Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bödeker.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Hoch, natürlich habe ich die Koalitionsvereinbarung, ich habe sie sogar dabei, gelesen, und natürlich muss man feststellen, in der Koalitionsvereinbarung steht zum Bereich Bremerhaven nichts Wesentliches.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist eine Leseschwäche bei Ih- nen!)

Das nur einmal als Tatsache!

Die Frage, weswegen ich mich gemeldet habe, ist eine, die natürlich von der Linken ideologisch gesehen werden kann, aber ich denke, solche alten Thesen, lieber Herr Müller, sollten wir hier nicht aufgreifen: alles Geld in Beton investiert! Ich weiß ja nicht, wie Sie ein Auswandererhaus bauen wollen, wenn Sie auf Beton nicht zurückgreifen! Die Grundüberlegung, die wir gehabt haben, war, bei einer Monostruktur mit Hafenwirtschaft, mit Werften und mit dem Bereich Fischereihafen, wobei wir bei allen drei Bereichen Riesenkrisen hatten, ein neues Standbein, eine Tourismuskonzeption zu schaffen, die wir umsetzen. Eine Tourismuskonzeption für Besucherinnen und Be

sucher der Region umzusetzen und überregional etwas vorzuhalten, ist nun einmal in erster Linie Dienstleistung. Aber jeder Wirtschaftswissenschaftler wird Ihnen ja auch sagen, dass wir in Deutschland im Bereich der Dienstleistung einen erheblichen Nachholbedarf haben. In Bremerhaven sind wir dabei, das zu beseitigen und hier die Umkehr hinzubekommen. Ich glaube, wir sind da sehr erfolgreich.

Wir haben den Antrag nicht gestellt, lieber Kollege Günthner, um mieszumachen. Sie kennen mich über viele Jahre. Ich bin seit 20 Jahren im kommunalpolitischen Bereich tätig. Ich bin noch nie ein Miesmacher gewesen, sondern wir wollen Bremerhaven nach vorn bringen, und dazu brauchen wir die Hilfe des Landes. Wir haben erhebliche Hilfen bekommen, das darf man nicht verschweigen. Insofern haben Sie recht, das, was – ich hätte beinahe gesagt Kollege, das streiche ich – Herr Tittmann gesagt hat, ist da vollkommen falsch und Schaumschlägerei. Ich denke, wir haben viel umgesetzt, wir sind auf einem guten Weg, aber wir brauchen die Hilfen. Bei den Hilfen ist es ja nicht unbedingt so, dass man alles direkt in Summen einschreibt. Es sind ja viele Zeichen, die wir aussenden.

Wenn wir wollen, dass private Investoren in das Land Bremen und in die Stadtgemeinde Bremerhaven investieren, müssen wir ein investitionsfreundliches Klima schaffen. Zum investitionsfreundlichen Klima gehört dazu, dass bei den Wirtschaftsförderungsgesprächen schnelle Ergebnisse erzielt werden. Ob sie im Endeffekt nun positiv oder negativ sind, ist etwas anderes, aber es muss zunächst einmal schnell gehen. Wir brauchen einen Wirtschaftsstandort, an dem die Menschen gern investieren. Nur wenn wir Investitionen bekommen, bekommen wir Arbeitsplätze. Darüber werden wir uns in den nächsten Monaten und Jahren hier im Hause mit Sicherheit noch auseinandersetzen, weil Sie da eine ganz andere Meinung haben. Diese andere Meinung hat schon einmal dazu geführt, dass das Bundesland Bremen finanziell in eine Krise gekommen ist, und deswegen warne ich davor.

