Protokoll der Sitzung vom 21.02.2008

Wie in Kanada, Belgien und Frankreich müssen die Banken verpflichtet werden, ein solches Konto bereitzustellen. Auch dürfen die Gebühren dafür nicht von denen für andere Konten abweichen. Für Bremen können wir uns nur bemühen, auf freiwilliger Basis zu erreichen, dass Kreditinstitute dies umsetzen, also ein solches Guthabenkonto für die Nutzerinnen und Nutzer einzurichten. Eine derartige Initiative ist schon wiederholt versucht worden. Letztlich haben die Banken, aus Angst davor, dass sich dieser Personenkreis bei ihnen konzentrieren könnte, weil sich nicht alle Banken beteiligt haben, eine solche freiwillige Lösung abgelehnt.

Der Senat soll daher nach unserer Auffassung eine Bundesratsinitiative ergreifen, die Kreditinstitute gesetzlich zu verpflichten, jedem Menschen unter zumutbaren Bedingungen ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten, sofern er nicht schon ein Konto bei einer anderen Bank hat. Meine Damen und Herren, daher bitte ich Sie, diesem Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen und der Sozialdemokratischen Partei zuzustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Garling.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Frehe hat es eben schon sehr gut erklärt, deswegen fasse ich mich kurz. Im Jahr 1995 hat der Zentrale Kreditausschuss der Spitzenverbände der Deutschen Bankwirtschaft eine sogenannte Selbstverpflichtung beziehungsweise -empfehlung ausgesprochen, nach der ein Guthabenkonto für jeden Menschen bereitgestellt werden sollte. Das ist inzwischen 13 Jahre her. Das Oberlandesgericht in Bremen hat 2006 festgestellt, dass es keinen einklagbaren Anspruch auf ein Guthabenkonto für jeden Menschen gibt.

Die Bundesregierung berichtet seit 2002 alle 2 Jahre über die Umsetzung der Empfehlung von 1995 zum Girokonto, das geschieht jetzt auch schon seit 6 Jahren. Im Übrigen machen die Berichte der Bundesregierung deutlich, dass die Empfehlung nicht zu einer Lösung des Problems geführt hat. In der Vorbereitung auf dieses Thema habe ich gemerkt, dass es mich sehr verärgert hat. Es hat sich also in dieser langen Zeit nichts geändert, und wir stellen fest, dass arme Menschen definitiv nicht die Traumkunden von Banken sind. Wo ist denn hier die gesellschaftliche Verantwortung? Meine Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis für die Banken.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären in solch einer schwierigen Situation und müssten versuchen, über Familienangehörige oder Freunde Ihren Zahlungsverkehr abzuwickeln! Das ist diskriminierend in der heutigen Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ohne Girokonto ist die Teilnahme am Wirtschaftsleben schwierig, zum Beispiel bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder wenn es schlicht um Miet––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zahlungen geht. „Rosinenpickerei“ gilt nicht! Daher ist es jetzt erforderlich, dass die Kreditinstitute gesetzlich verpflichtet werden, ihrer Selbstverpflichtung nachzukommen. Dazu braucht es eine Bundesratsinitiative, und wir fordern den Senat auf, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen mit dem Ziel, die Banken zu verpflichten, auf Antrag jedem Menschen ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auch Die Linke ist natürlich der Meinung, dass ein Girokonto in heutiger Zeit unverzichtbar ist, das ist keine Frage! Auch wir haben mit einer gewissen Verärgerung festgestellt, dass es diese Selbstverpflichtung schon seit 1995 gegeben hat, aber nichts passiert ist, wie meine Vorrednerin zu Recht erwähnt hat. Aber, ich sage einmal, das ist ja auch nichts Neues. Diese Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, hier der Ausbildungspakt, funktionieren in der Regel sowieso nicht.

(Beifall bei der Linken)

Nach Aussagen unseres sehr verehrten SPD-Sozialpolitikers Herrn Grotheer vom 27. Dezember 2007 wird nach wie vor bundesweit circa 500 000 Menschen ein Girokonto verweigert, in Bremen sollen es plus/ minus 5000 Menschen sein, wenn die Zahlen stimmen.

Also liegt, das muss man hier einmal feststellen, der vorgelegte Antrag doch voll auf der neuen sozialen Schiene, und Die Linke müsste diesem Antrag eigentlich auch zustimmen. Sehr geehrte Damen und Herren, das werden wir auch tun!

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich ein aus Frankfurt am Main Zugereister, aber im Laufe der Zeit konnte ich doch schon einiges an lokalpatriotischer Mythenbildung antizipieren. Da gibt es zum Beispiel diese schöne Geschichte von den ostfriesischen Fischern und ihrem neuen Pfaffen, der ihnen das Herumsaufen austreiben will, und der Pfaffe wundert sich dann alsbald, dass seine Fischer auf einmal in der Kneipe nur noch brav ihren Kaffeepott mit Sahnehäubchen bestellen und das Getränk literweise trinken, bis er zufällig einen dieser vorgeblichen Kaffeepötte abfängt und dann zornig ausruft: Oh, ihr Pharisäer! Da muss ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ich sagen: Als ich Ihren Antrag gelesen habe, musste ich auch sehr zornig ausrufen: Oh, ihr Pharisäer!

(Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Da sind wir aber einmal gespannt!)

Warum? Bereits im Februar 2006 hat die linke Bundestagsfraktion zu diesem Thema eine Kleine Anfrage, Bundesgesetzblatt 16/721, gestellt und kurz danach einen Antrag für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen, Bundesdrucksache 16/ 731, eingebracht. Das Änderungsgesetz hatte natürlich die Vorschrift eines Girokontos für jeden Menschen zum Inhalt. Die Gesetzesinitiative dazu – und auch da wieder: Oh, ihr Pharisäer! – ging vom Bürgerbüro Dr. Axel Troost in Bremen aus.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wer ist das?)

Besonders auch von den Bundesgrünen wurde die Gesetzesinitiative damals in den Ausschüssen versenkt.

Also, Rot-Grün, seien Sie nicht unsinnigerweise trickreich! Es ist besser, einen Fehler anzuerkennen, ihn zu korrigieren, als einfach zu behaupten, man hätte ihn nie gemacht, aber jetzt den Stein der Weisen gefunden zu haben. Aber wenn Sie selbstverständlich keinen Rat von uns annehmen wollen, dann sagen wir Ihnen: Links wirkt so oder so! – Vielen Dank!

(Beifall bei der Linken)

Das Wort hat der Abgeordnete Bartels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Girokonto ist in unserer heutigen Gesellschaft zweifelsohne eine wichtige Grundlage für die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Wer kein Konto besitzt, kann die Zahlungsvorgänge des täglichen Lebens, zum Beispiel die Mietzahlungen, die Rechnungen oder den Empfang von Lohngeldern, nicht problemlos vornehmen, das ist schon vielfach gesagt worden. Aber auch bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz oder eine Mietwohnung ist die Tatsache, kein Girokonto zu haben, oft ein Stigma. Ein Girokonto ist für die gesellschaftliche Integration und die Integration auf dem Arbeitsmarkt unerlässlich. Ein Verzicht auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr ist heutzutage kaum mehr möglich, daher darf einkommensschwachen Haushalten der Zugang zum Girokonto keinesfalls verwehrt bleiben.

Aus dieser Überzeugung heraus haben die Bundesregierung und alle Fraktionen im Deutschen Bun––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

destag die Kreditwirtschaft dazu aufgefordert, den breiten Zugang zum Girokonto zu ermöglichen. Folgerichtig haben die im Zentralen Kreditausschuss, ZKA, zusammengeschlossenen Bankenverbände eine Selbstverpflichtung zum Girokonto für jedermann erlassen, die aber eher den Charakter einer Empfehlung hat. So gibt es sowohl auf Verbraucherschutzseite als auch auf der Seite der Banken Beschwerden. Insbesondere die Schuldnerverbände beklagen eine immer noch zu hohe Zahl von Bürgern, denen ein Girokonto verwehrt wird.

Probleme, ein Girokonto einrichten zu lassen, gibt es nach Aussage der Schuldnerberatungsstellen insbesondere in den Fällen einer Kontopfändung oder einer negativen Schufa-Auskunft. Die Verbraucherzentralen führen zudem an, dass viele Betroffene nicht ausreichend über ihre Möglichkeiten zur Schlichtung einer Kontoanlehnung seitens der Banken informiert werden. Von den Banken hingegen werden dort ein hoher bürokratischer Aufwand sowie die zusätzlichen Verwaltungskosten als Problempunkte benannt.

Der Kunde soll durch das in der Empfehlung des Zentralen Kreditauschusses angesprochene Girokonto für jedermann die Möglichkeit zur Entgegennahme von Gutschriften zur Barein- und -auszahlung sowie zur Teilnahme am Überweisungs- beziehungsweise Zahlungsverkehr erhalten. Ein Überziehen des Kontos braucht das Kreditinstitut allerdings nicht zuzulassen, es geht also um guthabengeführte Konten.

Was kann ein Bankkunde tun, wenn er bei einem Kreditinstitut kein Girokonto eröffnen konnte oder dieses ihm gekündigt wurde? Dann hat der Kunde die Möglichkeit schon heute, durch die zuständige Kundenbeschwerdestelle kostenfrei überprüfen zu lassen, ob diese Entscheidung im Einklang mit der ZKA-Empfehlung steht. Viele Kunden wissen gar nicht, dass es so eine Schlichtungsstelle gibt, und wie wir aus dem Urteil des OLG Bremen wissen, sind diese Schlichtungssprüche so unverbindlich wie die Empfehlung des ZKA selbst.

