Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, laut der Pressemitteilung vom Bündnis 90/Die Grünen von Niedersachsen wird ein sofortiger Stopp der Weservertiefung gefordert. Zusätzlich ist noch dazu anzuführen, dass wir hier über ein FFH-Gebiet sprechen, also FloraFauna-Habitat, das von den damaligen Verantwortlichen, eben der Koalition aus SPD und CDU, nicht angemeldet wurde, aber noch angemeldet werden muss. Meine Damen und Herren von der Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, jetzt haben Sie die Chance, es anzumelden, dies haben Sie ja schon in der Drucksache 16/525 vom Februar 2005 gefordert, Zitat: „Der Mündungsbereich der Weser ist als FFH-Gebiet umgehend anzumelden.“

Um die Probleme darstellen zu können, möchte ich Ihnen ein paar Fakten über die letzte Elbvertiefung aufzeigen! Die Brackwasserzone der Elbe hat sich um Kilometer in Richtung Hamburg bewegt. Das hat dazu geführt, dass die anliegenden Flüsse versalzten, dass die Tiere mit dem versalzenen Wasser nicht mehr getränkt werden konnten, dass ein großer Transportaufwand betrieben werden muss, um das Wasser herbeizuholen – meiner Meinung nach Umweltfrevel –, und dass Flora und Fauna der Flüsse abstarben. Zusätzlich gingen noch im wassernahen Gebiet der Elbe aufgrund dieser Versalzung Naturschutzgebiete verloren. Auch die Verschlickung von Kanälen und Häfen war ein Problem, sodass immense Geldmittel aufgewandt werden müssen, um diese Verschlickung aufzuhalten, das heißt fortwährende Erhaltungsbaggerei.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Sie sind schon ein wahrer Kämpfer für die Arbeitsplätze, Herr Müller!)

Ich weiß nicht, was das jetzt mit Arbeitsplätzen zu tun haben soll!

(Zurufe)

Hören Sie einmal zu, meine Damen und Herren!

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Der Umweltschutz ist ein Arbeitsplatzbringer, was auch die Windenergie gezeigt hat. Viele neue Arbeitsplätze konnten in diesem Bereich geschaffen werden. Ziel der Weservertiefung ist zum Beispiel, die Wassertiefe von Brake um 60 Zentimeter und den Tiefgang in Bremerhaven sogar um einen Meter zu erhöhen, sodass in Bremerhaven eine Wassertiefe von 13,8 Metern erreicht wird und dann auch die größten Schiffe anlegen können. Zusätzlich soll für Bremen gewährleistet sein, dass auch größte Schiffe anlanden können.

Meine Damen und Herren, nun möchte ich Sie an die Befürchtung von Umweltverbänden und Anrainern heranführen, und zwar befürchten sie eine Fließgeschwindigkeit, die der Elbe entsprechen würde. Auch hier hätten wir dann die Verschlickung der Häfen und Kanäle, auch hier hätten wir dann die Versalzung der Flüsse. Das Tidewasser würde aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit immer weiter ansteigen, und auch hier würde die Deichsicherheit, wie auch an der Elbe, nicht mehr gewährleistet sein. Aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit der Elbe sind verschiedene Deiche unterspült worden und sind heute nicht mehr sicher. Flora und Fauna der Weser wären gefährdet; hier weise ich wieder auf das FFHGebiet hin.

Um die Weservertiefung umsetzen zu können, wird derzeit alles verharmlost. Scheindebatten! Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, wir führen hier keine Scheindebatten, sondern wir versuchen, eine Klärung zu bekommen. Es gibt absolut keine Klarheit über die nachhaltigen ökologischen Auswirkungen einer Weservertiefung. Dass mit der Vertiefung der Weser auch die größten Containerschiffe die Weser befahren können, kann nicht der Ansatz unserer Landespolitik sein.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wo sollen die Schiffe denn hin?)