Nur wenn wir Arbeitsplätze schaffen, bekommen wir die Konsolidierung der Haushalte hin. Wir wissen ja selbst, dass wir sie allein gar nicht mehr in Ordnung bringen können, sondern dass wir schon Hilfen brauchen. Deswegen ja auch die Klage! Deswegen müssen wir auch zeigen, dass wir im Bereich von Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen. Ich bin sehr gespannt, liebe Frau Hoch. Ich habe den Koalitionsvertrag auch im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Häfen gelesen. Wir haben auf der einen Seite gerade ein Bremerhavener Problem, das werden wir dann in der nächsten Woche einmal erörtern, wobei ich glaube, da sind wir gar nicht einmal so weit auseinander, weil das so nun wirklich nicht geht. Wir haben auch ein wasserseitiges Problem. Da haben Sie recht deutlich in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben, dass das wohl zu lösen ist. Ich bin ge

spannt, ob das auch so kommen wird, weil es auch für Bremerhaven wesentlich und wichtig ist.

Deswegen werden wir die Problematik Bremerhavens noch lange diskutieren. Aber bitte nicht unter dem Tenor: Es ist alles schlecht, die Lichter gehen bald aus! Das ist Quatsch, wir sind auf einem guten Weg. Wir haben den Sanierungskurs Bremerhavens mutig beschritten, und die Große Koalition in Bremerhaven wird diesen Kurs weiter fortsetzen. – Schönen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Günthner, das kann hier nicht unwidersprochen so stehen bleiben. Sie haben quasi als Märchenonkel der Öffentlichkeit erklärt und suggeriert, Bremerhaven wäre eine Insel der Glückseligen, wir hätten keine Probleme, es wäre alles in Ordnung, aber es ist nicht so. Sie haben aber auch bei Ihrer Aufzählung – Arbeitslosigkeit ist gesunken und alles beschönigt – ganz vergessen, dass zum Teil die Arbeitslosenzahlen gerade in Bremerhaven mit unzähligen Machenschaften, Stichwort Ein-Euro-Job und so weiter, stark beschönigt werden. Sie haben auch ganz vergessen, dass wir eine steigende Anzahl Sozialhilfeempfänger haben. Sie haben bei Ihrer ganzen Aufzählung, Stichwort Auswandererhaus et cetera, ganz vergessen, dass sich eine steigende Zahl Hartz-IV-Empfänger so etwas gar nicht mehr leisten kann.

Die Arbeitslosenzahl und die Zahl der Sozialhilfeempfänger in Bremerhaven steigen, da können Sie noch so eine schöne Rede halten. Es glaubt Ihnen keiner, weil die Realität anders ist, die Bevölkerung weiß es, weil es die Betroffenen sind, und die haben schon Ihre Absichterklärung und was Sie damit meinen deutlich zur Kenntnis genommen, und die haben auch dementsprechend gewählt. Das, was Sie den Leuten hier erklären, ist Schaumschlägerei und unehrlich.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Jede Zahl, die Sie in den Mund nehmen, ist falsch!)

Gehen Sie doch einmal auch zum Beispiel in die sozialen Brennpunkte in den Stadtteilen der Stadt Bremerhaven! Die Leute werden Ihnen da schon erklären, was Realismus ist und wie es in Bremerhaven wirklich aussieht.

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bremerhaven ist eine schöne Stadt, und Bremerhaven ist nicht

nur eine schöne Stadt, sondern sie ist wichtiger Bestandteil des Bundeslandes Bremen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Bremerhaven hat sicherlich viele Probleme. Aber in Bremerhaven, in der Stadt selbst, liegen auch eine Menge Chancen.

Herr Tittmann, Sie bleiben hier, das ist sehr schön, weil ich etwas zu Ihnen sagen möchte. Herr Tittmann, Bremerhaven hat viel verdient, aber eines hat die Stadt nicht verdient, nämlich, dass Sie hier angeblich als Volksvertreter in diesem Hause sitzen und Ihre Reden schwingen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wo ist das Konzept der Deutschen Volksunion zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit? Wo ist das Konzept zur Bekämpfung der Bildungsmisere in der Stadt? Wo ist das Konzept, Herr Tittmann, zur Behebung von Kinderarmut? Sie haben gar kein Konzept, und Sie blasen sich hier auf und schimpfen hier vorn vom Rednerpult! Das ist das Einzige, was Sie können, sich hier mit Floskeln aufblasen. Wir haben hier noch nie, und ich sitze hier jetzt schon acht Jahre im Parlament und habe Sie schon lange miterlebt, einen qualifizierten Antrag von Ihnen gesehen. Das, was Sie hier auskippen, ist Häme. Das, was Sie auskippen, ist Ausländerfeindlichkeit.

