

Nun, sehr geehrter Herr Möhle und sehr geehrter Herr Liess, gerät das bisher gut abgestimmte Netz ins Wanken. Ich darf Ihnen dafür ein paar Beispiele geben: EBN, Coaching für Frauen, mit einem hohen Anteil von Migranten, haben sie finanziell so ausgehungert, dass sie aktuell die Beratung für Migranten nicht mehr machen können. Das Projekt EQUAL, die Gründungsberatung für Zuwanderer und Zuwanderinnen, lief Ende des Jahres 2007 aus. Das Anschlusskonzept liegt noch nicht vor, und das führt dazu, dass die türkischsprachige Mitarbeiterin beim RKW auf Kosten des RKW bezahlt werden muss. Der Bremer Senior-Service, 160 Unternehmen, die dort nicht nur während der Gründung fortlaufend beraten werden, hat über ein Jahr auf ganze 5000 Euro warten müssen, um die Organisation zu finanzieren. Mich wundert es schon, dass diese Institutionen unter diesen Bedingungen so hoch engagiert arbeiten, wie sie es tun. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Mehr noch zu der Frage, wie wir im Ausland aktiv werden können: Ich darf Sie daran erinnern, dass mit den Stimmen der SPD, und ich glaube, auch mit den Grünen, zum Beispiel die Dependance in Danzig finanziell nicht fortgeführt worden ist, auch deswegen, weil die Gutachter von Prognos gesagt haben, dass sie keinen wirtschaftlichen Erfolg sehen. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie fordern mehr Personal, Sie fordern mehrsprachiges Personal in der BIG, BIS und in allen anderen Organisationen. Sie hätten jede Gelegenheit gehabt, dies im Haushaltsentwurf abzusichern, das haben Sie nicht getan. Vielmehr haben Sie die Wirtschaftsförderung insgesamt drastisch zurückgefahren. Wenn Ihnen das Thema so sehr am Herzen liegt, wie Sie das hier sagen, dann hätten Sie für eine Erhöhung des Budgets für eine umfassende Beratung, Qualifizierung und Begleitung von ausländischen Gründern und Unternehmern sorgen können.

(Beifall bei der CDU)

Insofern ist das für mich heute ein Showantrag, übrigens mit dem gleichen Titel, wie der aus dem Jahre 2004, und nicht gerade ein Beispiel für eine durchschlagende Konzeption.

(Beifall – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wie? Der von Neumeyer?)

Ich darf Ihnen noch einmal etwas zu diesen fünfsprachigen Beratern sagen: So gut das auf dem ersten Anhieb klingt: Sie schüren ja die Erwartung, wenn Sie ein schriftliches Internetangebot in fünf Sprachen machen, dass es dann auch Beratungspersonal gibt, das diese fünf Sprachen abdeckt. Ich glaube schon, dass derjenige, der sich hier im bremischen Wirtschaftsraum engagiert, Grundkenntnisse in Deutsch haben muss, denn sonst müssen sie ja auch in allen anderen Ämtern – Gewerbe-, Bauämtern und sonstige – diese fünf Sprachen vorhalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ausländische Unternehmer oder Unternehmer mit Migrationshintergrund sind uns herzlich willkommen. Ich glaube, dass das bisherige Netzwerk zusammen mit den Angeboten der Kammer und allen anderen eine gute Arbeit geleistet hat, und wenn Sie Mittel und Wege finden, dieses Angebot auszubauen, dann herzlich gern, aber noch besser wäre es, Sie würden erst einmal die vorhandenen Strukturen absichern. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Kollegin Cakici.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehrlich gesagt ein ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

bisschen über diese Debatte erschrocken. Man muss einfach einmal ganz klar hier sagen, dass dieser Antrag ein guter ist und einfach den Unternehmerinnen und Unternehmern hilft. Dass hier von Aktionismus gesprochen wird – soweit ich jetzt Herrn Möhle verstanden habe, liegt dieser Antrag schon ein bisschen länger vor, und ich glaube nicht, dass es etwas mit der aktuellen Debatte im Moment zu tun hat –, schade, dass Sie das so sehen. Wirklich sehr schade!

(Beifall bei der Linken, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Antrag ist in seiner Form und in seinen Forderungen berechtigt, dass man hier vielleicht noch einmal Spanisch oder sonstiges irgendwann einmal dazu haben möchte, gar keine Frage, kann man ja vielleicht in Zukunft so machen. Generell möchte ich noch einmal sagen, das hatte auch Kollege Möhle gesagt, bei Unternehmen mit Migrationshintergrund denken viele immer an die Dönerbude und den Gemüseshop von Onkel Ali. Dass es nicht mehr so ist, hat Herr Möhle auch gesagt. Ich finde, hier steckt mehr dahinter, schauen Sie sich einmal die Anzeigen in den Tageszeitungen an, dafür brauchen Sie weder Türkisch- oder Russischkenntnisse, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie brauchen ist ein wenig Zeit, um dort zu sehen, wofür die Menschen werben, ob es jetzt das verarbeitende Gewerbe ist, für Handel und andere diverse Leistungen. Das ist nicht nur in Bremen so, mehr als 300 000 Migrantenökonomien gibt es schon, und bundesweit sind Migrantenökonomien längst kein Randthema mehr. Migranten- oder ethnische Ökonomien, Sie sehen, die Begriffe sind sehr vielfältig, und das zeigt einmal mehr, dass auch die Wissenschaft sich längst dieser Thematik angenommen hat, viele Migrantenökonomien sind im niedrigschwelligen Bereich angesiedelt. Sie schaffen so Arbeitsplätze, speziell im Kleinunternehmerbereich, wo aber auch Familienangehörige und Zugewanderte mitarbeiten können. Das zeigt einmal mehr das Potenzial und den Bedarf. Es schildert aber auch gleichzeitig die Erklärung für die Motive und die Lebenslage der Migranten und ihre Entscheidung für die Selbstständigkeit. Das sollte Anerkennung finden und zumindest zum Handeln auffordern.

(Beifall bei der Linken, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von der FDP: Haben wir denn das nicht anerkannt?)