Das verstößt gegen heutige Sichtweisen. Wir haben immer über einen Hafenverbund, die Nordrange, gesprochen. Die Nordrange setzt voraus, dass wir gemeinschaftlich die Häfen betreiben und unsere Ressourcen ausnutzen, dass heißt, derzeitige Tiefwasserhäfen bekommen die schweren Transporte, und die anderen passen sich den örtlichen Gegebenheiten an.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie wollen die Elbe nicht vertiefen, Sie wollen die Weser nicht vertiefen, alles das soll in der Nord- range passieren!)

Wir haben in Bremen allein in der Binnenschifffahrt große Wachstumspotenziale erzielt, und das ohne

eine Weservertiefung. In Bremerhaven gab es sprunghafte Umsatzsteigerungen bei Containern ohne Weservertiefung. Hier wird ein Schreckgespenst an die Wand gemalt, dass unsere gesamte Wirtschaft zusammenbrechen würde, wenn wir genau diese Weservertiefung nicht umsetzen, und das zweifeln wir an, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen dazu auf, die Genehmigung erst zu erteilen, wenn alle ökologischen Auswirkungen geklärt und diese möglichst ausgeschlossen werden können. Zum anderen fordern wir die Koalition dazu auf, das FFH-Gebiet, das bisher nicht angemeldet wurde, jetzt umgehend anzumelden.

Meine Damen und Herren, Sie sprechen immer vom Haushalt und davon, wie wenig Geld wir hätten. Wenn Sie nicht umgehend dieses FFH-Gebiet anmelden, dann werden Sie ganz andere Probleme haben, denn wir sprechen hier von der Gefahr ernormer Geldstrafe. Diese enormen Mittel, die Sie als Strafzahlungen dann wieder aus dem Haushalt herausziehen müssten, fehlten uns dann zum Beispiel für Bildungspolitik oder für soziale Bereiche. Ich würde ihnen anraten über das, was ich gesagt habe, noch einmal nachzudenken

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das würde ich an Ihrer Stelle auch! Machen Sie es ein- mal!)

und sich dementsprechend zu bewegen! Wissen Sie, ich habe immer das Gefühl, dass, egal, was wir sagen, Sie uns falsch verstehen wollen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Gefühle sind schlecht in der Bür- gerschaft!)

Nein, das habe ich nicht gesagt! Ich habe gemeint, dass das, was hier als Aktuelle Stunde angesetzt wurde, eigentlich anders heißen müsse. Das Thema hätte lauten müssen: „Die Weservertiefung, Fluch oder Segen unserer Region?“. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gut zugehört bei den drei Reden, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

allerdings hat sich, um es einmal vorsichtig zu sagen, mir nicht alles erschlossen, was in den vergangenen Reden hier so gesagt worden ist. Der eine sagt, da spricht ein Senator eine Selbstverständlichkeit aus, und spricht dann davon, dass das Ganze ein großer Skandal sei. Der andere fordert den Senat auf, nämlich Herr Müller, eine Genehmigung zu erteilen, für die er gar nicht zuständig ist, ein FFH-Gebiet auszuweisen, worum es gar nicht geht in dem Fall, weil es das schon gibt. Ein wenig Beschäftigung mit der Materie täte, glaube ich, auch der Opposition in diesem Haus recht gut!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte beginnen mit Genehmigung des Präsidenten mit einem Zitat, allerdings ohne Ihnen gleich zu verraten, von wem es stammt! Das Zitat geht so: „Die vom Bund geplante Vertiefung stößt bei uns auf erhebliche Bedenken. Kritisch ist die Vertiefung vor allem wegen ihrer Auswirkungen auf die Deichsicherheit. Die Deichsicherheit ist für uns nicht verhandelbar, auch wenn es bei der Vertiefung um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Hafens geht, damit um viele Arbeitsplätze der Bürger, ist eine Gefährdung von Menschenleben nicht hinnehmbar.“

Ich habe den Namen des Landes und des Flusses weggelassen,

(Zuruf von der CDU)

aber Sie haben es vielleicht gemerkt, das Zitat ist von David McAllister, dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden der niedersächsischen CDU, und man fragt sich, wenn man auch Herrn McAllister dann im Weiteren verfolgt – ich will das hier nicht alles zitieren, es sind aber sehr, sehr lesenswerte Einlassungen zu der Frage der Auswirkungen von Flussvertiefungen, nicht nur auf die Deichsicherheit, sondern natürlich auch auf die Landwirtschaft und viele andere Aspekte –: Wenn ein niedersächsischer Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU diese Erkenntnisse gewinnen kann, in welchen steinzeitlichen Höhlen sitzen Sie eigentlich, liebe Bremer CDU, wenn Sie hier so argumentieren, wie das Herr Bödeker gemacht hat?