Sie diskriminieren hier Menschen, und Sie diskriminieren hier ernsthaft arbeitende Abgeordnete, die vom Volk gewählt sind, die sich dafür einsetzen, dass nach Bremerhaven Gelder gehen und dass in Bremerhaven die Dinge gemacht werden, die Martin Günthner aufgezählt hat, und das ist hier Konsens der demokratisch gewählten Fraktionen. Was wir nicht wollen, ist die Arbeit, die Sie hier angeblich leisten. Sie leisten hier keine Arbeit und dreschen Ihre dummen Reden! Das ist ärgerlich, und das ist hier auch beschämend für das Haus.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU, bei der Linken und bei der FDP)

Das Wort erhält Frau Bürgermeisterin Linnert.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Jungfernrede!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es hier im Hause Konsens ist, dass Bremerhaven als Stadt mit einer besonderen, wie das so neudeutsch heißt, Strukturschwäche und einer besonders großen Anzahl armer Menschen unserer besonderen Unterstützung bedarf. Die

Koalition hat sich das auch vorgenommen, auch in Tradition zu den Koalitionen davor, sicherzustellen, dass Bremerhaven überproportional Unterstützung aus allen Landesprogrammen erhält.

Wir sind uns auch einig, dass es das Ziel sein muss, in Bremerhaven die politischen Grundlagen dafür zu schaffen, dass sich die Wirtschaft entwickeln kann und dass daraus in Folge Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir sind uns hier aber auch einig, Herr Tittmann, dass Politik Rahmenbedingungen schafft und nicht, wie Sie es hier suggerieren wollen, die Welt als Wille und Vorstellung, wo man einfach nur große Reden schwingen muss, und dann läuft das dort schon.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gestatten Sie mir vielleicht eine Bemerkung, und ich bin ja überzeugte Bremerin, deshalb sehen Sie mir das nach! Wenn Sie einmal mit den Kolleginnen und Kollegen aus Flächenländern darüber sprechen würden, was wir hier heute gerade machen, dann würden die auf die Idee kommen, dass wir hier etwas sehr typisch Bremisches machen. Stellen Sie sich einmal einen niedersächsischen Landtagsabgeordneten vor, der sich mit anderen Kolleginnen und Kollegen im Parlament herzhaft darüber streitet, welche Quote an einem Landesprogramm für Wilhelmshaven, Cuxhaven oder Hannover bereitgestellt werden soll! Daran können Sie sehen, das ist auch etwas Schönes in Bremen, aber daran können Sie auch sehen, wie wir der besonderen Bedeutung, die Bremerhaven für das Bundesland Bremen hat, hier Rechnung tragen. Aber man sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu Beginn der Arbeit einer jeden neuen Regierung steht ein Kassensturz. Ich gestehe, bisher habe ich nicht so wahnsinnig viele überraschend schlimme Dinge gefunden. Es klang in der Debatte an, man muss das hier deutlich sagen, die Investitionshaushalte der nächsten Jahre sind bis ins nächste Jahrzehnt hinein vollständig gebunden. Wir werden sogar gezwungen sein, globale Minderausgaben auf das Anschlussinvestitionsprogramm zu legen. Dann frage ich Sie, Herr Bödeker, Herr Ella: 25 Prozent von etwas, was schon weg ist, wie viel ist das denn jetzt eigentlich? Ja, Herr Ella, es tut mir leid, da können Sie hier auch „Ach“ sagen! Ich empfehle Ihnen: kommen Sie in den Haushaltsausschuss, schauen Sie sich die Vorbelastungen des AIP an! Darin sind auch Hafeninvestitionen, da wird dann der Streit darum gehen, ob man das der Bremerhaven-Quote zurechnet oder nicht, das ist ein tiefer Tanker. Aber jetzt mit dieser 25-ProzentDebatte zu glauben, dass man auf die Art und Weise einen Topf Geld in Bremerhaven an die Grenze

