weil es nicht sein darf – das ist ja auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Ausdruck gekommen –, dass man vorsichtshalber erst einmal alle Daten speichert, weil man ja nicht wissen kann, ob man sie hinterher eventuell noch einmal braucht. Wenn ich gelegentlich nicht mit dem Fahrrad unterwegs bin, sondern einmal mit dem Auto über die Autobahn fahre und dann unter diesen wunderbaren Schilder-Brücken eines Gebührenunternehmens hindurchfahre, dann frage ich mich immer: Werde ich gerade erfasst, wird gerade ein nettes Foto von mir gemacht, muss ich gerade lächeln? Ich glaube, das ist, auch wenn es auf den ersten Blick ein wenig humorvoll klingen mag, sozusagen schon ein wenig die Schere im Kopf, dass man sich die Frage stellt: Wo bin ich denn hier eigentlich, und werde ich überall überwacht? Was passiert eigentlich mit den Informationen, die über mich gesammelt werden?
In diesem Sinne sind wir wirklich froh darüber, dass das Bremische Polizeigesetz so geändert wird. Ich meine, bislang war es auch nur ein Papiertiger, weil es die Geräte gar nicht gab. Wenn man auf der anderen Seite sieht, dass in vielen Bereichen eine Menge Daten erhoben werden, die Computer dann aber nicht ausgewertet werden können und man mit den Daten nicht weiter operieren kann, weil entweder das Personal fehlt oder die Möglichkeiten, dann kann man sich die Datenerfassung von vornherein sparen. Genauso ist es mit der Videoüberwachung. Der Kollege Fecker hat das sehr schön gesagt, wir brauchen Polizisten, wir brauchen eine vernünftige Ausstattung, wir brauchen eine vernünftige Konzeption, und wir brauchen vor allen Dingen nicht eine Ideologie in der Innenpolitik! In diesem Sinne – es ist eigentlich überflüssig, weil wir eine breite Mehrheit haben – bitte auch ich Sie um Unterstützung des Antrags!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass ich für die CDU-Fraktion diesen Antrag ablehnen werde, und zwar aus folgenden Gründen: Ich bin schon sehr überrascht, Herr Kollege Fecker, dass Sie hier von Ideologie sprechen.
Vorauseilender Gehorsam mag das ja sein aus Ihrer Sicht, aber genau das, was Sie hier machen, ist ideologische Anwendung im Bereich der inneren Sicherheit. (Beifall bei der CDU)
Aber schauen wir uns das Ganze einmal der Reihe nach und möglichst sachlich und differenziert an! Der Antrag der CDU, nein, es liegt kein Antrag der CDU vor, sondern der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wird abgelehnt, das hatte ich schon gesagt, und zwar auch wir berufen uns auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil. Der Kollege Thomas Ehmke hat gestern darauf hingewiesen, dass die Urteile des Bundesverfassungsgerichts möglichst differenziert betrachtet werden sollten. Herr Kollege Tschöpe, Sie haben es sehr undifferenziert gemacht, Sie haben zwar auf das Urteil geschaut, aber es doch an Differenzierung mangeln lassen.
Die Bundesrichter sind nämlich der Auffassung, so ähnlich haben Sie es auch gesagt, dass der Einzelne im Rahmen seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung einen Anspruch darauf hat, dass bei einer automatischen Kennzeichenerfassung seine personenbezogenen Daten nicht zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwendung erfasst werden dürfen. Richtig!
Nach Ansicht des Gerichts liegt dagegen kein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor, wenn der Abgleich mit dem Fahndungsbestand unverzüglich vorgenommen wird und darüber hinaus technisch gesichert werden kann, dass die Daten sofort gelöscht werden, wenn ein negatives Ergebnis vorliegt. Drittens sagt das Gericht weiterhin, dass Anlass und Ermittlungszweck für die Erhebung und den Abgleich im Gesetz ausreichend benannt werden müssen. Soweit zum Bundesverfassungsgerichtsurteil! Beispielhaft nennt das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang – Sie, Herr Tschöpe, haben es leider unterlassen, darauf hinzuweisen – die brandenburgische Regelung, in der ein weit gefasster Verwendungszweck mit engen Grenzen der Verfassungsvoraussetzung kombiniert wird. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, das Bundesverfassungsgericht hat also nicht ein generelles Verbot der automatischen Kennzeichenerfassung ausgesprochen, sondern lediglich oder völlig zu Recht dafür klare Eingriffsvoraussetzungen gefordert.