Im Grunde genommen ist dies eine weltweite Diskussion – Sie müssten einmal den Fernseher einschalten und nicht „Deutschland sucht den Superstar“ schauen,

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der SPD)

sondern einmal ein paar informative Sendungen, das gilt auch für Herrn Ella, über die Folgen von Flussbegradigungen und Flussvertiefungen. Wenn Sie so

tun, als ob Sie es sich leisten könnten, in Bremen im 21. Jahrhundert Politik zu machen, ohne diese Dinge überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, das kann auf gar keinen Fall sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es geht hier in der Tat, und Herr McAllister hat das offensichtlich verstanden, um sehr erhebliche Eingriffe in mehrere Punkte, die die Menschen im Lande Bremen und darum herum außerordentlich betreffen. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich davon freisprechen, sich um die Belange der Menschen hier zu kümmern. Es geht um die Deichsicherheit, ein elementarer Punkt. Wir haben es an der Elbe und Oder gesehen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn man den Punkt bei dem Umgang mit diesen Flüssen nicht beachtet.

Es geht um Flora-Fauna-Habitat, das ist, wie ich finde, immer ein schrecklicher Begriff. Es geht um die Tier- und Pflanzenwelt in der Region, nicht nur im Lande Bremen, sondern auch in Niedersachsen, in der Gesamtregion. Hier sind nicht nur irgendwelche Tierarten bedroht oder so etwas, es geht um die Existenz der Landwirtschaft in der Wesermarsch. Da dachte ich immer, dass das in Niedersachsen auch Ihre Klientel sei. Vielleicht trägt das zu dem Erkenntnisprozess Ihrer Kollegen in Niedersachsen bei, aber auch Sie sollten sich einmal darum kümmern, was eigentlich bei weiterer Versalzung der Marschen in der Region Unterweser passiert, wenn wir uns die Landwirtschaft dort anschauen, und das ist etwas, was Sie auch ganz nahe zu sich heranholen sollten, wenn Sie über diese Dinge nachdenken!

Es geht schlichtweg um die Existenz von Ökosystemen, und deswegen ist es gerade so wichtig, dass eine außerordentlich gründliche Prüfung dieser Aspekte im Verfahren, das die Wasser- und Schifffahrtsdirektion hier durchführt, gemacht wird. Nichts anderes hat der Umweltsenator noch einmal betont. Es ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, es ist ausgesprochen wichtig, und es gibt in der Koalition nicht den geringsten Widerspruch, dass diese Dinge – Sie können es im Koalitionsvertrag auch noch einmal nachlesen – einen ganz erheblichen Teil der Sorge und auch des Handelns dieser rot-grünen Koalition in Bremen darstellen.

Gleichzeitig, und zwar nicht dagegen, ist eine große Sorge dieser Koalition, und zwar beider Koalitionspartner, natürlich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Lande Bremen – in Bremerhaven besonders, aber die Zahlen für Bremen sind auch noch nicht befriedigend – die Frage, wie wir die wirtschaftliche Tätigkeit in unserem Lande nicht nur aufrechterhalten, sondern ausbauen können. Selbstverständlich ist die Frage der Erreichbarkeit der bremischen Häfen durch die Schiffe dabei eine zentrale Kategorie, die in die

ser Regierung natürlich genauso wichtig wie die ökologischen Belange mit berücksichtigt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn Sie hier versuchen, einen Gegensatz zwischen diesen Fragen aufzumachen, verkennen Sie, dass wir in einem ganz regulären Verfahren der Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes sind, diese Dinge zu prüfen, diese Dinge im Übrigen sehr gründlich dann auch auszuarbeiten, weil man natürlich damit rechnen muss, dass es Umweltverbände gibt, die das vor Gericht dann hinterfragen; da das Ganze ja rechtsfest sein muss, haben wir hier ein Verfahren, das abgearbeitet wird, bei dem am Ende von Bundesseite eine Entscheidung steht.

Wir haben, und das ist kein Makel, sondern das ist sozusagen unsere originäre Rolle als Grüne, selbstverständlich immer darauf hingewiesen, welche großen Bedenken man bei diesen Eingriffen haben muss, wenn man sie am Ende dann macht, und das wird ja der Fall sein, wenn die Wasser- und Schifffahrtsdirektion diese Prüfung positiv abschließt, dass es umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen geben muss, dass wir sehr genau schauen müssen bei den Fragen der Deichssicherheit – das ist das Elementarste, da geht es um Leben und Tod, Sie können das an vielen Flutkatastrophen in dieser Welt, aber auch in Deutschland beobachten –, aber auch bei den Fragen der Versalzung der Marschen, der Tier- und Pflanzenwelt in der Region, welche Ausgleichsmaßnahmen notwendig sind, um diese wirtschaftlich gebotene Maßnahme ökologisch zu begleiten, um das Ganze zu einem Paket zu machen, bei dem wir die Sorgen der Menschen um Arbeitsplätze, aber auch um den Erhalt der Natur und die Sicherheit hinter den Deichen ernst nehmen, als rot-grüne Landesregierung gemeinsam ernst handeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das alles haben Sie nicht begriffen, dass die SPD schon lange in diesen Fragen, ganz genau so wie wir, die Bedeutung dieser Dinge sieht. Einige in Deutschland sind aufgewacht nach der Oder- und Elbe-Katastrophe, die CDU in Bremen schläft in dieser Situation noch weiter vor sich hin.

Lassen Sie mich eine Bemerkung noch machen, von der die Berater immer abraten! Auch in Teilen der Bremer Medien wird so getan, als ob diese Dinge – bei einem Umweltsenator, der diesen Namen wirklich verdient hat, der mit einer Expertise kommt und diese Dinge genau kennt, von denen er hier spricht, quasi in einer Welt, die sich zentral im 21. Jahrhundert um die Klimaerwärmung und um die Sicherheit infolge der Klimaerwärmung dreht –, als ob diese Dinge quasi völlig außerhalb von bremischer Politik

wären. Der Grad an Provinzialität, der dahintersteht, dass etwas, was weltweit diskutiert wird, hier in Bremen nicht stattfinden soll, das kann ich nicht verstehen. Auch wenn das jetzt nach Medienschelte geklungen hat, konnte ich mir diese Bemerkung, sie kam mir aus dem Herzen, nicht verkneifen.

Lassen Sie mich das zusammenfassen in einem Slogan, der für die Grünen immer konstitutiv war, aber in dieser globalisierten Welt von heute umso mehr an Bedeutung hat. Global denken und lokal handeln heißt in diesem Fall nicht, sich in eine falsche Scheindebatte eines Gegensatzes zwischen Wirtschaft und Ökologie hineintreiben lassen, sondern in beiden Dingen ziehen beide Koalitionspartner miteinander an einem Strang. So wird ein Strick daraus, wenn man die Sorgen der Menschen ernst nimmt, und so können wir in diesem Verfahren auch weiterkommen.

Eine weitere Debatte darüber, bevor die Wasserund Schifffahrtsdirektion ihre Entscheidung getroffen hat und bevor dann auch die Maßnahmen etwaiger Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen dann anstehen hier im Hause, wenn sie so wenig Neues zu bieten hat, wie heute von der Opposition kam, halte ich für vollkommen überflüssig. Jetzt geht es darum, dass alle ihre Arbeit tun. Die Koalition ist mit dem Wirtschafts- und Häfensenator und dem Umweltsenator, wie ich finde, gut aufgestellt. Ich kann für die grüne Fraktion sagen, wir finden es außerordentlich gut, dass beide profilierte Senatoren in dieser profilierten Regierung sind. Wir haben damit überhaupt kein Problem, im Gegenteil, und wir wünschen ihnen beiden bei dieser schweren Aufgabe weiterhin viel Erfolg! – Vielen Dank!