stellen kann und man sich dann dafür etwas Neues ausdenken darf, so wie Sie das in Bremerhaven zu suggerieren versucht haben, das entspricht einfach nicht der Realität der Haushalte, so wie wir sie jetzt hier leider vorfinden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Koalition hat sich eine neue Investitionspolitik vorgenommen, die keine neuen Schattenhaushalte einrichten wird, die auf außerhaushaltsmäßige Finanzierungen mit der Fiktion, man könne immer so weiter, auch bis weit in die Zukunft heute Investitionsmaßnahmen tätigen und sie dann zukünftigen Generationen zur Abfinanzierung überlassen, darauf haben wir uns geeinigt, dass das so nicht weitergehen soll. Wir haben uns aber auch darüber verständigt, dass alles, was in Bremerhaven an Landestätigkeit passiert, einer erhöhten Transparenz unterworfen werden soll. Das betrifft insbesondere auch die Investitionspolitik von bremenports.

Wir haben uns darauf verständigt, dass wir keine globalen Töpfe mehr wollen, weil sie Begehrlichkeiten wecken, weil Sie eine Prozentdebatte haben, die letztendlich die Inhalte dessen, was Sie finanzieren wollen, was Sie investieren wollen und vor allen Dingen, was Sie damit erreichen wollen, in den Hintergrund rückt. Die Koalition will konkrete Projekte vor Töpfen und Fonds. Ich bin fest davon überzeugt, dass es Geld spart, dass es auch unsere Wahrnehmung für die Qualität dessen, was wir tun, schärft. Im Übrigen ermöglicht es uns aus meiner Sicht auch überhaupt nur erst einmal, uns verfassungskonform zu verhalten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Ausweisen von Globaltiteln, wie man es gern macht, damit die Verwaltung mehr Macht hat als das Parlament, ist aus meiner Sicht nicht verfassungskonform. Wir unterliegen den Bestimmungen von Artikel 131 a Landesverfassung, wo wir die gesamte Investitionstätigkeit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung unterwerfen müssen und wo genau – –.

(Glocke)

Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Kollegen Ella anzunehmen?

Ich sage den Satz noch zu Ende! Wo wir alle Investitionsmaßnahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung unterwerfen müssen, und erst, wenn die Wirtschaftlichkeitsberechnung dazu kommt, dass wir Vorteile davon haben und in der Zukunft finanziell besser gestellt sind durch die Investitionstätigkeit, erst dann dürfen wir sie machen. Dies gilt für die Investitionstätigkeit des Landes, al

ler Landesinvestitionen in Bremen und in Bremerhaven. – Bitte!

Bitte, Herr Ella!

Frau Linnert, der Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen ist überschrieben mit „Überproportionalen Investitionsanteil für Bremerhaven beibehalten“. Das widerspricht natürlich dem, was Sie gerade gesagt haben.

Nein, das tut es nicht, weil es in dem bisher Gebundenen schon einen überproportionalen Anteil für Bremerhaven gibt. Es ist auch richtig, dass zum Beispiel aus Programmen für Arbeitssicherung, dazu sage ich gleich noch einmal etwas – diese Mittel sind ja nicht gebunden, die Investitionsmittel sind gebunden, auf die haben Sie auch Ihren Redebeitrag bezogen, aber zum Beispiel Mittel für Arbeitsförderung oder Mittel für die Entwicklung der Gesamtschulen sind natürlich nicht gebunden –, Bremerhaven selbstverständlich einen überproportionalen Anteil bekommt.

Haben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte!