Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Marken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für einen richtigen Fischkopf, so wie ich einer bin, ist es eigentlich auch eine Ehre, einmal über das Thema Fisch zu reden. Die hatte ich bisher in diesem Parlament noch nicht. Insofern können Sie davon ausgehen, der Ausdruck „Fischkopf“ ist für mich keine Beleidigung, sondern eher eine Auszeichnung.

(Beifall bei der SPD)

Fisch ist ein hochwertiges Lebensmittel. Wir wollen und können es darum nicht länger hinnehmen, dass, ohne Not, erhebliche Mengen Fisch als ungewollter Fang vernichtet und als sogenannter Discard ins Meer entsorgt wird. Wir können aber auch nicht länger tolerieren, dass durch sogenannte Piratenfischereien in großem Umfang schutzbedürftige Fischgründe geplündert und so ganze Bestände gefährdet werden.

In einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs aus dem Jahr 2007 wird unter anderem festgestellt: unzuverlässige Fangdaten, kaum wirksame Inspektionen, unangemessene Systeme zur Verfolgung und Sanktionierung von Verstößen. All dies in einem von Überkapazitäten geprägtem Umfeld, das der Einhaltung von Vorschriften wenig zuträglich ist! Das ist, glaube ich, sehr deutlich. Dazu passen dann Meldungen aus der letzten Woche, also nicht länger her, über „Radio Bremen“ und auch in der „Nordsee-Zeitung“ verbreitet: „Kabeljau in der Nordsee stirbt aus. Italien ignoriert Thunfischfangverbot.“ Was ist nun dagegen zu tun?

Ein Schritt in die richtige Richtung ist der Beschluss gegen Schwarzfischerei der zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten in Luxemburg. Zukünftig will die EU strikte Vorschriften für den Nachweis der Herkunft durchsetzen. Es muss also lückenlos erkennbar sein, woher der Fisch stammt.

(Beifall bei der SPD)

Das Problem des unerwünschten Beifangs ist damit aber noch lange nicht gelöst. Als Beifang wird in der Fischerei alles bezeichnet, was nicht zum eigentlichen Fangziel gehört: Fische und Meerestiere, die zu klein sind oder zu einer unerwünschten oder geschützten Art gehören. In den EU-Gewässern müssen sie über Bord geworfen werden, das heißt, sie überleben das nicht. Geht den Fischern beispielsweise ein Schwarm Seeteufel ins Netz – da läuft mir immer das Wasser im Mund zusammen, weil das ein hervorragender Fisch ist –, müssen sie diesen wertvollen Speisefisch ins Meer kippen, wenn sie keine Fangquote dafür haben. Nach Schätzung der Welternährungsorganisation wurden so jährlich weltweit rund 20 Millionen Tonnen Fisch vernichtet. Ich fin––––––– *) Vom der Rednerin nicht überprüft.

de, das ist ein unglaublicher Vorgang von Verschwendung von Ressourcen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Um dem abzuhelfen, gibt es das von der Bundesregierung unterstützte Pilotprojekt „Stopp Discard“, also auf Deutsch: Stoppt den Beifang! Beteiligt sind drei Kutter der Erzeugergemeinschaft „Nordsee“ aus Cuxhaven und die „Deutsche See“ aus Bremerhaven. Das Pilotprojekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt. Es soll zum einen zeigen, wie sich Beifänge verringern lassen – beispielsweise durch andere Netzgrößen – und zum anderen untersuchen, welche Vorund Nachteile es hat, wenn Beifänge, statt ins Meer entsorgt zu werden, angelandet werden müssen.

Dabei sollen auch die wirtschaftlichen Folgen ermittelt werden, die eine Anlandungspflicht für die gesamte Fangmenge hat. Es geht um die Frage, wie es sich auswirkt, wenn auch unerwünschte Beifänge an Bord genommen, dort gelagert, angelandet und dann vermarktet werden müssen. Geplant sind vorerst zwölf Fangfahrten der drei Kutter der Erzeugergemeinschaft, deren Fänge die „Deutsche See“ verarbeiten und vermarkten wird. Ich finde es sehr lobenswert, dass eine Firma solch ein Pilotprojekt mitmacht. Viel Gewinn werden sie damit nämlich nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommission wird danach entscheiden, ob die Testphase 2009 und 2010 fortgesetzt wird. Ich hoffe sehr auf eine positive Entscheidung. Ich muss sagen, wenn man die Problematik erkannt hat, dann finde ich es eigentlich nicht so toll, wenn man sich dann noch zwei Jahre damit beschäftigen wird. Ich finde, eine kurzfristige Lösung wäre wesentlich besser für alle Beteiligten.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben nicht mehr viel Zeit, dieses Problem zu lösen, das wir vor allem in der nördlichen Nordsee und im Nordatlantik haben. Die für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Fischereiregeln führen nämlich vor allem in diesen Fanggebieten zu den ökonomisch und ökologisch höchst fragwürdigen großen Beifangmengen und belasten dort die Fischbestände unangemessen.

Es ist absolut notwendig, die EU-Fischereipolitik so weiterzuentwickeln, dass die Fangvorschriften für die verschiedenen Fanggebiete auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmt werden. Sinnvoll wäre es, zur Verminderung von Überfischung und Wettbewerbsverzerrung nördlich des 56. Breitengrades das EU-Fischereirecht den strengen Vorschriften, Kontrollen und Sanktionen Norwegens und Islands an

zugleichen. Wir werden uns jedenfalls nachdrücklich dafür einsetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir werden uns jedoch auch dafür einsetzen, dass die in deutscher Verantwortung gestalteten und praktizierten Kontrollen und Sanktionen von Fischereibetrieben nicht wettbewerbsverzerrend wirken, weil eine vergleichbar strenge Praxis in Nachbarstaaten fehlt. Das sind manchmal ganz enganliegende Nachbarn, die sich einen Teufel darum scheren,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Seeteufel!)

ob es irgendwelche Vorschriften gibt. Ich will hier niemanden nennen, nachher gibt es noch diplomatische Verwicklungen, aber die Tatsachen gehen in diese Richtung.

Wir brauchen EU-weit einheitliche und einheitlich angewendete Kontrollen sowie vergleichbare Sanktionen bei Rechtsverstößen. Nur so können sinnvolle und notwendige Schutzbestimmungen ohne Wettbewerbsnachteile für deutsche Fischereibetriebe realisiert werden. Ich bitte Sie daher um Zustimmung für den Antrag der Koalition und der CDU!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Willmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

„Das Problem der Beifänge ist an den Wurzeln zu fassen. Man kann unterstreichen, dass unbedingt Regelungen ausgearbeitet werden müssen, um diese umweltpolitisch unhaltbare und verwerfliche Praxis zu beseitigen, die in Extremfällen bis zu 90 Prozent sämtlicher Fänge eines Schiffes betreffen kann.“ Dies, meine Damen und Herren, ist kein Zitat eines Umweltaktivisten, wie Sie vielleicht im ersten Eindruck glauben mögen, sondern dies ist ein Zitat von Carl Schlyter, dem Berichterstatter des Europäischen Parlaments. Dieses Zitat zeigt auf der einen Seite eindringlich, wie aktuell dieses Problem ist, und auf der anderen Seite, wie handlungsarm zurzeit das Europäische Parlament, trotz der seit über zwei Jahren laufenden Verhandlungen mit seinen Mitgliedstaaten, ist.

Nachzulesen ist dies in einem beeindruckenden Bericht über die Politik zur Einschränkung von unerwünschten Beifängen und zur Abschaffung von Rück––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

würfen der europäischen Fischerei. Der Bericht war und ist Grundlage der vor einem halben Jahr begonnenen Konsultationen der Mitgliedsländer und der Fischereiakteure. Auch die Bundesregierung hat sich sehr schnell zu diesem Bericht geäußert und klar ihre Forderung formuliert, Beifänge dringend und nachhaltig zu beschränken.

Aus dem Bericht der EU wird klar, dass die bisherige Fischereipolitik wenig mit Nachhaltigkeit zu tun hat und keinen Ansatz hat, wie sie im Blaubuch „Meerespolitik“ beschrieben wird. Um die gnadenlose Ausbeutung der Meere und die Zerstörung des marinen Ökosystems zu stoppen, muss die EU sich dringend auf ein Vorsorgeprinzip und einen ökosystemaren Ansatz einigen. Die Fraktion der Grünen hat hier immer mit Nachdruck in der EU-Politik mitgewirkt, alle Parlamente sehen eigentlich hier dringenden Handlungsbedarf. Dennoch fehlen tragende Ansätze.