Wenn Sie die innere Sicherheit ernst nehmen, Herr Tschöpe, und der Polizei dafür entsprechende Instrumente in die Hand geben wollen, und das gilt natürlich nicht nur für Herrn Tschöpe, sondern überraschenderweise gilt es für alle anderen Fraktionen hier in diesem Haus –
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber dass wir kein Gerät ange- schafft haben, ist nicht gerade ein Zeichen dafür, dass wir das so wichtig nehmen!)
darauf komme ich noch, Herr Dr. Güldner! –, dann streichen Sie nicht die Möglichkeit der automatischen Kennzeichenerfassung aus dem Bremischen Polizeigesetz, sondern passen Sie sie der Vorgabe des Verfassungsgerichts und der brandenburgischen Regelung an! Im Übrigen machen das auch die anderen Bundesländer und auch die norddeutschen Bundesländer. Bremen wird also eine Insel – wenn wir das Polizeigesetz entsprechend ändern, so wie Sie es beantragt haben – in allen anderen Ländern in Norddeutschland sein, die diese Möglichkeit nicht schafft.
Mit Genehmigung des Präsidenten möchte ich aus dem brandenburgischen Polizeigesetz ausdrücklich zitieren, weil es im Bundesverfassungsgerichtsurteil genannt wird. Dort wird im Paragrafen 36 a des Polizeigesetzes aus Brandenburg der Polizei das Recht eingeräumt, „Kennzeichen von Fahrzeugen ohne Wissen der Person durch den Einsatz technischer Hilfsmittel automatisch zu erheben, wenn erstens dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person erforderlich ist, zweitens dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist und die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung vorliegen oder drittens eine Person oder ein Fahrzeug polizeilich ausgeschrieben wurde und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die für die Ausschreibung relevante Begehung von Straftaten unmittelbar bevorsteht“.
Herr Tschöpe, ich habe wenig Zeit, ich würde es also gern zu Ende führen! Sie können sich dann nachher noch einmal melden.
Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen! Es ist schade, dass Herr Freiberg dieses Beispiel nicht genannt hat, das gibt es nämlich in der Realität auch. Ein
suizidgefährdeter Vater ist mit seinen beiden kleinen Kindern mit seinem Auto unterwegs. Es liegt ein Abschiedsbrief vor, und es besteht die berechtigte Befürchtung, dass mit den Kindern und ihm etwas passiert. Im Rahmen einer automatischen Kennzeichenfeststellung hat man den Fahrtweg dieses Autos feststellen können und damit sowohl den Vater als auch die Kinder retten können. Dagegen, meine Damen und Herren, kann man doch nichts ernsthaft einwenden! Die CDU-Fraktion fordert deshalb im Sinne der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Land Bremen die Übernahme dieser brandenburgischen Regelung.
In der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft vom 9. April 2008 beantwortete der Senat die Anfrage der CDU zur automatischen Kennzeichenerkennung mit dem Hinweis, dass der Senator für Inneres zurzeit mit anderen Ländern prüft, ob und unter welchen rechtlichen und polizeitaktischen Aspekten Kennzeichenlesegeräte künftig einsetzbar sind
und welche gesetzlichen Änderungsnotwendigkeiten sich daraus ergeben. Herr Lemke, das war zu Ihrer Zeit, als Sie noch Senator für Inneres waren.
Ich bin sofort fertig! Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihr Antrag zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes trägt das Datum vom 17. April 2008. Haben Sie tatsächlich innerhalb von acht Tagen diese Überprüfung durchgeführt, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Mir scheint, Herr Fecker, hier zählt ausschließlich die Ideologie und keineswegs eine Fachmeinung.
Das wiederum wäre aus Sicht der CDU-Fraktion in höchstem Maße verantwortungsloses politisches Handeln. Die Tatsache – das ist mein letzter Satz –, dass Bremen bisher kein Gerät zur automatischen Kennzeichenerfassung angeschafft hat, darf doch wohl von Ihnen nicht ernsthaft zur Abschaffung dieser rechtlichen Möglichkeiten herangezogen werden! – Vielen herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hinners, wenn Ihnen drei Monate nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge
richts und zweieinhalb Monate nach dem Interview des GdP-Vorsitzenden ein Beispiel einfällt, wo das automatische Kennzeichenlesegerät hilfreich bei der Aufklärung eines Gefahrentatbestandes ist, dann, finde ich, sollten Sie Ihre Position noch einmal deutlich überdenken.