Zuverlässige Zahlen über die Anzahl derjenigen Personen, die gewollt oder ungewollt kein Girokonto haben, gibt es in Bremen nicht, aber sie liegen auch im Bundesgebiet nicht vor. In unserem Land, also Bremen und Bremerhaven, sollen es 5000 Personen sein. Es mangelt ganz einfach an einer verwertbaren Datenbasis.

Wir als CDU meinen, wir sollten bei der Beibehaltung sowie bei der Optimierung der Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft zum Girokonto für jedermann bleiben und sie rechtlich verbindlicher machen. Dabei kann eine gesetzliche Regelung aber nur am Ende der Diskussion stehen, denn Maßnahmen der Selbstregulierung und Selbstverpflichtung auf einem einfacheren Verfahrensweg können unserer Ansicht nach zu ähnlich positiven Regelungseffekten führen wie bei gesetzlichen Maßnahmen. Man muss klar sa

gen, ein Kontrahierungszwang ist die Ausnahme in einem auf Vertragsfreiheit beruhenden Privatrecht.

(Beifall bei der CDU)

Eine Selbstverpflichtung der einzelnen Kreditinstitute für das Produkt Girokonto für jedermann, die gegenüber dem Einzelnen verbindlich eingegangen wird, soll unserer Auffassung nach dazu führen, dass die Integration von sozial und finanziell ausgegrenzten Teilen der Bevölkerung in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben nachhaltig gefördert wird, dass Rechtssicherheit für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger geschaffen wird, dass weitere Einsparpotenziale aufseiten der Wirtschaft und des Staates ermöglicht werden, wenn der bargeldlose Zahlungsverkehr allen zugänglich ist, und dass der logistische Aufwand, der auf der Seite der Kreditwirtschaft aus der Verwendung von Bargeld resultiert, weiter reduziert werden kann.

Ein sinnvoller Weg wäre, die bisher rechtlich unverbindliche Empfehlung des ZKA aus dem Jahr 1995 durch eine Selbstverpflichtung zu ersetzen, die diesen Namen auch verdient. Darunter ist eine Verpflichtung der einzelnen Banken und Sparkassen und Kreditinstitute zu verstehen, Bürgerinnen und Bürgern auf Wunsch ein Girokonto zu eröffnen beziehungsweise ein Konto weiterzuführen. Darüber hinaus sollen sich die Kreditinstitute verpflichten, die Schlichtungssprüche ihrer jeweiligen Schlichtungsstellen als bindend zu akzeptieren und diese auch transparenter zu machen.

Um eines aber auch klar zu sagen: Wir wollen nicht, dass Banken, Sparkassen und Kreditinstitute mit einer gesetzlichen Regelung durch die Personen zu einem Sonderopfer gezwungen werden, die ihre Konten regelmäßig in das Minus laufen lassen und dann einfach die Bank wechseln und ein neues Konto aufgrund ihres Rechtsanspruchs eröffnen. Eine gesetzliche Regelung ist auch immer nur Ultima Ratio und nur dann praktikabel, wenn die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelung auch kontrollierbar und zu überwachen ist.

Daran haben wir erhebliche Zweifel und sehen dies auch nicht als Beitrag zur Entbürokratisierung. Auch wer glaubt, dass sein Rechtsanspruch auf ein Girokonto zu schnelleren Ergebnissen führt, der täuscht sich, weil ein solcher bei Streitfällen gegebenenfalls eingeklagt werden muss, und wir wissen, wie unsere Gerichte heutzutage mit Fällen beschäftigt sind.

Wir können als CDU-Fraktion Ihr Ziel hinter dem Vorhaben inhaltlich unterstützen, eine rechtlich verbindliche Selbstverpflichtung der Geldinstitute ist aber einer gesetzlichen Regelung vorzuziehen. Deshalb werden wir uns auch bei der Abstimmung enthalten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Girokonto ist unbestreitbar für die Teilhabe am modernen Wirtschaftsund Gesellschaftsleben unverzichtbar, und auch die FDP unterstützt das Anliegen.

(Beifall bei der FDP)

Ein Girokonto für jeden Menschen muss her, mindestens eines für jeden, möglichst in Deutschland, und wenn das erste voll ist, dann gern auch noch ein zweites!

(Beifall bei der FDP)

Die Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen beziehen sich in Ihrem Antrag auf der Quelle nach nicht näher benannte Schätzungen der Anzahl von Menschen, die nicht über ein Girokonto verfügen. Wie auch der Kollege Herr Bartels habe ich meine Zweifel, dass die Zahlen, die Sie in Ihrem Antrag nennen, tatsächlich zutreffen. Außerdem kann aus der Tatsache, dass ein Verbraucher nicht über ein eigenes Girokonto verfügt, nicht automatisch geschlussfolgert werden, dass eine Bank oder Sparkasse dem Verbraucher die Eröffnung eines solchen Kontos verweigert hätte.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt schließlich viele Gründe, die Verbraucherinnen und Verbraucher veranlassen können, auf eine eigene Kontoverbindung zu verzichten.