Die EU empfiehlt inzwischen sogar ein BonusMalus-System, wie wir es heute schon in Island und Norwegen finden. Dabei sollen selektive und nachwuchsschonende Fangsysteme belohnt und ausbeuterische lebensartzerstörende Industrien stärker sanktioniert werden, bis hin zum Entzug der Fangquoten. Auch dies findet sich so drastisch in dem Bericht des EU-Berichterstatters. Auch kurzfristige Sperrungen von Fanggebieten, wie wir sie jetzt vor Norwegen und auch vor Island anberaumt finden, bei akuter Bestandsgefährdung – wie auch schon erwähnt beim Kabeljau in der Nordsee –, sind dringend geboten, um weiterhin Fisch in der Nordsee zu halten.

Damit sich weiterhin Fisch in unseren Meeren rund um Europa befindet und wir endlich zu einer bestandserhaltenden Fischerei kommen, unterstützen Sie den Antrag der Regierungskoalition Bündnis 90/Die Grünen und der CDU! Sonst haben wir bald Meere vor der Tür, die zwar Schiffe tragen und tolle Badeplätze anbieten, aber wenn man dann sitzt und fragt: „Manntje, Manntje timpe te, Buttje, Buttje in de See. Miene Fru de Ilsebill will nich so, as ik wol will“, dann gifft dat keen Antwort nich. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Allers.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin zwar kein gebürtiger Fischkopf, ich bin eine zugewanderte Berlinerin, aber für mich ist es trotzdem eine Ehre, hier zum Fischthema oder zu anderen Themen zu sprechen. Ich bin jetzt auch die dritte Rednerin aus Bremerhaven. Das liegt wahrscheinlich nicht daran, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

dass nur wir gern Fisch essen, sondern dass wir natürlich auch unsere Stadt als Fischereistandort sehen.

Es ist schon sehr viel über das Thema Überfischung ausgeführt worden. Ich denke, wir sind uns in diesem Haus über die ökonomische und auch die ökologische Tragweite dieses Themas einig, zumal die nachhaltigen Auswirkungen, die von der Überfischung der Fischbestände ausgehen, keine neuen Problematiken sind.

Schon 1997 hat sich unsere heutige Bundeskanzlerin, damals noch in ihrer Eigenschaft als Bundesministerin für Umwelt, auf der Ministerkonferenz Fischerei und Umwelt für die Integration von ökologischen Interessen in die Fischereipolitik eingesetzt. Schon damals ging es um die Einschränkung von Industriefischerei, die Forderung nach selektiven Fischereimethoden und auch um die Verminderung von Rückwürfen.

Es ist schon viel dazu ausgeführt worden, dass die Fischerei, leider, durch die teilweise unselektiven Fangmethoden fast immer mit Beifängen verbunden ist, die dann als Rückwurf wieder über Bord geworfen werden. Rückwürfe sind leider aus den unterschiedlichsten Gründen gängige Praxis. Es wird oft versucht, den wertvollsten Fisch an Bord zu behalten, oder es werden eben durch zu große Maschengrößen Jungtiere gefangen, die noch vor der Fortpflanzung stehen und deshalb nicht angelandet werden dürfen. Oder aber es wird gemischt gefischt, wie es zum Beispiel beim Kabeljaufang in der Nordsee kaum anders möglich ist. Die Fangquote des einen Fisches ist dann schon erschöpft, die des anderen nicht. Dann werden wieder Fische über Bord geworfen.

Diese Fänge – Herr Willmann führte es auch schon aus – machen inzwischen teilweise mehr als zwei Drittel der Gesamtfänge aus. Das ist schon ziemlich besorgniserregend. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden, um Fische zielgerichtet zu fangen. Etwa die Einführung kleinerer Maschengrößen oder ein Anlandegebot, sodass alle Fische, die gefangen werden, angelandet, vermarktet und auf die Quoten angerechnet werden müssen, kann den Beifang reduzieren.

Die Situation der Weltfischbestände ist bedenklich. Die Hälfte der Fischbestände gilt als voll genutzt, ein Viertel sogar als überfischt. Wichtige Fische sind in schlechter Verfassung, ganz besonders gilt das auch vor unserer Haustür – das ist auch schon erwähnt worden –, in der Nordsee gilt es besonders für Kabeljau, Hering, Makrele und Scholle.

Auch wenn die Entscheidungskompetenz für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Fischereipolitik nicht in Bremen liegt, unterstützen wir als CDUFraktion die Anstrengung, von Bremen aus Druck auf Bundesregierung und Bundesrat auszuüben, alle möglichen Anstrengungen für eine Weiterentwicklung der EU-Fischereipolitik zu unternehmen. Wenn wir den Wert des Meeres für die nachfolgenden Ge

nerationen nicht erhalten, werden wir auch den ökonomischen Wert nicht mehr erleben können.

Auch das ist schon erwähnt worden: Im Oktober 2007 fordert das von der EU-Kommission vorgelegte Blaubuch zur Meerespolitik in seinem Aktionsplan, die derzeitige Praxis der Rückwürfe zu beenden und auch destruktive und unselektive Fangpraktiken wie zum Beispiel die Grundschleppnetzfischerei zu bekämpfen. Für ganz wichtig halten wir es dabei aber auch, dass ein ausgewogener Kompromiss zwischen den wirtschaftlichen und Umweltinteressen gefunden werden muss. Ein Weg muss gefunden werden, der den Interessen der Fischer, der verarbeitenden Industrie, dem Handel und auch dem Umweltschutz gerecht wird. Da ist auch Ideologie natürlich fehl am Platze. Deshalb findet der vorliegende Antrag hoffentlich die breite Unterstützung des Hauses.

Ganz wichtig ist es natürlich, auch die Wirtschaft dabei mit im Boot zu haben. In dem im Antrag und auch von Frau Marken schon erwähnten Pilotprojekt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sollen gerade auch die ökonomischen Konsequenzen eines Anlandegebots ermittelt werden. Deshalb ist es natürlich sehr lobenswert, dass sich Unternehmen vor Ort aus Cuxhaven und die Deutsche See aus Bremerhaven hieran beteiligen.

Wir greifen allerdings mit dem Punkt drei des Antrags diesen Ergebnissen nach Forderungen, nach ähnlichen Handhabungen wie in Norwegen und Island schon etwas vor, das stimmt, aber wir denken, es ist wichtig, die Initiative zu ergreifen und auch die Europäische Kommission, die sich dafür einsetzt, unerwünschte Beifänge einzuschränken und Rückwürfe abzuschaffen, zu unterstützen und dies zu forcieren. Dabei sollte aber unbedingt darauf geachtet werden, dass es ein an die unterschiedlichen Fischereien angepasstes Rückwurfverbot gibt, Frau Marken ist darauf auch schon eingegangen.

Ich möchte jetzt nur noch dem Kollegen Willmann etwas widersprechen! Es gibt schon einige Ansätze auf EU-Ebene. Zum Beispiel gibt es eine Initiative des EU-Kommissars für Fischerei und Meerespolitik, Joe Borg, für jede einzelne Fischerei stufenweise ein individuelles Rückwurfverbot einzuführen, bei dem die Fischer ihre Erfahrung einbringen können, um die besten Techniken und Wege zu finden. Da sollen auch neue Netztypen ausprobiert werden. Wenn es nicht anders geht, muss eben auch über eingeschränkte Fangtage nachgedacht werden.

Natürlich gibt es kaum eine Vorschrift oder Verordnung, die immer und überall gleichermaßen korrekt umgesetzt wird. Deshalb muss darauf gedrängt werden, dass Deutschland durch die hier typische stringente Umsetzung von europäischen Vorgaben und auch deren Kontrolle und Sanktionen keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Mitgliedstaaten hat, die – wie schon erwähnt – dies vielleicht

etwas großzügiger handhaben. An der Stelle müssen wir auf eine EU-weite Vereinheitlichung achten.

(Glocke)

Ich komme zum letzten Absatz! Es ist schon sehr lange über diese Dinge gesprochen worden. Es gibt auch den einen oder anderen Ansatz, aber die Tatsachen und Fakten zeigen, dass die Fischbestände weiter schrumpfen. Deshalb bitten wir um Unterstützung für unseren gemeinsamen Antrag! – Danke schön!