Die Verhältnismäßigkeit eines flächendeckenden Bespitzelungsinstruments zu einem einzigen gebogenen Erfolg dieses Instruments umzumünzen – das kann Ihnen jeder Jurastudent, erstes Semester, zur Verhältnismäßigkeit sagen –, ist nicht angemessen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hinners, da Sie mir die Ideologie vorgeworfen haben, will ich einmal ganz deutlich machen: Wir kritisieren, dass in Ihrer Regierungszeit, als die CDU verantwortlich für das Innenressort war, viele Maßnahmen im Polizeigesetz festgeschrieben worden sind, mit denen sich die CDU, insbesondere damals Herr Dr. Böse und dann Herr Thomas Röwekamp, in die Öffentlichkeit begeben hat. Sie haben gesagt, wir sind jetzt supertoll. Ich darf den damaligen Innensenator Thomas Röwekamp aus dem März 2006 zitieren: „Mit den Änderungen gehören die bremischen Landesgesetze bundesweit zu den modernsten.“
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie schreiben etwas auf das Papier, aber Sie setzen überhaupt nichts um! Das nenne ich: Sand in die Augen der Menschen streuen, schlichtweg Panikmache, Angst machen. Aber am Ende nichts davon umzusetzen, das ist keine Politik! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht zur Klarstellung: Angegriffen worden sind die Gesetze aus SchleswigHolstein und Hessen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, beide Vorschriften sind nichtig, Landesvorschriften also.
Das bremische Polizeirecht ist identisch, aber nicht nichtig, weil es bisher nicht Gegenstand eines Verfahrens in Karlsruhe gewesen ist. Aus dem Grund
satz heraus, dass natürlich auch die Verwaltung – und dazu gehört auch die Polizei – an Recht und Gesetz gebunden ist, ergibt sich selbstverständlich die Pflicht, dass diese Vorschrift in Bremen nicht mehr angewendet werden darf, unabhängig davon, ob man Geräte beschafft oder nicht beschafft, das ist völlig sekundär.
Es ist das originäre Recht der Bremischen Bürgerschaft, hier deutlich zu sagen, dass sie dieses Gesetz aufheben möchte. Dafür spricht auch der Umstand, dass, solange keine neue Regelung getroffen worden ist, jeder Bürger durchaus das Recht hat, diese Regelung in Karlsruhe anzugreifen. Dann müsste der Gesetzgeber das im Nachhinein korrigieren. Das halte ich allemal nicht für hilfreich. Insofern sehe ich auch überhaupt keinen Widerspruch zu dem, was der Senat gesagt hat. Der Senat hat gesagt: kein Handlungsbedarf, keine Geräte, keine Rechtsgrundlage. Insofern würde sich so oder so in Bremen nichts verändern, aber es ist ein deutliches Zeichen, dass dieses Massenscreening so nicht gewollt ist.
Ich glaube, man muss immer noch einmal sehr deutlich sagen, um welche Mengen es gegangen ist. Bayern hat Monat für Monat 5 Millionen Fälle gehabt, in Schleswig-Holstein waren es 131 000 Fälle. Das einzige Ergebnis war, dass in diesen 131 000 Fällen 26 säumige Versicherungsnehmer erfasst worden sind. Das zeigt so in etwa die Unverhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes.
Eine andere Frage ist: Wie könnte der Einsatz eines Erkennungssystems rechtlich konform, vernünftig, verhältnismäßig aussehen? Das ist eine Frage, der man nachgehen muss, das sollten wir auch nicht allein machen. Dazu gibt es eine Beratung mit den anderen Ländern. Wir werden mit Sicherheit im Laufe dieser Legislaturperiode ausreichend Zeit haben, um bei der nächsten Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes diese Frage mit Ihnen zu diskutieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Regelungen gibt, die überhaupt nicht mit diesem alten System vergleichbar sind, aber bei denen dann, zur Verhinderung von qualifizierten Straftaten, bestimmte Tätergruppen in bestimmten Fahrzeugen durchaus eingescannt werden können, aber das ist eine rechtlich völlig andere Konstellation als alles das, worüber wir bisher diskutiert haben. Deswegen, Herr Hinners, ist das überhaupt kein Widerspruch. Wir prüfen das, wo es notwendig ist, und ich glaube auch, dass die Koalition durchaus die Kraft hat, dann diese Regelungen hier umzusetzen.