In diese Berichte sollten aber FDP und CDU, sollten alle hier im Parlament vertretenen Parteien genau hineinschauen. Diese Arbeit der Arbeitnehmerkammer unterstützen wir nachdrücklich. Aus diesem Grunde, aus diesen Gründen, ich wiederhole mich, lehnen wir den Antrag der FDP und der CDU ganz entschieden ab. Ich verspreche Ihnen, ich werde diesen Wortbeitrag aufheben, unter Umständen wird er noch einmal benötigt. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrter Herr Kollege Focke! Die Arbeitnehmerkammern in Bremen würden in diesem Jahr 85 Jahre alt, würde es ein unrühmliches Kapitel in unserer Geschichte nicht gegeben haben, das das Bestehen unterbrochen hätte.
Die Arbeitnehmerkammer, Herr Dr. Möllenstädt, knöpft den Mitgliedern keine Beiträge ab, sie ist staatlich legitimiert und erhebt einen Beitrag von 0,15 Prozent. Sie ist auch nicht irrelevant, sie ist kein Konstrukt, sie beutet nicht aus, sie erhebt nicht Zwangs-, sondern Pflichtbeiträge. Ich finde, schlimmer als Sie kann man Arbeitnehmerfeindlichkeit nicht ausdrücken!
Sie begründen Ihren Antrag damit, dass die historische Rolle als Instrument der gesellschaftlichen Mitbestimmung und der politischen Einflussnahme nicht mehr zeitgemäß ist. An Ihrem Beitrag haben wir gemerkt: Nie war die Arbeitnehmerkammer so wertvoll wie heute!
Sie begründen Ihren Antrag unter anderem auch damit – der nicht nur das Abschaffen der Pflichtmitgliedschaft impliziert, sondern natürlich die Abschaffung der Arbeitnehmerkammern insgesamt, wie Herr Kuhn es gestern bereits gesagt hat, wie wir es heute festgestellt haben –, dass es Gewerkschaften oder andere Einrichtungen gebe.
Schauen Sie einmal ein bisschen in die Geschichte von Arbeitnehmerkammern, schauen Sie einmal ein bisschen in die gesetzlichen Grundlagen! Sie scheinen sich da ja ein wenig auszukennen, Sie erwecken jedenfalls manchmal den Eindruck. Dann werden Sie lernen, dass sich Kammern und Gewerkschaften richtig unterscheiden: Gewerkschaften vertreten Partikularinteressen. Das sieht man insbesondere, wenn Einzelgewerkschaften Tarifverhandlungen führen und andere Themen bearbeiten. Kammern vertreten die Interessen aller, und zwar im Einklang mit dem Gemeinwohl, und dafür haben sie die Legitimation.
Sie leisten auch keine sachfremden Aufgaben! Man sieht es ja an Ihrem Antrag, dass es Ihnen einfach zuwider ist, dass es Vertretungen gibt, die die Rechte der Arbeitnehmer wahrnehmen.
Nein, es ist so! Ihre Aufregung zeigt es mir wieder deutlich. Ich kann mich erinnern, es gibt so viele Dinge, die ich positiv von Arbeitnehmerkammern berichten könnte, aber was mir als jüngstes Beispiel einfällt, ist der Armutsbericht. Wenn wir diesen nicht gehabt hätten, der so toll erarbeitet worden ist, fehlte uns eine ganz wesentliche Grundlage für unsere politische Arbeit. Dafür noch einmal herzlichen Dank!
Sie gehen darauf ein, dass die Arbeitnehmerkammer 290 000 Mitglieder hat, aber nur 80 000 Beratungen durchgeführt hat. Gut, das kann man hinnehmen, aber was ist das eigentlich, wie setzen Sie das ins Verhältnis? Muss dort jeder einmal hin, oder wie? Diese Begründung ist hanebüchen, weil Sie überhaupt nicht berücksichtigt haben, dass nicht nur Bremer und Bremerinnen Mitglieder der Arbeitnehmerkammer sind, sondern dass die Mitgliedschaft auf dem Arbeitsplatz beruht, den man hat, dass eben nur bremische Unternehmen Mitglieder sind, und dass dadurch natürlich auch niedersächsische Bürgerinnen und Bürger Mitglied der Arbeitnehmerkammer in Bremen sein können.
Vielleicht ist denen der Weg zu lang! Dieses Verhältnis, das Sie da implizieren, entbehrt jeder Grundlage, und Ihre Aufregung zeigt mir, dass ich Recht habe.
Wie meine Vorrednerinnen und Vorredner kann ich nur sagen: Sie setzen hier Dinge ins Verhältnis, die nicht zusammenpassen! Die gleichen Anforderungen, die Sie hier so wirkungsvoll für die Arbeitnehmerkammer gefordert haben oder die Sie am liebsten verdrängen wollen, sehen Sie überhaupt nicht bei IHKs und Handwerkskammern.
Da komme ich dann zu dem Punkt, dass die Einbeziehung gesellschaftlich relevanter Gruppen zu mehr Bürgernähe führt, mehr Sachverstand erreicht und die Wirksamkeit der Verwaltungsaufgaben erhöht. Ich meine, Sie reden so oft von Bürgernähe, Sie haben gestern so viel über Bürokratieabbau gesagt. Ehrlich ist das nicht, was Sie machen!
Auch das Bundesverfassungsgericht, Oberlandesgerichte, und welche Gerichte überhaupt, haben festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaft auch Freiheit sichernd wirkt. Diese ganzen gerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen können Sie auch nicht wegdiskutieren, sie haben Bestand und werden weiterhin Bestand haben.
Die Forderung der FDP verstößt auch gegen ein Demokratieprinzip, und ich weiß eigentlich überhaupt nicht, was das soll. Frau Schön hat das vorhin schon einmal angesprochen.
2006 gab es einen Bundesparteitag der FDP, da wurde die auf der Pflichtmitgliedschaft beruhende Organisation der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern als geeignete Form der Selbstverwaltung angesehen. Warum gilt das für die einen und für die anderen nicht? Warum sprechen Sie sich für Rechte der Arbeitgeber aus, aber nicht für Rechte der Arbeitnehmer?
Zum Schluss möchte ich sagen: Friedrich Ebert kann man als Vater der Arbeitnehmerkammer ansehen, und ich finde, was er damals gefordert hat, umgesetzt hat
und was heute noch Bestand hat, soll weiterhin Bestand haben, und dies war richtig so. – Schönen Dank!
(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken – Abg. F o c k e [CDU]: Die Zeit erleben wir immer noch!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag von FDP und CDU ist aus meiner Sicht bemerkenswert, denn er knüpft offensichtlich an eine jahrhundertelange Tradition des bürgerlichen Lagers bei der Befreiung der Arbeitnehmer an.
Da kann man viele Beispiele nennen. Ich nenne einmal den massiven Widerstand der Konservativen gegen das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie unter Bismarck. Ich erinnere mich noch aus meinem Studium, wie massiv die Konservativen – –.
Sie hören, meine Damen und Herren, die Ironie! Lieber Herr Focke, es ist nach meinem Geschmack zumindest ästethisch nicht in Ordnung, den Begriff Befreiung im Zusammenhang mit Ihrem Antrag zu strapazieren!
Meine Damen und Herren, ich halte das auch persönlich für unangemessen im Lichte der Opfer, die viele – nicht nur aus der Arbeiterbewegung, sondern viele andere auch – gebracht haben, um Arbeitnehmer tatsächlich von unwürdigen Umständen und Lebensumständen und Arbeitsumständen zu befreien, dies halte ich für nicht in Ordnung!
Ihr revolutionärer Befreiungsschwung ist ja äußerst begrenzt. Wo ist Ihr Apothekerfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Architektenfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Ärztekammerfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Handwerkskammerfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Handelskammerfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Ingeneurkammerfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Notarkammerfreiheitsgesetz?
(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken – Unruhe bei der CDU und bei der FDP)
Wo ist Ihr Psychotherapeutenfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Steuerberaterfreiheitsgesetz, wo ist Ihr Tierärztefreiheitsgesetz, wo ist Ihr Zahnärztefreiheitsgesetz? Dann gibt es sogar noch das Wirtschaftsprüferfreiheitsgesetz in Ihrer Diktion.
Lieber Herr Kau, wenn es Ihnen darum ginge, dann hätte Ihr Antrag anders lauten müssen, dann hätten Sie den Weg gewählt, sich an die anderen Pflichtmitgliedschaften anzupassen, und nicht den Weg gewählt, den Sie gewählt haben. Sie haben einen anderen gewählt, weil Sie etwas anderes wollen!
Aber es ist andererseits ja auch ganz gut, dass hier im Haus noch einmal deutlich wird, wo es an einer ganz zentralen Stelle auch um Verständnis von Wirtschaftspolitik einen Unterschied gibt, nämlich, dass für die Koalitionsfraktion, insbesondere die SPD-Fraktion, Arbeitnehmer der gleichberechtigte andere Teil im Wirtschaftsleben sind, im Verhältnis zu den Unternehmen und den Unternehmern, und das ist der Unterschied, der es ausmacht, ob es einen sozialdemokratischen Wirtschaftssenator gibt oder einen anderen Wirtschaftssenator. – Danke schön!